Gesetz zur Regelung der öffentlichen Sammlungen und sammlungsähnlichen Veranstaltungen
(Sammlungsgesetz).

Vom 5. November 1934.


  Die Reichsregierung hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

§ 1

  (1) Wer auf Straßen und Plätzen, in Gast- oder Vergnügungsstätten oder in anderen jedermann zugänglichen Räumen oder von Haus zu Haus oder sonst durch unmittelbares Einwirken von Person zu Person eine öffentliche Sammlung von Geld- oder Sachspenden oder geldwerten Leistungen veranstalten will, bedarf der Genehmigung der zuständigen Behörde.
  (2) Das gleiche gilt, wenn die öffentliche Sammlung durch Verbreiten von Sammellisten oder Werbeschreiben oder durch Veröffentlichung von Aufrufen durchgeführt werden soll.
  (3) Als Sammlung im Sinne dieses Gesetzes gilt auch der Verkauf von Gegenständen, deren Wert in keinem Verhältnis zu dem geforderten Preis steht, wenn der Verkauf nicht in Erfüllung der sonstigen wirtschaftlichen Betätigung des Verkäufers erfolgt.

§ 2

  (1) Wer zum Eintritt in eine Vereinigung oder zur Entrichtung von Beiträgen oder geldwerten Leistungen an eine Vereinigung öffentlich auffordern oder wer die auf Grund dieser Aufforderung einkommenden Beiträge oder Leistungen entgegennehmen will, bedarf der Genehmigung der zuständigen Behörde, wenn die Umstände des Falles oder die Art oder der Umfang der Aufforderung ergeben, daß es dem Veranstalter ernstlich nicht auf die Herbeiführung eines festen persönlichen Verhältnisses zwischen der Vereinigung und den angegangenen Personen und auf ihre Betätigung in der Vereinigung, sondern vielmehr ausschließlich oder überwiegend auf die Erlangung von Geld oder geldwerten Leistungen ankommt.
  (2) Die Vorschrift des Absatzes 1 gilt nicht für Vereinigungen, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist.

§ 3

  (1) Wer Karten oder Gegenstände, die zum Eintritt zu einer öffentlichen Veranstaltung berechtigen, auf Straßen und Plätzen, in Gast- oder Vergnügungsstätten oder in anderen jedermann zugänglichen Räumen oder von Haus zu Haus oder sonst durch unmittelbares Einwirken von Person zu Person verkaufen will, bedarf der Genehmigung der zuständigen Behörde. Dies gilt auch, wenn der Verkauf zum Zwecke des Erwerbs erfolgt.
  (2) Ausgenommen von der Vorschrift des Absatzes 1 ist der Verkauf

  1. in Räumen, die dem gewerbsmäßigen Kartenverkauf dienen,
  2. in den ständigen Geschäftsräumen des Veranstalters,
  3. in Gast- oder Vergnügungsstätten oder auf Plätzen, in oder auf denen die Veranstaltung selbst stattfindet.

§ 4

  Wer eine öffentliche Veranstaltung durchführen will, die mit dem Hinweis darauf angekündigt oder empfohlen werden soll, daß ihr Ertrag ganz oder teilweise zu gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken verwendet werde, bedarf der Genehmigung der zuständigen Behörde.

§ 5

  (1) Wer zu gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken Waren öffentlich vertreiben will, bedarf der Genehmigung der zuständigen Behörde.
  (2) Ein Vertrieb gilt als zu einem gemeinnützigen oder mildtätigem Zweck veranstaltet, wenn er erkennbar von einer Vereinigung, Stiftung, Anstalt oder einem sonstigen Unternehmen ausgeht, das nach seiner Bezeichnung oder seiner Satzung einen solchen Zweck verfolgt, oder wenn bei dem Angebot der Waren in anderer Weise zum Ausdruck gebracht wird, daß der Erlös ganz oder teilweise zu einem solchen Zweck verwandt werden solle.
  (3) Die Vorschriften über den Vertrieb von Blindenwaren nach § 56a der Gewerbeordnung in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung vom 3. Juli 1934 (Reichsgesetzbl. I S. 566) bleiben unberührt.

§ 6

  Wer eine öffentliche Sammlung oder sammlungsähnliche Veranstaltung (§§ 1 bis 5) vom Inland aus oder durch ausgesandte Mittelspersonen im Auslande durchführen will, bedarf der Genehmigung der zuständigen Behörde.

