Grundgesetz
für die Bundesrepublik Deutschland
vom 23. Mai 1949.
Der Parlamentarische Rat hat am 23. Mai 1949 in Bonn am Rhein in
öffentlicher Sitzung festgestellt, daß das am 8. Mai des Jahres 1949 vom
Parlamentarischen Rat beschlossene Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
in der Woche vom 16.-22. Mai 1949 durch die Volksvertretungen von mehr als Zweidritteln
der beteiligten deutschen Länder angenommen worden ist.
Auf Grund dieser Feststellung hat der Parlamentarische Rat, vertreten durch seinen
Präsidenten, das Grundgesetz ausgefertigt und verkündet.
Das Grundgesetz wird hiermit gemäß Artikel 145 Absatz 3 im
Bundesgesetzblatt veröffentlicht:
Präambel
Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen,
von dem Willen beseelt, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und als
gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat das
Deutsche Volk
in den Ländern Baden, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen,
Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und
Württemberg-Hohenzollern,
um dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung zu geben,
kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz der Bundesrepublik
Deutschland beschlossen.
Es hat auch für jene Deutschen gehandelt, denen mitzuwirken versagt war.
Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die
Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.
I. Die Grundrechte
A r t i k e l 1
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu
schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen
Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der
Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und
Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
A r t i k e l 2
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit,
soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige
Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person
ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
A r t i k e l 3
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner
Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen
Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.
A r t i k e l 4
(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des
religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das
Nähere regelt ein Bundesgesetz.
A r t i k e l 5
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu
äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu
unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und
Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den
gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre
entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
A r t i k e l 6
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen
Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die
zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche
Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines
Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder
wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre
leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie
den ehelichen Kindern.
A r t i k e l 7
(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.
(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am
Religionsunterricht zu bestimmen.
(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der
bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen
Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der
Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden,
Religionsunterricht zu erteilen.
(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als
Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehenden
Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren
Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte
nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach
den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu
versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend
gesichert ist.
(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein
besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten,
wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet
werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.
(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.
A r t i k e l 8
(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis
friedlich und ohne Waffen zu versammeln.
(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund
eines Gesetzes beschränkt werden.
A r t i k e l 9
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder
die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der
Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen
Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden,
die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete
Maßnahmen sind rechtswidrig.
A r t i k e l 10
Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind
unverletzlich. Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden.
A r t i k e l 11
(1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.
(2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für die
Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden
ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden und in denen es zum
Schutze der Jugend vor Verwahrlosung, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder um strafbaren
Handlungen vorzubeugen, erforderlich ist.
A r t i k e l 12
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und
Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer
herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
A r t i k e l 13
(1) Die Wohnung ist unverletzlich.
(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in
den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen
Form durchgeführt werden.
(3) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr
oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur
Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere
zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter
Jugendlicher vorgenommen werden.
A r t i k e l 14
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und
Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch
Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung
regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit
und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle
der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
A r t i k e l 15
Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke
der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in
Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die
Entschädigung gilt Artikel 14 Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.
A r t i k e l 16
(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der
Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen
des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.
(2) Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden. Politisch Verfolgte genießen
Asylrecht.
A r t i k e l 17
Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen
schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die
Volksvertretung zu wenden.
A r t i k e l 18
Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit
(Artikel 5 Absatz 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Absatz 3), die
Versammlungsfreiheit (Artikel 8), die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10),
das Eigentum (Artikel 14) oder das Asylrecht (Artikel 16
Absatz 2) zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht,
verwirkt diese Grundrechte. Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das
Bundesverfassungsgericht ausgesprochen.
A r t i k e l 19
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf
Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur
für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des
Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem
Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der
Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der
ordentliche Rechtsweg gegeben.
II. Der Bund und die Länder
A r t i k e l 20
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer
Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen
und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der
Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und
die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
A r t i k e l 21
(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes
mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen
entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr
Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.
(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf
ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu
beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind
verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das
Bundesverfassungsgericht.
(3) Das Nähere regeln Bundesgesetze.
A r t i k e l 22
Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold.
A r t i k e l 23
Dieses Grundgesetz gilt zunächst im Gebiete der Länder Baden, Bayern,
Bremen, Groß-Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen,
Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern. In
anderen Teilen Deutschlands ist es nach deren Beitritt in Kraft zu setzen.
A r t i k e l 24
(1) Der Bund kann durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche
Einrichtungen übertragen.
(2) Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver
Sicherheit einordnen; er wird hierbei in die Beschränkungen seiner Hoheitsrechte
einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den
Völkern der Welt herbeiführen und sichern.
(3) Zur Regelung zwischenstaatlicher Streitigkeiten wird der Bund Vereinbarungen über
eine allgemeine, umfassende, obligatorische, internationale Schiedsgerichtsbarkeit
beitreten.
A r t i k e l 25
Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des
Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar
für die Bewohner des Bundesgebietes.
A r t i k e l 26
(1) Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden,
das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines
Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.
(2) Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung
hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein
Bundesgesetz.
A r t i k e l 27
Alle deutschen Kauffahrteischiffe bilden eine einheitliche Handelsflotte.
A r t i k e l 28
(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen
des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses
Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine
Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen
hervorgegangen ist. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die
Gemeindeversammlung treten.
(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen
Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die
Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der
Gesetze das Recht der Selbstverwaltung.
(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den
Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.
A r t i k e l 29
(1) Das Bundesgebiet ist unter Berücksichtigung der
landsmannschaftlichen Verbundenheit, der geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge,
der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit und des sozialen Gefüges durch Bundesgesetz neu zu
gliedern. Die Neugliederung soll Länder schaffen, die nach Größe und
Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können.
(2) In Gebietsteilen, die bei der Neubildung der Länder nach dem 8. Mai 1945 ohne
Volksabstimmung ihre Landeszugehörigkeit geändert haben, kann binnen eines Jahres nach
Inkrafttreten des Grundgesetzes durch Volksbegehren eine bestimmte Änderung der über die
Landeszugehörigkeit getroffenen Entscheidung gefordert werden. Das Volksbegehren bedarf
der Zustimmung eines Zehntels der zu den Landtagen wahlberechtigten Bevölkerung. Kommt
das Volksbegehren zustande, so hat die Bundesregierung in den Gesetzentwurf über die
Neugliederung eine Bestimmung über die Landeszugehörigkeit des Gebietsteiles
aufzunehmen.
(3) Nach Annahme des Gesetzes ist in jedem Gebiete, dessen Landeszugehörigkeit geändert
werden soll, der Teil des Gesetzes, der dieses Gebiet betrifft, zum Volksentscheid zu
bringen. Ist ein Volksbegehren nach Absatz 2 zustandegekommen, so ist in dem betreffenden
Gebiete in jedem Falle ein Volksentscheid durchzuführen.
(4) Soweit dabei das Gesetz mindestens in einem Gebietsteil abgelehnt wird, ist es erneut
bei dem Bundestage einzubringen. Nach erneuter Verabschiedung bedarf es insoweit der
Annahme durch Volksentscheid im gesamten Bundesgebiete.
(5) Bei einem Volksentscheide entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen.
(6) Das Verfahren regelt ein Bundesgesetz. Die Neugliederung soll vor Ablauf von drei
Jahren nach Verkündung des Grundgesetzes und, falls sie als Folge des Beitritts eines
anderen Teiles von Deutschland notwendig wird, innerhalb von zwei Jahren nach dem Beitritt
geregelt werden.
(7) Das Verfahren über jede sonstige Änderung des Gebietsbestandes der Länder regelt
ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates und der Mehrheit der Mitglieder des
Bundestages bedarf.
A r t i k e l 30
Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der
staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere
Regelung trifft oder zuläßt.
A r t i k e l 31
Bundesrecht bricht Landesrecht.
A r t i k e l 32
(1) Die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten ist Sache des
Bundes.
(2) Vor dem Abschlusse eines Vertrages, der die besonderen Verhältnisse eines Landes
berührt, ist das Land rechtzeitig zu hören.
(3) Soweit die Länder für die Gesetzgebung zuständig sind, können sie mit Zustimmung
der Bundesregierung mit auswärtigen Staaten Verträge abschließen.
A r t i k e l 33
(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen
Rechte und Pflichten.
(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen
Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu
öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind
unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder
Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil
erwachsen.
(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel
Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem
öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.
(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten
Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln.
A r t i k e l 34
Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes
die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit
grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz
oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf
Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen
werden.
A r t i k e l 35
Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und
Amtshilfe.
A r t i k e l 36
Bei den obersten Bundesbehörden sind Beamte aus allen Ländern in
angemessenem Verhältnis zu verwenden. Die bei den übrigen Bundesbehörden beschäftigten
Personen sollen in der Regel aus dem Lande genommen werden, in dem sie tätig sind.
A r t i k e l 37
(1) Wenn ein Land die ihm nach dem Grundgesetze oder einem anderen
Bundesgesetze obliegenden Bundespflichten nicht erfüllt, kann die Bundesregierung mit
Zustimmung des Bundesrates die notwendigen Maßnahmen treffen, um das Land im Wege des
Bundeszwanges zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten.
(2) Zur Durchführung des Bundeszwanges hat die Bundesregierung oder ihr Beauftragter das
Weisungsrecht gegenüber allen Ländern und ihren Behörden.
