Gesetz, betreffend die Organisation der Bundeskonsulate, sowie
die Amtsrechte und Pflichten der Bundeskonsuln.
Vom 8. November 1867.[1]
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen etc.
verordnen im Namen des Norddeutschen Bundes, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrathes
und des Reichstages, was folgt:
I. Organisation der Bundeskonsulate.
§. 1.
Die Bundeskonsuln sind berufen, das Interesse des Bundes,
namentlich in Bezug auf Handel, Verkehr und Schiffahrt thunlichst zu schützen und zu
fördern, die Beobachtung der Staatsverträge zu überwachen und den Angehörigen der
Bundesstaaten, sowie anderer befreundeter Staaten in ihren Angelegenheiten Rath und
Beistand zu gewähren. Sie müssen hierbei nach den Bundesgesetzen und den ihnen
ertheilten Instruktionen sich richten und die durch die Gesetze und die Gewohnheiten ihres
Amtsbezirks gebotenen Schranken einhalten.
§. 2.
Unter Konsul im Sinne dieses Gesetzes ist der Vorsteher eines
Generalkonsulats, Konsulats oder Vizekonsulats zu verstehen.
§. 3.
[1] Die Bundeskonsuln sind der Aufsicht des Bundeskanzlers
unterworfen. In Angelegenheiten von allgemeinem Interesse berichten sie an den
Bundeskanzler und empfangen von ihm ihre Weisungen. In dringlichen Fällen haben sie
gleichzeitig die erforderlichen Anzeigen über erhebliche Thatsachen unmittelbar an die
zunächst betheiligten Regierungen gelangen zu lassen.
[2] In besonderen, das Interesse eines einzelnen Bundesstaates oder einzelner
Bundesangehöriger betreffenden Geschäftsangelegenheiten berichten sie an die Regierung
des Staates, um dessen besonderes Interesse es sich handelt, oder dem die betheiligte
Privatperson angehört; auch kann ihnen in solchen Angelegenheiten die Regierung eines
Bundesstaates Aufträge ertheilen und unmittelbare Berichtserstattungen verlangen.
§. 4.
Die Bundeskonsuln werden vor Antritt ihres Amtes dahin vereidet,
daß sie ihren Dienstpflichten gegen den Norddeutschen Bund nach Maaßgabe des Gesetzes
und der ihnen zu ertheilenden Instruktionen treu und gewissenhaft erfüllen und das Beste
des Bundes fördern wollen.
§. 5.
Die Bundeskonsuln können ohne Genehmigung des Bundespräsidiums
weder Konsulate fremder Mächte bekleiden, noch Geschenke oder Orden von fremden
Regierungen annehmen.
§. 6.
Bundeskonsuln, welche sich von ihrem Amte ohne Urlaub entfernt
halten, werden so angesehen, als ob sie die Enthebung von ihrem Amte nachgesucht hätten.
§. 7.
Zum Bundeskonsuln (consul missus)
kann nur derjenige ernannt werden, welchem das Bundesindigenat zusteht und welcher
zugleich |
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1) entweder die zur juristischen Laufbahn in den einzelnen Bundesstaaten
erforderliche erste Prüfung bestanden hat und außerdem mindestens drei Jahre im inneren
Dienste oder in der Advokatur und mindestens zwei Jahre im Konsulatsdienste des Bundes
oder eines Bundesstaates beschäftigt gewesen ist, oder
2) die besondere Prüfung bestanden hat, welche für die Bekleidung des Amtes eines
Berufskonsuls einzuführen ist. Die näheren Bestimmungen über diese Prüfung werden von
dem Bundeskanzler erlassen.
Die vorstehenden Bestimmungen kommen jedoch erst vom 1. Januar 1873. ab zur Anwendung. |
§. 8.
[1] Die Berufskonsuln erhalten Besoldung nach Maaßgabe des
Bundeshaushalts-Etats.
[2] Reise- und Einrichtungskosten, sowie sonstige Dienstausgaben werden ihnen aus
Bundesmitteln besonders erstattet.
[3] Die Familien der Berufskonsuln werden, wenn letztere während ihrer Amtsdauer
sterben, auf Bundeskosten in die Heimath zurückbefördert.
[4] Die Berufskonsuln erheben die in dem Konsular-Tarife vorgesehenen Gebühren
für Rechnung der Bundeskasse.
