Verordnung zur Reichstagswahl.

Vom 6. Februar 1933.


  Auf Grund der §§ 61 Abs. 2 und 167 der Reichsstimmordnung vom 14. März 1924 (Reichsgesetzbl. I S. 173) in der Fassung der Fünften Änderungsverordnung zur Reichsstimmordnung vom 24. Juli 1930 (Reichsgesetzbl. I S. 353) wird hiermit für die Reichstagswahl am 5. März 1933 verordnet:

I. Stimmabgabe im Reiseverkehr

§ 1

  Für Reisende mit Stimmscheinen, denen sich keine Möglichkeit zur Stimmabgabe in einem allgemeinen Abstimmungsraum (§ 41 Reichsstimmordnung) bietet, werden auf einigen großen Übergangsbahnhöfen des innerdeutschen Personenverkehrs sowie auf einigen Übergangsbahnhöfen an der Reichsgrenze besondere Stimmbezirke mit Abstimmungsräumen oder wenigstens besondere Abstimmungsräume einrichten (Stimmabgabe im Reiseverkehr), und zwar auf folgenden Bahnhöfen der Deutschen Reichsbahn:

Aachen Hbf.
Augsburg
Bentheim
Berlin Anhalter Bf.
   "    Friedrichstraße
   "    Görlitzer Bf.
   "    Lehrter Bf.
   "    Potsdamer Bf.
   "    Schlesischer Bf.
   "    Stettiner Bf.
   "    Zoologischer Garten
Bremen Hbf.
Breslau Hbf.
Charlottenburg
Cranenburg
Dt.-Eylau
Dresden Hbf.
Emmerich
Erfurt
Flensburg
Frankfurt/M. Hbf.
Freiburg/Br.
Friedrichshaven (Hafenbahnhof)
Groß Boschpol (Pommern)
Hagenow Land
Hamburg Hbf.
Hannover Hbf.
Insterburg
Karlsruhe Hbf.
Kehl
Koblenz
Köln Hbf.
Königsberg
Leipzig Hbf.
Lindau
Marienburg
München Hbf.
Münster (Westf.) Hbf.
Nürnberg Hbf.
Passau
Regensburg
Saßnitz Hafen
Stettin
Stuttgart Hbf.
Tilsit
Trier
Warnemünde

§ 2

  Die zur Abgrenzung der Stimmbezirke berufenen Behörden (§ 165 Reichsstimmordnung), die für die im § 1 aufgeführten Bahnhöfe in Betracht kommen, setzen sich wegen Bereitstellung geeigneter Bahnhofsräume (in Wartesäulen usw.) mit den zuständigen Reichsbahndirektionen in Verbindung. Die Abstimmungsräume sind durch Aushänge und Hinweistafeln kenntlich zu machen.

§ 3

  Für die Stimmabgabe im Reiseverkehr werden von der zur Abgrenzung der Stimmbezirke zuständigen Behörde nach Benehmen mit der zuständigen Reichsbahndirektion besondere Abstimmungszeiten den Bedürfnissen des Reiseverkehrs entsprechend festgesetzt. Die Abstimmungszeiten müssen innerhalb der 24 Stunden des allgemeinen Wahltages liegen. Der Abstimmungsvorstand besteht aus dem Abstimmungsvorsteher oder seinem Stellvertreter und zwei bis sechs Beisitzern. Für einzelne Zeitabschnitte können gesonderte Abstimmungsvorstände bestellt werden. Dem Kreiswahlleiter ist über Einrichtung der Stimmbezirke und Abstimmungszeiten Mitteilung zu machen.

