Grundgesetz
für die Bundesrepublik Deutschland
vom 23. Mai 1949
(zuletzt geändert durch Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 22. Dezember 2000)
Der Parlamentarische Rat hat am 23. Mai 1949 in Bonn a. Rh. in
öffentlicher Sitzung festgestellt, daß das am 8. Mai des Jahres 1949 vom
Parlamentarischen Rat beschlossene Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der
Woche vom 16.-22. Mai 1949 durch die Volksvertretungen von mehr als Zweidritteln der
beteiligten deutschen Länder angenommen worden ist.
Auf Grund dieser Feststellung hat der Parlamentarische Rat, vertreten durch seinen
Präsidenten, das Grundgesetz ausgefertigt und verkündet.
Das Grundgesetz wird hiermit gemäß Artikel 145 Absatz 3 im
Bundesgesetzblatt veröffentlicht:
Präambel
Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als
gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat
sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.
Die Deutschen in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen,
Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen,
Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen
haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet. Damit
gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk.
I. Die Grundrechte
Artikel 1
[Menschenwürde; Grundrechtsbindung der staatlichen Gewalt]
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist
Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen
Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der
Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und
Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
Artikel 2
[Allgemeine Handlungsfreiheit; Freiheit der Person, Recht auf Leben]
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht
die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das
Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person
ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Artikel 3
[Gleichheit vor dem Gesetz; Gleichberechtigung von Männern und Frauen;
Diskriminierungsverbote]
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche
Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung
bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner
Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen
Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung
benachteiligt werden.
Artikel 4
[Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit]
(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und
weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das
Nähere regelt ein Bundesgesetz.
Artikel 5
[Meinungs-, Informations-, Pressefreiheit; Kunst und Wissenschaft]
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu
verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die
Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden
gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den
gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre
entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Artikel 6
[Ehe und Familie; nichteheliche Kinder]
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die
zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche
Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines
Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder
wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre
leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie
den ehelichen Kindern.
Artikel 7
[Schulwesen]
(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.
(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am
Religionsunterricht zu bestimmen.
(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der
bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen
Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der
Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden,
Religionsunterricht zu erteilen.
(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als
Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den
Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren
Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte
nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach
den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genelmigung ist zu
versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend
gesichert ist.
(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein
besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten,
wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet
werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.
(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.
Artikel 8
[Versammlungsfreiheit]
(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne
Waffen zu versammeln.
(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund
eines Gesetzes beschränkt werden.
Artikel 9
[Vereinigungs-, Koalitionsfreiheit]
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder
die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der
Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen
Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden,
die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete
Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12 a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87 a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und
Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1
geführt werden.
Artikel 10
[Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis]
(1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.
(2) Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Dient die
Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des
Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen,
daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle des Rechtsweges die
Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.
Artikel 11
[Freizügigkeit]
(1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.
(2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für die
Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden
ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden oder in denen es zur
Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische
Grundordnung des Bundes oder eines Landes, zur Bekämpfung von Seuchengefahr,
Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen, zum Schutze der Jugend vor
Verwahrlosung oder um strafbaren Handlungen vorzubeugen, erforderlich ist.
Artikel 12
[Berufsfreiheit; Verbot der Zwabngsarbeit]
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu
wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt
werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer
herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
Artikel 12 a
[Wehr- und Dienstpflicht]
(1) Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den
Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden.
(2) Wer aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, kann zu einem
Ersatzdienst verpflichtet werden. Die Dauer des Ersatzdienstes darf die Dauer des
Wehrdienstes nicht übersteigen. Das Nähere regelt ein Gesetz, das die Freiheit der
Gewissensentscheidung nicht beeinträchtigen darf und auch eine Möglichkeit des
Ersatzdienstes vorsehen muß, die in keinem Zusammenhang mit den Verbänden der
Streitkräfte und des Bundesgrenzschutzes steht.
(3) Wehrpflichtige, die nicht zu einem Dienst nach Absatz 1 oder 2 herangezogen sind,
können im Verteidigungsfalle durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes zu zivilen
Dienstleistungen für Zwecke der Verteidigung einschließlich des Schutzes der
Zivilbevölkerung in Arbeitsverhältnisse verpflichtet werden; Verpflichtungen in
öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse sind nur zur Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben
oder solcher hoheitlichen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, die nur in einem
öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis erfüllt werden können, zulässig.
Arbeitsverhältnisse nach Satz 1 können bei den Streitkräften, im Bereich ihrer
Versorgung sowie bei der öffentlichen Verwaltung begründet werden; Verpflichtungen in
Arbeitsverhältnisse im Bereiche der Versorgung der Zivilbevölkerung sind nur zulässig,
um ihren lebensnotwendigen Bedarf zu decken oder ihren Schutz sicherzustellen.
(4) Kann im Verteidigungsfalle der Bedarf an zivilen Dienstleistungen im zivilen
Sanitäts- und Heilwesen sowie in der ortsfesten militärischen Lazarettorganisation nicht
auf freiwilliger Grundlage gedeckt werden, so können Frauen vom vollendeten achtzehnten
bis zum vollendeten fünfundfünfzigsten Lebensjahr durch Gesetz oder auf Grund eines
Gesetzes zu derartigen Dienstleistungen herangezogen werden. Sie dürfen auf keinen Fall
zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden.
(5) Für die Zeit vor dem Verteidigungsfalle können Verpflichtungen nach Absatz 3 nur
nach Maßgabe des Artikels 80 a Abs. 1 begründet werden. Zur
Vorbereitung auf Dienstleistungen nach Absatz 3, für die besondere Kenntnisse oder
Fertigkeiten erforderlich sind, kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes die
Teilnahme an Ausbildungsveranstaltungen zur Pflicht gemacht werden. Satz 1 findet insoweit
keine Anwendung.
(6) Kann im Verteidigungsfalle der Bedarf an Arbeitskräften für die in Absatz 3 Satz 2
genannten Bereiche auf freiwilliger Grundlage nicht gedeckt werden, so kann zur Sicherung
dieses Bedarfs die Freiheit der Deutschen, die Ausübung eines Berufs oder den
Arbeitsplatz aufzugeben, durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden.
Vor Eintritt des Verteidigungsfalles gilt Absatz 5 Satz 1 entsprechend.
Artikel 13
[Unverletzlichkeit der Wohnung]
(1) Die Wohnung ist unverletzlich.
(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in
den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen
Form durchgeführt werden.
(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln
bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf
Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von
Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die
Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder
aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit
drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen
einzelnen Richter getroffen werden.
(4) Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer
gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von
Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge
kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden;
eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.
(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen
tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle
angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur
zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die
Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die
richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.
(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie
über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich
überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom
Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische
Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.
(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr
oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur
Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere
zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter
Jugendlicher vorgenommen werden.
Artikel 14
[Eigentum, Erbrecht, Enteignung]
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch
die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch
Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung
regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit
und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle
der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
Artikel 15
[Sozialisierung]
Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der
Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in
Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die
Entschädigung gilt Artikel 14 Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.
Artikel 16
[Verbot der Ausbürgerung, Auslieferung]
(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der
Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des
Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.
(2) Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden. Durch Gesetz kann eine
abweichende Regelung für Auslieferungen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union
oder an einen internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche
Grundsätze gewahrt sind.
Artikel 16 a
[Asylrecht]
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen
Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des
Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der
Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden
durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des
Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen
eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt
werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen
politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung
noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird
vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er
nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung
politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3
und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich
unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden
und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu
bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der
Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die
unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der
Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren
Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für
die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von
Asylentscheidungen treffen.
Artikel 17
[Petitionsrecht]
Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit
Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.
Artikel 17 a
[Grundrechtseinschränkung im Wehrbereich]
(1) Gesetze über Wehrdienst und Ersatzdienst können bestimmen, daß für die
Angehörigen der Streitkräfte und des Ersatzdienstes während der Zeit des Wehr- oder
Ersatzdienstes das Grundrecht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern
und zu verbreiten (Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 erster Halbsatz), das
Grundrecht der Versammlungsfreiheit (Artikel 8) und das Petitionsrecht
(Artikel 17), soweit es das Recht gewährt, Bitten oder Beschwerden in
Gemeinschaft mit anderen vorzubringen, eingeschränkt werden.
(2) Gesetze, die der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung
dienen, können bestimmen, daß die Grundrechte der Freizügigkeit (Artikel 11)
und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13) eingeschränkt
werden.
Artikel 18
[Verwirkung von Grundrechten]
Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit (Artikel 5 Absatz 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Absatz 3), die
Versammlungsfreiheit (Artikel 8), die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10),
das Eigentum (Artikel 14) oder das Asylrecht (Artikel 16
a) zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt
diese Grundrechte. Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das
Bundesverfassungsgericht ausgesprochen.
Artikel 19
[Einschränkung von Grundrechten;
Wesensgehalts-, Rechtswegegarantie]
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines
Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den
Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels
nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem
Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der
Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der
ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt
unberührt.
II. Der Bund und die Länder
Artikel 20
[Staatsstrukturprinzipien; Widerstandsrecht]
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen
und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der
Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und
die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das
Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Artikel 20 a
[Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen]
Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen
Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und
nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.
Artikel 21
[Parteien]
(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung
ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen
über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich
Rechenschaft geben.
(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf
ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu
beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind
verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das
Bundesverfassungsgericht.
(3) Das Nähere regeln Bundesgesetze.
Artikel 22
[Bundesflagge]
Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold.
Artikel 23
[Europäische Union]
(1) Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei
der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen,
sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet
ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz
gewährleistet. Der Bund kann hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates
Hoheitsrechte übertragen. Für die Begründung der Europäischen Union sowie für
Änderungen ihrer vertraglichen Grundlagen und vergleichbare Regelungen, durch die dieses
Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen oder
Ergänzungen ermöglicht werden, gilt Artikel 79 Abs. 2 und 3.
(2) In Angelegenheiten der Europäischen Union wirken der Bundestag und durch den
Bundesrat die Länder mit. Die Bundesregierung hat den Bundestag und den Bundesrat
umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten.
(3) Die Bundesregierung gibt dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme vor ihrer
Mitwirkung an Rechtsetzungsakten der Europäischen Union. Die Bundesregierung
berücksichtigt die Stellungnahmen des Bundestages bei den Verhandlungen. Das Nähere
regelt ein Gesetz.
(4) Der Bundesrat ist an der Willensbildung des Bundes zu beteiligen, soweit er an einer
entsprechenden innerstaatlichen Maßnahme mitzuwirken hätte oder soweit die Länder
innerstaatlich zuständig wären.
(5) Soweit in einem Bereich ausschließlicher Zuständigkeiten des Bundes Interessen der
Länder berührt sind oder soweit im übrigen der Bund das Recht zur Gesetzgebung hat,
berücksichtigt die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundesrates. Wenn im Schwerpunkt
Gesetzgebungsbefugnisse der Länder, die Einrichtung ihrer Behörden oder ihre
Verwaltungsverfahren betroffen sind, ist bei der Willensbildung des Bundes insoweit die
Auffassung des Bundesrates maßgeblich zu berücksichtigen; dabei ist die gesamtstaatliche
Verantwortung des Bundes zu wahren. In Angelegenheiten, die zu Ausgabenerhöhungen oder
Einnahmeminderungen für den Bund führen können, ist die Zustimmung der Bundesregierung
erforderlich.
(6) Wenn im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betroffen
sind, soll die Wahrnehmung der Rechte, die der Bundesrepublik Deutschland als
Mitgliedstaat der Europäischen Union zustehen, vom Bund auf einen vom Bundesrat benannten
Vertreter der Länder übertragen werden. Die Wahrnehmung der Rechte erfolgt unter
Beteiligung und in Abstimmung mit der Bundesregierung; dabei ist die gesamtstaatliche
Verantwortung des Bundes zu wahren.
(7) Das Nähere zu den Absätzen 4 bis 6 regelt ein Gesetz, das der Zustimmung des
Bundesrates bedarf.
Artikel 24
[Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen]
(1) Der Bund kann durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen
übertragen.
(1a) Soweit die Länder für die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung
der staatlichen Aufgaben zuständig sind, können sie mit Zustimmung der Bundesregierung
Hoheitsrechte auf grenznachbarschaftliche Einrichtungen übertragen.
(2) Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver
Sicherheit einordnen; er wird hierbei in die Beschränkungen seiner Hoheitsrechte
einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den
Völkern der Welt herbeiführen und sichern.
(3) Zur Regelung zwischenstaatlicher Streitigkeiten wird der Bund Vereinbarungen über
eine allgemeine, umfassende, obligatorische, internationale Schiedsgerichtsbarkeit
beitreten.
Artikel 25
[Völkerrecht und Bundesrecht]
Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen
den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des
Bundesgebietes.
Artikel 26
[Verbot der Vorbereitung eines Angriffskrieges; Kriegswaffenkontrolle]
(1) Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche
Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges
vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.
(2) Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung
hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein
Bundesgesetz.
Artikel 27
[Handelsflotte]
Alle deutschen Kauffahrteischiffe bilden eine einheitliche Handelsflotte.
Artikel 28
[Verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern (Homogenitätsgebot);
Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung]
(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des
republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes
entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben,
die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen
ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit
eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der
Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle
einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.
(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen
Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die
Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der
Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt
auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine
den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.
(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den
Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.
Artikel 29
[Neugliederung des Bundesgebietes]
(1) Das Bundesgebiet kann neu gegliedert werden, um zu gewährleisten, daß die Länder
nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen
können. Dabei sind die landsmannschaftliche Verbundenheit, die geschichtlichen und
kulturellen Zusammenhänge, die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit sowie die Erfordernisse
der Raumordnung und der Landesplanung zu berücksichtigen.
(2) Maßnahmen zur Neugliederung des Bundesgebietes ergehen durch Bundesgesetz, das der
Bestätigung durch Volksentscheid bedarf. Die betroffenen Länder sind zu hören.
(3) Der Volksentscheid findet in den Ländern statt, aus deren Gebieten oder Gebietsteilen
ein neues oder neu umgrenztes Land gebildet werden soll (betroffene Länder). Abzustimmen
ist über die Frage, ob die betroffenen Länder wie bisher bestehenbleiben sollen oder ob
das neue oder neu umgrenzte Land gebildet werden soll. Der Volksentscheid für die Bildung
eines neuen oder neu umgrenzten Landes kommt zustande, wenn in dessen künftigem Gebiet
und insgesamt in den Gebieten oder Gebietsteilen eines betroffenen Landes, deren
Landeszugehörigkeit im gleichen Sinne geändert werden soll, jeweils eine Mehrheit der
Änderung zustimmt. Er kommt nicht zustande, wenn im Gebiet eines der betroffenen Länder
eine Mehrheit die Änderung ablehnt; die Ablehnung ist jedoch unbeachtlich, wenn in einem
Gebietsteil, dessen Zugehörigkeit zu dem betroffenen Land geändert werden soll, eine
Mehrheit von zwei Dritteln der Änderung zustimmt, es sei denn, daß im Gesamtgebiet des
betroffenen Landes eine Mehrheit von zwei Dritteln die Änderung ablehnt.
(4) Wird in einem zusammenhängenden, abgegrenzten Siedlungs- und Wirtschaftsraum, dessen
Teile in mehreren Ländern liegen und der mindestens eine Million Einwohner hat, von einem
Zehntel der in ihm zum Bundestag Wahlberechtigten durch Volksbegehren gefordert, daß für
diesen Raum eine einheitliche Landeszugehörigkeit herbeigeführt werde, so ist durch
Bundesgesetz innerhalb von zwei Jahren entweder zu bestimmen, ob die Landeszugehörigkeit
gemäß Absatz 2 geändert wird, oder daß in den betroffenen Ländern eine Volksbefragung
stattfindet.
(5) Die Volksbefragung ist darauf gerichtet festzustellen, ob eine in dem Gesetz
vorzuschlagende Änderung der Landeszugehörigkeit Zustimmung findet. Das Gesetz kann
verschiedene, jedoch nicht mehr als zwei Vorschläge der Volksbefragung vorlegen. Stimmt
eine Mehrheit einer vorgeschlagenen Änderung der Landeszugehörigkeit zu, so ist durch
Bundesgesetz innerhalb von zwei Jahren zu bestimmen, ob die Landeszugehörigkeit gemäß
Absatz 2 geändert wird. Findet ein der Volksbefragung vorgelegter Vorschlag eine den
Maßgaben des Absatzes 3 Satz 3 und 4 entsprechende Zustimmung, so ist innerhalb von zwei
Jahren nach der Durchführung der Volksbefragung ein Bundesgesetz zur Bildung des
vorgeschlagenen Landes zu erlassen, das der Bestätigung durch Volksentscheid nicht mehr
bedarf.
(6) Mehrheit im Volksentscheid und in der Volksbefragung ist die Mehrheit der abgegebenen
Stimmen, wenn sie mindestens ein Viertel der zum Bundestag Wahlberechtigten umfaßt. Im
übrigen wird das Nähere über Volksentscheid, Volksbegehren und Volksbefragung durch ein
Bundesgesetz geregelt; dieses kann auch vorsehen, daß Volksbegehren innerhalb eines
Zeitraumes von fünf Jahren nicht wiederholt werden können.
