Verordnung des Reichspräsidenten auf Grund des Artikels 48 Abs.
2 der Reichsverfassung, betreffend die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit
und Ordnung nötigen Maßnahmen.
Vom 4. Juli 1922.
Auf Grund des Artikels 48 der Reichsverfassung wird zur Wiederherstellung der öffentlichen
Sicherheit und Ordnung in der Provinz Niederschlesien sowie in den jeweils nicht mehr
besetzten Teilen der Provinz Oberschlesien folgendes verordnet:
§ 1
Der Artikel 114 der Verfassung des Deutschen Reichs wird
vorübergehend außer Kraft gesetzt. Es sind daher Beschränkungen der persönlichen
Freiheit auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen Grenzen zulässig.
§ 2
Der Preußische Minister des Innern oder die von ihm bestimmten
Stellen werden ermächtigt, die nach § 1 zulässigen Maßnahmen zu
treffen.
§ 3
[1] Auf die Beschränkungen der persönlichen Freiheit findet das
Gesetz, betreffend die Verhaftung und Aufenthaltsbeschränkung auf Grund des
Kriegszustandes und des Belagerungszustandes, vom 4. Dezember 1916 - Reichsgesetzbl. S.
1329 - mit der Maßgabe Anwendung, daß an Stelle des Reichsmilitärgerichts der auf Grund
der Verordnung des Reichspräsidenten vom 26. Juni 1922 - Reichsgesetzbl. S. 521 -
gebildete Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik tritt.
[2] Die Beschwerde über die Beschränkung der persönlichen Freiheit ist bei
derjenigen Stelle einzulegen, die die angefochtene Maßnahme getroffen hat.
[3] Ist die Beschränkung der persönlichen Freiheit durch die
Landeszentralbehörde selbst angeordnet, so hat sie die Beschwerde, falls sie ihr nicht
abhilft, unverzüglich dem Staatsgerichtshofe zum Schutze der Republik zur Entscheidung
vorzulegen.
[4] Ist die Beschränkung der persönlichen Freiheit durch eine nachgeordnete
Behörde angeordnet, so hat sie die Beschwerde, falls sie ihr nicht abhilft, der
Landeszentralbehörde vorzulegen; hilft auch diese der Beschwerde nicht ab, so hat sie sie
unverzüglich dem Staatsgerichtshofe zur Entscheidung vorzulegen.
§ 4
Diese Verordnung tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft.
Berlin, den 4. Juli 1922.
Der Reichspräsident
Ebert
Der Reichskanzler
Dr. Wirth
Der Reichsminister des Innern
Dr. Köster
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