§ 4

  (1) Bei Ablösung eines Abstimmungsvorstandes werden Stimmurnen, Stimmscheine, Stimmzettel, Wahlumschläge, Abstimmungsniederschrift usw. dem nächstfolgenden Abstimmungsvorstand übergeben. Hierbei wird festgestellt, daß die Stimmurne verschlossen ist und wieviel Stimmscheine bisher abgegeben sind. Die Übergabe ist in der Abstimmungsniederschrift zu vermerken. Der Vermerk wird von dem übergebenden und dem übernehmenden Abstimmungsvorstand durch Unterschrift anerkannt.
  (2) Wird die Stimmabgabe unterbrochen, so wird der Spalt der Stimmurne mit amtlichen Siegeln verschlossen. Die Stimmurne, die Stimmscheine, der Vorrat an Stimmzetteln und Wahlumschlägen, die Abstimmungsniederschrift und sonstige Abstimmungspapiere werden bis zum Beginn der nächsten Abstimmungszeit amtlich verwahrt oder unter ständiger amtlicher Aufsicht gehalten. Im Falle der Unterbrechung genügt es, wenn von dem nächstfolgenden Abstimmungsvorstand der Abstimmungsvorsteher oder sein Stellvertreter und ein Beisitzer der Übernahme beiwohnen.

§ 5

  (1) Wird die Abstimmung um 6 Uhr nachmittags oder früher beendet, so stellt der zuletzt tätige Abstimmungsvorstand nur die Zahl der abgegebenen Umschläge und Stimmscheine fest. Die ungeöffneten Umschläge versiegelt der Abstimmungsvorsteher oder sein Stellvertreter in Gegenwart der übrigen Mitglieder des Abstimmungsvorstandes in einem Paket, das er mit der Abstimmungsniederschrift und den abgegebenen Stimmscheinen unverzüglich dem Abstimmungsvorsteher des nächstgelegenen allgemeinen Stimmbezirks übergibt, der die Stimmen zusammen mit den Stimmen seines allgemeinen Stimmbezirks verrechnet.
  (2) Endigt die Abstimmung nach 6 Uhr nachmittags, so stellt der zuletzt tätige Abstimmungsvorsteher das Ergebnis fest und gibt es nach § 124 Reichsstimmordnung weiter.

§ 6

  Im übrigen gelten die allgemeinen Wahlvorschriften auch für die Stimmabgabe im Reiseverkehr.

§ 7

  Die durch die Einrichtung der Stimmabgabe im Reiseverkehr den Gemeinden erwachsenden Barauslagen werden voll vom Reiche getragen.

II. Stimmabgabe auf der Leipziger Messe

§ 8

  Der Oberbürgermeister von Leipzig wird ermächtigt, mit Rücksicht auf die Leipziger Messe am Wahltage auf dem Messegelände sowohl wie im Innern der Stadt Leipzig besondere Stimmbezirke mit Abstimmungsräumen einzurichten. Für diese Stimmbezirke kann die Abstimmungszeit auf den ganzen Wahltag ausgedehnt werden. Im übrigen gelten für diese besonderen Abstimmungsbezirke die Vorschriften über die Stimmabgabe im Reiseverkehr entsprechend.

III. Nummernfolge der Wahlvorschläge

§ 9

  Die Nummernfolge der Reichswahlvorschläge der Parteien, die Abgeordnete in den letzten Reichstag entsandt haben, oder zu denen sich Abgeordnete des letzten Reichstags bekannt haben, ist folgende:
     1 = Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
     2 = Sozialdemokratische Partei Deutschlands
     3= Kommunistische Partei Deutschlands
     4 = Zentrum
     5 = Deutschnationale Volkspartei
     6 = Bayrische Volkspartei
     7 = Deutsche Volkspartei
     8 = Christlich-Sozialer Volksdienst (Evangelische Bewegung)
     9 = Deutsche Staatspartei
   10 = Deutsche Bauernpartei
   11 = Landbund (Württembergischer Bauern- und Weingärtnerbund)
   12 = Deutsch-Hannoversche Partei
   13 = Thüringer Landbund
   14 = Reichspartei des Deutschen Mittelstandes (Wirtschaftspartei)

§ 10

  Parteien, die im letzten Reichstag durch Abgeordnete vertreten waren, können auf einen beim Reichsminister des Innern zu stellenden Antrag statt der ihnen zufolge ihres Anschlusses an den Reichswahlvorschlag einer anderen Partei nach § 62 Abs. 3 Reichsstimmordnung zustehenden Nummer mit Buchstabenzusatz für ihre Kreiswahlvorschläge die Nummer behalten, die ihnen nach § 9 dieser Verordnung zusteht.

