Gesetz
über die Wahlen zur Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik am 17. Oktober
1954.
Vom 4. August 1954
I
Grundsätze der Wahl
§ 1
Die Abgeordneten für die Volkskammer werden in allgemeiner,
gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts
gewählt (Art. 51 Abs. 2 der Verfassung).
II
Zusammensetzung der Volkskammer
§ 2
(1) Für die Volkskammer werden 400 Abgeordnete gewählt (Art. 52 Abs. 3 der Verfassung).
(2) Die Hauptstadt Deutschlands, Berlin, ist berechtigt, 66 Vertreter in die
Volkskammer zu entsenden.
III
Wahlberechtigung, Wählbarkeit
§ 3
(1) Wahlberechtigt für die Volkskammer sind alle Männer und
Frauen deutscher Staatsangehörigkeit, die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet und
ihren Wohnsitz im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik haben (Art. 52 Abs. 1 der Verfassung).
(2) Wählen kann nur, wer in einer Wählerliste eingetragen oder im Besitz eines
Wahlscheines ist.
(3) Wählbar sind alle Männer und Frauen deutscher Staatsangehörigkeit, die am
Wahltag das 21. Lebensjahr vollendet und ihren Wohnsitz im Gebiet der Deutschen
Demokratischen Republik oder von Groß-Berlin haben (Art. 52
Abs. 2 der Verfassung).
§ 4
(1) Wahlberechtigte deutsche Staatsangehörige, die sich am
Wahltag in einem ausländischen Staat aufhalten, in dem sich eine Diplomatische Vertretung
der Deutschen Demokratischen Republik befindet, können in den Räumen der Diplomatischen
Vertretung wählen.
(2) Der Chef der Diplomatischen Vertretung oder sein Vertreter ist für
die Wahlvorbereitung verantwortlich.
(3) Die Wahlhandlung wird von einem Ausschuß geleitet. Der Ausschuß besteht
aus drei Personen, die von den wahlberechtigten Angehörigen und Angestellten der
Diplomatischen Vertretung aus ihrer Mitte gewählt werden.
(4) Wählerlisten werden nicht angelegt. Vor der Stimmabgabe ist das Wahlrecht
des Wählers festzustellen. Bei Zulassung zur Wahl ist sein Name in einer Liste zu
vermerken.
§ 5
Nicht wahlberechtigt und nicht wählbar ist: |
- wer entmündigt ist oder unter vorläufiger Vormundschaft oder wegen geistigen
Gebrechens unter Pflegschaft steht;
- wer die bürgerlichen Ehrenrechte nicht besitzt;
- wem durch Beschluß eines Gerichtes das Wahlrecht entzogen ist.
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§ 6
In der Ausübung ihres Wahlrecht sind behindert: |
- Geisteskranke und Schwachsinnige, die sich in Heil- und Pflegeanstalten befinden;
- Straf- und Untersuchungsgefangene;
- Personen, die sich auf Anordnung richterlicher oder polizeilicher Organe in Haft
befinden.
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IV
Wahlgebiete und Wahlleiter
§ 7
Wahlgebiete sind: |
- Die Republik;
- die Bezirke;
- die Stadt- und Landkreise;
- die Städte, Stadtbezirke und Gemeinden.
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§ 8
(1) Wahlleiter der Republik ist der Minister des
Innern der Deutschen Demokratischen Republik. Der Minister ernennt einen
stellvertretenden Wahlleiter.
(2) Dem Wahlleiter der Republik obliegen insbesondere folgende Aufgaben: |
- die Durchführung des Verfahrens über die Einreichung von Wahlvorschlägen, ihre
Vorprüfung und die Feststellung des Wahlergebnisses;
- die Anweisung für die Herstellung der Stimmzettel, der Vordrucke für die
Wahlniederschriften, Wählerlisten, Wahlscheine u. ä.;
- die Organisation der Übermittlung der Wahlergebnisse;
- die Kontrolle der Wahlvorbereitungen.
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§ 9
(1) Wahlleiter des Bezirkes ist der Vorsitzende
des Rates des Bezirkes. Er ernennt den stellvertretenden Wahlleiter.
