Gesetz, betreffend die Grundschulen und Aufhebung der Vorschulen.
Vom 28. April 1920.
Die verfassunggebende Deutsche Nationalversammlung hat das
folgende Gesetz beschlossen, das nach Zustimmung des Reichsrats hiermit verkündet wird:
§ 1
[1] Die Volksschule ist in den vier untersten Jahrgängen als die
für alle gemeinsame Grundschule, auf der sich auch das mittlere und höhere Schulwesen
aufbaut, einzurichten. Die Vorschriften der Artikel 146
Abs. 2 und 174 der Verfassung
des Deutschen Reichs gelten auch für die Grundschule.
[2] Die Grundschulklassen (-stufen) sollen unter voller Wahrung ihrer wesentlichen
Aufgaben als Teile der Volksschule zugleich die ausreichende Vorbildung für den
unmittelbaren Eintritt in eine mittlere und höhere Lehranstalt gewährleisten. Auf
Hilfsschulklassen findet diese Bestimmung keine Anwendung.
[3] Für besondere Fälle können die Landeszentralbehörden zulassen, daß noch
weitere Jahrgänge einer Volksschule als Grundschulklassen eingerichtet werden.
§ 2
[1] Die bestehenden öffentlichen Vorschulen und Vorschulklassen
sind alsbald aufzuheben. Statt der sofortigen völligen Aufhebung kann auch ein Abbau in
der Weise erfolgen, daß vom Beginne des Schuljahrs 1920/21 oder, wo dieses nicht
angängig ist, spätestens vom Beginne des Schuljahrs 1921/22 an die unterste Klasse nicht
mehr geführt wird und der gesamte Abbau spätestens zu Beginn des Schuljahrs 1924/25
abgeschlossen sein muß.
[2] Für private Vorschulen und Vorschulklassen gelten die gleichen Vorschriften,
doch kann da, wo eine baldige Auflösung oder ein baldiger Abbau erhebliche
wirtschaftliche Härten für die Lehrkräfte oder die Unterhaltungsträger mit sich
bringen würde oder aus örtlichen Gründen untunlich ist, die völlige Auflösung bis zum
Beginne des Schuljahrs 1929/39 aufgeschoben werden. Wird ein Aufschub gewährt, ist dafür
zu sorgen, daß die Gesamtschülerzahl der Vorschulklassen der Privatschule den bisherigen
Umfang nicht übersteigt. Ergeben sich durch die Auflösung oder den Abbau erhebliche
wirtschaftliche Härten für die Lehrkräfte oder die Unterhaltungsträger, so ist aus
öffentlichen Mitteln eine Entschädigung zu gewähren oder durch sonstige öffentliche
Maßnahmen ein Ausgleich zu schaffen.
[3] Als Vorschulklassen im Sinne der Bestimmungen der Abs. 1 und 2 gelten stets die
für Kinder in den ersten drei Schulpflichtsjahrgängen bestimmten Klassen an mittleren
und höheren Lehranstalten sowie selbständig bestehende, zur Vorbereitung für den
Eintritt in eine mittlere oder höhere Lehranstalt dienende Schulklassen. Allgemein oder
für einzelne Schulgattungen oder einzelne Schulen kann auch die für einen weiteren
Schulpflichtsjahrgang bestimmte Klasse zum Zwecke der Aufhebung für ein Vorschulklasse im
Sinne dieser Bestimmung erklärt werden.
§ 3
Werden infolge der Aufhebung oder des Abbaus öffentlicher
Vorschulen oder Vorschulklassen hauptamtlich angestellte Lehrer und Lehrerinnen in ihren
bisherigen Stellungen entbehrlich, so können diese Lehrer (Lehrerinnen) auch gegen ihren
Willen ohne Schädigung in ihren Gehaltsansprüchen an öffentliche Volksschulen oder an
mittlere oder höhere Lehranstalten versetzt werden.
§ 4
Privatunterricht für einzelne Kinder oder gemeinsamer
Privatunterricht für Kinder mehrerer Familien, die sich zu diesem Zwecke
zusammenschließen, darf an Stelle des Besuchs der Grundschule nur ausnahmsweise in
besonderen Fällen zugelassen werden.
§ 5
Auf den Unterricht und die Erziehung blinder, taubstummer,
schwerhöriger, sprachleidender, schwachsinniger, krankhaft veranlagter, sittlich
gefährdeter oder verkrüppelter Kinder sowie auf die dem Unterricht und der Erziehung
dieser Kinder bestimmten Anstalten und Schulen finden die Vorschriften dieses Gesetzes keine Anwendung.
Berlin, den 28. April 1920.[1]
Der Reichspräsident
Ebert
Der Reichsminister des Innern
Koch
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