§ 11

  Im übrigen erhalten Parteien, die ihren Anschluß an den Reichswahlvorschlag einer anderen Partei erklären, auf dem Stimmzettel die Nummer dieses Reichswahlvorschlags mit Buchstabenzusatz nach § 62 Abs. 3 Reichsstimmordnung nur, wenn sie innerhalb der Frist zur Einreichung der Anschlußerklärung eine Zustimmung darüber beibringen, daß der Vertrauensmann des Reichswahlvorschlags, an den der Anschluß erklärt ist, mit dem Anschluß einverstanden ist. Andernfalls erhalten sie die Nummer nach § 62 Abs. 2 Satz 2 Reichsstimmordnung.

IV. Seemannswahlen

§ 12

  (1) Als Seeleute im Sinne des § 111a Reichsstimmordnung sind besonders auch zu behandeln:
  a) Handelsschiffkapitäne, die sich durch ihr Patent ausweisen, und alle sonstigen zur Besatzung des Handelsschiffes gehörenden Personen mit Dauerausweis über ihren Beruf;
  b) die Besatzung von fiskalischen Leuchttürmen und Wasserfahrzeugen auf Seewasserstraßen und in Küstengewässern;
  c) die Zivilbesatzung der Leuchttürme und der Schiffe der Reichsmarine (Werft-, Lotsendampfer, Wasserprähme, Feuerschiffe);
  d) die Zivilbesatzung der Kriegsschiffe (Friseure, Köche, Kantinenpächter, Handwerker usw.) sowie alle sonstigen planmäßig oder überplanmäßig auf Kriegsschiffen eingeschifften Stimmberechtigten.

  (2) Die im Abs. 1 unter b bis d aufgeführten Personen sind zur Stimmabgabe nach § 111a Reichsstimmordnung zuzulassen, wenn sie neben dem Stimmschein eine Bescheinigung der zuständigen Dienststelle vorlegen, daß sie aus dienstlichen Gründen am Wahltage ihr Stimmrecht an Land nicht ausüben können.

§ 13

  Die zur Abgrenzung der Stimmbezirke zuständigen Behörden werden ermächtigt, die Abstimmungszeit für Seeleute abweichend von § 111a Ziffer 4 Reichsstimmordnung den örtlichen Bedürfnissen entsprechend festzusetzen. Die tägliche Abstimmungszeit muß mindestens zwei Stunden dauern.

V. Abstimmung auf Seefahrzeugen (Bordwahl)

§ 14

  Für deutsche Seefahrzeuge, die in das Schiffsregister eingetragen sind und am Abstimmungstage voraussichtlich fünfzig Stimmberechtigte an Bord haben, wird ein Abstimmungsbezirk gebildet, der zum Heimathafen des Schiffes zählt. Auch wird ein Abstimmungsvorsteher und ein Stellvertreter des Abstimmungsvorstehers ernannt. Die Bildung der Abstimmungsbezirks und die Ernennung des Abstimmungsvorstehers und seines Stellvertreters obliegt der für den Heimathafen nach § 165 Reichsstimmordnung zuständigen Behörde.