(7) Sonstige Änderungen des Gebietsbestandes der Länder können durch Staatsverträge
der beteiligten Länder oder durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates erfolgen,
wenn das Gebiet, dessen Landeszugehörigkeit geändert werden soll, nicht mehr als 50000
Einwohner hat. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates und
der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages bedarf. Es muß die Anhörung der betroffenen
Gemeinden und Kreise vorsehen.
(8) Die Länder können eine Neugliederung für das jeweils von ihnen umfaßte Gebiet oder
für Teilgebiete abweichend von den Vorschriften der Absätze 2 bis 7 durch Staatsvertrag
regeln. Die betroffenen Gemeinden und Kreise sind zu hören. Der Staatsvertrag bedarf der
Bestätigung durch Volksentscheid in jedem beteiligten Land. Betrifft der Staatsvertrag
Teilgebiete der Länder, kann die Bestätigung auf Volksentscheide in diesen Teilgebieten
beschränkt werden; Satz 5 zweiter Halbsatz findet keine Anwendung. Bei einem
Volksentscheid entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wenn sie mindestens ein
Viertel der zum Bundestag Wahlberechtigten umfaßt; das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
Der Staatsvertrag bedarf der Zustimmung des Bundestages.
Artikel 30
[Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern]
Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist
Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt.
Artikel 31
[Vorrang des Bundesrechtes]
Bundesrecht bricht Landesrecht.
Artikel 32
[Auswärtige Beziehungen]
(1) Die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten ist Sache des Bundes.
(2) Vor dem Abschlusse eines Vertrages, der die besonderen Verhältnisse eines Landes
berührt, ist das Land rechtzeitig zu hören.
(3) Soweit die Länder für die Gesetzgebung zuständig sind, können sie mit
Zustimmung der Bundesregierung mit auswärtigen Staaten Verträge abschließen.
Artikel 33
[Staatsbürgerliche Gleichstellung aller Deutschen;
öffentlicher Dienst; Berufsbeamtentum]
(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und
Pflichten.
(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen
Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu
öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind
unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder
Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil
erwachsen.
(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel
Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem
öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.
(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten
Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln.
Artikel 34
[Haftung bei Amtspflichtverletzungen]
Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem
Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich
den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober
Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz
und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.
Artikel 35
[Rechts- und Amtshilfe; Katastrophenhilfe]
(1) Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und
Amtshilfe.
(2) Zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung
kann ein Land in Fällen von besonderer Bedeutung Kräfte und Einrichtungen des
Bundesgrenzschutzes zur Unterstützung seiner Polizei anfordern, wenn die Polizei ohne
diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten
erfüllen könnte. Zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren
Unglücksfall kann ein Land Polizeikräfte anderer Länder, Kräfte und Einrichtungen
anderer Verwaltungen sowie des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte anfordern.
(3) Gefährdet die Naturkatastrophe oder der Unglücksfall das Gebiet mehr als eines
Landes, so kann die Bundesregierung, soweit es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist,
den Landesregierungen die Weisung erteilen, Polizeikräfte anderen Ländern zur Verfügung
zu stellen, sowie Einheiten des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte zur
Unterstützung der Polizeikräfte einsetzen. Maßnahmen der Bundesregierung nach Satz 1
sind jederzeit auf Verlangen des Bundesrates, im übrigen unverzüglich nach Beseitigung
der Gefahr aufzuheben.
Artikel 36
[Personal der Bundesbehörden]
(1) Bei den obersten Bundesbehörden sind Beamte aus allen Ländern in angemessenem
Verhältnis zu verwenden. Die bei den übrigen Bundesbehörden beschäftigten Personen
sollen in der Regel aus dem Lande genommen werden, in dem sie tätig sind.
(2) Die Wehrgesetze haben auch die Gliederung des Bundes in Länder und ihre besonderen
landsmannschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen.
Artikel 37
[Bundeszwang]
(1) Wenn ein Land die ihm nach dem Grundgesetze oder einem anderen Bundesgesetze
obliegenden Bundespflichten nicht erfüllt, kann die Bundesregierung mit Zustimmung des
Bundesrates die notwendigen Maßnahmen treffen, um das Land im Wege des Bundeszwanges zur
Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten.
(2) Zur Durchführung des Bundeszwanges hat die Bundesregierung oder ihr Beauftragter das
Weisungsrecht gegenüber allen Ländern und ihren Behörden.
III. Der Bundestag
Artikel 38
[Wahlrechtsgrundsätze; Rechtsstellung der Abgeordnten]
(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer,
freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an
Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das
Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.
(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.
Artikel 39
[Wahlperiode; Einberufung der Sitzungen]
(1) Der Bundestag wird vorbehaltlich der nachfolgenden Bestimmungen auf vier Jahre
gewählt. Seine Wahlperiode endet mit dem Zusammentritt eines neuen Bundestages. Die
Neuwahl findet frühestens sechsundvierzig, spätestens achtundvierzig Monate nach Beginn
der Wahlperiode statt. Im Falle einer Auflösung des Bundestages findet die Neuwahl
innerhalb von sechzig Tagen statt.
(2) Der Bundestag tritt spätestens am dreißigsten Tage nach der Wahl zusammen.
(3) Der Bundestag bestimmt den Schluß und den Wiederbeginn seiner Sitzungen. Der
Präsident des Bundestages kann ihn früher einberufen. Er ist hierzu verpflichtet, wenn
ein Drittel der Mitglieder, der Bundespräsident oder der Bundeskanzler es verlangen.
Artikel 40
[Präsident; Geschäftsordnung]
(1) Der Bundestag wählt seinen Präsidenten, dessen Stellvertreter und die
Schriftführer. Er gibt sich eine Geschäftsordnung.
(2) Der Präsident übt das Hausrecht und die Polizeigewalt im Gebäude des Bundestages
aus. Ohne seine Genehmigung darf in den Räumen des Bundestages keine Durchsuchung oder
Beschlagnahme stattfinden.
Artikel 41
[Wahlprüfung]
(1) Die Wahlprüfung ist Sache des Bundestages. Er entscheidet auch, ob ein Abgeordneter
des Bundestages die Mitgliedschaft verloren hat.
(2) Gegen die Entscheidung des Bundestages ist die Beschwerde an das
Bundesverfassungsgericht zulässig.
(3) Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
Artikel 42
[Verhandlung, Abstimmung]
(1) Der Bundestag verhandelt öffentlich. Auf Antrag eines Zehntels seiner Mitglieder oder
auf Antrag der Bundesregierung kann mit Zweidrittelmehrheit die Öffentlichkeit
ausgeschlossen werden. Über den Antrag wird in nichtöffentlicher Sitzung entschieden.
(2) Zu einem Beschlusse des Bundestages ist die Mehrheit der abgegebenen Stimmen
erforderlich, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt. Für die vom Bundestage
vorzunehmenden Wahlen kann die Geschäftsordnung Ausnahmen zulassen.
(3) Wahrheitsgetreue Berichte über die öffentlichen Sitzungen des Bundestages und seiner
Ausschüsse bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei.
Artikel 43
[Anwesenheit der Regierungs- und Bundesratsmitglieder]
(1) Der Bundestag und seine Ausschüsse können die Anwesenheit jedes Mitgliedes der
Bundesregierung verlangen.
(2) Die Mitglieder des Bundesrates und der Bundesregierung sowie ihre Beauftragten haben
zu allen Sitzungen des Bundestages und seiner Ausschüsse Zutritt. Sie müssen jederzeit
gehört werden.
Artikel 44
[Untersuchungsausschüsse]
(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die
Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die
erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.
(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß
Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.
(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.
(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung
entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden
Sachverhaltes sind die Gerichte frei.
Artikel 45
[Ausschuß für Angelegenheiten der Europäischen Union]
Der Bundestag bestellt einen Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union.
Er kann ihn ermächtigen, die Rechte des Bundestages gemäß Artikel 23
gegenüber der Bundesregierung wahrzunehmen.
Artikel 45 a
[Ausschüsse für Auswärtiges und für Verteidigung]
(1) Der Bundestag bestellt einen Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten und einen
Ausschuß für Verteidigung.
(2) Der Ausschuß für Verteidigung hat auch die Rechte eines Untersuchungsausschusses.
Auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder hat er die Pflicht, eine Angelegenheit zum
Gegenstand seiner Untersuchung zu machen.
(3) Artikel 44 Absatz 1 findet auf dem Gebiet der Verteidigung keine
Anwendung.
Artikel 45 b
[Wehrbeauftragter]
Zum Schutze der Grundrechte und als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der
parlamentarischen Kontrolle wird ein Wehrbeauftragter des Bundestages berufen. Das Nähere
regelt ein Bundesgesetz.
Artikel 45 c
[Petitionsausschuß]
(1) Der Bundestag bestellt einen Petitionsausschuß, dem die Behandlung der nach Artikel 17 an den Bundestag gerichteten Bitten und Beschwerden obliegt.
(2) Die Befugnisse des Ausschusses zur Überprüfung von Beschwerden regelt ein
Bundesgesetz.
Artikel 46
[Indemnität und Immunität der Abgeordneten]
(1) Ein Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen einer
Äußerung, die er im Bundestage oder in einem seiner Ausschüsse getan hat, gerichtlich
oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestages zur Verantwortung gezogen
werden. Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen.
(2) Wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung darf ein Abgeordneter nur mit Genehmigung
des Bundestages zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden, es sei denn, daß er bei
Begehung der Tat oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen wird.
(3) Die Genehmigung des Bundestages ist ferner bei jeder anderen Beschränkung der
persönlichen Freiheit eines Abgeordneten oder zur Einleitung eines Verfahrens gegen einen
Abgeordneten gemäß Artikel 18 erforderlich.
(4) Jedes Strafverfahren und jedes Verfahren gemäß Artikel 18 gegen
einen Abgeordneten, jede Haft und jede sonstige Beschränkung seiner persönlichen
Freiheit sind auf Verlangen des Bundestages auszusetzen.
Artikel 47
[Zeugnisverweigerungsrecht]
Die Abgeordneten sind berechtigt, über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als
Abgeordnete oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben, sowie über
diese Tatsachen selbst das Zeugnis zu verweigern. Soweit dieses Zeugnisverweigerungsrecht
reicht, ist die Beschlagnahme von Schriftstücken unzulässig.
Artikel 48
[Ansprüche der Abgeordneten; Diäten]
(1) Wer sich um einen Sitz im Bundestage bewirbt, hat Anspruch auf den zur Vorbereitung
seiner Wahl erforderlichen Urlaub.
(2) Niemand darf gehindert werden, das Amt eines Abgeordneten zu übernehmen und
auszuüben. Eine Kündigung oder Entlassung aus diesem Grunde ist unzulässig.
(3) Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde
Entschädigung. Sie haben das Recht der freien Benutzung aller staatlichen Verkehrsmittel.
Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
Artikel 49
[aufgehoben]
IV. Der Bundesrat
Artikel 50
[Funktion]
Durch den Bundesrat wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und
in Angelegenheiten der Europäischen Union mit.
Artikel 51
[Zusammensetzung, Stimmenverhältnis]
(1) Der Bundesrat besteht aus Mitgliedern der Regierungen der Länder, die sie bestellen
und abberufen. Sie können durch andere Mitglieder ihrer Regierungen vertreten werden.
(2) Jedes Land hat mindestens drei Stimmen, Länder mit mehr als zwei Millionen Einwohnern
haben vier, Länder mit mehr als sechs Millionen Einwohnern fünf, Länder mit mehr als
sieben Millionen Einwohnern sechs Stimmen.
(3) Jedes Land kann so viele Mitglieder entsenden, wie es Stimmen hat. Die Stimmen eines
Landes können nur einheitlich und nur durch anwesende Mitglieder oder deren Vertreter
abgegeben werden.
Artikel 52
[Präsident; Einberufung von Sitzungen; Beschlußfassung]
(1) Der Bundesrat wählt seinen Präsidenten auf ein Jahr.
(2) Der Präsident beruft den Bundesrat ein. Er hat ihn einzuberufen, wenn die Vertreter
von mindestens zwei Ländern oder die Bundesregierung es verlangen.
(3) Der Bundesrat faßt seine Beschlüsse mit mindestens der Mehrheit seiner Stimmen. Er
gibt sich eine Geschäftsordnung. Er verhandelt öffentlich. Die Öffentlichkeit kann
ausgeschlossen werden.
(3a) Für Angelegenheiten der Europäischen Union kann der Bundesrat eine Europakammer
bilden, deren Beschlüsse als Beschlüsse des Bundesrates gelten; Artikel 51
Abs. 2 und 3 Satz 2 gilt entsprechend.
(4) Den Ausschüssen des Bundesrates können andere Mitglieder oder Beauftragte der
Regierungen der Länder angehören.
Artikel 53
[Beteiligung der Bundesregierung]
Die Mitglieder der Bundesregierung haben das Recht und auf Verlangen die Pflicht, an den
Verhandlungen des Bundesrates und seiner Ausschüsse teilzunehmen. Sie müssen jederzeit
gehört werden. Der Bundesrat ist von der Bundesregierung über die Führung der
Geschäfte auf dem laufenden zu halten.
IV a. Gemeinsamer Ausschuß
Artikel 53 a
[Zusammensetzung; Informationspflicht der Bundesregierung]
(1) Der Gemeinsame Ausschuß besteht zu zwei Dritteln aus Abgeordneten des Bundestages, zu
einem Drittel aus Mitgliedern des Bundesrates. Die Abgeordneten werden vom Bundestage
entsprechend dem Stärkeverhältnis der Fraktionen bestimmt; sie dürfen nicht der
Bundesregierung angehören. Jedes Land wird durch ein von ihm bestelltes Mitglied des
Bundesrates vertreten; diese Mitglieder sind nicht an Weisungen gebunden. Die Bildung des
Gemeinsamen Ausschusses und sein Verfahren werden durch eine Geschäftsordnung1) geregelt,
die vom Bundestage zu beschließen ist und der Zustimmung des Bundesrates bedarf.
(2) Die Bundesregierung hat den Gemeinsamen Ausschuß über ihre Planungen für den
Verteidigungsfall zu unterrichten. Die Rechte des Bundestages und seiner Ausschüsse nach
Artikel 43 Abs. 1 bleiben unberührt.
V. Der Bundespräsident
Artikel 54
[Wahl durch die Bundesversammlung]
(1) Der Bundespräsident wird ohne Aussprache von der Bundesversammlung gewählt. Wählbar
ist jeder Deutsche, der das Wahlrecht zum Bundestage besitzt und das vierzigste Lebensjahr
vollendet hat.
(2) Das Amt des Bundespräsidenten dauert fünf Jahre. Anschließende Wiederwahl ist nur
einmal zulässig.
(3) Die Bundesversammlung besteht aus den Mitgliedern des Bundestages und einer gleichen
Anzahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder nach den Grundsätzen
der Verhältniswahl gewählt werden.
(4) Die Bundesversammlung tritt spätestens dreißig Tage vor Ablauf der Amtszeit des
Bundespräsidenten, bei vorzeitiger Beendigung spätestens dreißig Tage nach diesem
Zeitpunkt zusammen. Sie wird von dem Präsidenten des Bundestages einberufen.
(5) Nach Ablauf der Wahlperiode beginnt die Frist des Absatzes 4 Satz 1 mit dem ersten
Zusammentritt des Bundestages.
(6) Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder der Bundesversammlung
erhält. Wird diese Mehrheit in zwei Wahlgängen von keinem Bewerber erreicht, so ist
gewählt, wer in einem weiteren Wahlgang die meisten Stimmen auf sich vereinigt.
(7) Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
Artikel 55
[Unvereinbarkeiten]
(1) Der Bundespräsident darf weder der Regierung noch einer gesetzgebenden Körperschaft
des Bundes oder eines Landes angehören.
(2) Der Bundespräsident darf kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf
ausüben und weder der Leitung noch dem Aufsichtsrate eines auf Erwerb gerichteten
Unternehmens angehören.
Artikel 56
[Amtseid]
Der Bundespräsident leistet bei seinem Amtsantritt vor den versammelten Mitgliedern des
Bundestages und des Bundesrates folgenden Eid:
"Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen
Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren
und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann
üben werde. So wahr mir Gott helfe."
Der Eid kann auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden.
Artikel 57
[Stellvertreter]
Die Befugnisse des Bundespräsidenten werden im Falle seiner Verhinderung oder bei
vorzeitiger Erledigung des Amtes durch den Präsidenten des Bundesrates wahrgenommen.
Artikel 58
[Gegenzeichnung]
Anordnungen und Verfügungen des Bundespräsidenten bedürfen zu ihrer Gültigkeit der
Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler oder durch den zuständigen Bundesminister. Dies
gilt nicht für die Ernennung und Entlassung des Bundeskanzlers, die Auflösung des
Bundestages gemäß Artikel 63 und das Ersuchen gemäß Artikel 69 Absatz 3.
Artikel 59
[Völkerrechtliche Vertretung des Bundes; Vertragsgesetz]
(1) Der Bundespräsident vertritt den Bund völkerrechtlich. Er schließt im Namen des
Bundes die Verträge mit auswärtigen Staaten. Er beglaubigt und empfängt die Gesandten.
