Verordnung, betreffend die Zuständigkeit der Reichsbehörden zur Ausführung des Gesetzes vom 31. März 1873 und die Anstellung der Reichsbeamten.

Vom 23. November 1874.


Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, Koenig von Preußen etc.
verordnen im Namen des Deutschen Reichs, auf Grund des §. 159 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten, vom 31. März 1873 (Reichsgesetzbl. S. 61), was folgt:

§. 1.

  Die Zuständigkeit der Reichsbehörden zur Ausübung derjenigen Funktionen, welche in dem Gesetze, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten, vom 31. März 1873 der obersten Reichsbehörde, den höheren Reichsbehörden, den vorgesetzten Dienstbehörden und den unmittelbar vorgesetzten Behörden beigelegt sind, wird nach Maßgabe des anliegenden Verzeichnisses hierdurch festgestellt.

§. 2.

  Eine Kaiserliche Bestallung erhalten:
1) die Mitglieder der höheren Reichsbehörden, sowie diejenigen Reichsbeamten, welche nach ihrer dienstlichen Stellung denselben vorgehen oder gleichstehen;
2) die Konsuln (Artikel 56 der Reichsverfassung).

§. 3.

  Die Anstellungs-Urkunden der übrigen Reichsbeamten werden im Namen des Kaisers vom Reichskanzler oder von den durch denselben dazu ermächtigten Behörden ertheilt.

§. 4.

  Die §§. 2 und 3 finden auf diejenigen Reichsbeamten keine Anwendung über deren Anstellung durch Reichsgesetz oder vertragsmäßig eine abweichende Bestimmung getroffen ist.


  Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.

  Gegeben Berlin, den 23. November 1874.[1]

(L. S.)     Wilhelm.

Fürst v. Bismarck.


Verzeichniß
der Reichsbehoerden.

I. Oberste Reichsbehoerden.
(Gesetz vom 31. März 1873 §§. 8, 15, 16, 33, 54, 64-66, 68, 69, 75, 81, 84, 85, 96-98, 101, 121, 122, 127, 128, 131, 139, 150, 151, 153.)

  Vorbehaltlich der verfassungsmäßigen Verantwortlichkeit des Reichskanzlers sind zuständig:
1) das Reichskanzler-Amt,
2) das Auswärtige Amt,
3) das Königlich preußische Kriegsministerium,
4) das Königlich sächsische Kriegsministerium,
5) das Königlich württembergische Kriegsministerium,
6) die Kaiserliche Admiralität,
7) das Reichs-Eisenbahn-Amt.


II. Hoehere, der obersten Reichsbehoerde unmittelbar untergeordnete Reichsbehoerden und Vorsteher solcher Behoerden.
(Gesetz vom 31. März 1873 §§. 81, 85, 139, 151, 153.)

A. Auswärtiges Amt.

1) Die Botschafter und die Gesandten,
2) die Minister-Residenten und die Geschäftsträger,
3) die General-Konsuln und die Berufs-Konsuln in Ländern, in welchen ein höherer diplomatischer Beamter nicht residirt.


B. Verwaltung des Reichsheeres.

a. Für das Disziplinarverfahren (Gesetz vom 31. März 1873 §§. 81, 85)

sind zuständig:
1) die kommandirenden Generale,
2) der Chef des Generalstabes der Armee,
3) die Gouverneure von Berlin und Mainz und der Kommandant von Potsdam,
4) der General-Inspekteur des Militär-Erziehungs- und Bildungswesens,
5) der General-Inspekteur des Etappen- und Eisenbahnwesens,
6) der Kommandeur des Kadettenkorps,
7) der Direktor der Kriegsakademie,
8) der Präses der Ober-Examinations-Kommission,
9) das Kuratorium der vereinigten Artillerie- und Ingenieurschule,
10) der Inspekteur der Infanterieschulen,
11) der Chef des Militär-Reitinstituts,
12) der Inspekteur des Militär-Veterinärwesens,
13) der Königlich preußische General-Stabsarzt der Armee und der Königlich württembergische General-Stabsarzt,
14) der Königlich preußische General-Auditeur der Armee, der Vorstand des Königlich sächsischen Ober-Kriegsgerichts und der Königlich württembergische General-Auditeur,
15) der Präses der Artillerie-Prüfungs-Kommission,
16) der Inspekteur der Gewehrfabriken,
17) die Korps-Intendanturen und Intendanten.

b. Für das Verfahren bei Defekten und bei der Verfolgung vermögensrechtlicher Ansprüche (Gesetz vom 31. März 1873 §§. 139, 151, 153)

sind zuständig:
1) die kommandirenden Generale,
2) die Korps-Intendanturen.


