Gemeinsame Erklärung
Der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union,
Der Präsidentin des Europäischen Parlaments,
Des Präsidenten der Europäischen Kommission
Und des Hohen Vertreters für die gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik
Vom 14. September 2001
Sowohl in Europa als auch anderswo hat der abscheuliche Terroranschlag in
den Vereinigten Staaten unsere Bürger tief erschüttert. Um seine Solidarität mit der
amerikanischen Nation zu bekunden, hat Europa den 14. September zum Tag der Trauer
erklärt. Infolgedessen laden wir alle europäischen Bürger ein, um 12:00 drei
Schweigeminuten einzulegen, um den Opfern und ihren Familien unser tief empfundenes und
aufrichtiges Mitgefühl auszudrücken.
Die Europäische Union hat vorgestern mit allem Nachdruck Urheber, Drahtzieher und
Komplizen dieser Terroranschläge verurteilt. Sie kündigte an, keine Mühen zu scheuen,
damit die Verantwortlichen für diese barbarischen Handlungen vor Gericht gestellt und
bestraft werden. Sowohl die amerikanische Regierung als auch das amerikanische Volk
können bei der Ahndung dieses Verbrechens auf unsere volle Solidarität und unsere
uneingeschränkte Zusammenarbeit zählen. Keinesfalls werden wir zulassen, dass diese
Verbrecher irgendwo Unterschlupf finden. Wer diese Verbrecher deckt, fördert, ihnen
Unterschlupf gewährt oder solche Terrorakte plant oder finanziell unterstützt, wird zur
Rechenschaft gezogen werden.
Eine solche gegen die Menschheit gerichtete Gewalttat hat mitten ins Herz einer
befreundeten Nation getroffen, die sich wie die Europäische Union für eine bessere Welt
einsetzt. Doch ist dieser schreckliche Terroranschlag auch ein Anschlag auf uns alle und
damit auf unsere weltoffenen, demokratischen, multikulturellen und toleranten
Gesellschaften. Wir appellieren an alle Länder, die diese Werte und universellen Ideale
teilen, im Kampf gegen den Terrorismus, der auf das Konto skrupelloser Mörder geht und
unschuldige Opfer fordert, alle Kräfte zu vereinen. Die Missachtung ethischer und
menschlicher Werte ist durch nichts zu rechtfertigen. Hierbei ist die Solidarität
zwischen uns allen von entscheidender Bedeutung. Denn wir müssen gemeinsam - und zwar
ungeachtet unserer Abstammung, unserer Rasse oder unserer Religion - nach Lösungen für
Konflikte suchen, die zu oft als Vorwand für Barbarei dienen.
Wir appellieren an alle Länder, ihre Bemühungen im Kampf gegen den Terrorismus zu
verstärken. Terrorismus zu bekämpfen heißt nichts anderes als die Sicherheit unserer
Bürger und die Stabilität unserer Gesellschaften zu gewährleisten. Die internationalen
Organisationen - und insbesondere die UNO - sollten dies zur obersten Priorität machen.
In Anbetracht der vielfältigen Hindernisse in diesem Bereich werden wir uns durch
Tatkraft und Ehrgeiz auszeichnen. Zur Beseitigung dieser Geißel
müssen Polizei- und Gerichtsbehörden aller Länder ihre Anstrengungen in den nächsten
Tagen verdoppeln. Nach internationalem Recht dürfen Urheber, Auftraggeber und Komplizen
an jedem beliebigen Aufenthaltsort verfolgt werden. Es kann nicht hingenommen werden, dass
Länder auf ihrem Staatsgebiet terroristische Machenschaften dulden.
Auf Grund dieser tragischen Ereignisse müssen wir Beschlüsse hinsichtlich der Rolle
fassen, die die Europäische Union bei der Bewältigung dieser Herausforderung zu spielen
hat: Die Europäische Union ist dazu aufgerufen, sich vermehrt und unablässig im
weltpolitischen Geschehen zu engagieren, um Gerechtigkeit und Demokratie sowie die
Integrierung aller Länder in ein weltweites System von Sicherheit und Wohlstand zu
verteidigen und zur Entstehung einer schlagkräftigen und beständigen weltweiten
Antiterrorbewegung beizutragen.
Wir werden die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik weiterhin ausbauen, damit die
Union wirklich mit einer starken und geeinten Stimme spricht.
Wir werden die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik so schnell wie möglich
einsatzfähig machen. In dieser Hinsicht werden wir insbesondere unsere Fähigkeiten im
Nachrichtenbereich verbessern.
Die Europäische Union wird die Umsetzung eines echten gemeinsamen europäischen
Rechtsraumes beschleunigen. Dies impliziert u. a. die Schaffung eines europäischen Haft-
und Auslieferungsbefehls nach Maßgabe der Schlussfolgerungen von Tampere sowie die
gegenseitige Anerkennung von Gerichtsbeschlüssen und Urteilen.
Unsere Bürger werden sich nicht einschüchtern lassen. Auch in unseren Gesellschaften
wird weiterhin alles seinen gewohnten Gang gehen. Doch heute gelten unsere Gedanken den
Opfern, ihren Familien und dem amerikanischen Volk.
Guy Verhofstadt
Tony Blair
Nicole Fontaine
Wolfgang Schüssel
Romano Prodi
Gerhard Schröder
José-Maria Aznar
Tarja Halonen
Poul Nyrup Rasmussen
Paavo Lipponen
Kostas Simitis
Antonio Guterres
Silvio Berlusconi
Jacques Chirac
Bertie Ahern
Lionel Jospin
Wim Kok
Göran Persson
Jean-Claude Juncker
Javier Solana
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