(2) Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf
Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, bedürfen der Zustimmung oder der Mitwirkung
der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines
Bundesgesetzes. Für Verwaltungsabkommen gelten die Vorschriften über die
Bundesverwaltung entsprechend.
Artikel 59 a
[aufgehoben]
Artikel 60
[Ernennung und Entlassung der Bundesrichter, Bundesbeamten und Soldaten;
Begnadigungsrecht]
(1) Der Bundespräsident ernennt und entläßt die Bundesrichter, die Bundesbeamten, die
Offiziere und Unteroffiziere, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.
(2) Er übt im Einzelfalle für den Bund das Begnadigungsrecht aus.
(3) Er kann diese Befugnisse auf andere Behörden übertragen.
(4) Die Absätze 2 bis 4 des Artikels 46 finden auf den
Bundespräsidenten entsprechende Anwendung.
Artikel 61
[Präsidentenanklage vor dem Bundesverfassungsgericht]
(1) Der Bundestag oder der Bundesrat können den Bundespräsidenten wegen vorsätzlicher
Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes vor dem
Bundesverfassungsgericht anklagen. Der Antrag auf Erhebung der Anklage muß von mindestens
einem Viertel der Mitglieder des Bundestages oder einem Viertel der Stimmen des
Bundesrates gestellt werden. Der Beschluß auf Erhebung der Anklage bedarf der Mehrheit
von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages oder von zwei Dritteln der Stimmen des
Bundesrates. Die Anklage wird von einem Beauftragten der anklagenden Körperschaft
vertreten.
(2) Stellt das Bundesverfassungsgericht fest, daß der Bundespräsident einer
vorsätzlichen Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes schuldig
ist, so kann es ihn des Amtes für verlustig erklären. Durch einstweilige Anordnung kann
es nach der Erhebung der Anklage bestimmen, daß er an der Ausübung seines Amtes
verhindert ist.
VI. Die Bundesregierung
Artikel 62
[Zusammensetzung]
Die Bundesregierung besteht aus dem Bundeskanzler und aus den Bundesministern.
Artikel 63
[Wahl und Ernennung des Bundeskanzlers]
(1) Der Bundeskanzler wird auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestage ohne
Aussprache gewählt.
(2) Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich
vereinigt. Der Gewählte ist vom Bundespräsidenten zu ernennen.
(3) Wird der Vorgeschlagene nicht gewählt, so kann der Bundestag binnen vierzehn Tagen
nach dem Wahlgange mit mehr als der Hälfte seiner Mitglieder einen Bundeskanzler wählen.
(4) Kommt eine Wahl innerhalb dieser Frist nicht zustande, so findet unverzüglich ein
neuer Wahlgang statt, in dem gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält. Vereinigt der
Gewählte die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich, so muß der
Bundespräsident ihn binnen sieben Tagen nach der Wahl ernennen. Erreicht der Gewählte
diese Mehrheit nicht, so hat der Bundespräsident binnen sieben Tagen entweder ihn zu
ernennen oder den Bundestag aufzulösen.
Artikel 64
[Ernennung und Entlassung der Bundesminister]
(1) Die Bundesminister werden auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten
ernannt und entlassen.
(2) Der Bundeskanzler und die Bundesminister leisten bei der Amtsübernahme vor dem
Bundestage den in Artikel 56 vorgesehenen Eid.
Artikel 65
[Verantwortungsverteilung in der Bundesregierung;
Richtlinien Kompetenz des Bundeskanzlers]
Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die
Verantwortung. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Bundesminister seinen
Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung. Über
Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bundesministern entscheidet die Bundesregierung.
Der Bundeskanzler leitet ihre Geschäfte nach einer von der Bundesregierung beschlossenen
und vom Bundespräsidenten genehmigten Geschäftsordnung.
Artikel 65 a
[Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte]
Der Bundesminister für Verteidigung hat die Befehls- und Kommandogewalt über die
Streitkräfte.
Artikel 66
[Unvereinbarkeiten]
Der Bundeskanzler und die Bundesminister dürfen kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe
und keinen Beruf ausüben und weder der Leitung noch ohne Zustimmung des Bundestages dem
Aufsichtsrate eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören.
Artikel 67
[Konstruktives Mißtrauensvotum]
(1) Der Bundestag kann dem Bundeskanzler das Mißtrauen nur dadurch aussprechen, daß er
mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt und den Bundespräsidenten
ersucht, den Bundeskanzler zu entlassen. Der Bundespräsident muß dem Ersuchen
entsprechen und den Gewählten ernennen.
(2) Zwischen dem Antrage und der Wahl müssen achtundvierzig Stunden liegen.
Artikel 68
[Vertrauensfrage, Auflösung des Bundestages]
(1) Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die
Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf
Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen. Das Recht
zur Auflösung erlischt, sobald der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen
anderen Bundeskanzler wählt.
(2) Zwischen dem Antrage und der Abstimmung müssen achtundvierzig Stunden liegen.
Artikel 69
[Stellvertreter des Bundeskanzlers;
Amtsdauer der Regierungsmitglieder]
(1) Der Bundeskanzler ernennt einen Bundesminister zu seinem Stellvertreter.
(2) Das Amt des Bundeskanzlers oder eines Bundesministers endigt in jedem Falle mit dem
Zusammentritt eines neuen Bundestages, das Amt eines Bundesministers auch mit jeder
anderen Erledigung des Amtes des Bundeskanzlers.
(3) Auf Ersuchen des Bundespräsidenten ist der Bundeskanzler, auf Ersuchen des
Bundeskanzlers oder des Bundespräsidenten ein Bundesminister verpflichtet, die Geschäfte
bis zur Ernennung seines Nachfolgers weiterzuführen.
VII. Die Gesetzgebung des Bundes
Artikel 70
[Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern]
(1) Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem
Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.
(2) Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern bemißt sich nach den
Vorschriften dieses Grundgesetzes über die ausschließliche und die konkurrierende
Gesetzgebung.
Artikel 71
[Ausschließliche Gesetzgebung des Bundes]
Im Bereiche der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes haben die Länder die Befugnis
zur Gesetzgebung nur, wenn und soweit sie hierzu in einem Bundesgesetze ausdrücklich
ermächtigt werden.
Artikel 72
[Konkurrierende Gesetzgebung]
(1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur
Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht
durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.
(2) Der Bund hat in diesem Bereich das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung
gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder
Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung
erforderlich macht.
(3) Durch Bundesgesetz kann bestimmt werden, daß eine bundesgesetzliche Regelung, für
die eine Erforderlichkeit im Sinne des Absatzes 2 nicht mehr besteht, durch Landesrecht
ersetzt werden kann.
Artikel 73
[Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes]
Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über:
1. die auswärtigen Angelegenheiten sowie die Verteidigung einschließlich des Schutzes
der Zivilbevölkerung;
2. die Staatsangehörigkeit im Bunde;
3. die Freizügigkeit, das Paßwesen, die Ein- und Auswanderung und die Auslieferung;
4. das Währungs-, Geld- und Münzwesen, Maße und Gewichte sowie die Zeitbestimmung;
5. die Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, die Handels- und Schiffahrtsverträge, die
Freizügigkeit des Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Auslande
einschließlich des Zoll- und Grenzschutzes;
6. den Luftverkehr;
6a. den Verkehr von Eisenbahnen, die ganz oder mehrheitlich im Eigentum des Bundes stehen
(Eisenbahnen des Bundes), den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen
der Eisenbahnen des Bundes sowie die Erhebung von Entgelten für die Benutzung dieser
Schienenwege;
7. das Postwesen und die Telekommunikation;
8. die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren
Körperschaften des öffentlichen Rechtes stehenden Personen;
9. den gewerblichen Rechtsschutz, das Urheberrecht und das Verlagsrecht;
10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder
a) in der Kriminalpolizei,
b) zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der
Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und
c) zum Schutze gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder
darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik
Deutschland gefährden,
sowie die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes und die internationale
Verbrechensbekämpfung;
11. die Statistik für Bundeszwecke.
Artikel 74
[Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes]
(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:
1. das bürgerliche Recht, das Strafrecht und den Strafvollzug, die Gerichtsverfassung,
das gerichtliche Verfahren, die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2. das Personenstandswesen;
3. das Vereins- und Versammlungsrecht;
4. das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
4a. das Waffen- und das Sprengstoffrecht;
5. [aufgehoben];
6. die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7. die öffentliche Fürsorge;
8. [aufgehoben];
9. die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10. die Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen und die Fürsorge
für die ehemaligen Kriegsgefangenen;
10a. die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von
Gewaltherrschaft;
11. das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe,
Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen);
11a. die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken, die Errichtung und
den Betrieb von Anlagen, die diesen Zwecken dienen, den Schutz gegen Gefahren, die bei
Freiwerden von Kernenergie oder durch ionisierende Strahlen entstehen, und die Beseitigung
radioaktiver Stoffe;
12. das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der
Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der
Arbeitslosenversicherung;
13. die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen
Forschung;
14. das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73
und 74 in Betracht kommt;
15. die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in
Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16. die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17. die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung, die Sicherung der
Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee-
und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18. den Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge)
und das landwirtschaftliche Pachtwesen, das Wohnungswesen, das Siedlungs- und
Heimstättenwesen;
19. die Maßnahmen gegen gemeingefährliche und übertragbare Krankheiten bei Menschen und
Tieren, die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, den
Verkehr mit Arzneien, Heil- und Betäubungsmitteln und Giften;
19a. die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der
Krankenhauspflegesätze;
20. den Schutz beim Verkehr mit Lebens- und Genußmitteln, Bedarfsgegenständen,
Futtermitteln und land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der
Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21. die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den
Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden
Binnenwasserstraßen;
22. den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen
für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren für die Benutzung
öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23. die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der
Bergbahnen;
24. die Abfallbeseitigung, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung;
25. die Staatshaftung;
26. die künstliche Befruchtung beim Menschen, die Untersuchung und die künstliche
Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen und
Geweben.
(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr.25 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.
Artikel 74 a
[Konkurrierende Gesetzgebung des Bundes für die Besoldung und Versorgung im öffentlichen
Dienst]
(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich ferner auf die Besoldung und Versorgung
der Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst-
und Treueverhältnis stehen, soweit dem Bund nicht nach Artikel 73 Nr.8
die ausschließliche Gesetzgebung zusteht.
(2) Bundesgesetze nach Absatz 1 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.
(3) Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen auch Bundesgesetze nach Artikel 73
Nr.8, soweit sie andere Maßstäbe für den Aufbau oder die Bemessung der Besoldung und
Versorgung einschließlich der Bewertung der Ämter oder andere Mindest- oder
Höchstbeträge vorsehen als Bundesgesetze nach Absatz 1.
(4) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für die Besoldung und Versorgung der
Landesrichter. Für Gesetze nach Artikel 98 Abs. 1 gilt Absatz 3
entsprechend.
Artikel 75
[Rahmengesetzgebung des Bundes]
(1) Der Bund hat das Recht, unter den Voraussetzungen des Artikels 72
Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder zu erlassen über:
1. die Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienste der Länder, Gemeinden und anderen
Körperschaften des öffentlichen Rechtes stehenden Personen, soweit Artikel 74 a nichts anderes bestimmt;
1a. die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens;
2. die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse;
3. das Jagdwesen, den Naturschutz und die Landschaftspflege;
4. die Bodenverteilung, die Raumordnung und den Wasserhaushalt;
5. das Melde- und Ausweiswesen;
6. den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland.
Artikel 72 Abs. 3 gilt entsprechend.
(2) Rahmenvorschriften dürfen nur in Ausnahmefällen in Einzelheiten gehende oder
unmittelbar geltende Regelungen enthalten.
(3) Erläßt der Bund Rahmenvorschriften, so sind die Länder verpflichtet, innerhalb
einer durch das Gesetz bestimmten angemessenen Frist die erforderlichen Landesgesetze zu
erlassen.
Artikel 76
[Einbringung von Gesetzesvorlagen]
(1) Gesetzesvorlagen werden beim Bundestage durch die Bundesregierung, aus der Mitte des
Bundestages oder durch den Bundesrat eingebracht.
(2) Vorlagen der Bundesregierung sind zunächst dem Bundesrat zuzuleiten. Der Bundesrat
ist berechtigt, innerhalb von sechs Wochen zu diesen Vorlagen Stellung zu nehmen. Verlangt
er aus wichtigem Grunde, insbesondere mit Rücksicht auf den Umfang einer Vorlage, eine
Fristverlängerung, so beträgt die Frist neun Wochen. Die Bundesregierung kann eine
Vorlage, die sie bei der Zuleitung an den Bundesrat ausnahmsweise als besonders
eilbedürftig bezeichnet hat, nach drei Wochen oder, wenn der Bundesrat ein Verlangen nach
Satz 3 geäußert hat, nach sechs Wochen dem Bundestag zuleiten, auch wenn die
Stellungnahme des Bundesrates noch nicht bei ihr eingegangen ist; sie hat die
Stellungnahme des Bundesrates unverzüglich nach Eingang dem Bundestag nachzureichen. Bei
Vorlagen zur Änderung dieses Grundgesetzes und zur Übertragung von Hoheitsrechten nach
Artikel 23 oder Artikel 24 beträgt die Frist zur
Stellungnahme neun Wochen; Satz 4 findet keine Anwendung.
(3) Vorlagen des Bundesrates sind dem Bundestag durch die Bundesregierung innerhalb von
sechs Wochen zuzuleiten. Sie soll hierbei ihre Auffassung darlegen. Verlangt sie aus
wichtigem Grunde, insbesondere mit Rücksicht auf den Umfang einer Vorlage, eine
Fristverlängerung, so beträgt die Frist neun Wochen. Wenn der Bundesrat eine Vorlage
ausnahmsweise als besonders eilbedürftig bezeichnet hat, beträgt die Frist drei Wochen
oder, wenn die Bundesregierung ein Verlangen nach Satz 3 geäußert hat, sechs Wochen. Bei
Vorlagen zur Änderung dieses Grundgesetzes und zur Übertragung von Hoheitsrechten nach
Artikel 23 oder Artikel 24 beträgt die Frist neun
Wochen; Satz 4 findet keine Anwendung. Der Bundestag hat über die Vorlagen in
angemessener Frist zu beraten und Beschluß zu fassen.
Artikel 77
[Gesetzgebungsverfahren]
(1) Die Bundesgesetze werden vom Bundestage beschlossen. Sie sind nach ihrer Annahme durch
den Präsidenten des Bundestages unverzüglich dem Bundesrate zuzuleiten.
(2) Der Bundesrat kann binnen drei Wochen nach Eingang des Gesetzesbeschlusses verlangen,
daß ein aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates für die gemeinsame Beratung
von Vorlagen gebildeter Ausschuß einberufen wird. Die Zusammensetzung und das Verfahren
dieses Ausschusses regelt eine Geschäftsordnung,1) die vom Bundestag beschlossen wird und
der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Die in diesen Ausschuß entsandten Mitglieder des
Bundesrates sind nicht an Weisungen gebunden. Ist zu einem Gesetze die Zustimmung des
Bundesrates erforderlich, so können auch der Bundestag und die Bundesregierung die
Einberufung verlangen. Schlägt der Ausschuß eine Änderung des Gesetzesbeschlusses vor,
so hat der Bundestag erneut Beschluß zu fassen.
(2a) Soweit zu einem Gesetz die Zustimmung des Bundesrates erforderlich ist, hat der
Bundesrat, wenn ein Verlangen nach Absatz 2 Satz 1 nicht gestellt oder das
Vermittlungsverfahren ohne einen Vorschlag zur Änderung des Gesetzesbeschlusses beendet
ist, in angemessener Frist über die Zustimmung Beschluß zu fassen.
(3) Soweit zu einem Gesetze die Zustimmung des Bundesrates nicht erforderlich ist, kann
der Bundesrat, wenn das Verfahren nach Absatz 2 beendigt ist, gegen ein vom Bundestage
beschlossenes Gesetz binnen zwei Wochen Einspruch einlegen. Die Einspruchsfrist beginnt im
Falle des Absatzes 2 letzter Satz mit dem Eingange des vom Bundestage erneut gefaßten
Beschlusses, in allen anderen Fällen mit dem Eingange der Mitteilung des Vorsitzenden des
in Absatz 2 vorgesehenen Ausschusses, daß das Verfahren vor dem Ausschusse abgeschlossen
ist.
(4) Wird der Einspruch mit der Mehrheit der Stimmen des Bundesrates beschlossen, so kann
er durch Beschluß der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages zurückgewiesen werden. Hat
der Bundesrat den Einspruch mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln seiner Stimmen
beschlossen, so bedarf die Zurückweisung durch den Bundestag einer Mehrheit von zwei
Dritteln, mindestens der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages.
Artikel 78
[Zustandekommen der Bundesgesetze]
Ein vom Bundestage beschlossenes Gesetz kommt zustande, wenn der Bundesrat zustimmt, den
Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 nicht stellt, innerhalb der Frist des
Artikels 77 Absatz 3 keinen Einspruch einlegt oder ihn zurücknimmt oder
wenn der Einspruch vom Bundestage überstimmt wird.