[5] Die Berufskonsuln dürfen keine kaufmännischen Geschäfte betreiben.
[6] In Bezug auf den Amtsverlust, die Dienstentlassung, die Versetzung in den
Ruhestand und die Amtssuspension unterliegen die Berufskonsuln bis zum Erlaß eines
Bundesgesetzes den in dieser Beziehung für die Preußischen diplomatischen Agenten zur
Zeit geltenden Vorschriften mit der Maaßgabe, daß die in diesen Vorschriften dem
Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten beiwohnenden Zuständigkeiten dem
Bundeskanzler und die nach denselben dem Disziplinarhofe und dem Staatsministerium
beiwohnenden Zuständigkeiten dem Bundesrathe gebühren.
§. 9.
Zu Wahlkonsuln (consules electi) sollen vorzugsweise Kaufleute
ernannt werden, welchen das Bundesindigenat zusteht.
§. 10.
[1] Die Wahlkonsuln beziehen die in Gemäßheit des Konsular-Tarifs zu
erhebenden Gebühren für sich.
[2] Dienstliche Ausgaben können ihnen aus Bundesmitteln ersetzt werden.
[3] Ihre Anstellung ist jederzeit ohne Entschädigung widerruflich.
§. 11.
[1] Die Konsuln können mit Genehmigung des Bundeskanzlers in
ihrem Amtsbezirke konsularische Privatbevollmächtigte (Konsular-Agenten) bestellen.
[2] Den Konsular-Agenten steht die selbstständige Ausübung der in diesem Gesetze
den Konsuln beigelegten Rechte nicht zu.
[3] Den Konsular-Agenten können die von ihnen nach Maaßgabe des Konsular-Tarifs
erhobenen Gebühren ganz oder theilweise belassen werden.
II. Amtsrechte und Pflichten der Bundeskonsuln.
§. 12.
[1] Jeder Bundeskonsul hat über die in seinem Amtsbezirke
wohnenden und zu diesem Behufe bei ihm angemeldeten Bundesangehörigen eine Matrikel zu
führen.
[2] So lange ein Bundesangehöriger in die Matrikel eingetragen ist, bleibt ihm
sein heimathliches Staatsbürgerrecht erhalten, auch wenn dessen Verlust lediglich in
Folge des Aufenthalts in der Fremde eintreten würde.
§. 13.
[1] Die Befugniß der Konsuln zu Eheschließungen und zur
Beurkundung der Heirathen, Geburten und Sterbefälle der Bundesangehörigen bestimmt sich
bis zum Erlaß eines diese Befugniß regelnden Bundesgesetzes nach den Landesgesetzen der
einzelnen Bundesstaaten.
[2] Wenn nach den Landesgesetzen die Befugniß von einer besonderen Ermächtigung
abhängig ist, so wird die letztere von dem Bundeskanzler auf Antrag der Landesregierung
ertheilt.
§. 14.
Die Bundeskonsuln sind befugt zur Legalisation derjenigen
Urkunden, welche in ihrem Amtsbezirke ausgestellt oder beglaubigt sind.
§. 15.
Die schriftlichen Zeugnisse, welche von den Bundeskonsuln über
ihre amtlichen Handlungen und die bei Ausübung ihres Amtes wahrgenommenen Thatsachen
unter ihrem Siegel und ihrer Unterschrift ertheilt sind, haben die Beweiskraft
öffentlicher Urkunden.
§. 16.
Den Bundeskonsuln steht innerhalb ihres Amtsbezirks in Ansehung
der Rechtsgeschäfte, welche Bundesangehörige errichten, inbesondere auch derjenigen,
welche dieselben mit Fremden schließen, das Recht der Notare zu, dergestalt, daß die von
ihnen aufgenommenen und mit ihrer Unterschrift und ihrem Siegel versehenen Urkunden den
innerhalb der Bundesstaaten aufgenommenen Notariats-Urkunden gleich zu achten sind.
§. 17.
[1] Bei Aufnahme der Urkunden (§. 16.) haben
die Bundeskonsuln zwei Zeugen zuzuziehen, in deren Gegenwart die Verhandlung vorzulesen
und von den Betheiligten durch Unterschrift oder im Falle der Schreibunerfahrenheit durch
Handzeichen zu vollziehen ist.
