Gemeinsame Erklärung
der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland
und der Deutschen Demokratischen Republik
zur Regelung offener Vermögensfragen
Vom 15. Juni 1990
Die Teilung Deutschlands, die damit verbundene
Bevölkerungswanderung von Ost nach West und die unterschiedlichen Rechtsordnungen in
beiden deutschen Staaten haben zu zahlreichen vermögensrechtlichen Problemen geführt,
die viele Bürger in der Deutschen Demokratischen Republik und in der Bundesrepublik
Deutschland betreffen.
Bei der Lösung der anstehenden Vermögensfragen gehen beide Regierungen davon aus,
daß ein sozial verträglicher Ausgleich unterschiedlicher Interessen zu schaffen ist.
Rechtssicherheit und Rechtseindeutigkeit sowie das Recht auf Eigentum sind Grundsätze,
von denen sich die Regierungen der Deutschen Demokratischen Republik und der
Bundesrepublik Deutschland bei der Lösung der anstehenden Vermögensfragen leiten lassen.
Nur so kann der Rechtsfriede in einem künftigen Deutschland dauerhaft gesichert werden.
Die beiden deutschen Regierungen sind sich über folgende Eckwerte einig:
1. Die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw.
besatzungshoheitlicher Grundlage (1945 bis 1949) sind nicht mehr rückgängig zu machen.
Die Regierungen der Sowjetunion und der Deutschen Demokratischen Republik sehen keine
Möglichkeit, die damals getroffenen Maßnahmen zu revidieren. Die Regierung der
Bundesrepublik Deutschland nimmt dies im Hinblick auf die historische Entwicklung zur
Kenntnis. Sie ist der Auffassung, daß einem künftigen gesamtdeutschen Parlament eine
abschließende Entscheidung über etwaige staatliche Ausgleichsleistungen vorbehalten
bleiben muß.
2. Treuhandverwaltungen und ähnliche Maßnahmen mit
Verfügungsbeschränkungen über Grundeigentum, Gewerbebetriebe und sonstiges Vermögen
sind aufzuheben. Damit wird denjenigen Bürgern, deren Vermögen wegen Flucht aus der
DDR oder aus sonstigen Gründen in eine staatliche Verwaltung genommen worden ist, die
Verfügungsbefugnis über ihr Eigentum zurückgegeben.
3. Enteignetes
Grundvermögen wird grundsätzlich unter Berücksichtigung der unter a) und b) genannten
Fallgruppen den ehemaligen Eigentümern oder ihren Erben zurückgegeben. |
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a) Die Rückübertragung von Eigentumsrechten an Grundstücken
und Gebäuden, deren Nutzungsart bzw. Zweckbestimmung insbesondere dadurch verändert
wurden, daß sie dem Gemeingebrauch gewidmet, im komplexen Wohnungs- und Siedlungsbau
verwendet, der gewerblichen Nutzung zugeführt oder in eine neue Unternehmenseinheit
einbezogen wurden, ist von der Natur der Sache her nicht möglich.
In diesen Fällen wird eine Entschädigung geleistet, soweit nicht bereits nach den für
Bürger der Deutschen Demokratischen Republik geltenden Vorschriften entschädigt worden
ist.
b) Sofern Bürger der Deutschen Demokratischen Republik an
zurückzuübereignenden Immobilien Eigentum oder dingliche Nutzungsrechte in redlicher
Weise erworben haben, ist ein sozial verträglicher Ausgleich an die ehemaligen
Eigentümer durch Austausch von Grundstücken mit vergleichbarem Wert oder durch
Entschädigung herzustellen.
Entsprechendes gilt für Grundvermögen, das durch den staatlichen Treuhänder an Dritte
veräußert wurde. Die Einzelheiten bedürfen noch der Klärung.
c) Soweit den ehemaligen Eigentümern oder ihren Erben ein Anspruch auf
Rückübertragung zusteht, kann statt dessen Entschädigung gewählt werden. |
Die Frage des Ausgleichs von Wertveränderungen wird
gesondert geregelt. |
4. Die Regelungen unter Ziffer 3
gelten entsprechend für ehemals von Berechtigten selbst oder in ihrem Auftrag verwaltete
Hausgrundstücke, die auf Grund ökonomischen Zwangs in Volkseigentum übernommen wurden.