C. Verwaltung der Kaiserlichen Marine.

a. Für das Disziplinarverfahren (Gesetz vom 31. März 1873 §§. 81, 85)

sind zuständig:
1) die Kommandos der Marinestationen der Nordsee und der Ostsee,
2) die Marinestations-Intendanturen,
3) die Werften.

b. Für das Verfahren bei Defekten und bei der Verfolgung vermögensrechtlicher Ansprüche (Gesetz vom 31. März 1873 §§. 139, 151, 153)

sind zuständig:
die Marine-Intendanturen.

D. Postverwaltung.
1) Die Ober-Postdirektionen,
2) der Vorsteher des Post-Zeitungsamts,
3) der Vorsteher des deutschen Reichs-Postamts zu Constantinopel.
Bemerkung. Den unter Nr. 2 und 3 genannten Beamten steht die Eigenschaft einer höheren Reichsbehörde nur in Bezug auf das Disziplinarverfahren zu.

E. Telegraphenverwaltung.
Die Telegraphendirektionen.


F. Reichs-Eisenbahnverwaltung.

Die Generaldirektion der Reichs-Eisenbahnen.
Bemerkung. Die Befugniß der Vorsteher höherer Reichbehörden zur Verhängung von Geldstrafen erstreckt sich nicht auf Mitglieder dieser Behörden.


III. Vorgesetzte Dienstbehörden.
(Gesetz vom 31. März 1873 §§. 7, 12, 38, 62.)

  Vorbehaltlich der verfassungsmäßigen Verantwortlichkeit des Reichskanzlers sind zuständig:


A. Auswärtiges Amt.

Die unter II. A. aufgeführten Behörden.


B. Verwaltung des Reichsheeres.

a. Im Allgemeinen

1) das Königlich preußische Kriegsministerium,
2) das Königlich sächsische Kriegsministerium,
3) das Königlich württembergische Kriegsministerium,
4) die unter II. B. a. aufgeführten Behörden,
5) das Königlich preußischen technischen Institute der Artillerie,
6) die Königlich preußische General-Militärkasse und der Königlich preußische General-Kriegskasse,
7) die Königlich preußischen Remontedepots,
8) die Stadtkommandantur von Dresden,
9) die Kommandantur der Festung Königstein,
10) der Kommandeur des Kadettenkorps zu Dresden,
11) der Kommandeur der Unteroffizierschule zu Marienberg,
12) der Direktor der Lehr- und Erziehungsanstalt zu Klein-Struppen,
13) der Direktor der Garnisonschule zu Dresden,
14) die Königlich sächsische Sanitätsdirektion,
15) der Direktor des Königlich sächsischen Artillerie-Werkstätten und Depots,
16) die Königlich sächsische Geniedirektion,
17) das Königlich sächsische Kriegszahlamt,
18) das Königlich württembergische Kriegszahlamt;

b. Für die ausschließlich unter Militärbefehlshabern stehenden Militärbeamten

sind zuständig:
1) die kommandirenden Generale,
2) die Festungs-Inspekteure,
3) die Kommandeure der Fußartillerie-Brigaden als vorgesetzte Instanzen der Artilleriedepots,
4) die Militärabtheilung des Königlich württembergischen Artielleriedepots.

C. Verwaltung der Kaiserlichen Marine.
1) Die Kaiserliche Admiralität,
2) die unter II. C. aufgeführten Behörden.

D. Postverwaltung.
1) Das General-Postamt,
2) die unter II. D. aufgeführten Behörden.

E. Telegraphenverwaltung.
1) Die Generaldirektion der Telegraphen,
2) die Telegraphendirektionen.

F. Eisenbahnverwaltung.
1) Das Reichskanzler-Amt,
2) das Reichs-Eisenbahn-Amt,
3) die Generaldirektion der Reichs-Eisenbahnen.


