Exekutions-Ordnung des Deutschen Bundes
vom 3. August 1820
Art. 1 Die Bundesversammlung hat das Recht
und die Verbindlichkeit, für die Vollziehung der Bundesacte und
übrigen Grundgesetze des Bundes, der, in Gemäßheit ihrer Competenz, von ihr gefaßten
Beschlüsse, der durch Austräge gefällten schiedsrichterlichen Entscheidungen, der unter
der Gewährleistung des Bundes gestellten compromissarischen Entscheidungen und der am
Bundestage vermittelten Vergleiche, so wie für die Aufrechterhaltung der von dem Bunde
übernommenen besondern Garantien, zu sorgen, auch zu diesem Ende, nach Erschöpfung aller
andern bundesverfassungsmäßigen Mittel, die erforderlichen Executions-Maaßregeln in
Anwendung zu bringen.
Art. 2 Zur Erfüllung dieser Verbindlichkeit wählt die
Bundesversammlung jedesmal für den Zeitraum von sechs Monaten, mit Einschluß der Ferien,
aus ihrer Mitte eine Commission von fünf Mitgliedern mit zwei Stellvertretern,
dergestalt, daß bei deren jedesmaligen Erneuerung wenigstens zwei neue Mitglieder darin
aufgenommen werden. An dieselben werden alle der Bundesversammlung zukommenden Eingaben
und Anzeigen abgegeben, welche auf die im 1. Artikel bezeichneten Vollziehungsgegenstände
Bezug haben.
Art. 3 Dieser Commission liegt ob, zuvörderst zu prüfen, ob
der bundesmäßigen Verpflichtung vollständige oder unzureichende Folge geleistet worden
sey, und darüber Vortrag an die Bundesversammlung zu erstatten. Erhält diese dadurch die
Ueberzeugung, daß in dem gegebenen Falle die gesetzlichen Vorschriften gar nicht, oder
nicht hinlänglich befolgt worden sind, so hat sie, nach Beschaffenheit der Umstände,
einen kurzen Termin anzuberaumen, um von den Gesandten der Bundesstaaten, welche solches
angeht, entweder die Erklärung der hierauf erfolgten Vollziehung oder die genügende und
vollständige Nachweisung der Ursachen, welche der Folgeleistung noch entgegenstehen, zu
vernehmen.
Nach erfolgter Erklärung, oder, in Ermangelung dieser, nach Ablauf der bestimmten
Frist, hat die Bundesversammlung auf das von der Commission darüber abzugebende Gutachten
zu beurtheilen, in wie fern die Sache erledigt, oder der Fall der Nichterfüllung der
bundesmäßigen Verpflichtung begründet, und sonach das geeignete Executions-Verfahren zu
beschließen ist.
Art. 4 Ehe die Bundesversammlung die wirkliche Ausführung
ihres wegen der Execution und der dabei anzuwendenden Mittel gefaßten Beschlusses
verfügt, wird sie denselben der Regierung des betheiligten Bundesstaates durch dessen
Bundestagsgesandten mittheilen und zugleich an diese ein angemessene motivirte
Aufforderung zur Folgeleistung, unter Bestimmung einer nach Lage der Sache zu bemessenden
Zeitfrist ergehen lassen.
Art. 5 Wenn hierauf die Befolgung angezeigt wird, so hat die
Commission ihr Gutachten darüber abzugeben, und der Bundestag zu beurtheilen, in wie fern
solches zur Genüge geschehen ist. - Ergeht keine solche Anzeige, oder wird selbige nicht
hinreichend befunden, so wird ohne Verzug der wirkliche Eintritt des angedrohten
Executions-Verfahrens beschlossen, und zugleich der Bundesstaat, der zu diesem Beschluß
Anlaß gegeben hat, davon nochmals in Kenntniß gesetzt.
Art. 6 Die jede Bundesregierung die Obliegenheit hat, auf
Vollziehung der Bundesbeschlüsse zu halten, der Bundesversammlung aber eine unmittelbare
Einwirkung auf die innere Verwaltung der Bundesstaaten nicth zusteht, so kann in der Regel
nur gegen die Regierung selbst ein Executions-Verfahren statt finden. Ausnahmen von dieser
Regel treten jedoch ein, wenn eine Bundesregierung, in Ermangelung eigener zureichender
Mittel, selbst die Hülfe des Bundes in Anspruch nimmt, oder wenn die Bundesversammlung
unter den (im 26. Artikel der Schlußacte)
bezeichneten Umstände, zur Wiederherstellung der allgemeinen Ordnung und Sicherheit
unaufgerufen einzuschreiten, verpflichtet ist. - Im ersten Falle muß jedoch immer in
Uebereinstimmung mit den Anträgen der Regierung, welcher die bundesmäßige Hülfe
geleistet wird, verfahren, und im zweiten Falle ein Gleiches, sobald die Regierung wieder
in Thätigkeit gesetzt ist, beobachtet werden.
Art. 7 Die Executions-Maaßregeln werden im Namen der
Gesammtheit des Bundes beschlossen und ausgeführt. Die Bundesversammlung ertheilt zu dem
Ende, mit Berücksichtigung der Local-Umstände und sonstigen Verhältnisse, einer oder
mehreren bei der Sache nicht betheiligten Regierungen den Auftrag zur Vollziehung der
beschlossenen Maaßregeln, und bestimmt zugleich sowohl die Stärke der dabei zu
verwendenden Mannschaft, als die nach dem jedesmaligen Zwecke des Executions-Verfahrens zu
bemessende Dauer desselben.