§ 7

  Die nach §§ 1 bis 6 erforderliche Genehmigung ist nur für eine bestimmte Zeit zu erteilen. Sie kann jederzeit widerrufen und von Bedingungen abhängig gemacht werden. Sie gilt nur für das Gebiet, für das sie erteilt ist.

§ 8

  Vor Erteilung der Genehmigung darf eine Sammlung oder sammlungsähnliche Veranstaltung (§§ 1 bis 6) nicht öffentlich angekündigt werden. Ebenso ist der Kartenverkauf für eine unter § 4 dieses Gesetzes fallende Veranstaltung vor Erteilung der Genehmigung unzulässig.

§ 9

  (1) Bei Vereinigungen, Stiftungen, Anstalten, sonstigen Unternehmen und Einzelpersonen, die eine öffentliche Sammlung oder sammlungsähnliche Veranstaltung (§§ 1 bis 6) durchführen (Sammlungsträger), kann die zuständige Behörde, soweit dies zur Überwachung und Prüfung der Sammlung oder sammlungsähnlichen Veranstaltung notwendig ist,

  1. Geschäftsbücher, Schriften, Kassen- und Vermögensbestände prüfen oder durch öffentlich bestellte Sachverständige oder durch andere Personen prüfen lassen,
  2. von den an der Geschäftsführung beteiligten Personen sowie von allen Angestellten und Beauftragten Auskunft über Angelegenheiten der Geschäftsführung und die Einreichung von Berichten und Rechnungsabschlüssen fordern,
  3. Vertreter zu Versammlungen und Sitzungen entsenden.

  (2) Bei dringendem Verdacht unlauterer Geschäftsführung ist die zuständige Behörde zum Erlaß öffentlicher Warnungen befugt.

§ 10

  (1) Vereinigungen, Stiftungen, Anstalten und sonstige Unternehmungen, die eine öffentliche Sammlung oder sammlungsähnlichen Veranstaltung (§§ 1 bis 6) durchführen und nach ihrer Bezeichnung, Satzung oder Zweckbestimmung gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienen, sowie Einrichtungen dieser Art, die von Einzelpersonen ausgehen, können von der zuständigen Behörde unter Verwaltung gestellt werden, wenn sich vorhandene erhebliche Mißstände nicht auf andere Weise beseitigen lassen. Die Entscheidung der Behörde ist endgültig.
  (2) Der Verwalter ist befugt, sich in den Besitz des unter Verwaltung gestellten Unternehmens zu setzen und Rechtshandlungen für das Unternehmen vorzunehmen. Er hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Die Befugnisse des Inhabers des Unternehmens, seiner Bevollmächtigten und Organe zu Rechtshandlungen für das Unternehmen ruhen.
  (3) Ist das Unternehmen in das Handels-, das Genossenschafts- oder das Vereinsregister eingetragen, so ist die Anordnung und die Aufhebung der Verwaltung auf Antrag des Verwalters in das Register einzutragen.
  (4) Der Verwalter führt die Geschäfte unter Aufsicht der Behörde. Mit Zustimmung der zuständigen Behörde kann er das Unternehmen auflösen. Über die Verwendung des Vermögens des aufgelösten Unternehmens entscheidet die zuständige Behörde.

§ 11

  (1) Bei Unternehmungen und Einzelpersonen, die nicht unter § 10 dieses Gesetzes fallen, kann die zuständige Behörde zur Durchführung der Sammlung oder sammlungsähnlichen Veranstaltung einen Verwalter bestellen, wenn sich vorhandene erhebliche Mißstände nicht auf andere Weise beseitigen lassen. Die Entscheidung der Behörde ist endgültig.
  (2) Der Verwalter hat, soweit er Rechtshandlungen zur Durchführung der Sammlung oder sammlungsähnlichen Veranstaltung vornimmt, die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Die Befugnisse des Sammlungsträgers, seiner Bevollmächtigten und Organe ruhen insoweit.
  (3) Der Verwalter führt die Geschäfte unter Aufsicht der Behörde.
  (4) Über die Verwendung des durch die Sammlung oder sammlungsähnlichen Veranstaltung erzielten Ertrages entscheidet die zuständige Behörde.

§ 12

  Sollen Mittel, die durch eine öffentliche Sammlung oder sammlungsähnlichen Veranstaltung zusammengebracht sind, einem anderen als dem genehmigten Zweck zugeführt werden, so bedarf dies der Genehmigung der zuständigen Behörde.