III. Der Bundestag
A r t i k e l 38
(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner,
unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen
Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
(2) Wahlberechtigt ist, wer das einundzwanzigste, wählbar, wer das fünfundzwanzigste
Lebensjahr vollendet hat.
(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.
A r t i k e l 39
(1) Der Bundestag wird auf vier Jahre gewählt. Seine Wahlperiode endet
vier Jahre nach dem ersten Zusammentritt oder mit seiner Auflösung. Die Neuwahl findet im
letzten Vierteljahr der Wahlperiode statt, im Falle der Auflösung spätestens nach
sechzig Tagen.
(2) Der Bundestag tritt spätestens am dreißigsten Tage nach der Wahl, jedoch nicht vor
dem Ende der Wahlperiode des letzten Bundestages zusammen.
(3) Der Bundestag bestimmt den Schluß und den Wiederbeginn seiner Sitzungen. Der
Präsident des Bundestages kann ihn früher einberufen. Er ist hierzu verpflichtet, wenn
ein Drittel der Mitglieder, der Bundespräsident oder der Bundeskanzler es verlangen.
A r t i k e l 40
(1) Der Bundestag wählt seinen Präsidenten, dessen Stellvertreter und
die Schriftführer. Er gibt sich eine Geschäftsordnung.
(2) Der Präsident übt das Hausrecht und die Polizeigewalt im Gebäude des Bundestages
aus. Ohne seine Genehmigung darf in den Räumen des Bundestages keine Durchsuchung oder
Beschlagnahme stattfinden.
A r t i k e l 41
(1) Die Wahlprüfung ist Sache des Bundestages. Er entscheidet auch, ob
ein Abgeordneter des Bundestages die Mitgliedschaft verloren hat.
(2) Gegen die Entscheidung des Bundestages ist die Beschwerde an das
Bundesverfassungsgericht zulässig.
(3) Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
A r t i k e l 42
(1) Der Bundestag verhandelt öffentlich. Auf Antrag eines Zehntels
seiner Mitglieder oder auf Antrag der Bundesregierung kann mit Zweidrittelmehrheit die
Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Über den Antrag wird in nichtöffentlicher Sitzung
entschieden.
(2) Zu einem Beschlusse des Bundestages ist die Mehrheit der abgegebenen Stimmen
erforderlich, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt. Für die vom Bundestage
vorzunehmenden Wahlen kann die Geschäftsordnung Ausnahmen zulassen.
(3) Wahrheitsgetreue Berichte über die öffentlichen Sitzungen des Bundestages und seiner
Ausschüsse bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei.
A r t i k e l 43
(1) Der Bundestag und seine Ausschüsse können die Anwesenheit jedes
Mitgliedes der Bundesregierung verlangen.
(2) Die Mitglieder des Bundesrates und der Bundesregierung sowie ihre Beauftragten haben
zu allen Sitzungen des Bundestages und seiner Ausschüsse Zutritt. Sie müssen jederzeit
gehört werden.
A r t i k e l 44
(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner
Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher
Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen
werden.
(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß
Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.
(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.
(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung
entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden
Sachverhaltes sind die Gerichte frei.
A r t i k e l 45
(1) Der Bundestag bestellt einen Ausschuß, der die Rechte des
Bundestages gegenüber der Bundesregierung zwischen zwei Wahlperioden zu wahren hat. Der
ständige Ausschuß hat auch die Rechte eines Untersuchungsausschusses.
(2) Weitergehende Befugnisse, insbesondere das Recht der Gesetzgebung, der Wahl des
Bundeskanzlers und der Anklage des Bundespräsidenten stehen dem ständigen Ausschuß
nicht zu.
A r t i k e l 46
(1) Ein Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder
wegen einer Äußerung, die er im Bundestage oder in einem seiner Ausschüsse getan hat,
gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestages zur
Verantwortung gezogen werden. Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen.
(2) Wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung darf ein Abgeordneter nur mit Genehmigung
des Bundestages zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden, es sei denn, daß er bei
Begehung der Tat oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen wird.
(3) Die Genehmigung des Bundestages ist ferner bei jeder anderen Beschränkung der
persönlichen Freiheit eines Abgeordneten oder zur Einleitung eines Verfahrens gegen einen
Abgeordneten gemäß Artikel 18 erforderlich.
(4) Jedes Strafverfahren und jedes Verfahren gemäß Artikel 18 gegen einen Abgeordneten,
jede Haft und jede sonstige Beschränkung seiner persönlichen Freiheit sind auf Verlangen
des Bundestages auszusetzen.
A r t i k e l 47
Die Abgeordneten sind berechtigt, über Personen, die ihnen in ihrer
Eigenschaft als Abgeordnete oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut
haben, sowie über diese Tatsachen selbst das Zeugnis zu verweigern. Soweit dieses
Zeugnisverweigerungsrecht reicht, ist die Beschlagnahme von Schriftstücken unzulässig.
A r t i k e l 48
(1) Wer sich um einen Sitz im Bundestage bewirbt, hat Anspruch auf den
zur Vorbereitung seiner Wahl erforderlichen Urlaub.
(2) Niemand darf gehindert werden, das Amt eines Abgeordneten zu übernehmen und
auszuüben. Eine Kündigung oder Entlassung aus diesem Grunde ist unzulässig.
(3) Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde
Entschädigung. Sie haben das Recht der freien Benutzung aller staatlichen Verkehrsmittel.
Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
A r t i k e l 49
Für die Mitglieder des Präsidiums und des ständigen Ausschusses sowie
für deren erste Stellvertreter gelten die Artikel 46, 47
und die Absätze 2 und 3 des Artikel 48 auch für die Zeit zwischen zwei
Wahlperioden.
IV. Der Bundesrat
A r t i k e l 50
Durch den Bundesrat wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes
mit.
A r t i k e l 51
(1) Der Bundesrat besteht aus Mitgliedern der Regierungen der Länder,
die sie bestellen und abberufen. Sie können durch andere Mitglieder ihrer Regierungen
vertreten werden.
(2) Jedes Land hat mindestens drei Stimmen, Länder mit mehr als zwei Millionen Einwohnern
haben vier, Länder mit mehr als sechs Millionen Einwohnern fünf Stimmen.
(3) Jedes Land kann so viele Mitglieder entsenden, wie es Stimmen hat. Die Stimmen eines
Landes können nur einheitlich und nur durch anwesende Mitglieder oder deren Vertreter
abgegeben werden.
A r t i k e l 52
(1) Der Bundesrat wählt seinen Präsidenten auf ein Jahr.
(2) Der Präsident beruft den Bundesrat ein. Er hat ihn einzuberufen, wenn die Vertreter
von mindestens zwei Ländern oder die Bundesregierung es verlangen.
(3) Der Bundesrat faßt seine Beschlüsse mit mindestens der Mehrheit seiner Stimmen. Er
gibt sich eine Geschäftsordnung. Er verhandelt öffentlich. Die Öffentlichkeit kann
ausgeschlossen werden.
(4) Den Ausschüssen des Bundesrates können andere Mitglieder oder Beauftragte der
Regierungen der Länder angehören.
A r t i k e l 53
Die Mitglieder der Bundesregierung haben das Recht und auf Verlangen die
Pflicht, an den Verhandlungen des Bundesrates und seiner Ausschüsse teilzunehmen. Sie
müssen jederzeit gehört werden. Der Bundesrat ist von der Bundesregierung über die
Führung der Geschäfte auf dem laufenden zu halten.
V. Der Bundespräsident
A r t i k e l 54
(1) Der Bundespräsident wird ohne Aussprache von der Bundesversammlung
gewählt. Wählbar ist jeder Deutsche, der das Wahlrecht zum Bundestage besitzt und das
vierzigste Lebensjahr vollendet hat.
(2) Das Amt des Bundespräsidenten dauert fünf Jahre. Anschließende Wiederwahl ist nur
einmal zulässig.
(3) Die Bundesversammlung besteht aus den Mitgliedern des Bundestages und einer gleichen
Anzahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder nach den Grundsätzen
der Verhältniswahl gewählt werden.
(4) Die Bundesversammlung tritt spätestens dreißig Tage vor Ablauf der Amtszeit des
Bundespräsidenten, bei vorzeitiger Beendigung spätestens dreißig Tage nach diesem
Zeitpunkt zusammen. Sie wird von dem Präsidenten des Bundestages einberufen.
(5) Nach Ablauf der Wahlperiode beginnt die Frist des Absatzes 4 Satz 1 mit dem ersten
Zusammentritt des Bundestages.
(6) Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder der Bundesversammlung
erhält. Wird diese Mehrheit in zwei Wahlgängen von keinem Bewerber erreicht, so ist
gewählt, wer in einem weiteren Wahlgang die meisten Stimmen auf sich vereinigt.
(7) Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
A r t i k e l 55
(1) Der Bundespräsident darf weder der Regierung noch einer
gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes angehören.
(2) Der Bundespräsident darf kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf
ausüben und weder der Leitung noch dem Aufsichtsrate eines auf Erwerb gerichteten
Unternehmens angehören.
A r t i k e l 56
Der Bundespräsident leistet bei seinem Amtsantritt vor den versammelten
Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates folgenden Eid:
"Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen
Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren
und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann
üben werde. So wahr mir Gott helfe."