(2) Dem Wahlleiter des Bezirkes obliegen insbesondere folgende Aufgaben: |
- Die Organisation der Übermittlung der Wahlergebnisse, die Feststellung der
Wahlergebnisse im Bezirk und die Übermittlung an den Wahlleiter der Republik;
- die Kontrolle und Anleitung der Wahlleiter der Stadt- und Landkreise.
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§ 10
(1) Wahlleiter des Landkreises ist der
Vorsitzende des Rates des Kreises. Wahlleiter des Stadtkreises ist der Oberbürgermeister.
Der Vorsitzende des Rates des Kreises bzw. der Oberbürgermeister ernennt den
stellvertretenden Wahlleiter.
(2) Dem Wahlleiter des Stadt- und Landkreises obliegen insbesondere folgende
Aufgaben: |
- die Organisation der Übermittlung der Wahlergebnisse, die Feststellung des
Wahlergebnisses im Stadt- und Landkreis und die Übermittlung an den Wahlleiter des
Bezirkes;
- die Kontrolle und Anleitung der Wahlleiter der Städte, Stadtbezirke und Gemeinden.
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§ 11
(1) Wahlleiter der Stadt oder Gemeinde ist der
Bürgermeister. Wahlleiter des Stadtbezirkes ist der Vorsitzende des Rates des
Stadtbezirkes. Der Vorsitzende des Rates des Stadtbezirkes bzw. der Bürgermeister ernennt
den stellvertretenden Wahlleiter.
(2) Dem Wahlleiter der Stadt, des Stadtbezirkes und der Gemeinde obliegen
insbesondere folgende Aufgaben: |
- Bildung der Wahlbezirke;
- Aufstellung der Wählerlisten;
- Auslegung der Wählerlisten und deren Bekanntgabe;
- Abschluß der Wählerlisten und Übergabe an die Wahlvorsteher;
- Bestimmung der Wahlräume;
- Bekanntgabe des Ortes und der Zeit der Wahlhandlung;
- Bekanntgabe der Bestellung des Wahlvorstandes;
- die Organisation der Übermittlung der Wahlergebnisse, die Feststellung des
Wahlergebnisses der Stadt, des Stadtbezirkes oder der Gemeinde und die Übermittlung an
den Wahlleiter des Stadt- oder Landkreises.
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V
Wahlausschüsse
§ 12
Bis spätestens 20. August 1954 sind Wahlausschüsse zu bilden: |
- für die Republik durch die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik;
- für die Bezirke durch den Rat des Bezirkes;
- für die Stadt- und Landkreise durch den Rat der Stadt bzw. durch den Rat des Kreises;
- für die Städte, Stadtbezirke und Gemeinden durch den Rat der Stadt, des Stadtbezirkes
bzw. der Gemeinde.
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§ 13
(1) Der Wahlausschuß besteht aus: |
- dem Wahlleiter als Vorsitzenden;
- seinem Stellvertreter;
- mindestens fünf Wahlberechtigten als Beisitzer;
- dem im Wahlausschuß nicht stimmberechtigten Schriftführer und dessen Stellvertreter.
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(2) Für den Wahlausschuß der Republik und die
Wahlausschüsse der Bezirke sind für jeden Beisitzer ein Vertreter zu bestellen, der im
Falle der Verhinderung oder des Ausscheidens des Beisitzers für ihn einzutreten hat.
(3) Der Wahlausschuß wird vom Wahlleiter einberufen. |
§ 14
(1) Der Wahlausschuß der Stadt, des Stadtbezirkes oder der
Gemeinde hat über Einsprüche zu entscheiden, die die Wählerlisten und die
Wahlberechtigung betreffen.
(2) Der Wahlausschuß der Republik hat über Einsprüche gegen die Wählbarkeit
eines Kandidaten zur Volkskammer zu entscheiden.
(3) Der Wahlausschuß der Republik veröffentlicht das Wahlergebnis.
§ 15
Der Wahlausschuß beschließt mit einfacher Stimmenmehrheit.
Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.
VI
Wahlvorschläge
§ 16
Der Wahlleiter der Republik fordert zur Einreichung der
Wahlvorschläge auf. Die Aufforderung ist bis spätestens 20. August 1954 bekanntzugeben.
§ 17
Wahlvorschläge für die Volkskammer dürfen nur die Vereinigungen
aufstellen, die nach ihrer Satzung die demokratische Gestaltung des staatlichen und
gesellschaftlichen Lebens der gesamten Republik erstreben und deren Organisation das ganze
Staatsgebiet umfaßt (Art. 13 Abs. 2 und Art 53 der Verfassung).
§ 18
Die nach § 17 zur Einreichung von
Wahlvorschläge berechtigten Vereinigungen haben das Recht, gemeinsame Wahlvorschläge
einzubringen.
§ 19
(1) Die Wahlvorschläge sind bei dem
Wahlleiter des Republik bis 12. September 1954 einzureichen.
(2) In dem Wahlvorschlag sollen die Kandidaten mit Zu- und Vornamen, Geburtstag und
-ort aufgeführt und ihr Beruf sowie ihre Wohnung deutlich angegeben werden.
(3) Mit dem Wahlvorschlag sind einzureichen: |
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a) die schriftliche Zustimmung des Kandidaten zu seiner Kandidatur,
b) eine Bescheinigung des Bürgermeisters bzw. des Vorsitzenden des Rates des
Stadtbezirkes über die Wählbarkeit des Kandidaten. |
(4) Verweigert der Bürgermeister
bzw. der Vorsitzende des Rates des Stadtbezirkes die Erteilung dieser Bescheinigung, so
stehen dem Kandidaten und der Vereinigung, die ihn vorgeschlagen hat, der Einspruch beim
Wahlausschuß des Stadt- oder Landkreises und gegen dessen Entscheidung die Beschwerde an
den Wahlausschuß des Bezirkes zu. |
§ 20
Bis zum 22. September 1954 hat der Wahlausschuß der Republik
über die Zulassung der Wahlvorschläge in öffentlicher Sitzung zu entscheiden.
§ 21
Entspricht ein Wahlvorschlag nicht den Erfordernissen des § 19, so hat der Wahlleiter der Republik zur Behebung der Mängel bis zum 20.
September 1954 aufzufordern.
§ 22
Einen Tag nach der Entscheidung über die Wahlvorschläge (§ 20) hat der Wahlleiter der Republik die Wahlvorschläge mit den Namen der
Kandidaten bekanntzugeben.
§ 23
(1) Wenn ein Kandidat vor der Wahl ausscheidet, so ist die
Vereinigung, die den Wahlvorschlag eingebracht hat, berechtigt, einen anderen Kandidaten
zu benennen. Wurde ein gemeinsamer Wahlvorschlag eingereicht, so wird ein anderer Kandidat
durch gemeinsame Erklärung der Vereinigungen ernannt, die den gemeinsamen Wahlvorschlag
eingebracht haben.
(2) Das Ausscheiden des Kandidaten wird durch Beschluß des Wahlausschusses der
Republik festgestellt. Er entschiedet über die Aufnahme des neuen Kandidaten in den
Wahlvorschlag.
VII
Vorstellung der Kandidaten
§ 24
Die Kandidaten sind verpflichtet, sich den Wählern vorzustellen,
Auskunft über ihre bisherige gesellschaftliche Tätigkeit, ihre künftige Mitarbeit in
der Volkskammer und die Verwirklichung der ihnen als Angeordnete obliegenden Pflichten zu
geben.
§ 25
Die Wähler sind berechtigt, Kandidaten abzulehnen. Im Falle der Ablehnung ist
nach § 23 zu verfahren.
VIII
Wahlbezirke
§ 26
(1) Die Stimmabgabe erfolgt in den Wahlbezirken. Jede Stadt, jeder
Stadtbezirk und jede Gemeinde bilden mindestens einen Wahlbezirk.
