Gesetz, betreffend den Ersatz von Kriegsschäden und
Kriegsleistungen.
Vom 14. Juni 1871.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, Koenig
von Preußen etc.
verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrathes und
des Reichstages, was folgt:
Artikel 1.
Für Schäden an Mobilien und
Immobilien, welche im Laufe des letzten Krieges Seitens des Französischen oder Deutschen
Heeres durch Beschießung in dem bisherigen Bundesgebiete oder in Elsaß-Lothringen
belegenen Orte oder durch Brandlegung zu militairischen Zwecken in solchen Orten
verursacht worden sind, wird aus den bereitesten Mitteln der von Frankreich zu
zahlenden Kriegsentschädigung nach folgenden Grundsätzen Vergütung gewährt. |
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1) Die zerstörten Immobilien und Mobilien werden nach dem vollen
Werth vergütet. Hat nur eine Beschädigung der Sachen stattgefunden, so wird für
die hieraus erwachsene Werthsverminderung Ersatz geleistet.
2) Unter dem in Nr. 1. gedachten Werthe ist derjenige zu verstehen, welchen die Sachen zur
Zeit ihrer Zerstörung beziehungsweise Beschädigung gehabt haben.
3) Für Verluste, welche durch Versicherung gedeckt sind, wird Entschädigung nicht
gewährt.
4) Entschädigung für Immobilien wird ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit des
Beschädigten gewährt; jedoch kann nach Umständen Sicherheitsleistung wegen Verwendung
der Entschädigungsgelder zur Wiederherstellung des Grundstücks gefordert werden.
Entschädigung für Mobilien wird nur solchen Beschädigten, welche zur Zeit der
Verkündigung dieses Gesetzes[1] in Deutschland
ihren Wohnsitz haben und sofern sie nicht Deutsche Angehörige sind, nur dann
gewährt, wenn die Regierung ihres Heimathslandes für den gleichen Fall die
Gegenseitigkeit zusagt. |
Artikel 2.
[1] Aus der im Artikel 1. gedachten
Kriegsentschädigung werden ferner diejenigen Kriegsleistungen vergütet, welche von den
Bewohnern von Elsaß-Lothringen im Laufe des letzten Krieges auf Anordnung der Deutschen
Militairbehörden und gegen Anerkenntniß der letzteren geleistet worden sind.
[2] Die Vergütung erfolgt nach Maßgabe der über die Vergütung
von Kriegsleistungen im Norddeutschen Bunde bestehenden gesetzlichen Bestimmungen.
Artikel 3.
Ueber die nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen zu
gewährende Vergütung wird für jeden einzelnen Fall durch Kommissionen endgültig
entschieden, welche von der Landesregierung, in Elsaß-Lothringen vom Reichskanzler zu
bilden sind. Die Kommissionen sind bei ihren Entscheidungen an die Festsetzung
gebunden, welche der Bundesrath zur Wahrung einer angemessenen und gleichmäßigen
Handhabung der Vorschriften im Artikel 1. treffen wird. Ihre Beschlüsse
werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des
Vorsitzenden. Die Kommissionen haben das Recht, die Behörden
selbstständig zu requiriren, Zeugen eidlich zu vernehmen oder vernehmen zu lassen,
eidesstattliche Versicherungen abzunehmen oder abnehmen zu lassen, auch den
Liquidanten präklusivische Fristen für die Anmeldung oder Begründung ihrer Forderungen
zu bestimmen.
Artikel 4.
Die Auszahlung der nach Artikel 3.
festgestellten Vergütung an die Betheiligten geschieht durch die Landesbehörden.
Die Letzteren sind berechtigt, die von ihnen etwa gewährten Vorschüsse in Abzug zu
bringen.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem
Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Berlin, den 14. Juni 1871.[1]
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(L. S.) Wilhelm.
Fürst v. Bismarck.
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