Der Eid kann auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden.
A r t i k e l 57
Die Befugnisse des Bundespräsidenten werden im Falle seiner Verhinderung
oder bei vorzeitiger Erledigung des Amtes durch den Präsidenten des Bundesrates
wahrgenommen.
A r t i k e l 58
Anordnungen und Verfügungen des Bundespräsidenten bedürfen zu ihrer
Gültigkeit der Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler oder durch den zuständigen
Bundesminister. Dies gilt nicht für die Ernennung und Entlassung des Bundeskanzlers, die
Auflösung des Bundestages gemäß Artikel 63 und das Ersuchen gemäß
Artikel 69 Absatz 3.
A r t i k e l 59
(1) Der Bundespräsident vertritt den Bund völkerrechtlich. Er schließt
im Namen des Bundes die Verträge mit auswärtigen Staaten. Er beglaubigt und empfängt
die Gesandten.
(2) Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf
Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, bedürfen der Zustimmung oder der Mitwirkung
der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines
Bundesgesetzes. Für Verwaltungsabkommen gelten die Vorschriften über die
Bundesverwaltung entsprechend.
A r t i k e l 60
(1) Der Bundespräsident ernennt und entläßt die Bundesrichter und die
Bundesbeamten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.
(2) Er übt im Einzelfalle für den Bund das Begnadigungsrecht aus.
(3) Er kann diese Befugnisse auf andere Behörden übertragen.
(4) Die Absätze 2 bis 4 des Artikels 46 finden auf den
Bundespräsidenten entsprechende Anwendung.
A r t i k e l 61
(1) Der Bundestag oder der Bundesrat können den Bundespräsidenten wegen
vorsätzlicher Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes vor dem
Bundesverfassungsgericht anklagen. Der Antrag auf Erhebung der Anklage muß von mindestens
einem Viertel der Mitglieder des Bundestages oder einem Viertel der Stimmen des
Bundesrates gestellt werden. Der Beschluß auf Erhebung der Anklage bedarf der Mehrheit
von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages oder von zwei Dritteln der Stimmen des
Bundesrates. Die Anklage wird von einem Beauftragten der anklagenden Körperschaft
vertreten.
(2) Stellt das Bundesverfassungsgericht fest, daß der Bundespräsident einer
vorsätzlichen Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes schuldig
ist, so kann es ihn des Amtes für verlustig erklären. Durch einstweilige Anordnung kann
es nach der Erhebung der Anklage bestimmen, daß er an der Ausübung seines Amtes
verhindert ist.
VI. Die Bundesregierung
A r t i k e l 62
Die Bundesregierung besteht aus dem Bundeskanzler und aus den Bundesministern.
A r t i k e l 63
(1) Der Bundeskanzler wird auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom
Bundestage ohne Aussprache gewählt.
(2) Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich
vereinigt. Der Gewählte ist vom Bundespräsidenten zu ernennen.
(3) Wird der Vorgeschlagene nicht gewählt, so kann der Bundestag binnen vierzehn Tagen
nach dem Wahlgange mit mehr als der Hälfte seiner Mitglieder einen Bundeskanzler wählen.
(4) Kommt eine Wahl innerhalb dieser Frist nicht zustande, so findet unverzüglich ein
neuer Wahlgang statt, in dem gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält. Vereinigt der
Gewählte die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich, so muß der
Bundespräsident ihn binnen sieben Tagen nach der Wahl ernennen. Erreicht der Gewählte
diese Mehrheit nicht, so hat der Bundespräsident binnen sieben Tagen entweder ihn zu
ernennen oder den Bundestag aufzulösen.
A r t i k e l 64
(1) Die Bundesminister werden auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom
Bundespräsidenten ernannt und entlassen.
(2) Der Bundeskanzler und die Bundesminister leisten bei der Amtsübernahme vor dem
Bundestage den in Artikel 56 vorgesehenen Eid.
A r t i k e l 65
Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür
die Verantwortung. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Bundesminister seinen
Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung. Über
Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bundesministern entscheidet die Bundesregierung.
Der Bundeskanzler leitet ihre Geschäfte nach einer von der Bundesregierung beschlossenen
und vom Bundespräsidenten genehmigten Geschäftsordnung.
A r t i k e l 66
Der Bundeskanzler und die Bundesminister dürfen kein anderes besoldetes
Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben und weder der Leitung noch ohne Zustimmung des
Bundestages dem Aufsichtsrate eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören.
A r t i k e l 67
(1) Der Bundestag kann dem Bundeskanzler das Mißtrauen nur dadurch
aussprechen, daß er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt und den
Bundespräsidenten ersucht, den Bundeskanzler zu entlassen. Der Bundespräsident muß dem
Ersuchen entsprechen und den Gewählten ernennen.
(2) Zwischen dem Antrage und der Wahl müssen achtundvierzig Stunden liegen.
A r t i k e l 68
(1) Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen
auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann
der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den
Bundestag auflösen. Das Recht zur Auflösung erlischt, sobald der Bundestag mit der
Mehrheit seiner Mitglieder einen anderen Bundeskanzler wählt.
(2) Zwischen dem Antrage und der Abstimmung müssen achtundvierzig Stunden liegen.
A r t i k e l 69
(1) Der Bundeskanzler ernennt einen Bundesminister zu seinem
Stellvertreter.
(2) Das Amt des Bundeskanzlers oder eines Bundesministers endigt in jedem Falle mit dem
Zusammentritt eines neuen Bundestages, das Amt eines Bundesministers auch mit jeder
anderen Erledigung des Amtes des Bundeskanzlers.
(3) Auf Ersuchen des Bundespräsidenten ist der Bundeskanzler, auf Ersuchen des
Bundeskanzlers oder des Bundespräsidenten ein Bundesminister verpflichtet, die Geschäfte
bis zur Ernennung seines Nachfolgers weiterzuführen.
VII. Die Gesetzgebung des Bundes
A r t i k e l 70
(1) Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses
Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.
(2) Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern bemißt sich nach den
Vorschriften dieses Grundgesetzes über die ausschließliche und die konkurrierende
Gesetzgebung.
A r t i k e l 71
Im Bereiche der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes haben die
Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur, wenn und soweit sie hierzu in einem
Bundesgesetze ausdrücklich ermächtigt werden.
A r t i k e l 72
(1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die
Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner
Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.
(2) Der Bund hat in diesem Bereich das Gesetzgebungsrecht, soweit ein Bedürfnis nach
bundesgesetzlicher Regelung besteht, weil
1. eine Angelegenheit durch die Gesetzgebung einzelner Länder nicht wirksam geregelt
werden kann oder
2. die Regelung einer Angelegenheit durch ein Landesgesetz die Interessen anderer Länder
oder der Gesamtheit beeinträchtigen könnte oder
3. die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit, insbesondere die Wahrung der
Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Landes hinaus sie
erfordert.
A r t i k e l 73
Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über:
1. die auswärtigen Angelegenheiten;
2. die Staatsangehörigkeit im Bunde;
3. die Freizügigkeit, das Paßwesen, die Ein- und Auswanderung und die Auslieferung;
4. das Währungs-, Geld- und Münzwesen, Maße und Gewichte sowie die Zeitbestimmung;
5. die Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, die Handels- und Schiffahrtsverträge, die
Freizügigkeit des Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Auslande
einschließlich des Zoll- und Grenzschutzes;
6. die Bundeseisenbahnen und den Luftverkehr;
7. das Post- und Fernmeldewesen;
8. die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren
Körperschaften des öffentlichen Rechtes stehenden Personen;
9. den gewerblichen Rechtsschutz, das Urheberrecht und das Verlagsrecht;
10. die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in der Kriminalpolizei und in
Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes
sowie die internationale Verbrechensbekämpfung;
11. die Statistik für Bundeszwecke.
A r t i k e l 74
Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:
1. das bürgerliche Recht, das Strafrecht und den Strafvollzug, die Gerichtsverfassung,
das gerichtliche Verfahren, die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2. das Personenstandswesen;
3. das Vereins- und Versammlungsrecht;
4. das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5. den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung in das Ausland;
6. die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7. die öffentliche Fürsorge;
8. Die Staatsangehörigkeit in den Ländern;
9. die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10. die Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, die Fürsorge für
die ehemaligen Kriegsgefangenen und die Sorge für die Kriegsgräber;
11. das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe,
Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen);
12. das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der
Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der
Arbeitslosenversicherung;
13. Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14. das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73
und 74 in Betracht kommt;
15. die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in
Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16. die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17. die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung, die Sicherung der
Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee-
und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18. den Grundstücksverkehr, das Bodenrecht und das landwirtschaftliche Pachtwesen, das
Wohnungswesen, das Siedlungs- und Heimstättenwesen;
19. die Maßnahmen gegen gemeingefährliche und übertragbare Krankheiten bei Menschen und
Tieren, die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, den
Verkehr mit Arzneien, Heil- und Betäubungsmitteln und Giften;
20. den Schutz beim Verkehr mit Lebens- und Genußmitteln, Bedarfsgegenständen,
Futtermitteln und land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der
Bäume und Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge;
21. die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den
Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden
Binnenwasserstraßen;
22. den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen und den Bau und die Unterhaltung von
Landstraßen des Fernverkehrs;
23. die Schienenbahnen, die nicht Bundeseisenbahnen sind, mit Ausnahme der Bergbahnen.