(2) Soweit erforderlich, haben die Wahlleiter der Städte, Stadtbezirke und
Gemeinden ihr Wahlgebiet in Wahlbezirke von angemessener Größe einzuteilen. Ein
Wahlbezirk soll nicht mehr als 2500 Einwohner umfassen.
(3) Für Kur- und Erholungsheime, Kranken- und Pflegeanstalten mit einer
größeren Anzahl von Wahlberechtigten können selbständige Wahlbezirke gebildet werden.
(4) Der Wahlleiter der Republik kann die Einrichtung von Sonderwahllokalen
anordnen.
IX
Wählerlisten
§ 27
(1) Die Wahlleiter der Städte, Stadtbezirke und Gemeinden haben
Listen der in ihrem Wahlgebiet wohnenden Wahlberechtigten nach Wahlbezirken aufzustellen.
Die Wählerlisten sind vom 18. September bis 11. Oktober 1954 (auch sonntags) öffentlich
auszulegen.
(2) Soweit mehrere Wahlbezirke gebildet werden, ist die Wählerliste für jeden
Wahlbezirk gesondert aufzustellen.
(3) Jeder Wahlberechtigte kann nur in dem Wahlbezirk wählen, in dessen
Wählerliste er eingetragen ist. Das gilt nicht für Inhaber eines Wahlscheines.
(4) Inhaber von Wahlscheinen können in jedem Wahllokal der Deutschen
Demokratischen Republik oder den eingerichteten Sonderwahllokalen wählen.
§ 28
(1) Die Wählerliste hat Zu- und Vornamen, Alter und Wohnung der
Wahlberechtigten in alphabetischer Ordnung unter fortlaufender Nummer zu enthalten. Die
Listen können auch in der Art angelegt werden, daß die Straßen nach der alphabetischen
Reihenfolge, innerhalb der Straßen oder Ortsbezirke die Häuser nach ihren Nummern und
innerhalb jedes Hauses die Wähler eingetragen werden.
(2) Die Wahlleiter der Städte, Stadtbezirke und Gemeinden haben in ortsüblicher
Weise bekanntzumachen, wo und zu welchen Tagesstunden die Wählerliste zu jedermanns
Einsicht ausgelegt wird, sowie innerhalb welcher Zeit und in welcher Weise Einspruch gegen
die Wählerliste erhoben werden kann. Vor der Eintragung jedes einzelnen Bürgers ist
dessen Wahlrecht genau zu prüfen.
§ 29
(1) Jeder Wahlberechtigte, der die Wählerliste für unrichtig
oder unvollständig hält oder davon Kenntnis erhält, daß die Voraussetzungen der
Wahlberechtigten bei einem in der Wählerliste eingetragenen Bürger nicht oder nicht mehr
vorliegt, hat dies dem Wahlleiter unverzüglich anzuzeigen.
(2) Stellt der Wahlleiter fest, daß die Wählerliste unrichtig oder unvollständig
ist, so hat er diese entsprechend zu berichtigen. Soll dabei ein Bürger in der
Wählerliste gestrichen werden, so ist diesem vorher Gelegenheit zur Äußerung zu geben.
Von einer etwaigen Streichung in der Wählerliste ist er unverzüglich zu benachrichtigen.
§ 30
(1) Gegen jede Änderung der Wählerliste durch den Wahlleiter
steht dem Betroffenen der Einspruch an den Wahlausschuß zu.
(2) Der Einspruch an den Wahlausschuß gegen die Entscheidung des Wahlleiters steht
auch dem zu, der dem Wahlleiter eine Mitteilung nach § 29 Abs. 1
gemacht hat, wenn der Wahlleiter die entsprechende Berichtigung der Wählerliste abgelehnt
hat.
§ 31
Im Falle einer Berichtigung der Wählerliste sind die Gründe in
Spalte "Bemerkungen" einzutragen; Ergänzungen sind im Nachtrag zur Wählerliste
aufzunehmen.
§ 32
(1) Die Wählerliste ist vom Wahlleiter abzuschließen. Hierbei
hat er zu bescheinigen, wie lange die Wählerliste ausgelegen hat und wieviele
wahlberechtigte Bürger eingetragen sind.