Artikel 79
[Änderung des Grundgesetzes]
(1) Das Grundgesetz kann nur durch ein Gesetz geändert werden, das den Wortlaut des
Grundgesetzes ausdrücklich ändert oder ergänzt. Bei völkerrechtlichen Verträgen, die
eine Friedensregelung, die Vorbereitung einer Friedensregelung oder den Abbau einer
besatzungsrechtlichen Ordnung zum Gegenstand haben oder der Verteidigung der
Bundesrepublik zu dienen bestimmt sind, genügt zur Klarstellung, daß die Bestimmungen
des Grundgesetzes dem Abschluß und dem Inkraftsetzen der Verträge nicht entgegenstehen,
eine Ergänzung des Wortlautes des Grundgesetzes, die sich auf diese Klarstellung
beschränkt.
(2) Ein solches Gesetz bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des
Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates.
(3) Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in
Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den
Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt
werden, ist unzulässig.
Artikel 80
[Erlaß von Rechtsverordnungen]
(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die
Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen
Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die
Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, daß eine
Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung der
Ermächtigung einer Rechtsverordnung.
(2) Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, vorbehaltlich anderweitiger
bundesgesetzlicher Regelung, Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder eines
Bundesministers über Grundsätze und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des
Postwesens und der Telekommunikation, über die Grundsätze der Erhebung des Entgelts für
die Benutzung der Einrichtungen der Eisenbahnen des Bundes, über den Bau und Betrieb der
Eisenbahnen, sowie Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des
Bundesrates bedürfen oder die von den Ländern im Auftrage des Bundes oder als eigene
Angelegenheit ausgeführt werden.
(3) Der Bundesrat kann der Bundesregierung Vorlagen für den Erlaß von Rechtsverordnungen
zuleiten, die seiner Zustimmung bedürfen.
(4) Soweit durch Bundesgesetz oder auf Grund von Bundesgesetzen Landesregierungen
ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen, sind die Länder zu einer Regelung
auch durch Gesetz befugt.
Artikel 80 a
[Spannungsfall]
(1) Ist in diesem Grundgesetz oder in einem Bundesgesetz über die Verteidigung
einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung bestimmt, daß Rechtsvorschriften nur
nach Maßgabe dieses Artikels angewandt werden dürfen, so ist die Anwendung außer im
Verteidigungsfalle nur zulässig, wenn der Bundestag den Eintritt des Spannungsfalles
festgestellt oder wenn er der Anwendung besonders zugestimmt hat. Die Feststellung des
Spannungsfalles und die besondere Zustimmung in den Fällen des Artikels 12
a Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 Satz 2 bedürfen einer Mehrheit von zwei Dritteln der
abgegebenen Stimmen.
(2) Maßnahmen auf Grund von Rechtsvorschriften nach Absatz 1 sind aufzuheben, wenn der
Bundestag es verlangt.
(3) Abweichend von Absatz 1 ist die Anwendung solcher Rechtsvorschriften auch auf der
Grundlage und nach Maßgabe eines Beschlusses zulässig, der von einem internationalen
Organ im Rahmen eines Bündnisvertrages mit Zustimmung der Bundesregierung gefaßt wird.
Maßnahmen nach diesem Absatz sind aufzuheben, wenn der Bundestag es mit der Mehrheit
seiner Mitglieder verlangt.
Artikel 81
[Gesetzgebungsnotstand]
(1) Wird im Falle des Artikels 68 der Bundestag nicht aufgelöst, so
kann der Bundespräsident auf Antrag der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates
für eine Gesetzesvorlage den Gesetzgebungsnotstand erklären, wenn der Bundestag sie
ablehnt, obwohl die Bundesregierung sie als dringlich bezeichnet hat. Das gleiche gilt,
wenn eine Gesetzesvorlage abgelehnt worden ist, obwohl der Bundeskanzler mit ihr den
Antrag des Artikels 68 verbunden hatte.
(2) Lehnt der Bundestag die Gesetzesvorlage nach Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes
erneut ab oder nimmt er sie in einer für die Bundesregierung als unannehmbar bezeichneten
Fassung an, so gilt das Gesetz als zustande gekommen, soweit der Bundesrat ihm zustimmt.
Das gleiche gilt, wenn die Vorlage vom Bundestage nicht innerhalb von vier Wochen nach der
erneuten Einbringung verabschiedet wird.
(3) Während der Amtszeit eines Bundeskanzlers kann auch jede andere vom Bundestage
abgelehnte Gesetzesvorlage innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der ersten
Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes gemäß Absatz 1 und 2 verabschiedet werden. Nach
Ablauf der Frist ist während der Amtszeit des gleichen Bundeskanzlers eine weitere
Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes unzulässig.
(4) Das Grundgesetz darf durch ein Gesetz, das nach Absatz 2 zustande kommt, weder
geändert noch ganz oder teilweise außer Kraft oder außer Anwendung gesetzt werden.
Artikel 82
[Ausfertigung, Verkündung und Inkrafttreten von Gesetzen und (Rechts-)Verordnungen]
(1) Die nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze werden vom
Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung ausgefertigt und im Bundesgesetzblatte verkündet.
Rechtsverordnungen werden von der Stelle, die sie erläßt, ausgefertigt und vorbehaltlich
anderweitiger gesetzlicher Regelung im Bundesgesetzblatte verkündet.
(2) Jedes Gesetz und jede Rechtsverordnung soll den Tag des Inkrafttretens bestimmen.
Fehlt eine solche Bestimmung, so treten sie mit dem vierzehnten Tage nach Ablauf des Tages
in Kraft, an dem das Bundesgesetzblatt ausgegeben worden ist.
VIII. Die Ausführung der Bundesgesetzeund die Bundesverwaltung
Artikel 83
[Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern]
Die Länder führen die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, soweit dieses
Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zuläßt.
Artikel 84
[Ausführung durch die Länder als eigene Angelegenheit; Bundesaufsicht]
(1) Führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, so regeln sie die
Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren, soweit nicht Bundesgesetze mit
Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen.
(2) Die Bundesregierung kann mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine
Verwaltungsvorschriften erlassen.
(3) Die Bundesregierung übt die Aufsicht darüber aus, daß die Länder die Bundesgesetze
dem geltenden Rechte gemäß ausführen. Die Bundesregierung kann zu diesem Zwecke
Beauftragte zu den obersten Landesbehörden entsenden, mit deren Zustimmung und, falls
diese Zustimmung versagt wird, mit Zustimmung des Bundesrates auch zu den nachgeordneten
Behörden.
(4) Werden Mängel, die die Bundesregierung bei der Ausführung der Bundesgesetze in den
Ländern festgestellt hat, nicht beseitigt, so beschließt auf Antrag der Bundesregierung
oder des Landes der Bundesrat, ob das Land das Recht verletzt hat. Gegen den Beschluß des
Bundesrates kann das Bundesverfassungsgericht angerufen werden.
(5) Der Bundesregierung kann durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates
bedarf, zur Ausführung von Bundesgesetzen die Befugnis verliehen werden, für besondere
Fälle Einzelweisungen zu erteilen. Sie sind, außer wenn die Bundesregierung den Fall
für dringlich erachtet, an die obersten Landesbehörden zu richten.
Artikel 85
[Ausführung durch die Länder im Auftrage des Bundes (Bundesauftragsverwaltung)]
(1) Führen die Länder die Bundesgesetze im Auftrage des Bundes aus, so bleibt die
Einrichtung der Behörden Angelegenheit der Länder, soweit nicht Bundesgesetze mit
Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen.
(2) Die Bundesregierung kann mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine
Verwaltungsvorschriften erlassen. Sie kann die einheitliche Ausbildung der Beamten und
Angestellten regeln. Die Leiter der Mittelbehörden sind mit ihrem Einvernehmen zu
bestellen.
(3) Die Landesbehörden unterstehen den Weisungen der zuständigen obersten
Bundesbehörden. Die Weisungen sind, außer wenn die Bundesregierung es für dringlich
erachtet, an die obersten Landesbehörden zu richten. Der Vollzug der Weisung ist durch
die obersten Landesbehörden sicherzustellen.
(4) Die Bundesaufsicht erstreckt sich auf Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der
Ausführung. Die Bundesregierung kann zu diesem Zwecke Bericht und Vorlage der Akten
verlangen und Beauftragte zu allen Behörden entsenden.
Artikel 86
[Bundeseigene Verwaltung]
Führt der Bund die Gesetze durch bundeseigene Verwaltung oder durch bundesunmittelbare
Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechtes aus, so erläßt die
Bundesregierung, soweit nicht das Gesetz Besonderes vorschreibt, die allgemeinen
Verwaltungsvorschriften. Sie regelt, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, die
Einrichtung der Behörden.
Artikel 87
[Gegenstände bundeseigener Verwaltung]
(1) In bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau werden geführt der
Auswärtige Dienst, die Bundesfinanzverwaltung und nach Maßgabe des Artikels 89 die Verwaltung der Bundeswasserstraßen und der Schiffahrt. Durch
Bundesgesetz können Bundesgrenzschutzbehörden, Zentralstellen für das polizeiliche
Auskunfts- und Nachrichtenwesen, für die Kriminalpolizei und zur Sammlung von Unterlagen
für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet,
die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige
Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden.
(2) Als bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechtes werden diejenigen
sozialen Versicherungsträger geführt, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet
eines Landes hinaus erstreckt. Soziale Versicherungsträger, deren Zuständigkeitsbereich
sich über das Gebiet eines Landes, aber nicht über mehr als drei Länder hinaus
erstreckt, werden abweichend von Satz1 als landesunmittelbare Körperschaften des
öffentlichen Rechtes geführt, wenn das aufsichtsführende Land durch die beteiligten
Länder bestimmt ist.
(3) Außerdem können für Angelegenheiten, für die dem Bunde die Gesetzgebung zusteht,
selbständige Bundesoberbehörden und neue bundesunmittelbare Körperschaften und
Anstalten des öffentlichen Rechtes durch Bundesgesetz errichtet werden. Erwachsen dem
Bunde auf Gebieten, für die ihm die Gesetzgebung zusteht, neue Aufgaben, so können bei
dringendem Bedarf bundeseigene Mittel- und Unterbehörden mit Zustimmung des Bundesrates
und der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages errichtet werden.
Artikel 87 a
[Aufstellung und Einsatz der Streitkräfte]
(1) Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. Ihre zahlenmäßige Stärke und
die Grundzüge ihrer Organisation müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben.
(2) Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses
Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt.
(3) Die Streitkräfte haben im Verteidigungsfalle und im Spannungsfalle die Befugnis,
zivile Objekte zu schützen und Aufgaben der Verkehrsregelung wahrzunehmen, soweit dies
zur Erfüllung ihres Verteidigungsauftrages erforderlich ist. Außerdem kann den
Streitkräften im Verteidigungsfalle und im Spannungsfalle der Schutz ziviler Objekte auch
zur Unterstützung polizeilicher Maßnahmen übertragen werden; die Streitkräfte wirken
dabei mit den zuständigen Behörden zusammen.
(4) Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche
demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann die Bundesregierung, wenn die
Voraussetzungen des Artikels 91 Abs. 2 vorliegen und die Polizeikräfte
sowie der Bundesgrenzschutz nicht ausreichen, Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei
und des Bundesgrenzschutzes beim Schutze von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung
organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer einsetzen. Der Einsatz von
Streitkräften ist einzustellen, wenn der Bundestag oder der Bundesrat es verlangen.
Artikel 87 b
[Bundeswehrverwaltung]
(1) Die Bundeswehrverwaltung wird in bundeseigener Verwaltung mit eigenem
Verwaltungsunterbau geführt. Sie dient den Aufgaben des Personalwesens und der
unmittelbaren Deckung des Sachbedarfs der Streitkräfte. Aufgaben der
Beschädigtenversorgung und des Bauwesens können der Bundeswehrverwaltung nur durch
Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, übertragen werden. Der
Zustimmung des Bundesrates bedürfen ferner Gesetze, soweit sie die Bundeswehrverwaltung
zu Eingriffen in Rechte Dritter ermächtigen; das gilt nicht für Gesetze auf dem Gebiete
des Personalwesens.
(2) Im übrigen können Bundesgesetze, die der Verteidigung einschließlich des
Wehrersatzwesens und des Schutzes der Zivilbevölkerung dienen, mit Zustimmung des
Bundesrates bestimmen, daß sie ganz oder teilweise in bundeseigener Verwaltung mit
eigenem Verwaltungsunterbau oder von den Ländern im Auftrag des Bundes ausgeführt
werden. Werden solche Gesetze von den Ländern im Auftrage des Bundes ausgeführt, so
können sie mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, daß die der Bundesregierung und den
zuständigen obersten Bundesbehörden auf Grund des Artikels 85
zustehenden Befugnisse ganz oder teilweise Bundesoberbehörden übertragen werden; dabei
kann bestimmt werden, daß diese Behörden beim Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften
gemäß Artikel 85 Abs. 2 Satz 1 nicht der Zustimmung des Bundesrates
bedürfen.
Artikel 87 c
[Verwaltung auf dem Gebiet der Kernenergie]
Gesetze, die auf Grund des Artikels 74 Nr. 11 a ergehen, können mit
Zustimmung des Bundesrates bestimmen, daß sie von den Ländern im Auftrage des Bundes
ausgeführt werden.
Artikel 87 d
[Luftverkehrsverwaltung]
(1) Die Luftverkehrsverwaltung wird in bundeseigener Verwaltung geführt. Über die
öffentlich-rechtliche oder privat-rechtliche Organisationsform wird durch Bundesgesetz
entschieden.
(2) Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Aufgaben der
Luftverkehrsverwaltung den Ländern als Auftragsverwaltung übertragen werden.
Artikel 87 e
[Verwaltung der Eisenbahnen des Bundes]
(1) Die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes wird in bundeseigener
Verwaltung geführt. Durch Bundesgesetz können Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung
den Ländern als eigene Angelegenheit übertragen werden.
(2) Der Bund nimmt die über den Bereich der Eisenbahnen des Bundes hinausgehenden
Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung wahr, die ihm durch Bundesgesetz übertragen
werden.
(3) Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form
geführt. Diese stehen im Eigentum des Bundes, soweit die Tätigkeit des
Wirtschaftsunternehmens den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen
umfaßt. Die Veräußerung von Anteilen des Bundes an den Unternehmen nach Satz 2 erfolgt
auf Grund eines Gesetzes; die Mehrheit der Anteile an diesen Unternehmen verbleibt beim
Bund. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.
(4) Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den
Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des
Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den
Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Das Nähere wird durch
Bundesgesetz geregelt.
(5) Gesetze auf Grund der Absätze 1 bis 4 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Der
Zustimmung des Bundesrates bedürfen ferner Gesetze, die die Auflösung, die Verschmelzung
und die Aufspaltung von Eisenbahnunternehmen des Bundes, die Übertragung von
Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes an Dritte sowie die Stillegung von Schienenwegen
der Eisenbahnen des Bundes regeln oder Auswirkungen auf den Schienenpersonennahverkehr
haben.
Artikel 87 f
[Verwaltung des Postwesens und der Telekommunikation]
(1) Nach Maßgabe eines Bundesgesetzes, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf,
gewährleistet der Bund im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation
flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen.
(2) Dienstleistungen im Sinne des Absatzes 1 werden als privatwirtschaftliche Tätigkeiten
durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen und
durch andere private Anbieter erbracht. Hoheitsaufgaben im Bereich des Postwesens und der
Telekommunikation werden in bundeseigener Verwaltung ausgeführt.
(3) Unbeschadet des Absatzes 2 Satz2 führt der Bund in der Rechtsform einer
bundesunmittelbaren Anstalt des öffentlichen Rechts einzelne Aufgaben in bezug auf die
aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen nach Maßgabe
eines Bundesgesetzes aus.
Artikel 88
[Bundesbank]
Der Bund errichtet eine Währungs- und Notenbank als Bundesbank. Ihre Aufgaben und
Befugnisse können im Rahmen der Europäischen Union der Europäischen Zentralbank
übertragen werden, die unabhängig ist und dem vorrangigen Ziel der Sicherung der
Preisstabilität verpflichtet.
Artikel 89
[Bundeswasserstraßen]
(1) Der Bund ist Eigentümer der bisherigen Reichswasserstraßen.
(2) Der Bund verwaltet die Bundeswasserstraßen durch eigene Behörden. Er nimmt die über
den Bereich eines Landes hinausgehenden staatlichen Aufgaben der Binnenschiffahrt und die
Aufgaben der Seeschiffahrt wahr, die ihm durch Gesetz übertragen werden. Er kann die
Verwaltung von Bundeswasserstraßen, soweit sie im Gebiete eines Landes liegen, diesem
Lande auf Antrag als Auftragsverwaltung übertragen. Berührt eine Wasserstraße das
Gebiet mehrerer Länder, so kann der Bund das Land beauftragen, für das die beteiligten
Länder es beantragen.