A r t i k e l 75
Der Bund hat das Recht, unter den Voraussetzungen des Artikels 72 Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder zu erlassen über:
1. die Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienste der Länder, Gemeinden und anderen
Körperschaften des öffentlichen Rechtes stehenden Personen;
2. die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse und des Films;
3. das Jagdwesen, den Naturschutz und die Landschaftspflege;
4. die Bodenverteilung, die Raumordnung und den Wasserhaushalt;
5. das Melde- und Ausweiswesen.
A r t i k e l 76
(1) Gesetzesvorlagen werden beim Bundestage durch die Bundesregierung,
aus der Mitte des Bundestages oder durch den Bundesrat eingebracht.
(2) Vorlagen der Bundesregierung sind zunächst dem Bundesrat zuzuleiten. Der Bundesrat
ist berechtigt, innerhalb von drei Wochen zu diesen Vorlagen Stellung zu nehmen.
(3) Vorlagen des Bundesrates sind dem Bundestag durch die Bundesregierung zuzuleiten. Sie
hat hierbei ihre Auffassung darlegen.
A r t i k e l 77
(1) Die Bundesgesetze werden vom Bundestage beschlossen. Sie sind nach
ihrer Annahme durch den Präsidenten des Bundestages unverzüglich dem Bundesrate
zuzuleiten.
(2) Der Bundesrat kann binnen zwei Wochen nach Eingang des Gesetzesbeschlusses verlangen,
daß ein aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates für die gemeinsame Beratung
von Vorlagen gebildeter Ausschuß einberufen wird. Die Zusammensetzung und das Verfahren
dieses Ausschusses regelt eine Geschäftsordnung, die vom Bundestag beschlossen wird und
der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Die in diesen Ausschuß entsandten Mitglieder des
Bundesrates sind nicht an Weisungen gebunden. Ist zu einem Gesetze die Zustimmung des
Bundesrates erforderlich, so können auch der Bundestag und die Bundesregierung die
Einberufung verlangen. Schlägt der Ausschuß eine Änderung des Gesetzesbeschlusses vor,
so hat der Bundestag erneut Beschluß zu fassen.
(3) Soweit zu einem Gesetze die Zustimmung des Bundesrates nicht erforderlich ist, kann
der Bundesrat, wenn das Verfahren nach Absatz 2 beendigt ist, gegen ein vom Bundestage
beschlossenes Gesetz binnen einer Woche Einspruch einlegen. Die Einspruchsfrist beginnt im
Falle des Absatzes 2 letzter Satz mit dem Eingange des vom Bundestage erneut gefaßten
Beschlusses, in allen anderen Fällen mit dem Abschlusse des Verfahrens vor dem in Absatz
2 vorgesehenen Ausschusse.
(4) Wird der Einspruch mit der Mehrheit der Stimmen des Bundesrates beschlossen, so kann
er durch Beschluß der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages zurückgewiesen werden. Hat
der Bundesrat den Einspruch mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln seiner Stimmen
beschlossen, so bedarf die Zurückweisung durch den Bundestag einer Mehrheit von zwei
Dritteln, mindestens der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages.
A r t i k e l 78
Ein vom Bundestage beschlossenes Gesetz kommt zustande, wenn der
Bundesrat zustimmt, den Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 nicht stellt,
innerhalb der Frist des Artikels 77 Absatz 3 keinen Einspruch einlegt oder ihn
zurücknimmt oder wenn der Einspruch vom Bundestage überstimmt wird.
A r t i k e l 79
(1) Das Grundgesetz kann nur durch ein Gesetz geändert werden, das den
Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert oder ergänzt.
(2) Ein solches Gesetz bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des
Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates.
(3) Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in
Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den
Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt
werden, ist unzulässig.
A r t i k e l 80
(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die
Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen
Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die
Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, daß eine
Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung der
Ermächtigung einer Rechtsverordnung.
(2) Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, vorbehaltlich anderweitiger
bundesgesetzlicher Regelung, Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder eines
Bundesministers über Grundsätze und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen der
Bundeseisenbahnen und des Post- und Fernmeldewesens, über den Bau und Betrieb der
Eisenbahnen, sowie Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des
Bundesrates bedürfen oder die von den Ländern im Auftrage des Bundes oder als eigene
Angelegenheit ausgeführt werden.
A r t i k e l 81
(1) Wird im Falle des Artikels 68 der Bundestag nicht
aufgelöst, so kann der Bundespräsident auf Antrag der Bundesregierung mit Zustimmung des
Bundesrates für eine Gesetzesvorlage den Gesetzgebungsnotstand erklären, wenn der
Bundestag sie ablehnt, obwohl die Bundesregierung sie als dringlich bezeichnet hat. Das
gleiche gilt, wenn eine Gesetzesvorlage abgelehnt worden ist, obwohl der Bundeskanzler mit
ihr den Antrag des Artikels 68 verbunden hatte.
(2) Lehnt der Bundestag die Gesetzesvorlage nach Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes
erneut ab oder nimmt er sie in einer für die Bundesregierung als unannehmbar bezeichneten
Fassung an, so gilt das Gesetz als zustande gekommen, soweit der Bundesrat ihm zustimmt.
Das gleiche gilt, wenn die Vorlage vom Bundestage nicht innerhalb von vier Wochen nach der
erneuten Einbringung verabschiedet wird.
(3) Während der Amtszeit eines Bundeskanzlers kann auch jede andere vom Bundestage
abgelehnte Gesetzesvorlage innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der ersten
Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes gemäß Absatz 1 und 2 verabschiedet werden. Nach
Ablauf der Frist ist während der Amtszeit des gleichen Bundeskanzlers eine weitere
Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes unzulässig.
(4) Das Grundgesetz darf durch ein Gesetz, das nach Absatz 2 zustande kommt, weder
geändert noch ganz oder teilweise außer Kraft oder außer Anwendung gesetzt werden.
A r t i k e l 82
(1) Die nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes zustande gekommenen
Gesetze werden vom Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung ausgefertigt und im
Bundesgesetzblatte verkündet. Rechtsverordnungen werden von der Stelle, die sie erläßt,
ausgefertigt und vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung im Bundesgesetzblatte
verkündet.
(2) Jedes Gesetz und jede Rechtsverordnung soll den Tag des Inkrafttretens bestimmen.
Fehlt eine solche Bestimmung, so treten sie mit dem vierzehnten Tage nach Ablauf des Tages
in Kraft, an dem das Bundesgesetzblatt ausgegeben worden ist.
VIII. Die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung
A r t i k e l 83
Die Länder führen die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus,
soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zuläßt.
A r t i k e l 84
(1) Führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus,
so regeln sie die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren, soweit nicht
Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen.
(2) Die Bundesregierung kann mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine
Verwaltungsvorschriften erlassen.
(3) Die Bundesregierung übt die Aufsicht darüber aus, daß die Länder die Bundesgesetze
dem geltenden Rechte gemäß ausführen. Die Bundesregierung kann zu diesem Zwecke
Beauftragte zu den obersten Landesbehörden entsenden, mit deren Zustimmung und, falls
diese Zustimmung versagt wird, mit Zustimmung des Bundesrates auch zu den nachgeordneten
Behörden.
(4) Werden Mängel, die die Bundesregierung bei der Ausführung der Bundesgesetze in den
Ländern festgestellt hat, nicht beseitigt, so beschließt auf Antrag der Bundesregierung
oder des Landes der Bundesrat, ob das Land das Recht verletzt hat. Gegen den Beschluß des
Bundesrates kann das Bundesverfassungsgericht angerufen werden.
(5) Der Bundesregierung kann durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates
bedarf, zur Ausführung von Bundesgesetzen die Befugnis verliehen werden, für besondere
Fälle Einzelweisungen zu erteilen. Sie sind, außer wenn die Bundesregierung den Fall
für dringlich erachtet, an die obersten Landesbehörden zu richten.
A r t i k e l 85
(1) Führen die Länder die Bundesgesetze im Auftrage des Bundes aus, so
bleibt die Einrichtung der Behörden Angelegenheit der Länder, soweit nicht Bundesgesetze
mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen.
(2) Die Bundesregierung kann mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine
Verwaltungsvorschriften erlassen. Sie kann die einheitliche Ausbildung der Beamten und
Angestellten regeln. Die Leiter der Mittelbehörden sind mit ihrem Einvernehmen zu
bestellen.
(3) Die Landesbehörden unterstehen den Weisungen der zuständigen obersten
Bundesbehörden. Die Weisungen sind, außer wenn die Bundesregierung es für dringlich
erachtet, an die obersten Landesbehörden zu richten. Der Vollzug der Weisung ist durch
die obersten Landesbehörden sicherzustellen.
(4) Die Bundesaufsicht erstreckt sich auf Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der
Ausführung. Die Bundesregierung kann zu diesem Zwecke Bericht und Vorlage der Akten
verlangen und Beauftragte zu allen Behörden entsenden.
A r t i k e l 86
Führt der Bund die Gesetze durch bundeseigene Verwaltung oder durch
bundesunmittelbare Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechtes aus, so
erläßt die Bundesregierung, soweit nicht das Gesetz Besonderes vorschreibt, die
allgemeinen Verwaltungsvorschriften. Sie regelt, soweit das Gesetz nichts anderes
bestimmt, die Einrichtung der Behörden.