5. Mieterschutz und bestehende Nutzungsrechte von Bürgern der
Deutschen Demokratischen Republik an durch diese Erklärung betroffenen Grundstücken und
Gebäuden werden wie bisher gewahrt und regeln sich nach dem jeweils geltenden Recht der
Deutschen Demokratischen Republik.
6. Bei verwalteten Betrieben werden die bestehenden
Verfügungsbeschränkungen aufgehoben; der Eigentümer übernimmt sein Betriebsvermögen.
Für Betriebe und Beteiligungen, die 1972 in Volkseigentum überführt wurden, gilt das
Gesetz vom 7. März 1990 über die Gründung und Tätigkeit privater Unternehmen und
über Unternehmensbeteiligungen. Hierbei wird § 19 Absatz 2 Satz 4 des Gesetzes so
ausgelegt, daß den privaten Gesellschaften der staatliche Anteil auf Antrag zu verkaufen
ist; die Entscheidung über den Verkauf steht somit nicht im Ermessen der zuständigen
Stelle.
7. Bei Unternehmen und Beteiligungen, die zwischen 1949 und 1972
durch Beschlagnahme in Volkseigentum überführt worden sind, werden dem früheren
Eigentümer unter Berücksichtigung der Wertentwicklung des Betriebes das Unternehmen als
Ganzes oder Gesellschaftsanteile bzw. Aktien des Unternehmens übertragen, soweit er keine
Entschädigung in Anspruch nehmen will. Einzelheiten bedürfen noch der näheren Regelung.
8. Sind Vermögenswerte einschließlich Nutzungsrechte
auf Grund unlauterer Machenschaften (z. B. durch Machtmißbrauch, Korruption,
Nötigung oder Täuschung von seiten des Erwerbers) erlangt worden, so ist der
Rechtserwerb nicht schutzwürdig und rückgängig zu machen. In Fällen des redlichen
Erwerbs findet Ziffer 3.b) Anwendung.
9. Soweit es zu Vermögenseinziehungen im Zusammenhang
mit rechtsstaatswidrigen Strafverfahren gekommen ist, wird die Deutsche Demokratische
Republik die gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Korrektur in einem justizförmigen
Verfahren schaffen.
10. Anteilsrechte an der Altguthaben-Ablösungsanleihe von
Bürgern der Bundesrepublik Deutschland werden einschließlich der Zinsen in der zweiten
Jahreshälfte 1990 also nach der Währungsumstellung bedient.
11. Soweit noch Devisenbeschränkungen im Zahlungsverkehr
bestehen, entfallen diese mit dem Inkrafttreten der Währungs-, Wirtschafts- und
Sozialunion.
12. Das durch staatliche Stellen der Bundesrepublik Deutschland
auf der Grundlage des Rechtsträger-Abwicklungsgesetzes treuhänderisch verwaltete
Vermögen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die auf dem Gebiet der
DDR existieren oder existiert haben, wird an die Berechtigten bzw. deren
Rechtsnachfolger übergeben.
13. Zur Abwicklung: |
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a) Die Deutsche Demokratische Republik wird die erforderlichen
Rechtsvorschriften und Verfahrensregelungen umgehend schaffen.
b) Sie wird bekanntmachen, wo und innerhalb welcher Frist die betroffenen
Bürger ihre Ansprüche anmelden können. Die Antragsfrist wird sechs Monate nicht
überschreiten.
c) Zur Befriedigung der Ansprüche auf Entschädigung wird in der Deutschen
Demokratischen Republik ein rechtlich selbständiger Entschädigungsfonds getrennt vom
Staatshaushalt gebildet.
d) Die Deutsche Demokratische Republik wird dafür Sorge tragen, daß bis
zum Ablauf der Frist gemäß Ziffer 13.b) keine Verkäufe von Grundstücken und Gebäuden
vorgenommen werden, an denen frühere Eigentumsrechte ungeklärt sind, es sei denn,
zwischen den Beteiligten besteht Einvernehmen, daß eine Rückübertragung nicht in
Betracht kommt oder nicht geltend gemacht wird. Veräußerungen von Grundstücken und
Gebäuden, an denen frühere Eigentumsrechte ungeklärt sind und die dennoch
nach dem 18. Oktober 1989 erfolgt sind, werden überprüft. |
14. Beide Regierungen beauftragen ihre Experten,
weitere Einzelheiten abzuklären.
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