[2] Die Befolgung die Vorschriften muß aus der Urkunde hervorgehen, widrigenfalls
dieselbe nicht die Kraft einer Notariats-Urkunde hat. Diese Kraft mangelt auch in dem
Falle, wenn der Konsul oder seine Frau oder einer von seinen oder seiner Frau Verwandten
oder Verschwägerten in auf- oder ansteigender Linie oder in der Seitenlinie bis zum Grade
des Oheims oder Neffen einschließlich bei der Verhandlung betheiligt war, oder wenn darin
eine Verfügung zu Gunsten einer der vorgenannten Personen oder der hinzugezogenen Zeugen
getroffen ist.
§. 18.
Die Bundeskonsuln sind berufen, der in ihrem Amtsbezirke
befindlichen Verlassenschaften verstorbener Bundesangehöriger, wenn ein amtliches
Einschreiten wegen Abwesenheit der nächsten Erben oder aus ähnlichen Gründen geboten
erscheint, sich anzunehmen; sie sind hierbei insbesondere ermächtigt, den Nachlaß zu
versiegeln und zu inventarisiren, den beweglichen Nachlaß, wenn die Umstände es
erfordern, in Verwahrung zu nehmen und öffentlich zu verkaufen, sowie die vorhandenen
Gelder zur Tilgung der feststehenden Schulden zu verwenden.
§. 19.
Die Bundeskonsuln können innerhalb ihres Amtsbezirks an die dort
sich aufhaltenden Personen auf Ersuchen der Behörden eines Bundesstaates Zustellungen
jeder Art bewirken. Durch das schriftliche Zeugniß des Konsuls über die erfolgte
Zustellung wird diese nachgewiesen.
§. 20.
Zur Abhörung von Zeugen und zur Abnahme von Eiden sind nur
diejenigen Bundeskonsuln befugt, welche dazu vom Bundeskanzler besonders ermächtigt sind.
Die von diesen Konsuln aufgenommenen Verhandlungen stehen den Verhandlungen der
zuständigen inländischen Behörden gleich.
§. 21.
Bei Rechtsstreitigkeiten der Bundesangehörigen unter sich und mit
Fremden sind die Bundeskonsuln berufen, nicht allein auf Antrag der Parteien den Abschluß
von Vergleichen zu vermitteln, sondern auch das Schiedsrichteramt zu übernehmen, wenn sie
in der durch die Ortsgesetze vorgeschriebenen Form von den Parteien zu Schiedsrichtern
ernannt werden.
§. 22.
[1] Den Bundeskonsuln steht eine volle Gerichtsbarkeit zu, wenn
sie in Ländern residiren, in welchen ihnen durch Herkommen oder durch Staatsverträge die
Ausübung der Gerichtsbarkeit gestattet ist.
[2] Der Konsulargerichtsbarkeit sind alle in den Konsular-Jurisdiktionsbezirken
wohnenden oder sich aufhaltenden Bundesangehörigen und Schutzgenossen unterworfen. In
Betreff der polizeilichen Verbrechen und Vergehen jedoch nur, wenn diese nicht innerhalb
des Norddeutschen Bundes oder in Beziehung auf denselben verübt sind.
§. 23.
Die Jurisdiktionsbezirke der einzelnen Konsuln werden von dem
Bundeskanzler nach Vernehmung des Ausschusses des Bundesrathes für Handel und Verkehr
bestimmt.
§. 24.
[1] Bis zum Erlasse eines Bundesgesetzes über die
Konsulargerichtsbarkeit wird dieselbe von den Bundeskonsuln nach Maaßgabe des über die
Gerichtsbarkeit der Konsuln in Preußen erlassenen Gesetzes vom 29. Juni 1865.
(Gesetz-Samml. S. 681) ausgeübt. Die nach diesem Gesetze den Preußischen Ministern und
Gesandten übertragenen Befugnisse stehen jedoch dem Bundeskanzler zu.
[2] Neue Bundesgesetze erlangen in den
Konsular-Jurisdiktionsbezirken nach Ablauf von sechs Monaten, von dem Tage gerechnet, an
welchem dieselben durch das Bundesgesetzblatt verkündet worden sind, verbindliche Kraft.
§. 25.