(2) Der Wahlleiter hat die Wählerliste rechtzeitig dem Wahlvorstand zu
übersenden.
(3) Falls noch Entscheidungen über vorgelegte Einsprüche ausstehen, müssen
die Entscheidungen den Beteiligten so rechtzeitig zugestellt werden, daß über ihre
Wahlberechtigung eine besondere Bescheinigung (Wahlschein) ausgestellt werden kann.
X
Wahlvorstand
§ 33
(1) Für jeden Wahlbezirk wird ein Wahlvorstand gebildet. Er
besteht aus dem Wahlvorsteher, seinem Stellvertreter, mindestens drei Beisitzern und dem
im Wahlvorstand nicht stimmberechtigten Schriftführer.
(2) Für jeden Beisitzer und den Schriftführer ist ein Vertreter zu bestellen, der
im Falle des Ausscheidens oder der Behinderung des Beisitzers bzw. Schriftführers für
diesen einzutreten hat.
§ 34
(1) Der Wahlvorstand tritt auf Einladung durch den Wahlvorsteher
am Wahltag zu Beginn der Wahlhandlung im Wahlraum zusammen.
(2) Der Wahlvorstand führt die Wahlhandlung im Wahlbezirk durch und stellt das
Wahlergebnis fest.
(3) Der Wahlvorstand ist bei Anwesenheit von mindestens drei Mitgliedern, unter
denen sich stets der Wahlvorsteher oder sein Stellvertreter befinden muß,
beschlußfähig. Er beschließt mit einfacher Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit
entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.
XI
Wahlhandlung
§ 35
Die Wahlhandlung ist öffentlich; die Wahlzeit dauert in der Regel von 8 bis 20
Uhr.
§ 36
(1) Der Wahlvorsteher leitet die Wahl.
(2) Die Wahlhandlung wird damit eröffnet, daß der Wahlvorsteher seinen Vertreter,
die Beisitzer und den Schriftführer durch Handschlag verpflichtet und so den Wahlvorstand
bildet.
(3) Ist der Wahlvorstand bei Beginn der Wahlhandlung nicht beschlußfähig, so
ernennt der Wahlvorsteher die zur Beschlußfähigkeit erforderlichen Mitglieder aus
erschienenen Wählern.
(4) Der Wahlvorsteher und der Schriftführer dürfen sich während der Wahlhandlung
nicht gleichzeitig entfernen. Verläßt einer von ihnen vorübergehend den Wahlraum, so
ist mit dessen Vertretung sein Stellvertreter zu beauftragen.
§ 37
(1) Vor Beginn der Wahlhandlung hat sich der Wahlvorstand im
Beisein von Wählern davon zu überzeugen, daß die Wahlurne leer ist. Die Wahlurne wird
verschlossen und versiegelt; sie darf bis zum Abschluß der Wahlhandlung nicht geöffnet
werden.
(2) Zur Stimmabgabe dürfen nur die amtlich hergestellten, im Wahlraum ausgegebenen
Stimmzettel benutzt werden.
(3) Der Wähler hat das Recht, auf dem Stimmzettel Veränderungen vorzunehmen.
§ 38
(1) Zutritt zum Wahlraum hat jeder Wähler.
(2) Der Wahlvorstand kann jeden aus dem Wahlraum verweisen, der die Ordnung der
Wahlhandlung stört.
§ 39
(1) Der Wahlvorstand stellt die Wahlberechtigung des Wählers
fest. Der Wahlberechtigte nennt dem Wahlvorstand seinen Namen sowie seine Wohnung und
weist sich durch den Personalausweis der Deutschen Demokratischen Republik oder einer
entsprechende andere amtliche Urkunde zur Person aus. Nach Feststellung seiner
Wahlberechtigung nimmt der Wähler die Wahl vor, indem er den Stimmzettel selbst in die
Wahlurne hineinwirft.
(2) Inhaber von Wahlscheinen übergeben den Wahlschein dem Wahlvorsteher. Entstehen
Zweifel über die Echtheit oder den rechtmäßigen Besitz des Wahlscheines, so hat
der Wahlvorstand über die Zulassung oder Abweisung des Wählers Beschluß zu fassen.