(3) Bei der Verwaltung, dem Ausbau und dem Neubau von Wasserstraßen sind die Bedürfnisse
der Landeskultur und der Wasserwirtschaft im Einvernehmen mit den Ländern zu wahren.
Artikel 90
[Bundesstraßen und -autobahnen]
(1) Der Bund ist Eigentümer der bisherigen Reichsautobahnen und Reichsstraßen.
(2) Die Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften
verwalten die Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs im Auftrage
des Bundes.
(3) Auf Antrag eines Landes kann der Bund Bundesautobahnen und sonstige Bundesstraßen des
Fernverkehrs, soweit sie im Gebiet dieses Landes liegen, in bundeseigene Verwaltung
übernehmen.
Artikel 91
[Innerer Notstand]
(1) Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche
demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann ein Land Polizeikräfte
anderer Länder sowie Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen und des
Bundesgrenzschutzes anfordern.
(2) Ist das Land, in dem die Gefahr droht, nicht selbst zur Bekämpfung der Gefahr bereit
oder in der Lage, so kann die Bundesregierung die Polizei in diesem Lande und die
Polizeikräfte anderer Länder ihren Weisungen unterstellen sowie Einheiten des
Bundesgrenzschutzes einsetzen. Die Anordnung ist nach Beseitigung der Gefahr, im übrigen
jederzeit auf Verlangen des Bundesrates aufzuheben. Erstreckt sich die Gefahr auf das
Gebiet mehr als eines Landes, so kann die Bundesregierung, soweit es zur wirksamen
Bekämpfung erforderlich ist, den Landesregierungen Weisungen erteilen; Satz 1 und Satz 2
bleiben unberührt.
VIII a. Gemeinschaftsaufgaben
Artikel 91 a
[Mitwirkung des Bundes bei Gemeinschaftsaufgaben]
(1) Der Bund wirkt auf folgenden Gebieten bei der Erfüllung von Aufgaben der Länder mit,
wenn diese Aufgaben für die Gesamtheit bedeutsam sind und die Mitwirkung des Bundes zur
Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich ist (Gemeinschaftsaufgaben):
1. Ausbau und Neubau von Hochschulen einschließlich der Hochschulkliniken,
2. Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur,
3. Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes.
(2) Durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates werden die Gemeinschaftsaufgaben
näher bestimmt. Das Gesetz soll allgemeine Grundsätze für ihre Erfüllung enthalten.
(3) Das Gesetz trifft Bestimmungen über das Verfahren und über Einrichtungen für eine
gemeinsame Rahmenplanung. Die Aufnahme eines Vorhabens in die Rahmenplanung bedarf der
Zustimmung des Landes, in dessen Gebiet es durchgeführt wird.
(4) Der Bund trägt in den Fällen des Absatzes 1 Nr.1 und 2 die Hälfte der Ausgaben in
jedem Land. In den Fällen des Absatzes 1 Nr.3 trägt der Bund mindestens die Hälfte; die
Beteiligung ist für alle Länder einheitlich festzusetzen. Das Nähere regelt das Gesetz.
Die Bereitstellung der Mittel bleibt der Feststellung in den Haushaltsplänen des Bundes
und der Länder vorbehalten.
(5) Bundesregierung und Bundesrat sind auf Verlangen über die Durchführung der
Gemeinschaftsaufgaben zu unterrichten.
Artikel 91 b
[Zusammenwirken bei Bildungsplanung und Forschung]
Bund und Länder können auf Grund von Vereinbarungen bei der Bildungsplanung und bei der
Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung von
überregionaler Bedeutung zusammenwirken. Die Aufteilung der Kosten wird in der
Vereinbarung geregelt.
IX. Die Rechtsprechung
Artikel 92
[Gerichtsorganisation]
Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das
Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und
durch die Gerichte der Länder ausgeübt.
Artikel 93
[Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts]
(1) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet:
1. über die Auslegung dieses Grundgesetzes aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang
der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans oder anderer Beteiligter, die durch
dieses Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen
Rechten ausgestattet sind;
2. bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche und sachliche
Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit diesem Grundgesetze oder die
Vereinbarkeit von Landesrecht mit sonstigem Bundesrechte auf Antrag der Bundesregierung,
einer Landesregierung oder eines Drittels der Mitglieder des Bundestages;
2a. bei Meinungsverschiedenheiten, ob ein Gesetz den Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 entspricht, auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung
oder der Volksvertretung eines Landes;
3. bei Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder,
insbesondere bei der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder und bei der Ausübung
der Bundesaufsicht;
4. in anderen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zwischen dem Bunde und den Ländern,
zwischen verschiedenen Ländern oder innerhalb eines Landes, soweit nicht ein anderer
Rechtsweg gegeben ist;
4 a. über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden
können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in
Artikel 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 enthaltenen Rechte
verletzt zu sein;
4b. über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und Gemeindeverbänden wegen Verletzung des
Rechts auf Selbstverwaltung nach Artikel 28 durch ein Gesetz, bei
Landesgesetzen jedoch nur, soweit nicht Beschwerde beim Landesverfassungsgericht erhoben
werden kann;
5. in den übrigen in diesem Grundgesetze vorgesehenen Fällen.
(2) Das Bundesverfassungsgericht wird ferner in den ihm sonst durch Bundesgesetz
zugewiesenen Fällen tätig.
Artikel 94
[Zusammensetzung und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts]
(1) Das Bundesverfassungsgericht besteht aus Bundesrichtern und anderen Mitgliedern. Die
Mitglieder des Bundesverfassungsgerichtes werden je zur Hälfte vom Bundestage und vom
Bundesrate gewählt. Sie dürfen weder dem Bundestage, dem Bundesrate, der Bundesregierung
noch entsprechenden Organen eines Landes angehören.
(2) Ein Bundesgesetz regelt seine Verfassung und das Verfahren und bestimmt, in welchen
Fällen seine Entscheidungen Gesetzeskraft haben. Es kann für Verfassungsbeschwerden die
vorherige Erschöpfung des Rechtsweges zur Voraussetzung machen und ein besonderes
Annahmeverfahren vorsehen.
Artikel 95
[Oberste Gerichtshöfe des Bundes]
(1) Für die Gebiete der ordentlichen, der Verwaltungs-, der Finanz-, der Arbeits- und der
Sozialgerichtsbarkeit errichtet der Bund als oberste Gerichtshöfe den Bundesgerichtshof,
das Bundesverwaltungsgericht, den Bundesfinanzhof, das Bundesarbeitsgericht und das
Bundessozialgericht.
(2) Über die Berufung der Richter dieser Gerichte entscheidet der für das jeweilige
Sachgebiet zuständige Bundesminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuß, der aus
den für das jeweilige Sachgebiet zuständigen Ministern der Länder und einer gleichen
Anzahl von Mitgliedern besteht, die vom Bundestage gewählt werden.
(3) Zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist ein Gemeinsamer Senat der in
Absatz 1 genannten Gerichte zu bilden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
Artikel 96
[Andere Bundesgerichte]
(1) Der Bund kann für Angelegenheiten des gewerblichen Rechtsschutzes ein Bundesgericht
errichten.
(2) Der Bund kann Wehrstrafgerichte für die Streitkräfte als Bundesgerichte errichten.
Sie können die Strafgerichtsbarkeit nur im Verteidigungsfalle sowie über Angehörige der
Streitkräfte ausüben, die in das Ausland entsandt oder an Bord von Kriegsschiffen
eingeschifft sind. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz. Diese Gerichte gehören zum
Geschäftsbereich des Bundesjustizministers. Ihre hauptamtlichen Richter müssen die
Befähigung zum Richteramt haben.
(3) Oberster Gerichtshof für die in Absatz 1 und 2 genannten Gerichte ist der
Bundesgerichtshof.
(4) Der Bund kann für Personen, die zu ihm in einem öffentlich-rechtlichen
Dienstverhältnis stehen, Bundesgerichte zur Entscheidung in Disziplinarverfahren und
Beschwerdeverfahren errichten.
(5) Für Strafverfahren auf den Gebieten des Artikels 26 Abs. 1 und des
Staatsschutzes kann ein Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates vorsehen, daß
Gerichte der Länder Gerichtsbarkeit des Bundes ausüben.
Artikel 97
[Richterliche Unabhängigkeit]
(1) Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen.
(2) Die hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richter können wider ihren
Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus Gründen und unter den Formen,
welche die Gesetze bestimmen, vor Ablauf ihrer Amtszeit entlassen oder dauernd oder
zeitweise ihres Amtes enthoben oder an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt
werden. Die Gesetzgebung kann Altersgrenzen festsetzen, bei deren Erreichung auf
Lebenszeit angestellte Richter in den Ruhestand treten. Bei Veränderung der Einrichtung
der Gerichte oder ihrer Bezirke können Richter an ein anderes Gericht versetzt oder aus
dem Amte entfernt werden, jedoch nur unter Belassung des vollen Gehaltes.
Artikel 98
[Rechtsstellung der Richter in Bund und Ländern]
(1) Die Rechtsstellung der Bundesrichter ist durch besonderes Bundesgesetz zu regeln.
(2) Wenn ein Bundesrichter im Amte oder außerhalb des Amtes gegen die Grundsätze des
Grundgesetzes oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung eines Landes verstößt, so kann
das Bundesverfassungsgericht mit Zweidrittelmehrheit auf Antrag des Bundestages anordnen,
daß der Richter in ein anderes Amt oder in den Ruhestand zu versetzen ist. Im Falle eines
vorsätzlichen Verstoßes kann auf Entlassung erkannt werden.
(3) Die Rechtsstellung der Richter in den Ländern ist durch besondere Landesgesetze zu
regeln. Der Bund kann Rahmenvorschriften erlassen, soweit Artikel 74 a
Abs. 4 nichts anderes bestimmt.
(4) Die Länder können bestimmen, daß über die Anstellung der Richter in den Ländern
der Landesjustizminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuß entscheidet.
(5) Die Länder können für Landesrichter eine Absatz 2 entsprechende Regelung treffen.
Geltendes Landesverfassungsrecht bleibt unberührt. Die Entscheidung über eine
Richteranklage steht dem Bundesverfassungsgericht zu.
Artikel 99
[Entscheidung landesrechtlicher Streitigkeiten durch Bundesgerichte]
Dem Bundesverfassungsgerichte kann durch Landesgesetz die Entscheidung von
Verfassungsstreitigkeiten innerhalb eines Landes, den in Artikel 95 Abs.
1 genannten obersten Gerichtshöfen für den letzten Rechtszug die Entscheidung in solchen
Sachen zugewiesen werden, bei denen es sich um die Anwendung von Landesrecht handelt.
Artikel 100
[Gerichtliche Vorlagen an das Bundesverfassungsgericht
(Normenkontrollverfahren)]
(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt,
für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die
Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für
Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die
Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes
einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch
Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze
handelt.
(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil
des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen
erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen
Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
Artikel 101
[Recht auf den gesetzlichen Richter]
(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen
werden.
(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.
Artikel 102
[Abschaffung der Todesstrafe]
Die Todesstrafe ist abgeschafft.
Artikel 103
[Anspruch auf rechtliches Gehör; Verbot rückwirkender Strafgesetze
und der Doppelbestrafung]
(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.
(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war,
bevor die Tat begangen wurde.
(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals
bestraft werden.
Artikel 104
[Rechtsgarantien bei Freiheitsentziehung]
(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter
Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen
dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.
(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu
entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung
ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus
eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem
Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.
(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist
spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der
Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat.
Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen
Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.
(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer
Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person
seines Vertrauens zu benachrichtigen.
X. Das Finanzwesen
Artikel 104 a
[Das Tragen der Ausgaben von Bund und Ländern]
(1) Der Bund und die Länder tragen gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung
ihrer Aufgaben ergeben, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt.
(2) Handeln die Länder im Auftrage des Bundes, trägt der Bund die sich daraus ergebenden
Ausgaben.
(3) Bundesgesetze, die Geldleistungen gewähren und von den Ländern ausgeführt werden,
können bestimmen, daß die Geldleistungen ganz oder zum Teil vom Bund getragen werden.
Bestimmt das Gesetz, daß der Bund die Hälfte der Ausgaben oder mehr trägt, wird es im
Auftrage des Bundes durchgeführt. Bestimmt das Gesetz, daß die Länder ein Viertel der
Ausgaben oder mehr tragen, so bedarf es der Zustimmung des Bundesrates.
(4) Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der
Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) gewähren, die zur Abwehr einer Störung des
gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder zum Ausgleich unterschiedlicher
Wirtschaftskraft im Bundesgebiet oder zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums
erforderlich sind. Das Nähere, insbesondere die Arten der zu fördernden Investitionen,
wird durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, oder auf Grund des
Bundeshaushaltsgesetzes durch Verwaltungsvereinbarung geregelt.
(5) Der Bund und die Länder tragen die bei ihren Behörden entstehenden
Verwaltungsausgaben und haften im Verhältnis zueinander für eine ordnungsmäßige
Verwaltung. Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates
bedarf.
Artikel 105
[Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen im Steuerwesen]
(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole.
(2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das
Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen.
(2a) Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und
Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern
gleichartig sind.
(3) Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden
(Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, bedürfen der Zustimmung des
Bundesrates.
Artikel 106
[Verteilung des Steueraufkommens]
(1) Der Ertrag der Finanzmonopole und das Aufkommen der folgenden Steuern stehen dem Bund
zu:
1. die Zölle,
2. die Verbrauchsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 2 den Ländern, nach Absatz 3 Bund
und Ländern gemeinsam oder nach Absatz 6 den Gemeinden zustehen,
3. die Straßengüterverkehrsteuer,
4. die Kapitalverkehrsteuern, die Versicherungsteuer und die Wechselsteuer,
5. die einmaligen Vermögensabgaben und die zur Durchführung des Lastenausgleichs
erhobenen Ausgleichsabgaben,
6. die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer,
7. Abgaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften.
(2) Das Aufkommen der folgenden Steuern steht den Ländern zu:
1. die Vermögensteuer,
2. die Erbschaftsteuer,
3. die Kraftfahrzeugsteuer,
4. die Verkehrsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 1 dem Bund oder nach Absatz 3 Bund und
Ländern gemeinsam zustehen,
5. die Biersteuer,
6. die Abgabe von Spielbanken.
(3) Das Aufkommen der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer steht
dem Bund und den Ländern gemeinsam zu (Gemeinschaftsteuern), soweit das Aufkommen der
Einkommensteuer nicht nach Absatz 5 und das Aufkommen der Umsatzsteuer nicht nach Absatz
5a den Gemeinden zugewiesen wird. Am Aufkommen der Einkommensteuer und der
Körperschaftsteuer sind der Bund und die Länder je zur Hälfte beteiligt. Die Anteile
von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer werden durch Bundesgesetz, das der Zustimmung
des Bundesrates bedarf, festgesetzt. Bei der Festsetzung ist von folgenden Grundsätzen
auszugehen:
1. Im Rahmen der laufenden Einnahmen haben der Bund und die Länder gleichmäßig Anspruch
auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben. Dabei ist der Umfang der Ausgaben unter
Berücksichtigung einer mehrjährigen Finanzplanung zu ermitteln.
2. Die Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder sind so aufeinander abzustimmen,
daß ein billiger Ausgleich erzielt, eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden
und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt wird.
Zusätzlich werden in die Festsetzung der Anteile von Bund und Ländern an der
Umsatzsteuer Steuermindereinnahmen einbezogen, die den Ländern ab 1. Januar 1996 aus der
Berücksichtigung von Kindern im Einkommensteuerrecht entstehen. Das Nähere bestimmt das
Bundesgesetz nach Satz 3.
(4) Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer sind neu festzusetzen, wenn sich
das Verhältnis zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder wesentlich
anders entwickelt; Steuermindereinnahmen, die nach Absatz 3 Satz 5 in die Festsetzung der
Umsatzsteueranteile zusätzlich einbezogen werden, bleiben hierbei unberücksichtigt.
Werden den Ländern durch Bundesgesetz zusätzliche Ausgaben auferlegt oder Einnahmen
entzogen, so kann die Mehrbelastung durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates
bedarf, auch mit Finanzzuweisungen des Bundes ausgeglichen werden, wenn sie auf einen
kurzen Zeitraum begrenzt ist. In dem Gesetz sind die Grundsätze für die Bemessung dieser
Finanzzuweisungen und für ihre Verteilung auf die Länder zu bestimmen.
(5) Die Gemeinden erhalten einen Anteil an dem Aufkommen der Einkommensteuer, der von den
Ländern an ihre Gemeinden auf der Grundlage der Einkommensteuerleistungen ihrer Einwohner
weiterzuleiten ist. Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des
Bundesrates bedarf. Es kann bestimmen, daß die Gemeinden Hebesätze für den
Gemeindeanteil festsetzen.
(5a) Die Gemeinden erhalten ab dem 1. Januar 1998 einen Anteil an dem Aufkommen der
Umsatzsteuer. Er wird von den Ländern auf der Grundlage eines orts- und
wirtschaftsbezogenen Schlüssels an ihre Gemeinden weitergeleitet. Das Nähere wird durch
Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt.
