Verordnung des Reichspräsidenten auf Grund des Artikel 48 Abs. 2
der Reichsverfassung, betreffend die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit
und Ordnung nötigen Maßnahmen.
Vom 11. April 1920.
Sämtliche auf Grund des Artikel 48
der Reichsverfassung zur Wiederherstellung der öffentlichen
Sicherheit und Ordnung im Reichsgebiet von mir erlassenen Vorschriften hebe ich hiermit
auf, mit Ausnahme derjenigen, die in den Regierungsbezirken Düsseldorf, Arnsberg und
Münster zur Zeit in Kraft sind.
An die Stelle der aufgehobenen Vorschriften treten für das Reichsgebiet mit Ausnahme der
bezeichneten preußischen Regierungsbezirke sowie mit Ausnahme von Bayern, Sachsen,
Württemberg, Baden und den thüringischen Ländern, des besetzten Teiles des
Reichsgebietes und der von anderen deutschen Ländern eingeschlossenen preußischen
Gebiete bis auf weiteres folgende Vorschriften:
§ 1
Die vom Reichsminister des Innern zu ernennenden
Regierungskommissare werden ermächtigt, Anordnungen zur Wiederherstellung der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung in dem Bezirk, für den sie bestellt sind, oder in
Teilen des Bezirks zu treffen. Wer diesen Anordnungen zuwiderhandelt oder zu solcher
Zuwiderhandlung auffordert oder anreizt, wird, sofern nicht die bestehenden Gesetze eine
höhere Strafe bestimmen, mit Gefängnis oder Haft oder Geldstrafe bis zu fünfzehntausend
Mark bestraft.
§ 2
Die Artikel 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 der Verfassung des Deutschen Reichs werden vorübergehend außer Kraft
gesetzt. Es sind daher Beschränkungen der persönlichen Freiheit, des Rechts der freien
Meinungsäußerung einschließlich der Pressefreiheit, des Vereins-
und Versammlungsrechts, Beschränkungen des Brief-, Post-, Telegraphen- und
Fernsprechgeheimnisses, Anordnungen von Haussuchungen und von Beschlagnahmen
sowie Beschränkungen des Eigentums auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten
gesetzlichen Grenzen zulässig.
§ 3
[1] Alle Zivilverwaltungsbehörden des Bezirkes haben den
Ersuchen des Regierungskommissars im Rahmen ihrer Zuständigkeit Folge zu leisten.
[2] Bedarf der Regierungskommissar zur Durchführung seiner Aufgaben in
Unterstützung der polizeilichen Organe militärische Hilfe, so ersucht er darum das
Wehrkreiskommando oder bei Gefahr im Verzuge die örtlichen Befehlsstellen. Die Regelung
der Befehlsgewalt innerhalb der Reichswehr wird hierdurch nicht berührt.
§ 4
[1] Gegen die Anordnungen des Regierungskommissars, die im
Einzelfall auf Grund der §§ 1, 2 ergehen, steht die
Beschwerde an den Reichsminister des Innern offen.
[2] Gegen das Verbot periodischer Druckschriften ist die Beschwerde an einen
Ausschuß zulässig. Die Mitglieder des Ausschusses und ihre Stellvertreter wählt der
Reichsrat aus seiner Mitte. Der Ausschuß entscheidet in der Besetzung von sieben
Mitgliedern, die nach eigener freier Überzeugung erkennen. Den Vorsitz im Ausschuß
führt ohne Stimmrecht der Reichsminister des Innern oder ein von ihm bestimmter
Stellvertreter. Die Beschwerde ist beim Reichsminister des Innern einzureichen; dieser hat
sie, falls er ihr nicht stattgibt, dem Ausschuß die Entscheidung vorzulegen.
§ 5
Auf Beschränkungen der persönlichen Freiheit findet das Gesetz,
betreffend die Verhaftung und Aufenthaltsbeschränkung auf Grund des Kriegszustandes und
des Belagerungszustandes, vom 4. Dezember 1916 (Reichs-Gesetzbl. S. 1329) entsprechende
Anwendung. An die Stelle des Reichsmilitärgerichts tritt ein Ausschuß von sieben
Mitgliedern. Die Mitglieder, von denen vier zum Richteramte befähigt sein müssen, werden
vom Reichsminister des Innern ernannt. Die Vorschriften des § 4 Abs. 2
Satz 4 und 5 finden Anwendung.
§ 6
Diese Verordnung tritt mit ihrer Verkündung in Kraft.
Berlin, den 11. April 1920.
Der Reichspräsident
Ebert |
Der Reichskanzler
Fehrenbach
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Der Reichsminister des Innern
Koch
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