§ 15

  Die Gemeindebehörde des Heimathafens versorgt das Schiff mit Abstimmungsgeräten, mit Stimmzetteln, Umschlägen und Vordrucken zur Abstimmungsniederschrift. Für Seefahrzeuge, die vor dem Wahltage nicht mit den allgemeinen Stimmzetteln versorgt werden können, werden die Stimmzettel an Bord durch Druck oder auf anderem Vervielfältigungswege hergestellt. Der für den Heimathafen zuständige Kreiswahlleiter teilt zu diesem Zwecke im Benehmen mit dem Schiffseigner dem Schiffe den Inhalt des amtlichen Stimmzettels auf dem Funkwege mit.

§ 16

  (1) Zur Teilnahme an der Abstimmung an Bord (Bordwahl) sind berechtigt solche Passagiere, die im Besitze eines Stimmscheines sind.
  (2) Zur Teilnahme an der Bordwahl sind außerdem berechtigt die mit Stimmschein versehenen Angehörigen der Schiffsbesatzung, sofern für die Besatzung keine Möglichkeit besteht, in den zehn Tagen vor oder in den fünf Tagen nach dem allgemeinen Abstimmungstag (§ 111 a Reichsstimmordnung) an Land abzustimmen.

§ 17

  (1) Befinden sich am Wahltage auf einem Schiffe, für das ein Abstimmungsbezirk gebildet worden ist (§ 14), mindestens fünfzig nach § 16 zur Teilnahme an der Bordwahl berechtigte Stimmscheininhaber, so hat der an Bord befindliche Abstimmungsvorsteher die Bordwahl anzusetzen. Er beruft einen Abstimmungsvorstand und gibt spätestens am Tage vor dem Wahltage durch Anschlag den Abstimmungsraum und die Abstimmungszeit bekannt. Die Abstimmungszeit ist nach der Zahl der Stimmscheininhaber zu bemessen und soll so gelegt werden, daß allen Stimmscheininhabern Gelegenheit gegeben ist, an der Bordwahl teilzunehmen. Unter Umständen kann die Abstimmungshandlung unterbrochen werden. Für die Dauer der Unterbrechung ist der Spalt der Stimmurne mit Siegeln zu verschließen.
  (2) Während des Aufenthalts des Schiffes im Hafen eines fremden Staates oder seinen Hoheitsgewässern findet eine Bordwahl nicht statt.

§ 18

  Der Schiffskapitän meldet möglichst vor oder alsbald nach Antritt der Reise dem Kreiswahlleiter, erforderlichenfalls durch Funkspruch, ob an Bord seines Schiffes eine Bordwahl stattfindet.

§ 19

  Das Abstimmungsergebnis wird nach den allgemeinen Vorschriften festgestellt und vom Abstimmungsvorsteher dem Kreiswahlleiter des Heimathafens unverzüglich, erforderlichenfalls durch Funkspruch, übermittelt. Die Abstimmungsniederschrift mit ihren Anlagen und die gültigen Stimmzettel (§ 126 Reichsstimmordnung) werden mit der nächsten Post dem Kreiswahlleiter übermittelt.

§ 20

  Im übrigen gelten die allgemeinen Wahlvorschriften auch für die Bordwahl.

VI. Abstimmungszeit

§ 21

  In ländlichen Stimmbezirken mit weniger als 1 000 Einwohnern kann die zur Abgrenzung der Stimmbezirke zuständige Behörde, abweichend von § 112 Satz 2 Reichsstimmordnung, den Beginn der Abstimmungszeit auch früher, jedoch nicht früher als auf 7 Uhr vormittags, oder auch später, jedoch nicht später als auf 11 Uhr vormittags festzusetzen; die gekürzte Abstimmungszeit muß ununterbrochen mindestens sechs Stunden dauern und darf nicht vor 2 Uhr nachmittags schließen.


  Berlin, den 6. Februar 1933.

Der Reichsminister des Innern
Frick

 

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Quelle: Reichsgesetzblatt 1933 I, S. 49-51.


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Verordnung zur Reichstagswahl (06.02.1933), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/ns/neuwahl-rt_vo.html, Stand: aktuelles Datum.


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