(6) Das Aufkommen der Grundsteuer und Gewerbesteuer steht den Gemeinden, das Aufkommen der
örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern steht den Gemeinden oder nach Maßgabe der
Landesgesetzgebung den Gemeindeverbänden zu. Den Gemeinden ist das Recht einzuräumen,
die Hebesätze der Grundsteuer und Gewerbesteuer im Rahmen der Gesetze festzusetzen.
Bestehen in einem Land keine Gemeinden, so steht das Aufkommen der Grundsteuer und
Gewerbesteuer sowie der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern dem Land zu. Bund und
Länder können durch eine Umlage an dem Aufkommen der Gewerbesteuer beteiligt werden. Das
Nähere über die Umlage bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates
bedarf. Nach Maßgabe der Landesgesetzgebung können die Grundsteuer und Gewerbesteuer
sowie der Gemeindeanteil vom Aufkommen der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer als
Bemessungsgrundlagen für Umlagen zugrunde gelegt werden.
(7) Von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftsteuern fließt den Gemeinden
und Gemeindeverbänden insgesamt ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender
Hundertsatz zu. Im übrigen bestimmt die Landesgesetzgebung, ob und inwieweit das
Aufkommen der Landessteuern den Gemeinden (Gemeindeverbänden) zufließt.
(8) Veranlaßt der Bund in einzelnen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden)
besondere Einrichtungen, die diesen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden)
unmittelbar Mehrausgaben oder Mindereinnahmen (Sonderbelastungen) verursachen, gewährt
der Bund den erforderlichen Ausgleich, wenn und soweit den Ländern oder Gemeinden
(Gemeindeverbänden) nicht zugemutet werden kann, die Sonderbelastungen zu tragen.
Entschädigungsleistungen Dritter und finanzielle Vorteile, die diesen Ländern oder
Gemeinden (Gemeindeverbänden) als Folge der Einrichtungen erwachsen, werden bei dem
Ausgleich berücksichtigt.
(9) Als Einnahmen und Ausgaben der Länder im Sinne dieses Artikels gelten auch die
Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden (Gemeindeverbände).
Artikel 106 a
[Finanzausgleich für den Personennahverkehr]
Den Ländern steht ab 1. Januar 1996 für den öffentlichen Personennahverkehr ein Betrag
aus dem Steueraufkommen des Bundes zu. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das der
Zustimmung des Bundesrates bedarf. Der Betrag nach Satz 1 bleibt bei der Bemessung der
Finanzkraft nach Artikel 107 Abs. 2 unberücksichtigt.
Artikel 107
[Finanzausgleich]
(1) Das Aufkommen der Landessteuern und der Länderanteil am Aufkommen der Einkommensteuer
und der Körperschaftsteuer stehen den einzelnen Ländern insoweit zu, als die Steuern von
den Finanzbehörden in ihrem Gebiet vereinnahmt werden (örtliches Aufkommen). Durch
Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, sind für die Körperschaftsteuer
und die Lohnsteuer nähere Bestimmungen über die Abgrenzung sowie über Art und Umfang
der Zerlegung des örtlichen Aufkommens zu treffen. Das Gesetz kann auch Bestimmungen
über die Abgrenzung und Zerlegung des örtlichen Aufkommens anderer Steuern treffen. Der
Länderanteil am Aufkommen der Umsatzsteuer steht den einzelnen Ländern nach Maßgabe
ihrer Einwohnerzahl zu; für einen Teil, höchstens jedoch für ein Viertel dieses
Länderanteils, können durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf,
Ergänzungsanteile für die Länder vorgesehen werden, deren Einnahmen aus den
Landessteuern und aus der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer je Einwohner unter
dem Durchschnitt der Länder liegen.
(2) Durch das Gesetz ist sicherzustellen, daß die unterschiedliche Finanzkraft der
Länder angemessen ausgeglichen wird; hierbei sind die Finanzkraft und der Finanzbedarf
der Gemeinden (Gemeindeverbände) zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen für die
Ausgleichsansprüche der ausgleichsberechtigten Länder und für die
Ausgleichsverbindlichkeiten der ausgleichspflichtigen Länder sowie die Maßstäbe für
die Höhe der Ausgleichsleistungen sind in dem Gesetz zu bestimmen. Es kann auch
bestimmen, daß der Bund aus seinen Mitteln leistungsschwachen Ländern Zuweisungen zur
ergänzenden Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs (Ergänzungszuweisungen) gewährt.
Artikel 108
[Finanzverwaltung]
(1) Zölle, Finanzmonopole, die bundesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuern
einschließlich der Einfuhrumsatzsteuer und die Abgaben im Rahmen der Europäischen
Gemeinschaften werden durch Bundesfinanzbehörden verwaltet. Der Aufbau dieser Behörden
wird durch Bundesgesetz geregelt. Die Leiter der Mittelbehörden sind im Benehmen mit den
Landesregierungen zu bestellen.
(2) Die übrigen Steuern werden durch Landesfinanzbehörden verwaltet. Der Aufbau dieser
Behörden und die einheitliche Ausbildung der Beamten können durch Bundesgesetz mit
Zustimmung des Bundesrates geregelt werden. Die Leiter der Mittelbehörden sind im
Einvernehmen mit der Bundesregierung zu bestellen.
(3) Verwalten die Landesfinanzbehörden Steuern, die ganz oder zum Teil dem Bund
zufließen, so werden sie im Auftrage des Bundes tätig. Artikel 85 Abs.
3 und 4 gilt mit der Maßgabe, daß an die Stelle der Bundesregierung der Bundesminister
der Finanzen tritt.
(4) Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, kann bei der Verwaltung
von Steuern ein Zusammenwirken von Bundes- und Landesfinanzbehörden sowie für Steuern,
die unter Absatz 1 fallen, die Verwaltung durch Landesfinanzbehörden und für andere
Steuern die Verwaltung durch Bundesfinanzbehörden vorgesehen werden, wenn und soweit
dadurch der Vollzug der Steuergesetze erheblich verbessert oder erleichtert wird. Für die
den Gemeinden (Gemeindeverbänden) allein zufließenden Steuern kann die den
Landesfinanzbehörden zustehende Verwaltung durch die Länder ganz oder zum Teil den
Gemeinden (Gemeindeverbänden) übertragen werden.
(5) Das von den Bundesfinanzbehörden anzuwendende Verfahren wird durch Bundesgesetz
geregelt. Das von den Landesfinanzbehörden und in den Fällen des Absatzes 4 Satz 2 von
den Gemeinden (Gemeindeverbänden) anzuwendende Verfahren kann durch Bundesgesetz mit
Zustimmung des Bundesrates geregelt werden.
(6) Die Finanzgerichtsbarkeit wird durch Bundesgesetz einheitlich geregelt.
(7) Die Bundesregierung kann allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen, und zwar mit
Zustimmung des Bundesrates, soweit die Verwaltung den Landesfinanzbehörden oder Gemeinden
(Gemeindeverbänden) obliegt.
Artikel 109
[Haushaltswirtschaft in Bund und Ländern]
(1) Bund und Länder sind in ihrer Haushaltswirtschaft selbständig und voneinander
unabhängig.
(2) Bund und Länder haben bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des
gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen.
(3) Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können für Bund und
Länder gemeinsam geltende Grund-sätze für das Haushaltsrecht, für eine
konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft und für eine mehrjährige Finanzplanung
aufgestellt werden.
(4) Zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts können durch
Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, Vorschriften über
1. Höchstbeträge, Bedingungen und Zeitfolge der Aufnahme von Krediten durch
Gebietskörperschaften und Zweckverbände und
2. eine Verpflichtung von Bund und Ländern, unverzinsliche Guthaben bei der Deutschen
Bundesbank zu unterhalten (Konjunkturausgleichsrücklagen),
erlassen werden. Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen können nur der
Bundesregierung erteilt werden. Die Rechtsverordnungen bedürfen der Zustimmung des
Bundesrates. Sie sind aufzuheben, soweit der Bundestag es verlangt; das Nähere bestimmt
das Bundesgesetz.
Artikel 110
[Haushaltsplan und Haushaltsgesetz des Bundes]
(1) Alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes sind in den Haushaltsplan einzustellen; bei
Bundesbetrieben und bei Sondervermögen brauchen nur die Zuführungen oder die
Ablieferungen eingestellt zu werden. Der Haushaltsplan ist in Einnahme und Ausgabe
auszugleichen.
(2) Der Haushaltsplan wird für ein oder mehrere Rechnungsjahre, nach Jahren getrennt, vor
Beginn des ersten Rechnungsjahres durch das Haushaltsgesetz festgestellt. Für Teile des
Haushaltsplanes kann vorgesehen werden, daß sie für unterschiedliche Zeiträume, nach
Rechnungsjahren getrennt, gelten.
(3) Die Gesetzesvorlage nach Absatz 2 Satz 1 sowie Vorlagen zur Änderung des
Haushaltsgesetzes und des Haushaltsplanes werden gleichzeitig mit der Zuleitung an den
Bundesrat beim Bundestage eingebracht; der Bundesrat ist berechtigt, innerhalb von sechs
Wochen, bei Änderungsvorlagen innerhalb von drei Wochen, zu den Vorlagen Stellung zu
nehmen.
(4) In das Haushaltsgesetz dürfen nur Vorschriften aufgenommen werden, die sich auf die
Einnahmen und die Ausgaben des Bundes und auf den Zeitraum beziehen, für den das
Haushaltsgesetz beschlossen wird. Das Haushaltsgesetz kann vorschreiben, daß die
Vorschriften erst mit der Verkündung des nächsten Haushaltsgesetzes oder bei
Ermächtigung nach Artikel 115 zu einem späteren Zeitpunkt außer
Kraft treten.
Artikel 111
[Vorläufige Haushaltswirtschaft]
(1) Ist bis zum Schluß eines Rechnungsjahres der Haushaltsplan für das folgende Jahr
nicht durch Gesetz festgestellt, so ist bis zu seinem Inkrafttreten die Bundesregierung
ermächtigt, alle Ausgaben zu leisten, die nötig sind,
a) um gesetzlich bestehende Einrichtungen zu erhalten und gesetzlich beschlossene
Maßnahmen durchzuführen,
b) um die rechtlich begründeten Verpflichtungen des Bundes zu erfüllen,
c) um Bauten, Beschaffungen und sonstige Leistungen fortzusetzen oder Beihilfen für diese
Zwecke weiter zu gewähren, sofern durch den Haushaltsplan eines Vorjahres bereits
Beträge bewilligt worden sind.
(2) Soweit nicht auf besonderem Gesetze beruhende Einnahmen aus Steuern, Abgaben und
sonstigen Quellen oder die Betriebsmittelrücklage die Ausgaben unter Absatz 1 decken,
darf die Bundesregierung die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftsführung erforderlichen
Mittel bis zur Höhe eines Viertels der Endsumme des abgelaufenen Haushaltsplanes im Wege
des Kredits flüssig machen.
Artikel 112
[Über- und außerplanmäßige Ausgaben]
Überplanmäßige und außerplanmäßige Ausgaben bedürfen der Zustimmung des
Bundesministers der Finanzen. Sie darf nur im Falle eines unvorhergesehenen und
unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden. Näheres kann durch Bundesgesetz bestimmt
werden.
Artikel 113
[Ausgabenerhöhende und einnahmemindernde Gesetze;
Zustimmung der Bundesregierung]
(1) Gesetze, welche die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Ausgaben des
Haushaltsplanes erhöhen oder neue Ausgaben in sich schließen oder für die Zukunft mit
sich bringen, bedürfen der Zustimmung der Bundesregierung. Das gleiche gilt für Gesetze,
die Einnahmeminderungen in sich schließen oder für die Zukunft mit sich bringen. Die
Bundesregierung kann verlangen, daß der Bundestag die Beschlußfassung über solche
Gesetze aussetzt. In diesem Fall hat die Bundesregierung innerhalb von sechs Wochen dem
Bundestage eine Stellungnahme zuzuleiten.
(2) Die Bundesregierung kann innerhalb von vier Wochen, nachdem der Bundestag das Gesetz
beschlossen hat, verlangen, daß der Bundestag erneut Beschluß faßt.
(3) Ist das Gesetz nach Artikel 78 zustande gekommen, kann die
Bundesregierung ihre Zustimmung nur innerhalb von sechs Wochen und nur dann versagen, wenn
sie vorher das Verfahren nach Absatz 1 Satz 3 und 4 oder nach Absatz 2 eingeleitet hat.
Nach Ablauf dieser Frist gilt die Zustimmung als erteilt.
Artikel 114
[Rechnungslegung, Rechnungsprüfung]
(1) Der Bundesminister der Finanzen hat dem Bundestage und dem Bundesrate über alle
Einnahmen und Ausgaben sowie über das Vermögen und die Schulden im Laufe des nächsten
Rechnungsjahres zur Entlastung der Bundesregierung Rechnung zu legen.
(2) Der Bundesrechnungshof, dessen Mitglieder richterliche Unabhängigkeit besitzen,
prüft die Rechnung sowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts-
und Wirtschaftsführung. Er hat außer der Bundesregierung unmittelbar dem Bundestage und
dem Bundesrate jährlich zu berichten. Im übrigen werden die Befugnisse des
Bundesrechnungshofes durch Bundesgesetz geregelt.
Artikel 115
[Kreditaufnahme, Grenzen]
(1) Die Aufnahme von Krediten sowie die Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder
sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Rechnungsjahren führen
können, bedürfen einer der Höhe nach bestimmten oder bestimmbaren Ermächtigung durch
Bundesgesetz. Die Einnahmen aus Krediten dürfen die Summe der im Haushaltsplan
veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten; Ausnahmen sind nur
zulässig zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Das Nähere
wird durch Bundesgesetz geregelt.
(2) Für Sondervermögen des Bundes können durch Bundesgesetz Ausnahmen von Absatz 1
zugelassen werden.
X a. Verteidigungsfall
Artikel 115 a
[Begriff und Feststellung]
(1) Die Feststellung, daß das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein
solcher Angriff unmittelbar droht (Verteidigungsfall), trifft der Bundestag mit Zustimmung
des Bundesrates. Die Feststellung erfolgt auf Antrag der Bundesregierung und bedarf einer
Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, mindestens der Mehrheit der Mitglieder
des Bundestages.
(2) Erfordert die Lage unabweisbar ein sofortiges Handeln und stehen einem rechtzeitigen
Zusammentritt des Bundestages unüberwindliche Hindernisse entgegen oder ist er nicht
beschlußfähig, so trifft der Gemeinsame Ausschuß diese Feststellung mit einer Mehrheit
von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, mindestens der Mehrheit seiner Mitglieder.
(3) Die Feststellung wird vom Bundespräsidenten gemäß Artikel 82 im
Bundesgesetzblatte verkündet. Ist dies nicht rechtzeitig möglich, so erfolgt die
Verkündung in anderer Weise; sie ist im Bundesgesetzblatte nachzuholen, sobald die
Umstände es zulassen.
(4) Wird das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen und sind die zuständigen
Bundesorgane außerstande, sofort die Feststellung nach Absatz 1 Satz 1 zu treffen, so
gilt diese Feststellung als getroffen und als zu dem Zeitpunkt verkündet, in dem der
Angriff begonnen hat. Der Bundespräsident gibt diesen Zeitpunkt bekannt, sobald die
Umstände es zulassen.
(5) Ist die Feststellung des Verteidigungsfalles verkündet und wird das Bundesgebiet mit
Waffengewalt angegriffen, so kann der Bundespräsident völkerrechtliche Erklärungen
über das Bestehen des Verteidigungsfalles mit Zustimmung des Bundestages abgeben. Unter
den Voraussetzungen des Absatzes 2 tritt an die Stelle des Bundestages der Gemeinsame
Ausschuß.
Artikel 115 b
[Übergang der Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte
auf den Bundeskanzler]
Mit der Verkündung des Verteidigungsfalles geht die Befehls- und Kommandogewalt über die
Streitkräfte auf den Bundeskanzler über.
Artikel 115 c
[Erweiterte Gesetzgebungskompetenz des Bundes]
(1) Der Bund hat für den Verteidigungsfall das Recht der konkurrierenden Gesetzgebung
auch auf den Sachgebieten, die zur Gesetzgebungszuständigkeit der Länder gehören. Diese
Gesetze bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.
(2) Soweit es die Verhältnisse während des Verteidigungsfalles erfordern, kann durch
Bundesgesetz für den Verteidigungsfall
1. bei Enteignungen abweichend von Artikel 14 Abs. 3 Satz 2 die
Entschädigung vorläufig geregelt werden,
2. für Freiheitsentziehungen eine von Artikel 104 Abs. 2 Satz 3 und
Abs. 3 Satz 1 abweichende Frist, höchstens jedoch eine solche von vier Tagen, für den
Fall festgesetzt werden, daß ein Richter nicht innerhalb der für Normalzeiten geltenden
Frist tätig werden konnte.