Art. 8 Die Regierung, an welche der Auftrag gerichtet ist,
und welche solchen als ein Bundespflicht zu übernehmen hat, ernennt zu diesem Behuf einen
Civil-Commissär, der, nach einer von der Bundesversammlung zu ertheilenden besondern
Instruction, das Executions-Verfahren unmittelbar leitet.
Wenn der Auftrag an mehrere Regierungen ergangen ist, so bestimmt die
Bundesversammlung, welche derselben den Civil-Commissär zu ernenne hat. Die beauftragte
Regierung wird während der Dauer des Executions-Verfahrens die Bundesversammlung von dem
Erfolge desselben in Kenntniß erhalten, und sie, sobald der Zweck vollständig erfüllt
ist, von der Beendigung des Geschäfts unterrichten.
Art. 9 Wenn sich eine Regierung weigert, die Ausführung der
ihr aufgetragenen Executions-Maaßregeln zu übernehmen, so hat die Bundesversammlung
über die Erheblichkeit oder Unzulänglichkeit der Weigerungsgründe zu entscheiden.
Erkennt sie diese Gründe für erheblich, oder findet sie selbst Anstände, das
Executions-Verfahren durch die früher bezeichnete Regierung vornehmen zu lassen, so hat
sie solches einer andern Bundesregierung zu übertragen. Dasselbe findet auch statt, wenn
die zuerst genannte Regierung, ohne anerkannte hinlängliche Entschuldigungsgründe, auf
Ablehnung des Auftrages beharret, und diesen deshalb unerfüllt läßt; in solchem Falle
bleibt jedoch letztere zum Schadenersatz gehalten und für alle sonst daraus entstehenden
nachtheiligen Folgen dem Bunde verantwortlich.
Art. 10 Wenn nicht, nach einer bestimmten Erklärung der
Bundesversammlung, Gefahr auf dem Verzuge haftet, soll die mit dem Executions-Verfahren
beauftragte Regierung den betheiligten Bundesstaaten von dem ihr ertheilten Auftrag
benachrichtigen, mit der Anzeige: daß, wenn binnen drei Wochen eine genügende Erfüllung
der Beschlüsse, auf welche diese Maaßregeln Bezug haben, nicht nachgewiesen seyn sollte,
die wirkliche bundespflichtmäßige Vollziehung der letzteren unfehlbar erfolgen werden.
Art. 11 Die obere Leitung der angeordneten Vollziehung steht
auch in ihrem Fortgange der Bundesversammlungzu; an diese werden alle darauf sich
beziehenden Berichte und sonstige Anzeigen gerichte. - Die aus ihrer Mitte gewählte
Executions-Commission erstattet ihr darüber nähere Anträge, worauf sie ihre Beschlüsse
faßt und an die mir der execution beauftragte Regierung die nöthigen Anweisungen
erläßt.
Art. 12 Die Vollstreckung der compromissarischen und
Austrägal-Erkenntnisse kann nur, auf Anrufen der Parteien, von der Bundesversammlung
veranlaßt werden. Diese hat, nach gutachtlicher Vernehmung ihrer Commission, das
Geeignete hierauf zu verfügen.
Das Erkenntniß selbst darf in keinem Falle der Gegenstand einer Berathung und
eines Beschlusses der Bundesversammlung werden. Wenn indeß gegen die Vollziehung noch
zulässige Einreden vorgebracht werden, die ein weiteres rechtliches Verfahren veranlassen
können; so sind diese unverzüglich an dasselbe Austrägalgericht zu verweisen, von
welchem das Erkenntniß ausgegangen ist. In Gemäßheit des hierauf erfolgten weitern
Ausspruchs, ist durch die das erforderliche Executions-Verfahren nach den gegebenen
Vorschriften zu veranlassen. Ergeben sich ähnliche Anstände bei Compromissen und
gütlichen Vergleichen, so ist in gewöhnlicher Art, jedoch mit möglichster
Beschleunigung, ein Austrägalgericht zu ernenne, welches über die gegen die
Vollstreckung selbst noch vorkommenden Einreden und Zweifel rechtlich zu erkenne hat.
Art. 13 Sobald der Vollziehungsauftrag vorschriftmäßig
erfüllt ist, hört alles weiter Executions-Verfahren auf, und die
Truppen müssen ohne Verzug aus dem mit der Execution belegten Staate zurückgezogen
werden.
Die mit der Vollziehung beauftragte Regierung hat zu gleicher Zeit der
Bundesversammlung davon Nachricht zu geben.
Entstehen wegen eines verlängerten Aufenthaltes Beschwerden, so hat die Bundesversammlung
über den Grund derselben, und die daraus erwachsenden Entschädigungs-Ansprüche zu
entscheiden.
Art. 14 Die Kosten der Execution sind auf den wirklichen,
nach dem Zwecke zu bemessenden Aufwand zu beschränken. Die Bundesregierung, gegen welche
die Execution verfügt worden, hat dieselben, so weit sie liquid sind, ohne Aufenthalt zu
berichtigen, oder hinreichende Sicherheit dafür zu stellen. Einwendungen oder
Beschwerden, welche noch dagegen erhoben werden, sind bei Executionen, die nicht in Folge
förmlicher Rechtsstreitigkeiten verhängt worden, durch die Bundesversammlung auf
erstatteten Vortrag der Bundestags-Commission auszugleichen; bei Executionen
austrägalrichterlicher Erkenntnisse aber sind dieselben durch das Austrägalgericht,
welches das Erkenntniß erlassen hat, zu entscheiden. Der Landesregierung bleibt es in den
(im Art. 26 der Schlußacte)
bezeichneten Fällen überlassen, die Schuldigen zur Bezahlung der durch ihre Vergehung
veranlaßten Kosten im gesetzlichen Wege anzuhalten.
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