Der Vorgang ist in die Wahlniederschrift aufzunehmen.
(3) Wahlberechtigte, die des Lesens unkundig oder durch körperliche Gebrechen
behindert sind, dürfen sich der Hilfe einer Vertrauensperson bedienen.
(4) Der Schriftführer vermerkt die Stimmabgabe jedes Wählers neben dessen Namen
in der Wählerliste und sammelt die Wahlscheine.
§ 40
Nach Schluß der Wahlzeit dürfen nur noch die Wähler zur
Stimmabgabe zugelassen werden, die sich im Wahlraum befinden. Hierauf erklärt der
Wahlvorsteher die Abstimmung für geschlossen.
XII
Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses
§ 41
(1) Nach Schluß der Wahl werden die Stimmzettel aus der Wahlurne
genommen und gezählt. Zugleich wird die Zahl der Abstimmungsvermerke in der Wählerliste
und die Zahl der Wahlscheine festgestellt. Ergibt sich dabei eine Verschiedenheit, so ist
diese in der Wahlniederschrift anzugeben und, soweit möglich, zu erläutern.
(2) Die Auszählung der Stimmen ist öffentlich und wird vom Wahlvorstand
durchgeführt.
§ 42
(1) Nach der Zählung der Stimmzettel stellt der Wahlvorsteher
für jeden Stimmzettel fest, ob er gültig ist.
(2) Entstehen Zweifel über die Gültigkeit eines Stimmzettels, so entscheidet der
Wahlvorstand.
(3) Die Stimmzettel, die der Wahlvorstand für ungültig erklärt, sind mit
fortlaufenden Nummern zu versehen und der Niederschrift beizufügen. In der Niederschrift
sind die Gründe anzuführen, aus denen die Stimmzettel für ungültig erklärt worden
sind.
§ 43
(1) Der Schriftführer verzeichnet in der Zählliste die gültigen
und ungültigen Stimmen und zählt sie zusammen. Einer der Beisitzer führt eine
Gegenliste.
(2) Zählliste und Gegenliste sind von dem Wahlvorsteher und den Mitgliedern des
Wahlvorstandes, die die Listen führen, zu unterzeichnen und der Wahlniederschrift als
Anlage beizufügen.
§ 44
(1) Mit Ausnahme der vom Wahlvorstand für ungültig erklärten
Stimmzettel sind alle übrigen Stimmzettel von dem Wahlvorsteher dem Wahlleiter in einem
verschlossenen Umschlag zu übergeben.
(2) Über die Wahlhandlung ist ein Niederschrift aufzunehmen. Die Wahlniederschrift
mit den dazugehörenden Schriftstücken, die fortlaufend zu numerieren sind, ist von dem
Wahlvorsteher bis spätestens 18. Oktober 1954 - 6 Uhr - bei dem Wahlleiter einzureichen.
(3) Unmittelbar nach der Ermittlung des Wahlergebnisses hat der Wahlvorsteher
dieses seinem Wahlleiter mitzuteilen. Die Wahlleiter der Städte, Stadtbezirke und
Gemeinden melden das Gesamtergebnis ihres Wahlgebietes dem Wahlleiter des Stadt- und
Landkreises. Die Wahlleiter der Stadt- und Landkreise teilen das Gesamtergebnis ihrer
Wahlgebiete dem Wahlleiter des Bezirkes mit. Die Wahlleiter der Bezirke übermitteln die
Wahlergebnisse in den Bezirken dem Wahlleiter der Republik.
§ 45
(1) Die Wahlleiter der Städte, Stadtbezirke und Gemeinden prüfen
nach den Wahlniederschriften die ordnungsgemäße Vollziehung der Wahl und berichtigen
Rechenfehler und andere offenbare Unrichtigkeiten; alsdann stellen sie das endgültige
Gesamtergebnis der Wahl fest.
(2) Die Weitergabe des endgültigen Wahlergebnisses erfolgt entsprechend den
Bestimmungen des § 44 Abs. 3.