(3) Soweit es zur Abwehr eines gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Angriffs
erforderlich ist, kann für den Verteidigungsfall durch Bundesgesetz mit Zustimmung des
Bundesrates die Verwaltung und das Finanzwesen des Bundes und der Länder abweichend von
den Abschnitten VIII, VIII a und X
geregelt werden, wobei die Lebensfähigkeit der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände,
insbesondere auch in finanzieller Hinsicht, zu wahren ist.
(4) Bundesgesetze nach den Absätzen 1 und 2 Nr.1 dürfen zur Vorbereitung ihres Vollzuges
schon vor Eintritt des Verteidigungsfalles angewandt werden.
Artikel 115 d
[Abgekürztes Gesetzgebungsverfahren]
(1) Für die Gesetzgebung des Bundes gilt im Verteidigungsfalle abweichend von Artikel 76 Abs. 2, Artikel 77 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 bis 4,
Artikel 78 und Artikel 82 Abs. 1 die Regelung der
Absätze 2 und 3.
(2) Gesetzesvorlagen der Bundesregierung, die sie als dringlich bezeichnet, sind
gleichzeitig mit der Einbringung beim Bundestage dem Bundesrate zuzuleiten. Bundestag und
Bundesrat beraten diese Vorlagen unverzüglich gemeinsam. Soweit zu einem Gesetze die
Zustimmung des Bundesrates erforderlich ist, bedarf es zum Zustandekommen des Gesetzes der
Zustimmung der Mehrheit seiner Stimmen. Das Nähere regelt eine Geschäftsordnung1), die
vom Bundestage beschlossen wird und der Zustimmung des Bundesrates bedarf.
(3) Für die Verkündung der Gesetze gilt Artikel 115 a Abs. 3 Satz 2
entsprechend.
Artikel 115 e
[Befugnisse des Gemeinsamen Ausschusses]
(1) Stellt der Gemeinsame Ausschuß im Verteidigungsfalle mit einer Mehrheit von zwei
Dritteln der abgegebenen Stimmen, mindestens mit der Mehrheit seiner Mitglieder fest, daß
dem rechtzeitigen Zusammentritt des Bundestages unüberwindliche Hindernisse
entgegenstehen oder daß dieser nicht beschlußfähig ist, so hat der Gemeinsame Ausschuß
die Stellung von Bundestag und Bundesrat und nimmt deren Rechte einheitlich wahr.
(2) Durch ein Gesetz des Gemeinsamen Ausschusses darf das Grundgesetz weder geändert noch
ganz oder teilweise außer Kraft oder außer Anwendung gesetzt werden. Zum Erlaß von
Gesetzen nach Artikel 23 Abs. 1 Satz 2, Artikel 24
Abs. 1 oder Artikel 29 ist der Gemeinsame Ausschuß nicht befugt.
Artikel 115 f
[Außerordentliche Befugnis der Bundesregierung]
(1) Die Bundesregierung kann im Verteidigungsfalle, soweit es die Verhältnisse erfordern,
1. den Bundesgrenzschutz im gesamten Bundesgebiete einsetzen;
2. außer der Bundesverwaltung auch den Landesregierungen und, wenn sie es für dringlich
erachtet, den Landesbehörden Weisungen erteilen und diese Befugnis auf von ihr zu
bestimmende Mitglieder der Landesregierungen übertragen.
(2) Bundestag, Bundesrat und der Gemeinsame Ausschuß sind unverzüglich von den nach
Absatz 1 getroffenen Maßnahmen zu unterrichten.
Artikel 115 g
[Stellung des Bundesverfassungsgerichts]
Die verfassungsmäßige Stellung und die Erfüllung der verfassungsmäßigen Aufgaben des
Bundesverfassungsgerichtes und seiner Richter dürfen nicht beeinträchtigt werden. Das
Gesetz über das Bundesverfassungsgericht darf durch ein Gesetz des Gemeinsamen
Ausschusses nur insoweit geändert werden, als dies auch nach Auffassung des
Bundesverfassungsgerichtes zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Gerichtes
erforderlich ist. Bis zum Erlaß eines solchen Gesetzes kann das Bundesverfassungsgericht
die zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit des Gerichtes erforderlichen Maßnahmen treffen.
Beschlüsse nach Satz 2 und Satz 3 faßt das Bundesverfassungsgericht mit der Mehrheit der
anwesenden Richter.
Artikel 115 h
[Wahlperioden und Amtszeiten von Verfassungsorganen]
(1) Während des Verteidigungsfalles ablaufende Wahlperioden des Bundestages oder der
Volksvertretungen der Länder enden sechs Monate nach Beendigung des Verteidigungsfalles.
Die im Verteidigungsfalle ablaufende Amtszeit des Bundespräsidenten sowie bei vorzeitiger
Erledigung seines Amtes die Wahrnehmung seiner Befugnisse durch den Präsidenten des
Bundesrates enden neun Monate nach Beendigung des Verteidigungsfalles. Die im
Verteidigungsfalle ablaufende Amtszeit eines Mitgliedes des Bundesverfassungsgerichtes
endet sechs Monate nach Beendigung des Verteidigungsfalles.
(2) Wird eine Neuwahl des Bundeskanzlers durch den Gemeinsamen Ausschuß erforderlich, so
wählt dieser einen neuen Bundeskanzler mit der Mehrheit seiner Mitglieder; der
Bundespräsident macht dem Gemeinsamen Ausschuß einen Vorschlag. Der Gemeinsame Ausschuß
kann dem Bundeskanzler das Mißtrauen nur dadurch aussprechen, daß er mit der Mehrheit
von zwei Dritteln seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt.
(3) Für die Dauer des Verteidigungsfalles ist die Auflösung des Bundestages
ausgeschlossen.
Artikel 115 i
[Befugnisse der Landesregierungen]
(1) Sind die zuständigen Bundesorgane außerstande, die notwendigen Maßnahmen zur Abwehr
der Gefahr zu treffen, und erfordert die Lage unabweisbar ein sofortiges selbständiges
Handeln in einzelnen Teilen des Bundesgebietes, so sind die Landesregierungen oder die von
ihnen bestimmten Behörden oder Beauftragten befugt, für ihren Zuständigkeitsbereich
Maßnahmen im Sinne des Artikels 115 f Abs. 1 zu treffen.
(2) Maßnahmen nach Absatz 1 können durch die Bundesregierung, im Verhältnis zu
Landesbehörden und nachgeordneten Bundesbehörden auch durch die Ministerpräsidenten der
Länder, jederzeit aufgehoben werden.
Artikel 115 k
[Geltungsdauer der außerordentlichen Vorschriften]
(1) Für die Dauer ihrer Anwendbarkeit setzen Gesetze nach den Artikeln 115
c, 115 e und 115 g und Rechtsverordnungen, die
auf Grund solcher Gesetze ergehen, entgegenstehendes Recht außer Anwendung. Dies gilt
nicht gegenüber früherem Recht, das auf Grund der Artikel 115 c, 115 e und 115 g erlassen worden ist.
(2) Gesetze, die der Gemeinsame Ausschuß beschlossen hat, und Rechtsverordnungen, die auf
Grund solcher Gesetze ergangen sind, treten spätestens sechs Monate nach Beendigung des
Verteidigungsfalles außer Kraft.
(3) Gesetze, die von den Artikeln 91 a, 91 b, 104 a, 106 und 107 abweichende
Regelungen enthalten, gelten längstens bis zum Ende des zweiten Rechnungsjahres, das auf
die Beendigung des Verteidigungsfalles folgt. Sie können nach Beendigung des
Verteidigungsfalles durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates geändert werden, um
zu der Regelung gemäß den Abschnitten VIII a und X
überzuleiten.
Artikel 115 l
[Aufhebung von außerordentlichen Gesetzen und Maßnahmen;
Beendigung des Verteidigungsfalles; Friedensschluß]
(1) Der Bundestag kann jederzeit mit Zustimmung des Bundesrates Gesetze des Gemeinsamen
Ausschusses aufheben. Der Bundesrat kann verlangen, daß der Bundestag hierüber
beschließt. Sonstige zur Abwehr der Gefahr getroffene Maßnahmen des Gemeinsamen
Ausschusses oder der Bundesregierung sind aufzuheben, wenn der Bundestag und der Bundesrat
es beschließen.
(2) Der Bundestag kann mit Zustimmung des Bundesrates jederzeit durch einen vom
Bundespräsidenten zu verkündenden Beschluß den Verteidigungsfall für beendet
erklären. Der Bundesrat kann verlangen, daß der Bundestag hierüber beschließt. Der
Verteidigungsfall ist unverzüglich für beendet zu erklären, wenn die Voraussetzungen
für seine Feststellung nicht mehr gegeben sind.
(3) Über den Friedensschluß wird durch Bundesgesetz entschieden.
XI. Übergangs- und Schlußbestimmungen
Artikel 116
[Begriff "Deutscher"; Wiedereinbürgerung von Verfolgten]
(1) Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher
Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder
Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in
dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden
hat.
(2) Frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai
1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen
entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge sind auf Antrag wieder einzubürgern. Sie
gelten als nicht ausgebürgert, sofern sie nach dem 8. Mai 1945 ihren Wohnsitz in
Deutschland genommen haben und nicht einen entgegengesetzten Willen zum Ausdruck gebracht
haben.
Artikel 117
[Übergangsregelung für Art. 3 Abs. 2 und Art. 11]
(1) Das dem Artikel 3 Absatz 2 entgegenstehende Recht bleibt bis zu
seiner Anpassung an diese Bestimmung des Grundgesetzes in Kraft, jedoch nicht länger als
bis zum 31. März 1953.
(2) Gesetze, die das Recht der Freizügigkeit mit Rücksicht auf die gegenwärtige Raumnot
einschränken, bleiben bis zu ihrer Aufhebung durch Bundesgesetz in Kraft.
Artikel 118
[Neugliederung der Länder im Südwesten]
Die Neugliederung in dem die Länder Baden, Württemberg-Baden und
Württemberg-Hohenzollern umfassenden Gebiete kann abweichend von den Vorschriften des
Artikels 29 durch Vereinbarung der beteiligten Länder erfolgen. Kommt
eine Vereinbarung nicht zustande, so wird die Neugliederung durch Bundesgesetz geregelt,
das eine Volksbefragung vorsehen muß.
Artikel 118 a
[Neugliederung der Länder Berlin und Brandenburg]
Die Neugliederung in dem die Länder Berlin und Brandenburg umfassenden Gebiet kann
abweichend von den Vorschriften des Artikels 29 unter Beteiligung ihrer
Wahlberechtigten durch Vereinbarung beider Länder erfolgen.
Artikel 119
[Verordnungsrecht in Angelegenheiten der
Flüchtlinge und Vertriebenen]
In Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen, insbesondere zu ihrer Verteilung auf
die Länder, kann bis zu einer bundesgesetzlichen Regelung die Bundesregierung mit
Zustimmung des Bundesrates Verordnungen mit Gesetzeskraft erlassen. Für besondere Fälle
kann dabei die Bundesregierung ermächtigt werden, Einzelweisungen zu erteilen. Die
Weisungen sind außer bei Gefahr im Verzuge an die obersten Landesbehörden zu richten.
Artikel 120
[Kriegsfolgelasten, Sozialversicherungszuschüsse des Bundes]
(1) Der Bund trägt die Aufwendungen für Besatzungskosten und die sonstigen inneren und
äußeren Kriegsfolgelasten nach näherer Bestimmung von Bundesgesetzen. Soweit diese
Kriegsfolgelasten bis zum 1. Oktober 1969 durch Bundesgesetze geregelt worden sind, tragen
Bund und Länder im Verhältnis zueinander die Aufwendungen nach Maßgabe dieser
Bundesgesetze. Soweit Aufwendungen für Kriegsfolgelasten, die in Bundesgesetzen weder
geregelt worden sind noch geregelt werden, bis zum 1. Oktober 1965 von den Ländern,
Gemeinden (Gemeindeverbänden) oder sonstigen Aufgabenträgern, die Aufgaben von Ländern
oder Gemeinden erfüllen, erbracht worden sind, ist der Bund zur Übernahme von
Aufwendungen dieser Art auch nach diesem Zeitpunkt nicht verpflichtet. Der Bund trägt die
Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung mit Einschluß der
Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenhilfe. Die durch diesen Absatz geregelte
Verteilung der Kriegsfolgelasten auf Bund und Länder läßt die gesetzliche Regelung von
Entschädigungsansprüchen für Kriegsfolgen unberührt.
(2) Die Einnahmen gehen auf den Bund zu demselben Zeitpunkte über, an dem der Bund die
Ausgaben übernimmt.
Artikel 120 a
[Durchführung des Lastenausgleichs]
(1) Die Gesetze, die der Durchführung des Lastenausgleichs dienen, können mit Zustimmung
des Bundesrates bestimmen, daß sie auf dem Gebiete der Ausgleichsleistungen teils durch
den Bund, teils im Auftrage des Bundes durch die Länder ausgeführt werden und daß die
der Bundesregierung und den zuständigen obersten Bundesbehörden auf Grund des Artikels 85 insoweit zustehenden Befugnisse ganz oder teilweise dem
Bundesausgleichsamt übertragen werden. Das Bundesausgleichsamt bedarf bei Ausübung
dieser Befugnisse nicht der Zustimmung des Bundesrates; seine Weisungen sind, abgesehen
von den Fällen der Dringlichkeit, an die obersten Landesbehörden
(Landesausgleichsämter) zu richten.
(2) Artikel 87 Absatz 3 Satz 2 bleibt unberührt.
Artikel 121
[Begriff "Mehrheit der Mitglieder"]
Mehrheit der Mitglieder des Bundestages und der Bundesversammlung im Sinne dieses
Grundgesetzes ist die Mehrheit ihrer gesetzlichen Mitgliederzahl.
Artikel 122
[Überleitung bisheriger Gesetzgebungskompetenzen]
(1) Vom Zusammentritt des Bundestages an werden die Gesetze ausschließlich von den in
diesem Grundgesetze anerkannten gesetzgebenden Gewalten beschlossen.
(2) Gesetzgebende und bei der Gesetzgebung beratend mitwirkende Körperschaften, deren
Zuständigkeit nach Absatz 1 endet, sind mit diesem Zeitpunkt aufgelöst.
Artikel 123
[Fortgeltung früheren Rechts und früherer Staatsverträge]
(1) Recht aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages gilt fort, soweit es dem
Grundgesetze nicht widerspricht.
(2) Die vom Deutschen Reich abgeschlossenen Staatsverträge, die sich auf Gegenstände
beziehen, für die nach diesem Grundgesetze die Landesgesetzgebung zuständig ist,
bleiben, wenn sie nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen gültig sind und fortgelten, unter
Vorbehalt aller Rechte und Einwendungen der Beteiligten in Kraft, bis neue Staatsverträge
durch die nach diesem Grundgesetze zuständigen Stellen abgeschlossen werden oder ihre
Beendigung auf Grund der in ihnen enthaltenen Bestimmungen anderweitig erfolgt.
Artikel 124
[Fortgeltung als Bundesrecht auf dem Gebiet der
ausschließlichen Gesetzgebung]
Recht, das Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes betrifft, wird
innerhalb seines Geltungsbereiches Bundesrecht.
Artikel 125
[Fortgeltung als Bundesrecht auf dem Gebiet der
konkurrierenden Gesetzgebung]
Recht, das Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft, wird
innerhalb seines Geltungsbereiches Bundesrecht,
1. soweit es innerhalb einer oder mehrerer Besatzungszonen einheitlich gilt,
2. soweit es sich um Recht handelt, durch das nach dem 8. Mai 1945 früheres Reichsrecht
abgeändert worden ist.
Artikel 125 a
[Fortgeltung von Bundesrecht nach Änderung von
Gesetzgebungskompetenzen]
(1) Recht, das als Bundesrecht erlassen worden ist, aber wegen Änderung des Artikels 74 Abs. 1 oder des Artikels 75 Abs. 1 nicht mehr als
Bundesrecht erlassen werden könnte, gilt als Bundesrecht fort. Es kann durch Landesrecht
ersetzt werden.
(2) Recht, das auf Grund des Artikels 72 Abs. 2 in der bis zum 15.
November 1994 geltenden Fassung erlassen worden ist, gilt als Bundesrecht fort. Durch
Bundesgesetz kann bestimmt werden, daß es durch Landesrecht ersetzt werden kann.
Entsprechendes gilt für Bundesrecht, das vor diesem Zeitpunkt erlassen worden ist und das
nach Artikel 75 Abs. 2 nicht mehr erlassen werden könnte.
Artikel 126
[Meinungsverschiedenheiten über das Fortgelten von Recht
als Bundesrecht]
Meinungsverschiedenheiten über das Fortgelten von Recht als Bundesrecht entscheidet das
Bundesverfassungsgericht.
Artikel 127
[Recht des Vereinigten Wirtschaftsgebietes]
Die Bundesregierung kann mit Zustimmung der Regierungen der beteiligten Länder Recht der
Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, soweit es nach Artikel 124
oder 125 als Bundesrecht fortgilt, innerhalb eines Jahres nach
Verkündung dieses Grundgesetzes in den Ländern Baden, Groß-Berlin, Rheinland-Pfalz und
Württemberg-Hohenzollern in Kraft setzen.