A r t i k e l 87
(1) In bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau werden
geführt der Auswärtige Dienst, die Bundesfinanzverwaltung, die Bundeseisenbahnen, die
Bundespost und nach Maßgabe des Artikels 89 die Verwaltung der
Bundeswasserstraßen und der Schiffahrt. Durch Bundesgesetz können
Bundesgrenzschutzbehörden, Zentralstellen für das polizeiliche Auskunfts- und
Nachrichtenwesen, zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und für
die Kriminalpolizei eingerichtet werden.
(2) Als bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechtes werden diejenigen
sozialen Versicherungsträger geführt, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet
eines Landes hinaus erstreckt.
(3) Außerdem können für Angelegenheiten, für die dem Bunde die Gesetzgebung zusteht,
selbständige Bundesoberbehörden und neue bundesunmittelbare Körperschaften und
Anstalten des öffentlichen Rechtes durch Bundesgesetz errichtet werden. Erwachsen dem
Bunde auf Gebieten, für die ihm die Gesetzgebung zusteht, neue Aufgaben, so können bei
dringendem Bedarf bundeseigene Mittel- und Unterbehörden mit Zustimmung des Bundesrates
und der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages errichtet werden.
A r t i k e l 88
Der Bund errichtet eine Währungs- und Notenbank als Bundesbank.
A r t i k e l 89
(1) Der Bund ist Eigentümer der bisherigen Reichswasserstraßen.
(2) Der Bund verwaltet die Bundeswasserstraßen durch eigene Behörden. Er nimmt die über
den Bereich eines Landes hinausgehenden staatlichen Aufgaben der Binnenschiffahrt und die
Aufgaben der Seeschiffahrt wahr, die ihm durch Gesetz übertragen werden. Er kann die
Verwaltung von Bundeswasserstraßen, soweit sie im Gebiete eines Landes liegen, diesem
Lande auf Antrag als Auftragsverwaltung übertragen. Berührt eine Wasserstraße das
Gebiet mehrerer Länder, so kann der Bund das Land beauftragen, für das die beteiligten
Länder es beantragen.
(3) Bei der Verwaltung, dem Ausbau und dem Neubau von Wasserstraßen sind die Bedürfnisse
der Landeskultur und der Wasserwirtschaft im Einvernehmen mit den Ländern zu wahren.
A r t i k e l 90
(1) Der Bund ist Eigentümer der bisherigen Reichsautobahnen und
Reichsstraßen.
(2) Die Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften
verwalten die Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs im Auftrage
des Bundes.
(3) Auf Antrag eines Landes kann der Bund Bundesautobahnen und sonstige Bundesstraßen des
Fernverkehrs, soweit sie im Gebiet dieses Landes liegen, in bundeseigene Verwaltung
übernehmen.
A r t i k e l 91
(1) Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die
freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann ein Land
Polizeikräfte anderer Länder anfordern.
(2) Ist das Land, in dem die Gefahr droht, nicht selbst zur Bekämpfung der Gefahr bereit
oder in der Lage, so kann die Bundesregierung die Polizei in diesem Lande und die
Polizeikräfte anderer Länder ihren Weisungen unterstellen. Die Anordnung ist nach
Beseitigung der Gefahr, im übrigen jederzeit auf Verlangen des Bundesrates aufzuheben.
IX. Die Rechtsprechung
A r t i k e l 92
Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch
das Bundesverfassungsgericht, durch das Oberste Bundesgericht, durch die in diesem
Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.
A r t i k e l 93
(1) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet:
1. über die Auslegung dieses Grundgesetzes aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang
der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans oder anderer Beteiligter, die durch
dieses Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen
Rechten ausgestattet sind;
2. bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche und sachliche
Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit diesem Grundgesetze oder die
Vereinbarkeit von Landesrecht mit sonstigem Bundesrechte auf Antrag der Bundesregierung,
einer Landesregierung oder eines Drittels der Mitglieder des Bundestages;
3. bei Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder,
insbesondere bei der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder und bei der Ausübung
der Bundesaufsicht;
4. in anderen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zwischen dem Bunde und den Ländern,
zwischen verschiedenen Ländern oder innerhalb eines Landes, soweit nicht ein anderer
Rechtsweg gegeben ist;
5. in den übrigen in diesem Grundgesetze vorgesehenen Fällen.
(2) Das Bundesverfassungsgericht wird ferner in den ihm sonst durch Bundesgesetz
zugewiesenen Fällen tätig.
A r t i k e l 94
(1) Das Bundesverfassungsgericht besteht aus Bundesrichtern und anderen
Mitgliedern. Die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichtes werden je zur Hälfte vom
Bundestage und vom Bundesrate gewählt. Sie dürfen weder dem Bundestage, dem Bundesrate,
der Bundesregierung noch entsprechenden Organen eines Landes angehören.
(2) Ein Bundesgesetz regelt seine Verfassung und das Verfahren und bestimmt, in welchen
Fällen seine Entscheidungen Gesetzeskraft haben.
A r t i k e l 95
(1) Zur Wahrung der Einheitlichkeit des Bundesrechts wird ein Oberstes
Bundesgericht errichtet.
(2) Das Oberste Bundesgericht entscheidet in Fällen, deren Entscheidung für die
Einheitlichkeit der Rechtsprechung der oberen Bundesgerichte von grundsätzlicher
Bedeutung ist.
(3) Über die Berufung der Richter des Obersten Bundesgerichtes entscheidet der
Bundesjustizminister gemeinsam mit dem Richterwahlaussschuß, der aus den
Landesjustizministern und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern besteht, die vom
Bundestage gewählt werden.
(4) Im übrigen werden die Verfassung des Obersten Bundesgerichts und sein Verfahren durch
Bundesgesetz geregelt.
A r t i k e l 96
(1) Für das Gebiet der ordentlichen, der Verwaltungs-, der Finanz-, der
Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit sind obere Bundesgerichte zu errichten.
(2) Auf die Richter der oberen Bundesgerichte findet der Artikel 95
Absatz 3 mit der Maßgabe Anwendung, daß an die Stelle des Bundesjustizministers und der
Landesjustizminister die für das jeweilige Sachgebiet zuständigen Minister treten. Ihre
Dienstverhältnisse sind durch besonderes Bundesgesetz zu regeln.
(3) Der Bund kann für Dienststrafverfahren gegen Bundesbeamte und Bundesrichter
Bundesdienststrafgerichte errichten.
A r t i k e l 97
(1) Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen.
(2) Die hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richter können wider ihren
Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus Gründen und unter den Formen,
welche die Gesetze bestimmen, vor Ablauf ihrer Amtszeit entlassen oder dauernd oder
zeitweise ihres Amtes enthoben oder an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt
werden. Die Gesetzgebung kann Altersgrenzen festsetzen, bei deren Erreichung auf
Lebenszeit angestellte Richter in den Ruhestand treten. Bei Veränderung der Einrichtung
der Gerichte oder ihrer Bezirke können Richter an ein anderes Gericht versetzt oder aus
dem Amte entfernt werden, jedoch nur unter Belassung des vollen Gehaltes.
A r t i k e l 98
(1) Die Rechtsstellung der Bundesrichter ist durch besonderes
Bundesgesetz zu regeln.
(2) Wenn ein Bundesrichter im Amte oder außerhalb des Amtes gegen die Grundsätze des
Grundgesetzes oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung eines Landes verstößt, so kann
das Bundesverfassungsgericht mit Zweidrittelmehrheit auf Antrag des Bundestages anordnen,
daß der Richter in ein anderes Amt oder in den Ruhestand zu versetzen ist. Im Falle eines
vorsätzlichen Verstoßes kann auf Entlassung erkannt werden.
(3) Die Rechtsstellung der Richter in den Ländern ist durch besondere Landesgesetze zu
regeln. Der Bund kann Rahmenvorschriften erlassen.
(4) Die Länder können bestimmen, daß über die Anstellung der Richter in den Ländern
der Landesjustizminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuß entscheidet.
(5) Die Länder können für Landesrichter eine Absatz 2 entsprechende Regelung treffen.
Geltendes Landesverfassungsrecht bleibt unberührt. Die Entscheidung über eine
Richteranklage steht dem Bundesverfassungsgericht zu.
A r t i k e l 99
Dem Bundesverfassungsgerichte kann durch Landesgesetz die Entscheidung
von Verfassungsstreitigkeiten innerhalb eines Landes, den oberen Bundesgerichtshöfen für
den letzten Rechtszug die Entscheidung in solchen Sachen zugewiesen werden, bei denen es
sich um die Anwendung von Landesrecht handelt.
A r t i k e l 100
(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der
Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn
es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für
Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die
Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes
einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch
Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze
handelt.
(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil
des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen
erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen
Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichtes einzuholen; will es bei der Auslegung von sonstigem
Bundesrechte von der Entscheidung des Obersten Bundesgerichtes oder eines oberen
Bundesgerichtes abweichen, so hat es die Entscheidung des Obersten Bundesgerichtes
einzuholen.
A r t i k e l 101
(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen
Richter entzogen werden.
(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.
A r t i k e l 102
Die Todesstrafe ist abgeschafft.
A r t i k e l 103
(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.
