[Pressemitteilung des Bundespräsidenten Roman Herzog zur
Ausfertigung des Gesetzes zur Sicherung des Einsatzes von Steinkohle in der Verstromung
und zur Änderung des Atomgesetzes und des Stromeinspeisungsgesetzes.
vom 21. Juni 1994]
Bundespräsident Roman Herzog hat das Gesetz zur Sicherung des Einsatzes
von Steinkohle in der Verstromung und zur Änderung des Atomgesetzes und des
Stromeinspeisungsgesetzes ausgefertigt und den Auftrag zur Verkündung im
Bundesgesetzblatt erteilt.
Das Gesetz, bei dem es sich um ein sogenanntes Artikelgesetz handelt, befaßt sich mit der
Regelung von fünf einzelnen Gesetzen. Es ändert u.a. insbesondere das Atomgesetz, wobei
in dessen § 7 ein neuer Absatz 2 a eingefügt wird. Diese Vorschrift sieht vor, daß bei
der Genehmigung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen, welche der Erzeugung von
Elektrizität dienen, die bei der Auslegung der Anlage zugrunde zu legenden Ereignisse in
Leitlinien näher zu bestimmen sind; diese Leitlinien veröffentlicht das für die
kerntechnische Sicherheit und den Strahlenschutz zuständige Bundesministerium nach
Anhörung der zuständigen obersten Landesbehörden im Bundesanzeiger.
Auf Antrag des Landes Niedersachsen wurde im Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit des Bundesrates mit Mehrheit beschlossen, daß die Ermächtigung zum
Erlaß von Leitlinien die Zustimmungsbedürftigkeit des Bundesrates auslöse, weil gemäß
Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG der Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften der
Zustimmung des Bundesrates bedürfe. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 20. Mai 1994
demgegenüber das Gesetz weder für zustimmungsbedürftig gehalten noch den
Vermittlungsausschuß angerufen.
Der Bundespräsident hat das ihm vorgelegte Gesetz auf seine Zustimmungsbedürftigkeit
durch den Bundesrat eingehend geprüft. Bei Abwägung aller Argumente für und gegen die
rechtliche Bewertung der genannten Leitlinien gelangte er nicht zu der Überzeugung, daß
es sich bei ihnen zweifelsfrei und offenkundig um eine die Zustimmungsbedürftigkeit
begründende allgemeine Verwaltungsvorschrift handelt. Er hat daher das Gesetz
unterschrieben. Es ist nicht Aufgabe des Bundespräsidenten, sondern
des Bundesverfassungsgerichts, über solche verfassungsrechtlichen Zweifelsfragen eine
endgültige Entscheidung zu treffen.
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