Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Verfolgung von Kriegsverbrechen und Kriegsvergehen vom 18. Dezember 1919 (Reichs-Gesetzbl. S. 2125).

Vom 24. März 1920.


Die verfassunggebende Deutsche Nationalversammlung hat das folgende Gesetz beschlossen, das mit Zustimmung des Reichsrats hiermit verkündet wird:

A r t i k e l  I

  Für das Verfahren auf Grund des Gesetzes zur Verfolgung von Kriegsverbrechen und Kriegsvergehen vom 18. Dezember 1919 (Reichs-Gesetzbl. S. 2125) gelten, soweit es sich um eine in Ausführung der Artikel 228 bis 230 des Friedensvertrags und der Ziffer 3 des Schlußprotokolls vom 28. Juni 1919 von den alliierten Mächten erhobene Beschuldigung handelt, folgende Vorschriften:

§ 1

  [1] Besteht nach der Überzeugung des Oberreichsanwalts kein genügender Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so hat er die Akten dem ersten Strafsenate des Reichsgerichts mit dem Antrag auf Einstellung des Verfahrens vorzulegen.
  [2] Beschließt der Senat die Einstellung, so hat er den Beschluß mit Gründen zu versehen, welche die für seine Entscheidung maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen erkennen lassen; der Beschluß ist dem Beschuldigten bekanntzumachen.
  [3] Lehnt der Senat den Antrag ab, so hat er die Erhebung der öffentlichen Anklage anzuordnen.
  [4] Zur besseren Aufklärung der Sache kann der Senat eine Ergänzung der Voruntersuchung oder, falls eine Voruntersuchung nicht stattgefunden hat, die Eröffnung einer solchen oder einzelne Beweiserhebungen anordnen.[1]

§ 2

  [1] Die Gewährung von Straffreiheit, die Verjährung der Strafverfolgung und ein früheres Verfahren stehen einem Verfahren auf Grund des Gesetzes vom 18. Dezember 1919 nicht entgegen.
  [2] Ist der Beschuldigte in dem früheren Verfahren rechtskräftig freigesprochen worden, so verordnet der erste Strafsenat auf Antrag des Oberreichsanwalts die Wiederaufnahme des Verfahrens, falls der Beschuldigte hinreichend verdächtig ist; das gleiche gilt, wenn in dem früheren Verfahren auf eine Strafe erkannt worden ist, die zu der Schwere der Tat im offenbaren Mißverhältnisse steht.
  [3] Ist das frühere Verfahren durch eine nicht mehr anfechtbaren Beschluß beendet worden, so ist, falls der Beschuldigte hinreichend verdächtig ist, die Verfolgung wieder aufzunehmen.
  [4] Erscheint dem Oberreichsanwalt eine Wiederaufnahme des Verfahrens oder der Verfolgung nicht geboten, so hat er die Entscheidung des ersten Strafsenats herbeizuführen; die Vorschriften des § 1 geltend entsprechend.

§ 3

  Für das Verfahren ist, auch soweit es beim Inkrafttreten des Gesetzes vom 18. Dezember 1919 bereits anhängig war, das Reichsgericht ausschließlich zuständig; soweit die Untersuchung gerichtlich anhängig ist, hat das Gericht die Sache durch Beschluß an das Reichsgericht zu verweisen.

§ 4

  Kosten und Auslagen des Verfahrens können, soweit besondere Billigkeitsgründe es rechtfertigen, ganz oder teilweise der Reichskasse auferlegt werden.

A r t i k e l  II

  [1] Der Reichsminister der Justiz wird ermächtigt, bis zur Erledigung der dem Reichsgerichte durch das Gesetz zur Verfolgung von Kriegsverbrechen und Kriegsvergehen vom 18. Dezember 1919 (Reichs-Gesetzbl. S. 2125) zugewiesenen Untersuchungen zum Reichsgerichte Hilfsrichter aus der Zahl der Mitglieder der Oberlandesgerichte und Landgerichte sowie der Amtsrichter zum Zwecke der Erledigung der Geschäfte der Zivilsenate und Strafsenate einzuberufen. Die Abordnung eines jeden Hilfsrichters ist bis zu dem Zeitpunkte unwiderruflich, in welchem die Wahrnehmung seiner Tätigkeit nicht mehr erforderlich ist.
  [2] In den Untersuchungen, die dem Reichsgerichte durch das Gesetz vom 18. Dezember 1919 zugewiesen sind, dürfen die Hilfsrichter nicht mitwirken.

A r t i k e l  III

  Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft.[2]


  Berlin, den 24. März 1920.

Der Reichspräsident
Ebert

Der Reichsminister der Justiz
Schiffer

 

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Anmerkung:
[1] Nach § 1 wurde durch das Gesetz zur weiteren Ergänzung des Gesetzes zur Verfolgung von Kriegsverbrechen und Kriegsvergehen vom 12. Mai 1921 ein § 1 a eingefügt.
[2]  Dieses Reichsgesetz wurde am 27. März 1920 verkündet.


Quelle: Reichs-Gesetzblatt 1920, S. 341-343.


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Verfolgung von Kriegsverbrechen und Kriegsvergehen vom 18. Dezember 1919 (24.03.1920), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/wr/1920/kriegsverbrechen-verfolgung_ges.html, Stand: aktuelles Datum.


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Letzte Änderung: 03.01.2004
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