(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war,
bevor die Tat begangen wurde.
(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals
bestraft werden.
A r t i k e l 104
(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes
und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden.
Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.
(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu
entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung
ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus
eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem
Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.
(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist
spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der
Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat.
Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen
Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.
(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer
Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person
seines Vertrauens zu benachrichtigen.
X. Das Finanzwesen
A r t i k e l 105
(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und
Finanzmonopole.
(2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über
1. die Verbrauchs- und Verkehrsteuern mit Ausnahme der Steuern mit örtlich bedingtem
Wirkungskreis, insbesondere der Grunderwerbsteuer, der Wertzuwachssteuer und der
Feuerschutzsteuer,
2. die Steuern vom Einkommen, Vermögen, von Erbschaften und Schenkungen,
3. die Realsteuern mit Ausnahme der Festsetzung der Hebesätze,
wenn er die Steuern ganz oder zum Teil zur Dekkung der Bundesausgaben in Anspruch nimmt
oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Absatz 2 vorliegen.
(3) Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden
(Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, bedürfen der Zustimmung des
Bundesrates.
A r t i k e l 106
(1) Die Zölle, der Ertrag der Monopole, die Verbrauchsteuern mit
Ausnahme der Biersteuer, die Beförderungssteuer, die Umsatzsteuer und einmaligen Zwecken
dienenden Vermögensabgaben fließen dem Bunde zu.
(2) Die Biersteuer, die Verkehrsteuern mit Ausnahme der Beförderungsteuer und der
Umsatzsteuer, die Einkommen- und Körperschaftsteuer, die Vermögensteuer, die
Erbschaftsteuer, die Realsteuern und die Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis
fließen den Ländern und nach Maßgabe der Landesgesetzgebung den Gemeinden
(Gemeindeverbänden) zu.
(3) Der Bund kann durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, einen
Teil der Einkommen- und Körperschaftsteuer zur Deckung seiner durch andere Einkünfte
nicht gedeckten Ausgaben, insbesondere zur Deckung von Zuschüssen, welche Länder zur
Deckung von Ausgaben auf dem Gebiete des Schulwesens, des Gesundheitswesens und des
Wohlfahrtswesens zu gewähren sind, in Anspruch nehmen.
(4) Um die Leistungsfähigkeit auch der steuerschwachen Länder zu sichern und eine
unterschiedliche Belastung der Länder mit Ausgaben auszugleichen, kann der Bund
Zuschüsse gewähren und die Mittel hierfür bestimmten den Ländern zufließenden Steuern
entnehmen. Durch Bundesgesetz, welche der Zustimmung des Bundesrates bedarf, wird
bestimmt, welche Steuern hierbei herangezogen werden und mit welchen Beträgen und nach
welchem Schlüssel die Zuschüsse an die ausgleichsberechtigten Länder verteilt werden;
die Zuschüsse sind den Ländern unmittelbar zu überweisen.
A r t i k e l 107
Die endgültige Verteilung der der konkurrierenden Gesetzgebung
unterliegenden Steuern auf Bund und Länder soll spätestens bis zum 31. Dezember 1952
erfolgen, und zwar durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Dies
gilt nicht für die Realsteuern und die Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis.
Hierbei ist jedem Teil ein gesetzlicher Anspruch auf bestimmte Steuern oder Steueranteile
entsprechend seinen Aufgaben einzuräumen.
A r t i k e l 108
(1) Zölle, Finanzmonopole, die der konkurrierenden Gesetzgebung
unterworfenen Verbrauchsteuern, die Beförderungsteuer, die Umsatzsteuer und die
einmaligen Vermögensabgaben werden durch Bundesfinanzbehörden verwaltet. Der Aufbau
dieser Behörden und das von ihnen anzuwendende Verfahren werden durch Bundesgesetz
geregelt. Die Leiter der Mittelbehörden sind im Benehmen mit den Länderregierungen zu
bestellen. Der Bund kann die Verwaltung der einmaligen Vermögensabgaben den
Landesfinanzbehörden als Auftragsverwaltung übertragen.
(2) Nimmt der Bund einen Teil der Einkommen- und Körperschaftsteuer für sich in
Anspruch, so steht ihm insoweit die Verwaltung zu; er kann sie aber den
Landesfinanzbehörden als Auftragsverwaltung übertragen.
(3) Die übrigen Steuern werden durch Landesfinanzbehörden verwaltet. Der Bund kann durch
Bundesgesetz, das der Zustimmung der Bundesrates bedarf, den Aufbau dieser Behörden und
das von ihnen anzuwendende Verfahren und die einheitliche Ausbildung der Beamten regeln.
Die Leiter der Mittelbehörden sind im Einvernehmen mit der Bundesregierung zu bestellen.
Die Verwaltung der den Gemeinden (Gemeindeverbänden) zufließenden Steuern kann durch die
Länder ganz oder zum Teil den Gemeinden (Gemeindeverbänden) übertragen werden.
(4) Soweit die Steuern dem Bund zufließen, werden die Landesfinanzbehörden im Auftrage
des Bundes tätig. Die Länder haften mit ihren Einkünften für die ordnungsmäßige
Verwaltung dieser Steuern; der Bundesfinanzminister kann die ordnungsmäßige Verwaltung
durch Bundesbevollmächtigte überwachen, welche gegenüber den Mittel- und Unterbehörden
ein Weisungsrecht haben.
(5) Die Finanzgerichtsbarkeit wird durch Bundesgesetz einheitlich geregelt.
(6) Die allgemeinen Verwaltungsvorschriften werden durch die Bundesregierung erlassen, und
zwar mit Zustimmung des Bundesrates, soweit die Verwaltung den Landesfinanzbehörden
obliegt.
A r t i k e l 109
Bund und Länder sind in ihrer Haushaltswirtschaft selbständig und voneinander
unabhängig.
A r t i k e l 110
(1) Alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes müssen für jedes
Rechnungsjahr veranschlagt und in den Haushaltsplan eingesetzt werden.
(2) Der Haushaltsplan wird vor Beginn des Rechnungsjahres durch Gesetz festgestellt. Er
ist in Einnahme und Ausgabe auszugleichen. Die Ausgaben werden in der Regel für ein Jahr
bewilligt; sie können in besonderen Fällen auch für einen längeren Zeitraum bewilligt
werden. Im übrigen dürfen in das Bundeshaushaltsgesetz keine Vorschriften aufgenommen
werden, die über das Rechnungsjahr hinausgehen oder sich nicht auf die Einnahmen und
Ausgaben des Bundes oder seiner Verwaltung beziehen.
(3) Das Vermögen und die Schulden sind in einer Anlage des Haushaltsplanes nachzuweisen.
(4) Bei kaufmännisch eingerichteten Betrieben des Bundes brauchen nicht die einzelnen
Einnahmen und Ausgaben, sondern nur das Endergebnis in den Haushaltsplan eingestellt
werden.
A r t i k e l 111
(1) Ist bis zum Schluß eines Rechnungsjahres der Haushaltsplan für das
folgende Jahr nicht durch Gesetz festgestellt, so ist bis zu seinem Inkrafttreten die
Bundesregierung ermächtigt, alle Ausgaben zu leisten, die nötig sind,
a) um gesetzlich bestehende Einrichtungen zu erhalten und gesetzlich beschlossene
Maßnahmen durchzuführen,
b) um die rechtlich begründeten Verpflichtungen des Bundes zu erfüllen,
c) um Bauten, Beschaffungen und sonstige Leistungen fortzusetzen oder Beihilfen für diese
Zwecke weiter zu gewähren, sofern durch den Haushaltsplan eines Vorjahres bereits
Beträge bewilligt worden sind.
(2) Soweit nicht auf besonderem Gesetze beruhende Einnahmen aus Steuern, Abgaben und
sonstigen Quellen oder die Betriebsmittelrücklage die Ausgaben unter Absatz 1 decken,
darf die Bundesregierung die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftsführung erforderlichen
Mittel bis zur Höhe eines Viertels der Endsumme des abgelaufenen Haushaltsplanes im Wege
des Kredits flüssig machen.
A r t i k e l 112
Haushaltsüberschreitungen und außerplanmäßige Ausgaben bedürfen der
Zustimmung des Bundesministers der Finanzen. Sie darf nur im Falle eines unvorhergesehenen
und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden.
A r t i k e l 113
Beschlüsse des Bundestages und des Bundesrates, welche die von der
Bundesregierung vorgeschlagenen Ausgaben des Haushaltsplanes erhöhen oder neue Ausgaben
in sich schließen oder für die Zukunft mit sich bringen, bedürfen der Zustimmung der
Bundesregierung.
A r t i k e l 114
(1) Der Bundesminister der Finanzen hat dem Bundestage und dem Bundesrate
über alle Einnahmen und Ausgaben sowie über das Vermögen und die Schulden jährlich
Rechnung zu legen.
(2) Die Rechnung wird durch einen Rechnungshof, dessen Mitglieder richterliche
Unabhängigkeit besitzen, geprüft. Die allgemeine Rechnung und eine Übersicht über das
Vermögen und die Schulden sind dem Bundestage und dem Bundesrate im Laufe des nächsten
Rechnungsjahres mit den Bemerkungen des Rechnungshofes zur Entlastung der Bundesregierung
vorzulegen. Die Rechnungsprüfung wird durch Bundesgesetz geregelt.