IV. Unmittelbar vorgesetzte Behörden bezw. Beamte.
(Gesetz vom 31. März 1873 §§. 53, 146.)

A. Verwaltung des Reichsheeres.

a. Für die ausschließlich unter Militärbefehlshabern stehenden Militärbeamten

sind zuständig:
1) die Regiments- bezw. Bataillons-Kommandeure,
2) die Vorstände der Artilleriedepots,
3) die Platzingenieure,
4) die Festungsbaudirektoren,
5) die Direktoren der Kriegsschulen, der Oberfeuerwerkerschule und der Offizier-Reitschule.

b. Außerdem fungiren als unmittelbare Vorgesetzte der ihnen untergebenen Beamten:

1) die Gouverneure und Kommandanten,
2) die Kommandeure der Kadettenhäuser,
3) die Direktoren der Militär-Schießschule, des Militär-Knaben-Erziehungsinstituts zu Annaberg, der vereinigten Artillerie- und Ingenieurschule und der Direktor der Lehr und Erziehungsanstalt zu Klein-Struppen,
4) die Kommandeure der Unteroffizierschulen zu Weißenfels und zu Marienberg,
5) der Unterrichtsdirigent der Zentral-Turnanstalt,
6) die Vorsitzenden der Kuratorien der Garnisonschulen, der Direktor der Garnisonschule zu Dresden,
7) die Direktoren der Gewehrfabriken,
8) die Königlich sächsische Geniedirektion,
9) die Präsides der Gewehr-Revisions-Kommissionen,
10) die Direktoren der technischen Institute der Artillerie,
11) die Kommandanten der Invalidenhäuser,
12) die Korps-Generalärzte, die Königlich sächsische Sanitätsdirektion,
13 der Subdirektor der militärärztlichen Bildungsanstalten, die Chefärzte der Lazarethe, die Chefärzte der Krankentransport-Kommissionen,
14) die Vorsteher der Lazareth-Reservedepots,
15) die Rendanten der General-Militärkasse bezw. General-Kriegskasse,
16) der Rendant der Zahlungsstelle des 14. Armee-Korps, der Rendant des Königlich sächsischen Kriegszahlamts und der Rendant des Königlich württembergischen Kriegszahlamts,
17) die Vorstände der Proviantämter, Reservemagazin-Rendanturen und Depot-Magazinverwaltungen,
18) die Rendanten der Montirungsdepots,
19) die Vorstände der Garnisonverwaltungen,
20) die Vorsteher der Güter-Depots und Magazine an den Sammelstellen,
21) der Präses der Artillerie-Prüfungs-Kommission.
Bemerkung: Die unter Nr. 1 bis 20 aufgeführten Stellen haben im Disziplinarverfahren hinsichtlich der Verhängung von Geldstrafen die Zuständigkeit der im §. 81 Nr. 3 des Gesetzes vom 31. März 1873 erwähnten Behörden und Vorsteher von Behörden.

B. Verwaltung der Kaiserlichen Marine.

a. Für die ausschließlich unter Militärbefehlshabern stehenden Marinebeamten

1) die Kommandeure der Matrosen- und Werftdivisionen, der Schiffsjungen-Abtheilung, des Seebataillons und der Seeartillerie-Abtheilung,
2) die Vorstände der Marine-Artielleriedepots,
3) die Ober-Werftdirektoren,
4) die Direktoren der Marineadademie, der Marineschule, der Maschinistenschulen,
5) die Abtheilungsführer.
b. Außerdem fungiren als unmittelbare Vorgesetzte der ihnen untergebenen Beamten:
1) die Direktoren der Werften,
2) die Hafenbau-Kommissionen zu Kiel und Wilhelmhaven,
3) die Vorstände der Werft-Kassen- und Magazinverwaltungen,
4) der Rendant des Marine-Bekleidungsmagazins,
5) die Vorstände der Marine-Garnisonverwaltungen,
6) das Lootsenkommando zu Wilhelmshaven.

C. Im Uebrigen gelten als unmittelbar vorgesetzte Behörden bezw. Beamte.
1) der Vorsteher jeder Behörde hinsichtlich der bei ihr angestellten Beamten,
2) jede Behörde, welcher eine andere unmittelbar untergeben ist, hinsichtlich des Vorstehers oder, wo ein solcher fehlt, hinsichtlich der Beamten der untergebenen Behörde.

 

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Anmerkung:
[1] Diese Verordnung des Kaisers Wilhelm I. wurde am 28. November 1874 verkündet.


Quelle: Reichs-Gesetzblatt 1874, S. 135-141.


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Verordnung, betreffend die Zuständigkeit der Reichsbehörden zur Ausführung des Gesetzes vom 31. März 1873 und die Anstellung der Reichsbeamten (23.11.1874), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/ksr/1874/reichsbehoerden-zustaendigkeit_vo.html, Stand: aktuelles Datum.


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Letzte Änderung: 03.03.2004
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