Die Bundeskonsuln sind befugt, den in ihrem Amtsbezirke sich
aufhaltenden Bundesangehörigen Pässe auszustellen, sowie Pässe zu visiren, die Pässe
fremder Behörden jedoch nur zum Eintritt in das Bundesgebiet.
§. 26.
Hülsbedürftige Bundesangehörigen haben die Bundeskonsuln die
Mittel zur Milderung augenblicklicher Noth oder zur Rückkehr in die Heimath nach
Maaßgabe der ihnen ertheilten Amtsinstruktion zu gewähren.
§. 27.
Die Bundeskonsuln haben den Schiffen der Bundes-Kriegsmarine,
sowie der Besatzung derselben Beistand und Unterstützung zu gewähren. Insbesondere
müssen sie die Befehlshaber derselben von den in ihrem Amtsbezirke in Bezug auf fremde
Kriegsschiffe bestehenden Vorschriften und Ortsgebräuchen, sowie von etwas dort
herrschenden epidemischen und ansteckenden Krankheiten unterrichten.
§. 28.
Wenn Mannschaften von Kriegsschiffen desertiren, so haben die
Bundeskonsuln bei den Orts- und Landesbehörden die zur Wiederhabhaftwerdung derselben
erforderlichen Schritte zu thun.
§. 29.
Die Bundeskonsuln haben zum Schutze der von ihnen dienstlich zu
vertretenden Interessen, insbesondere zum Transport von Verbrechern und hülfsbedürftigen
Personen, den Beistand der Befehlshaber der Kriegsschiffe in Anspruch zu nehmen.
§. 30.
Die Bundeskonsuln haben die Innehaltung der wegen Führung der
Bundesflagge bestehenden Vorschriften zu überwachen.
§. 31.
Sie haben die Meldung der Schiffsführer entgegen zu nehmen und an
den Bundeskanzler über Unterlassung dieser Meldung zu berichten.
§. 32.
Sie bilden für die Schiffe der Bundes-Handelsmarine im Hafen ihrer Residenz die
Musterungsbehörde.
§. 33.
Sie sind befugt, über diese Schiffe die Polizeigewalt auszuüben.
§. 34.
Wenn Mannschaften von solchen Schiffen desertiren, so haben die
Bundeskonsuln auf Antrag des Schiffers bei den Orts- oder Landesbehörden die zur
Wiederhabhaftwerdung derselben erforderlichen Schritte zu thun.
§. 35.
Die Bundeskonsuln sind befugt, an Stelle eines gestorbenen,
erkrankten oder sonst zur Führung eines Schiffes untauglich gewordenen Schiffers auf den
Antrag der Betheiligten einen neuen Schiffsführer einzusetzen.
§. 36.
Sie sind befugt, die Verklarungen aufzunehmen, und bei Unfällen,
von welchen die Schiffe betroffen werden, die erforderlichen Bergungs- und
Rettungsmaaßregeln einzuleiten und zu überwachen, sowie in Fällen der großen Haverei
auf Antrag des Schiffsführers die Dispache aufzumachen.
§. 37.
In Betreff der Befugniß der Konsuln zur Mitwirkung bei dem
Verkaufe eines Schiffes durch den Schiffer und bei Eingehung von Bodmereigeschäften,
sowie in Betreff der einstweiligen Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Schiffer und
Mannschaft sind die Vorschriften Art. 499. 537. 547. 686. des Allgemeinen Deutschen
Handelsgesetzbuches maaßgebend; in Betreff ihrer Befugniß zur Ertheilung von
interimistischen Schiffscertifikaten bewendet es bei den Vorschriften des Bundesgesetzes,
betreffend die Nationalität der Kauffahrteischiffe und ihrer Befugniß zur Führung der
Bundesflagge, vom 25. Oktober 1867.
§. 38.
Die von den Bundeskonsuln zu erhebenden Gebühren werden durch
Bundesgesetz festgestellt. Bis zum Inkrafttreten eines solchen Gesetzes erfolgt die
Gebührenerhebung nach einem von dem Bundeskanzler im Einvernehmen mit dem Ausschusse des
Bundesrathes für Handel und Verkehr zu erlassenden provisorischen Tarife.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem
Bundes-Insiegel.
Gegeben Berlin, den 8. November 1867.[2]
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(L. S.) Wilhelm.
Gr. v. Bismarck-Schönhausen. |
Ausgegeben zu Berlin den 19. November 1867.
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