A r t i k e l 115
Im Wege des Kredites dürfen Geldmittel nur bei außerordentlichem Bedarf
und in der Regel nur für Ausgaben zu werbenden Zwecken und nur auf Grund eines
Bundesgesetzes beschafft werden. Kreditgewährungen und Sicherheitsleistungen zu Lasten
des Bundes, deren Wirkung über eine Rechnungsjahr hinausgeht, dürfen nur auf Grund eines
Bundesgesetzes erfolgen. In dem Gesetze muß die Höhe des Kredites oder der Umfang der
Verpflichtung, für die der Bund die Haftung übernimmt, bestimmt sein.
XI. Übergangs- und Schlußbestimmungen
A r t i k e l 116
(1) Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich
anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder
als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte
oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember
1937 Aufnahme gefunden hat.
(2) Frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai
1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen
entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge sind auf Antrag wieder einzubürgern. Sie
gelten als nicht ausgebürgert, sofern sie nach dem 8. Mai 1945 ihren Wohnsitz in
Deutschland genommen haben und nicht einen entgegengesetzten Willen zum Ausdruck gebracht
haben.
A r t i k e l 117
(1) Das dem Artikel 3 Absatz 2 entgegenstehende Recht
bleibt bis zu seiner Anpassung an diese Bestimmung des Grundgesetzes in Kraft, jedoch
nicht länger als bis zum 31. März 1953.
(2) Gesetze, die das Recht der Freizügigkeit mit Rücksicht auf die gegenwärtige Raumnot
einschränken, bleiben bis zu ihrer Aufhebung durch Bundesgesetz in Kraft.
A r t i k e l 118
Die Neugliederung in dem die Länder Baden, Württemberg-Baden und
Württemberg-Hohenzollern umfassenden Gebiete kann abweichend von den Vorschriften des
Artikels 29 durch Vereinbarung der beteiligten Länder erfolgen. Kommt
eine Vereinbarung nicht zustande, so wird die Neugliederung durch Bundesgesetz geregelt,
das eine Volksbefragung vorsehen muß.
A r t i k e l 119
In Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen, insbesondere zu
ihrer Verteilung auf die Länder, kann bis zu einer bundesgesetzlichen Regelung die
Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates Verordnungen mit Gesetzeskraft erlassen.
Für besondere Fälle kann dabei die Bundesregierung ermächtigt werden, Einzelweisungen
zu erteilen. Die Weisungen sind außer bei Gefahr im Verzuge an die obersten
Landesbehörden zu richten.
A r t i k e l 120
(1) Der Bund trägt die Aufwendungen für Besatzungskosten und die
sonstigen inneren und äußeren Kriegsfolgelasten nach näherer Bestimmung eines
Bundesgesetzes und die Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung mit Einschluß der
Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenfürsorge.
(2) Die Einnahmen gehen auf den Bund zu demselben Zeitpunkte über, an dem der Bund die
Ausgaben übernimmt.
A r t i k e l 121
Mehrheit der Mitglieder des Bundestages und der Bundesversammlung im
Sinne dieses Grundgesetzes ist die Mehrheit ihrer gesetzlichen Mitgliederzahl.
A r t i k e l 122
(1) Vom Zusammentritt des Bundestages an werden die Gesetze
ausschließlich von den in diesem Grundgesetze anerkannten gesetzgebenden Gewalten
beschlossen.
(2) Gesetzgebende und bei der Gesetzgebung beratend mitwirkende Körperschaften, deren
Zuständigkeit nach Absatz 1 endet, sind mit diesem Zeitpunkt aufgelöst.
A r t i k e l 123
(1) Recht aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages gilt fort,
soweit es dem Grundgesetze nicht widerspricht.
(2) Die vom Deutschen Reich abgeschlossenen Staatsverträge, die sich auf Gegenstände
beziehen, für die nach diesem Grundgesetze die Landesgesetzgebung zuständig ist,
bleiben, wenn sie nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen gültig sind und fortgelten, unter
Vorbehalt aller Rechte und Einwendungen der Beteiligten in Kraft, bis neue Staatsverträge
durch die nach diesem Grundgesetze zuständigen Stellen abgeschlossen werden oder ihre
Beendigung auf Grund der in ihnen enthaltenen Bestimmungen anderweitig erfolgt.
A r t i k e l 124
Recht, das Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes
betrifft, wird innerhalb seines Geltungsbereiches Bundesrecht.
A r t i k e l 125
Recht, das Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes
betrifft, wird innerhalb seines Geltungsbereiches Bundesrecht,
1. soweit es innerhalb einer oder mehrerer Besatzungszonen einheitlich gilt,
2. soweit es sich um Recht handelt, durch das nach dem 8. Mai 1945 früheres Reichsrecht
abgeändert worden ist.
A r t i k e l 126
Meinungsverschiedenheiten über das Fortgelten von Recht als Bundesrecht
entscheidet das Bundesverfassungsgericht.
A r t i k e l 127
Die Bundesregierung kann mit Zustimmung der Regierungen der beteiligten
Länder Recht der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, soweit es nach Artikel 124 oder 125 als Bundesrecht fortgilt, innerhalb eines
Jahres nach Verkündung dieses Grundgesetzes in den Ländern Baden, Groß-Berlin,
Rheinland-Pfalz und Württemberg-Hohenzollern in Kraft setzen.
A r t i k e l 128
Soweit fortgeltendes Recht Weisungsrechte im Sinne des Artikels 84 Absatz 5 vorsieht, bleiben sie bis zu einer anderweitigen gesetzlichen
Regelung bestehen.
A r t i k e l 129
(1) Soweit in Rechtsvorschriften, die als Bundesrecht fortgelten, eine
Ermächtigung zum Erlasse von Rechtsverordnungen oder allgemeinen Verwaltungsvorschriften
sowie zur Vornahme von Verwaltungsakten enthalten ist, geht sie auf die nunmehr sachlich
zuständigen Stellen über. In Zweifelsfällen entscheidet die Bundesregierung im
Einvernehmen mit dem Bundesrate; die Entscheidung ist zu veröffentlichen.
(2) Soweit in Rechtsvorschriften, die als Landesrecht fortgelten, eine solche
Ermächtigung enthalten ist, wird sie von den nach Landesrecht zuständigen Stellen
ausgeübt.
(3) Soweit Rechtsvorschriften im Sinne der Absätze 1 und 2 zu ihrer Änderung oder
Ergänzung oder zum Erlaß von Rechtsvorschriften anstelle von Gesetzen ermächtigen, sind
diese Ermächtigungen erloschen.
(4) Die Vorschriften der Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, soweit in
Rechtsvorschriften auf nicht mehr geltende Vorschriften oder nicht mehr bestehende
Einrichtungen verwiesen ist.
A r t i k e l 130
(1) Verwaltungsorgane und sonstige der öffentlichen Verwaltung oder
Rechtspflege dienende Einrichtungen, die nicht auf Landesrecht oder Staatsverträgen
zwischen Ländern beruhen, sowie die Betriebsvereinigung der südwestdeutschen Eisenbahnen
und der Verwaltungsrat für das Post- und Fernmeldewesen für das französische
Besatzungsgebiet unterstehen der Bundesregierung. Diese regelt mit Zustimmung des
Bundesrates die Überführung, Auflösung oder Abwicklung.
(2) Oberster Disziplinarvorgesetzter der Angehörigen dieser Verwaltungen und
Einrichtungen ist der zuständige Bundesminister.
(3) Nicht landesunmittelbare und nicht auf Staatsverträgen zwischen den Ländern
beruhende Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechtes unterstehen der Aufsicht
der zuständigen obersten Bundesbehörde.
A r t i k e l 131
Die Rechtsverhältnisse von Personen einschließlich der Flüchtlinge und
Vertriebenen, die am 8. Mai 1945 im öffentlichen Dienste standen, aus anderen als
beamten- oder tarifrechtlichen Gründen ausgeschieden sind und bisher nicht oder nicht
ihrer früheren Stellung entsprechend verwendet werden, sind durch Bundesgesetz zu regeln.
Entsprechendes gilt für Personen einschließlich der Flüchtlinge und Vertriebenen, die
am 8. Mai 1945 versorgungsberechtigt waren und aus anderen als beamten- oder
tarifrechtlichen Gründen keine oder keine entsprechende Versorgung mehr erhalten. Bis zum
Inkrafttreten des Bundesgesetzes können vorbehaltlich anderweitiger landesrechtlicher
Regelung Rechtsansprüche nicht geltend gemacht werden.
A r t i k e l 132
(1) Beamte und Richter, die im Zeitpunkte des Inkrafttretens dieses
Grundgesetzes auf Lebenszeit angestellt sind, können binnen sechs Monaten nach dem ersten
Zusammentritt des Bundestages in den Ruhestand oder Wartestand oder in ein Amt mit
niedrigerem Diensteinkommen versetzt werden, wenn ihnen die persönliche oder fachliche
Eignung für ihr Amt fehlt. Auf Angestellte, die in einem unkündbaren Dienstverhältnis
stehen, findet diese Vorschrift entsprechende Anwendung. Bei Angestellten, deren
Dienstverhältnis kündbar ist, können über die tarifmäßige Regelung hinausgehende
Kündigungsfristen innerhalb der gleichen Frist aufgehoben werden.