Artikel 128
[Fortbestehen von Weisungsrechten]
Soweit fortgeltendes Recht Weisungsrechte im Sinne des Artikels 84
Absatz 5 vorsieht, bleiben sie bis zu einer anderweitigen gesetzlichen Regelung bestehen.
Artikel 129
[Fortgeltung von Ermächtigungen]
(1) Soweit in Rechtsvorschriften, die als Bundesrecht fortgelten, eine Ermächtigung zum
Erlasse von Rechtsverordnungen oder allgemeinen Verwaltungsvorschriften sowie zur Vornahme
von Verwaltungsakten enthalten ist, geht sie auf die nunmehr sachlich zuständigen Stellen
über. In Zweifelsfällen entscheidet die Bundesregierung im Einvernehmen mit dem
Bundesrate; die Entscheidung ist zu veröffentlichen.
(2) Soweit in Rechtsvorschriften, die als Landesrecht fortgelten, eine solche
Ermächtigung enthalten ist, wird sie von den nach Landesrecht zuständigen Stellen
ausgeübt.
(3) Soweit Rechtsvorschriften im Sinne der Absätze 1 und 2 zu ihrer Änderung oder
Ergänzung oder zum Erlaß von Rechtsvorschriften anstelle von Gesetzen ermächtigen, sind
diese Ermächtigungen erloschen.
(4) Die Vorschriften der Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, soweit in
Rechtsvorschriften auf nicht mehr geltende Vorschriften oder nicht mehr bestehende
Einrichtungen verwiesen ist.
Artikel 130
[Überleitung von Verwaltung- und Rechtspflegeeinrichtungen]
(1) Verwaltungsorgane und sonstige der öffentlichen Verwaltung oder Rechtspflege dienende
Einrichtungen, die nicht auf Landesrecht oder Staatsverträgen zwischen Ländern beruhen,
sowie die Betriebsvereinigung der südwestdeutschen Eisenbahnen und der Verwaltungsrat
für das Post- und Fernmeldewesen für das französische Besatzungsgebiet unterstehen der
Bundesregierung. Diese regelt mit Zustimmung des Bundesrates die Überführung, Auflösung
oder Abwicklung.
(2) Oberster Disziplinarvorgesetzter der Angehörigen dieser Verwaltungen und
Einrichtungen ist der zuständige Bundesminister.
(3) Nicht landesunmittelbare und nicht auf Staatsverträgen zwischen den Ländern
beruhende Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechtes unterstehen der Aufsicht
der zuständigen obersten Bundesbehörde.
Artikel 131
[Rechtsverhältnisse ehemaliger Angehöriger
des öffentlichen Dienstes]
Die Rechtsverhältnisse von Personen einschließlich der Flüchtlinge und Vertriebenen,
die am 8. Mai 1945 im öffentlichen Dienste standen, aus anderen als beamten- oder
tarifrechtlichen Gründen ausgeschieden sind und bisher nicht oder nicht ihrer früheren
Stellung entsprechend verwendet werden, sind durch Bundesgesetz zu regeln. Entsprechendes
gilt für Personen einschließlich der Flüchtlinge und Vertriebenen, die am 8. Mai 1945
versorgungsberechtigt waren und aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gründen
keine oder keine entsprechende Versorgung mehr erhalten. Bis zum Inkrafttreten des
Bundesgesetzes können vorbehaltlich anderweitiger landesrechtlicher Regelung
Rechtsansprüche nicht geltend gemacht werden.
Artikel 132
[Außerordentliche Aufhebung von Rechten im öffentlichen Dienst]
(1) Beamte und Richter, die im Zeitpunkte des Inkrafttretens dieses Grundgesetzes auf
Lebenszeit angestellt sind, können binnen sechs Monaten nach dem ersten Zusammentritt des
Bundestages in den Ruhestand oder Wartestand oder in ein Amt mit niedrigerem
Diensteinkommen versetzt werden, wenn ihnen die persönliche oder fachliche Eignung für
ihr Amt fehlt. Auf Angestellte, die in einem unkündbaren Dienstverhältnis stehen, findet
diese Vorschrift entsprechende Anwendung. Bei Angestellten, deren Dienstverhältnis
kündbar ist, können über die tarifmäßige Regelung hinausgehende Kündigungsfristen
innerhalb der gleichen Frist aufgehoben werden.
(2) Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf Angehörige des öffentlichen Dienstes,
die von den Vorsclriften über die "Befreiung von Nationalsozialismus und
Militarismus" nicht betroffen oder die anerkannte Verfolgte des Nationalsozialismus
sind, sofern nicht ein wichtiger Grund in ihrer Person vorliegt.
(3) Den Betroffenen steht der Rechtsweg gemäß Artikel 19 Absatz 4
offen.
(4) Das Nähere bestimmt eine Verordnung der Bundesregierung, die der Zustimmung des
Bundesrates bedarf.
Artikel 133
[Rechtsnachfolge der Verwaltung des Vereinigten
Wirtschaftsgebietes]
Der Bund tritt in die Rechte und Pflichten der Verwaltung des Vereinigten
Wirtschaftsgebietes ein.
Artikel 134
[Rechtsnachfolge in das Reichsvermögen]
(1) Das Vermögen des Reiches wird grundsätzlich Bundesvermögen.
(2) Soweit es nach seiner ursprünglichen Zweckbestimmung überwiegend für
Verwaltungsaufgaben bestimmt war, die nach diesem Grundgesetze nicht Verwaltungsaufgaben
des Bundes sind, ist es unentgeltlich auf die nunmehr zuständigen Aufgabenträger und,
soweit es nach seiner gegenwärtigen, nicht nur vorübergehenden Benutzung
Verwaltungsaufgaben dient, die nach diesem Grundgesetze nunmehr von den Ländern zu
erfüllen sind, auf die Länder zu übertragen. Der Bund kann auch sonstiges Vermögen den
Ländern übertragen.
(3) Vermögen, das dem Reich von den Ländern und Gemeinden (Gemeindeverbänden)
unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde, wird wiederum Vermögen der Länder und
Gemeinden (Gemeindeverbände), soweit es nicht der Bund für eigene Verwaltungsaufgaben
benötigt.
(4) Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.
Artikel 135
[Rechtsnachfolge in das Vermögen früherer Länder und
Körperschaften]
(1) Hat sich nach dem 8. Mai 1945 bis zum Inkrafttreten dieses Grundgesetzes die
Landeszugehörigkeit eines Gebietes geändert, so steht in diesem Gebiete das Vermögen
des Landes, dem das Gebiet angehört hat, dem Lande zu, dem es jetzt angehört.
(2) Das Vermögen nicht mehr bestehender Länder und nicht mehr bestehender anderer
Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechtes geht, soweit es nach seiner
ursprünglichen Zweckbestimmung überwiegend für Verwaltungsaufgaben bestimmt war, oder
nach seiner gegenwärtigen, nicht nur vorübergehenden Benutzung überwiegend
Verwaltungsaufgaben dient, auf das Land oder die Körperschaft oder Anstalt des
öffentlichen Rechtes über, die nunmehr diese Aufgaben erfüllen.
(3) Grundvermögen nicht mehr bestehender Länder geht einschließlich des Zubehörs,
soweit es nicht bereits zu Vermögen im Sinne des Absatzes 1 gehört, auf das Land über,
in dessen Gebiet es belegen ist.
(4) Sofern ein überwiegendes Interesse des Bundes oder das besondere Interesse eines
Gebietes es erfordert, kann durch Bundesgesetz eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende
Regelung getroffen werden.
(5) Im übrigen wird die Rechtsnachfolge und die Auseinandersetzung, soweit sie nicht bis
zum 1. Januar 1952 durch Vereinbarung zwischen den beteiligten Ländern oder
Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechtes erfolgt, durch Bundesgesetz
geregelt, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.
(6) Beteiligungen des ehemaligen Landes Preußen an Unternehmen des privaten Rechtes gehen
auf den Bund über. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das auch Abweichendes bestimmen
kann.
(7) Soweit über Vermögen, das einem Lande oder einer Körperschaft oder Anstalt des
öffentlichen Rechtes nach den Absätzen 1 bis 3 zufallen würde, von dem danach
Berechtigten durch ein Landesgesetz, auf Grund eines Landesgesetzes oder in anderer Weise
bei Inkrafttreten des Grundgesetzes verfügt worden war, gilt der Vermögensübergang als
vor der Verfügung erfolgt.
Artikel 135 a
[Verbindlichkeiten des Deutschen Reiches und der ehemaligen DDR]
(1) Durch die in Artikel 134 Absatz 4 und Artikel 135
Absatz 5 vorbehaltene Gesetzgebung des Bundes kann auch bestimmt werden, daß nicht oder
nicht in voller Höhe zu erfüllen sind
1. Verbindlichkeiten des Reiches sowie Verbindlichkeiten des ehemaligen Landes Preußen
und sonstiger nicht mehr bestehender Körperschaften und Anstalten des öffentlichen
Rechts,
2. Verbindlichkeiten des Bundes oder anderer Körperschaften und Anstalten des
öffentlichen Rechts, welche mit dem Übergang von Vermögenswerten nach Artikel 89, 90, 134 und 135
im Zusammenhang stehen, und Verbindlichkeiten dieser Rechtsträger, die auf Maßnahmen der
in Nummer 1 bezeichneten Rechtsträger beruhen,
3. Verbindlichkeiten der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände), die aus Maßnahmen
entstanden sind, welche diese Rechtsträger vor dem 1. August 1945 zur Durchführung von
Anordnungen der Besatzungsmächte oder zur Beseitigung eines kriegsbedingten Notstandes im
Rahmen dem Reich obliegender oder vom Reich übertragener Verwaltungsaufgaben getroffen
haben.
(2) Absatz 1 findet entsprechende Anwendung auf Verbindlichkeiten der Deutschen
Demokratischen Republik oder ihrer Rechtsträger sowie auf Verbindlichkeiten des Bundes
oder anderer Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, die mit dem Übergang
von Vermögenswerten der Deutschen Demokratischen Republik auf Bund, Länder und Gemeinden
im Zusammenhang stehen, und auf Verbindlichkeiten, die auf Maßnahmen der Deutschen
Demokratischen Republik oder ihrer Rechtsträger beruhen.
Artikel 136
[Erster Zusammentritt des Bundesrates]
(1) Der Bundesrat tritt erstmalig am Tage des ersten Zusammentrittes des Bundestages
zusammen.
(2) Bis zur Wahl des ersten Bundespräsidenten werden dessen Befugnisse von dem
Präsidenten des Bundesrates ausgeübt. Das Recht der Auflösung des Bundestages steht ihm
nicht zu.
Artikel 137
[Wählbarkeit von Angehörigen des öffentlichen Dienstes,
gesetzliche Beschränkungen]
(1) Die Wählbarkeit von Beamten, Angestellten des öffentlichen Dienstes, Berufssoldaten,
freiwilligen Soldaten auf Zeit und Richtern im Bund, in den Ländern und den Gemeinden
kann gesetzlich beschränkt werden.
(2) Für die Wahl des ersten Bundestages, der ersten Bundesversammlung und des ersten
Bundespräsidenten der Bundesrepublik gilt das vom Parlamentarischen Rat zu beschließende
Wahlgesetz.
(3) Die dem Bundesverfassungsgerichte gemäß Artikel 41 Absatz 2
zustehende Befugnis wird bis zu seiner Errichtung von dem Deutschen Obergericht für das
Vereinigte Wirtschaftsgebiet wahrgenommen, das nach Maßgabe seiner Verfahrensordnung
entscheidet.
Artikel 138
[Süddeutsches Notariat]
Änderungen der Einrichtungen des jetzt bestehenden Notariats in den Ländern Baden,
Bayern, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern bedürfen der Zustimmung der
Regierungen dieser Länder.
Artikel 139
[Fortgeltung der Entnazifizierungsvorschriften]
Die zur "Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und
Militarismus" erlassenen Rechtsvorschriften werden von den Bestimmungen dieses
Grundgesetzes nicht berührt.
Artikel 140
[Recht der Religionsgesellschaften; Glaubensfreiheit;
Schutz von Sonn- und Feiertagen]
Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138,
139 und 141 der deutschen
Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.
Artikel 141
[Religionsunterricht Bremer Klausel]
Artikel 7 Absatz 3 Satz 1 findet keine Anwendung in einem Lande, in dem
am 1. Januar 1949 eine andere landesrechtliche Regelung bestand.
Artikel 142
[Grundrechte in Landesverfassungen]
Ungeachtet der Vorschrift des Artikels 31 bleiben Bestimmungen der
Landesverfassungen auch insoweit in Kraft, als sie in Übereinstimmung mit den Artikeln 1 bis 18 dieses Grundgesetzes Grundrechte gewährleisten.
Artikel 142 a
[aufgehoben]
Artikel 143
[Einigungsbedingte Abweichungen vom Grundgesetz]
(1) Recht in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiet kann längstens bis
zum 31. Dezember 1992 von Bestimmungen dieses Grundgesetzes abweichen, soweit und solange
infolge der unterschiedlichen Verhältnisse die völlige Anpassung an die grundgesetzliche
Ordnung noch nicht erreicht werden kann. Abweichungen dürfen nicht gegen Artikel 19 Abs. 2 verstoßen und müssen mit den in Artikel 79
Abs. 3 genannten Grundsätzen vereinbar sein.
(2) Abweichungen von den Abschnitten II, VIII, VIII a, IX, X und XI
sind längstens bis zum 31. Dezember 1995 zulässig.
(3) Unabhängig von Absatz 1 und 2 haben Artikel 41 des Einigungsvertrags und Regelungen
zu seiner Durchführung auch insoweit Bestand, als sie vorsehen, daß Eingriffe in das
Eigentum auf dem in Artikel 3 dieses Vertrags genannten Gebiet nicht mehr rückgängig
gemacht werden.
Artikel 143 a
[Umwandlung der Bundeseisenbahnen in Wirtschaftsunternehmen]
(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über alle Angelegenheiten, die sich
aus der Umwandlung der in bundeseigener Verwaltung geführten Bundeseisenbahnen in
Wirtschaftsunternehmen ergeben. Artikel 87 e Abs. 5 findet
entsprechende Anwendung. Beamte der Bundeseisenbahnen können durch Gesetz unter Wahrung
ihrer Rechtsstellung und der Verantwortung des Dienstherrn einer privat-rechtlich
organisierten Eisenbahn des Bundes zur Dienstleistung zugewiesen werden.
(2) Gesetze nach Absatz 1 führt der Bund aus.
(3) Die Erfüllung der Aufgaben im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs der bisherigen
Bundeseisenbahnen ist bis zum 31. Dezember 1995 Sache des Bundes. Dies gilt auch für die
entsprechenden Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung. Das Nähere wird durch
Bundesgesetz geregelt, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.
Artikel 143 b
[Umwandlung der Deutschen Bundespost]
(1) Das Sondervermögen Deutsche Bundespost wird nach Maßgabe eines Bundesgesetzes in
Unternehmen privater Rechtsform umgewandelt. Der Bund hat die ausschließliche
Gesetzgebung über alle sich hieraus ergebenden Angelegenheiten.
(2) Die vor der Umwandlung bestehenden ausschließlichen Rechte des Bundes können durch
Bundesgesetz für eine Übergangszeit den aus der Deutschen Bundespost POSTDIENST und der
Deutschen Bundespost TELEKOM hervorgegangenen Unternehmen verliehen werden. Die
Kapitalmehrheit am Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost POSTDIENST darf der Bund
frühestens fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes aufgeben. Dazu bedarf es eines
Bundesgesetzes mit Zustimmung des Bundesrates.
(3) Die bei der Deutschen Bundespost tätigen Bundesbeamten werden unter Wahrung ihrer
Rechtsstellung und der Verantwortung des Dienstherrn bei den privaten Unternehmen
beschäftigt. Die Unternehmen üben Dienstherrenbefugnisse aus. Das Nähere bestimmt ein
Bundesgesetz.
Artikel 144
[Annahme der Grundgesetzes]
(1) Dieses Grundgesetz bedarf der Annahme durch die Volksvertretungen in zwei Dritteln der
deutschen Länder, in denen es zunächst gelten soll.
(2) Soweit die Anwendung dieses Grundgesetzes in einem der in Artikel 23
aufgeführten Länder oder in einem Teile eines dieser Länder Beschränkungen unterliegt,
hat das Land oder der Teil des Landes das Recht, gemäß Artikel 38
Vertreter in den Bundestag und gemäß Artikel 50 Vertreter in den
Bundesrat zu entsenden.
Artikel 145
[Inkrafttreten des Grundgesetzes]
(1) Der Parlamentarische Rat stellt in öffentlicher Sitzung unter Mitwirkung der
Abgeordneten Groß-Berlins die Annahme dieses Grundgesetzes fest, fertigt es aus und
verkündet es.
(2) Dieses Grundgesetz tritt mit Ablauf des Tages der Verkündung in Kraft.
(3) Es ist im Bundesgesetzblatte zu veröffentlichen.
Artikel 146
[Geltungsdauer des Grundgesetzes]
Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das
gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung
in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist. |