§ 46
(1) Die Zuweisung der Abgeordnetensitze auf die Wahlvorschläge
erfolgt entsprechend dem Verhältnis der auf die Wahlvorschläge entfallenden Zahl der
Stimmen.
(2) Die Abgeordnetensitze werden auf die Kandidaten nach ihrer Reihenfolge in
den Vorschlägen verteilt.
§ 47
Der Wahlleiter der Republik hat die gewählten Abgeordneten
spätestens sieben Tage nach der Wahl von ihrer Wahl zu benachrichtigen.
XIII
Gültigkeit der Wahl
§ 48
Gegen die Gültigkeit der Wahl kann von den Vereinigungen, die
Wahlvorschläge gemacht haben, binnen zwei Wochen nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse
Einspruch eingelegt werden.
§ 49
Wird festgestellt, daß bei der Durchführung der Wahl
Unregelmäßigkeiten vorgekommen sind, die das Wahlergebnis beeinflußt haben, so ist die
ganze Wahl für ungültig zu erklären.
§ 50
(1) Einsprüche gegen die Gültigkeit der Wahl hat der Wahlleiter
beim ersten Zusammentreten der Volkskammer dieser zur Beschlußfassung vorzulegen (Art. 59 der Verfassung).
Der Beschluß über den Einspruch ist derjenigen Vereinigung, die den Einspruch erhoben
hat, unverzüglich zuzustellen.
(2) Wird dem Einspruch durch Beschluß der Volkskammer stattgegeben und die Wahl
für ungültig erklärt, so hat binnen drei Monaten eine Neuwahl stattzufinden. Den Tag
der Neuwahl bestimmt die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik.
(3) Die Neuwahl findet nach den Bestimmungen dieses Gesetzes statt.
(4) Die Wahlvorstände, Wahlausschüsse, Wahlgebiete und Wahlräume bleiben
unverändert.
(5) Für die Neuwahl ist dieselbe Wählerliste zugrunde zu legen wie bei der
Hauptwahl; sie ist jedoch vorher zu berichtigen und neu auszulegen.
(6) Für die Neuwahl sind neue Wahlvorschläge einzureichen.
§ 51
(1) War die Wahl eines oder mehrerer Abgeordneter gesetzlich
unzulässig, weil die Voraussetzungen für deren Wählbarkeit fehlten, so ist nur deren
Wahl für ungültig zu erklären.
(2) Wenn die Wahl eines Abgeordneten für ungültig erklärt wird, so tritt an
dessen Stelle ein Kandidat des gleichen Wahlvorschlages nach der Reihenfolge des
Wahlvorschlages. War der Abgeordnete auf einem gemeinsamen Wahlvorschlag gewählt worden,
so tritt an seine Stelle ein Kandidat dieses Wahlvorschlages, der
durch gemeinsame Erklärung der Vereinigungen benannt wird, die den gemeinsamen
Wahlvorschlag eingereicht haben.
(3) Das gleiche gilt, wenn die Voraussetzungen der Wählbarkeit eines Abgeordneten
nachträglich entfallen oder der Abgeordnete aus anderen Gründen nachträglich
ausscheidet. Das ist durch Beschluß der Volkskammer festzustellen (Art. 59 der Verfassung).
§ 52
Fordern die Wähler die Abberufung eines Abgeordneten, so
entscheidet die Volkskammer nach Art. 59 der Verfassung über die weitere Mitgliedschaft.
XIV
Schlußbestimmungen
§ 53
(1) Durchführungsbestimmungen erläßt der Minister des Innern;
er kann für den Fall der Neuwahl (§ 51) weitere
Durchführungsbestimmungen erlassen.
(2) Dieses Wahlgesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.
Das vorstehende, vom Präsidenten der Volkskammer unter dem fünften August
neunzehnhundertvierundfünfzig ausgefertigte Gesetz wird hiermit verkündet.
Berlin, den zehnten August neunzehnhundertvierundfünfzig
Der Präsident der
Deutschen Demokratischen Republik |
In Vertretung |
Dr. Dieckmann
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