(2) Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf Angehörige des öffentlichen Dienstes,
die von den Vorschriften über die "Befreiung von Nationalsozialismus und
Militarismus" nicht betroffen oder die anerkannte Verfolgte des Nationalsozialismus
sind, sofern nicht ein wichtiger Grund in ihrer Person vorliegt.
(3) Den Betroffenen steht der Rechtsweg gemäß Artikel 19 Absatz 4
offen.
(4) Das Nähere bestimmt eine Verordnung der Bundesregierung, die der Zustimmung des
Bundesrates bedarf.
A r t i k e l 133
Der Bund tritt in die Rechte und Pflichten der Verwaltung des Vereinigten
Wirtschaftsgebietes ein.
A r t i k e l 134
(1) Das Vermögen des Reiches wird grundsätzlich Bundesvermögen.
(2) Soweit es nach seiner ursprünglichen Zweckbestimmung überwiegend für
Verwaltungsaufgaben bestimmt war, die nach diesem Grundgesetze nicht Verwaltungsaufgaben
des Bundes sind, ist es unentgeltlich auf die nunmehr zuständigen Aufgabenträger und,
soweit es nach seiner gegenwärtigen, nicht nur vorübergehenden Benutzung
Verwaltungsaufgaben dient, die nach diesem Grundgesetze nunmehr von den Ländern zu
erfüllen sind, auf die Länder zu übertragen. Der Bund kann auch sonstiges Vermögen den
Ländern übertragen.
(3) Vermögen, das dem Reich von den Ländern und Gemeinden (Gemeindeverbänden)
unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde, wird wiederum Vermögen der Länder und
Gemeinden (Gemeindeverbände), soweit es nicht der Bund für eigene Verwaltungsaufgaben
benötigt.
(4) Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.
A r t i k e l 135
(1) Hat sich nach dem 8. Mai 1945 bis zum Inkrafttreten dieses
Grundgesetzes die Landeszugehörigkeit eines Gebietes geändert, so steht in diesem
Gebiete das Vermögen des Landes, dem das Gebiet angehört hat, dem Lande zu, dem es jetzt
angehört.
(2) Das Vermögen nicht mehr bestehender Länder und nicht mehr bestehender anderer
Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechtes geht, soweit es nach seiner
ursprünglichen Zweckbestimmung überwiegend für Verwaltungsaufgaben bestimmt war, oder
nach seiner gegenwärtigen, nicht nur vorübergehenden Benutzung überwiegend
Verwaltungsaufgaben dient, auf das Land oder die Körperschaft oder Anstalt des
öffentlichen Rechtes über, die nunmehr diese Aufgaben erfüllen.
(3) Grundvermögen nicht mehr bestehender Länder geht einschließlich des Zubehörs,
soweit es nicht bereits zu Vermögen im Sinne des Absatzes 1 gehört, auf das Land über,
in dessen Gebiet es belegen ist.
(4) Sofern ein überwiegendes Interesse des Bundes oder das besondere Interesse eines
Gebietes es erfordert, kann durch Bundesgesetz eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende
Regelung getroffen werden.
(5) Im übrigen wird die Rechtsnachfolge und die Auseinandersetzung, soweit sie nicht bis
zum 1. Januar 1952 durch Vereinbarung zwischen den beteiligten Ländern oder
Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechtes erfolgt, durch Bundesgesetz
geregelt, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.
(6) Beteiligungen des ehemaligen Landes Preußen an Unternehmen des privaten Rechtes gehen
auf den Bund über. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das auch Abweichendes bestimmen
kann.
(7) Soweit über Vermögen, das einem Lande oder einer Körperschaft oder Anstalt des
öffentlichen Rechtes nach den Absätzen 1 bis 3 zufallen würde, von dem danach
Berechtigten durch ein Landesgesetz, auf Grund eines Landesgesetzes oder in anderer Weise
bei Inkrafttreten des Grundgesetzes verfügt worden war, gilt der Vermögensübergang als
vor der Verfügung erfolgt.
A r t i k e l 136
(1) Der Bundesrat tritt erstmalig am Tage des ersten Zusammentrittes des
Bundestages zusammen.
(2) Bis zur Wahl des ersten Bundespräsidenten werden dessen Befugnisse von dem
Präsidenten des Bundesrates ausgeübt. Das Recht der Auflösung des Bundestages steht ihm
nicht zu.
A r t i k e l 137
(1) Die Wählbarkeit von Beamten, Angestellten des öffentlichen Dienstes
und Richtern im Bund, in den Ländern und den Gemeinden kann gesetzlich beschränkt
werden.
(2) Für die Wahl des ersten Bundestages, der ersten Bundesversammlung und des ersten
Bundespräsidenten der Bundesrepublik gilt das vom Parlamentarischen Rat zu beschließende
Wahlgesetz.
(3) Die dem Bundesverfassungsgerichte gemäß Artikel 41 Absatz 2
zustehende Befugnis wird bis zu seiner Errichtung von dem Deutschen Obergericht für das
Vereinigte Wirtschaftsgebiet wahrgenommen, das nach Maßgabe seiner Verfahrensordnung
entscheidet.
A r t i k e l 138
Änderungen der Einrichtungen des jetzt bestehenden Notariats in den
Ländern Baden, Bayern, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern bedürfen der
Zustimmung der Regierungen dieser Länder.
A r t i k e l 139
Die zur "Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und
Militarismus" erlassenen Rechtsvorschriften werden von den Bestimmungen dieses
Grundgesetzes nicht berührt.
A r t i k e l 140
Die Bestimmungen der Artikel 136,
137, 138,
139 und 141 der deutschen
Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.
A r t i k e l 141
Artikel 7 Absatz 3 Satz 1 findet keine Anwendung in
einem Lande, in dem am 1. Januar 1949 eine andere landesrechtliche Regelung bestand.
A r t i k e l 142
Ungeachtet der Vorschrift des Artikels 31 bleiben
Bestimmungen der Landesverfassungen auch insoweit in Kraft, als sie in Übereinstimmung
mit den Artikeln 1 bis 18 dieses Grundgesetzes
Grundrechte gewährleisten.
A r t i k e l 143
(1) Wer mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt die verfassungsmäßige
Ordnung des Bundes oder eines Landes ändert, den Bundespräsidenten der ihm nach diesem
Grundgesetze zustehenden Befugnisse beraubt oder mit Gewalt oder durch gefährliche
Drohung nötigt oder hindert, sie überhaupt oder in einem bestimmten Sinne auszuüben,
oder ein zum Bunde oder einem Lande gehöriges Gebiet losreißt, wird mit lebenslangem
Zuchthaus oder Zuchthaus nicht unter zehn Jahren bestraft.
(2) Wer zu einer Handlung im Sinne des Absatzes 1 öffentlich auffordert oder sie mit
einem anderen verabredet oder in anderer Weise vorbereitet, wird mit Zuchthaus bis zu zehn
Jahren bestraft.
(3) In minder schweren Fällen kann in den Fällen des Absatzes 1 auf Zuchthaus nicht
unter zwei Jahren, in den Fällen des Absatzes 2 auf Gefängnis nicht unter einem Jahr
erkannt werden.
(4) Wer aus freien Stücken seine Tätigkeit aufgibt oder bei Beteiligung mehrerer die
verabredete Handlung verhindert, kann nicht nach den Vorschriften der Absätze 1 bis 3
bestraft werden.
(5) Für die Aburteilung ist, sofern die Handlung sich ausschließlich gegen die
verfassungsmäßige Ordnung eines Landes richtet, mangels anderweitiger landesrechtlicher
Regelung das für Strafsachen zuständige oberste Gericht des Landes zuständig. Im
übrigen ist das Oberlandesgericht zuständig, in dessen Bezirk die erste Bundesregierung
ihren Sitz hat.
(6) Die vorstehenden Vorschriften gelten bis zu einer anderweitigen Regelung durch
Bundesgesetz.
A r t i k e l 144
(1) Dieses Grundgesetz bedarf der Annahme durch die Volksvertretungen in
zwei Dritteln der deutschen Länder, in denen es zunächst gelten soll.
(2) Soweit die Anwendung dieses Grundgesetzes in einem der in Artikel 23
aufgeführten Länder oder in einem Teile eines dieser Länder Beschränkungen unterliegt,
hat das Land oder der Teil des Landes das Recht, gemäß Artikel 38
Vertreter in den Bundestag und gemäß Artikel 50 Vertreter in den
Bundesrat zu entsenden.
A r t i k e l 145
(1) Der Parlamentarische Rat stellt in öffentlicher Sitzung unter
Mitwirkung der Abgeordneten Groß-Berlins die Annahme dieses Grundgesetzes fest, fertigt
es aus und verkündet es.
(2) Dieses Grundgesetz tritt mit Ablauf des Tages der Verkündung in Kraft.
(3) Es ist im Bundesgesetzblatte zu veröffentlichen.
A r t i k e l 146
Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine
Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen
worden ist.
Bonn am Rhein, am 23. Mai 1949.
Dr. Adenauer
Präsident des Parlamentarischen Rates |
Schönfelder
1. Vizepräsident
|
Dr. Schäfer
2. Vizepräsident
|
|