§ 13

  Mit Gefängnis bis zu sechs Monaten und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen wird bestraft:
  1. wer ohne die vorgeschriebene Genehmigung eine Veranstaltung der in den §§ 1 bis 6 bezeichneten Art ankündigt, durchführt oder bei ihrer Durchführung mitwirkt;
  2. wer den Bedingungen, an die eine nach diesem Gesetz erforderliche Genehmigung geknüpft ist, zuwiderhandelt;
  3. wer den gemäß § 9 angeordneten Maßnahmen innerhalb der gesetzten Frist nicht entspricht oder wissentlich unrichtige oder unvollständige Angaben macht;
  4. wer einer auf Grund der §§ 10 und 11 angeordneten Verwaltung Gegenstände ganz oder teilweise entzieht;
  5. wer entgegen der Vorschrift des § 12 Mittel einem anderen als dem genehmigten Zweck oder einem Nichtberechtigten zuführt;
  6. wer von einer Person, die bei der Durchführung der Sammlung oder sammlungsähnlichen Veranstaltung tätig ist, die Abführung eines bestimmten Ertrages auch für den Fall verlangt, daß dieser Ertrag nicht erzielt wird.

§ 14

  (1) Der Ertrag einer nicht genehmigten Sammlung oder sammlungsähnlichen Veranstaltung ist einzuziehen. Zum Ertrag zählen auch Gegenstände und Rechte, die aus Mitteln der Sammlung oder sammlungsähnlichen Veranstaltung beschafft worden sind. Kann keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden, so kann auf Einziehung selbständig erkannt werden, wenn im übrigen die Voraussetzungen hierfür vorliegen.
  (2) Über die Verwendung des eingezogenen Ertrages entscheidet die zuständige Behörde.

§ 15

  Dieses Gesetz gilt nicht für öffentliche Sammlungen und sammlungsähnlichen Veranstaltungen, die durchgeführt werden

  1. auf Anordnung der Reichsregierung oder einer obersten Reichsbehörde im Einvernehmen mit dem Reichsminister des Innern,[1]
  2. auf Anordnung und für den Bereich eines Kreispolizeibehörde zur Steuerung eines durch unvorhergesehene Ereignisse herbeigeführten augenblicklichen Notstandes,
  3. von der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, ihren angeschlossenen Gliederungen und von den der vermögensrechtlichen Aufsicht des Reichsschatzmeisters der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei unterstellten angeschlossenen Verbänden der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, sofern die Sammlungen und sammlungsähnlichen Veranstaltungen durch den Reichsschatzmeister der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei im Einvernehmen mit dem Reichsminister des Innern genehmigt sind,
  4. von einer christlichen Religionsgesellschaft des öffentlichen Rechts bei Gottesdiensten in Kirchen und in kirchlichen Versammlungsräumen.

§ 16

  Der Reichsminister des Innern erläßt in Benehmen mit den beteiligten Reichsministern die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Rechtsverordnungen und allgemeinen Verwaltungsvorschriften. Er ist ermächtigt, bestimmte Unternehmen allgemein oder unter Bedingungen von der Vorschrift des § 5 dieses Gesetzes zu befreien.

§ 17

  (1) Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom 1. November 1934 in Kraft.[2]
  (2) Mit Wirkung vom gleichen Tage treten alle reichs- und landesrechtlichen Vorschriften über die Genehmigung oder das Verbot öffentlicher Sammlungen oder sammlungsähnlichen Veranstaltungen, insbesondere die Bundesratsverordnung über Wohlfahrtspflege während des Krieges vom 15. Februar 1917 (Reichsgesetzbl. S. 143), §§ 14 und 19 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des deutschen Volkes vom 4. Februar 1933 (Reichsgesetzbl. I S. 38) und Abschnitt II des Gesetzes zur Erhaltung und Hebung der Kaufkraft (Spendengesetz) vom 24. März 1934 (Reichsgesetzbl. I S. 236) außer Kraft.


  Berlin, den 5. November 1934.

Der Führer und Reichskanzler
Adolf Hitler

Der Reichsminister des Innern

Frick

 

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Anmerkung:
[1] Vgl. dazu bspw. das Gesetz über das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes 1. Dezember 1936.
[2] Dieses Reichsgesetz wurde am 5. November 1934 verkündet.


Quelle: Reichsgesetzblatt 1934 I, S. 1086-1088.


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Gesetz zur Regelung der öffentlichen Sammlungen und sammlungsähnlichen Veranstaltungen [Sammlungsgesetz] (05.11.1934), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/ns/1934/sammlungsgesetz.html, Stand: aktuelles Datum.


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Letzte Änderung: 03.02.2004
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