[Wahlprogramm der Freien Demokratischen Partei (FDP) für die
Bundestagswahl 2002]
Bürgerprogramm 2002
Vom 12. Mai 2002
Politik für ein wirtschaftlich starkes Deutschland
Wirtschaftspolitische Aufgabe Nr. 1 ist für die FDP die Bekämpfung der unerträglich
hohen Arbeitslosigkeit. Arbeitslosigkeit bedeutet nicht nur Einkommensverlust für die
Betroffenen und Vergeudung von Ressourcen für die Volkswirtschaft. Sie verletzt vor allem
die Würde der Arbeit suchenden Menschen und ihrer Familien und beraubt sie eines
wichtigen Teils ihrer Freiheit. Das ist die größte soziale Ungerechtigkeit rot-grüner
Wirtschaftspolitik.
Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit reichen kurzfristige, kopflose Arbeitsmarktaktionen
nicht aus. Die FDP will an den Ursachen ansetzen - an der fundamentalen Wachstums-,
Investitions- und Innovationsschwäche, an falschen Strukturen, Fehlanreizen,
Verkrustungen und Regelungswut. Sie will die Menschen aber auch für ein neues Denken
gewinnen: für mehr Selbstverantwortung, mehr Bereitschaft zu Veränderungen, mehr Mut.
Die Wirtschaftspolitik der rot-grünen Regierung ist gescheitert. Sie erweist sich als
interventionistisch, kurzatmig, unsystematisch und widersprüchlich.
Umkehr ist geboten. Aufbruch zu neuer wirtschaftlicher Dynamik muss die Devise sein.
Gefordert ist eine andere, eine moderne, eine zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik.
Deutschland braucht keine "neue" Soziale Marktwirtschaft. Deutschland braucht
eine Rückbesinnung auf die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft. In dieser Tradition
steht die FDP.
I. Steuern runter - Jobs rauf
Steuersenkungen sind das beste Beschäftigungsprogramm. Das geltende Steuerrecht ist kaum
noch verständlich, die Steuerbelastung viel zu hoch. Dazu hat die rot-grüne Koalition in
den letzten Jahren kräftig beigetragen. Für die FDP steht eines fest: In der nächsten
Legislaturperiode muss Schluss sein mit laufend neuen unsystematischen Reformversuchen und
Korrekturen am Steuersystem. Wir schlagen daher ein völlig neues Steuerrecht vor.
Niedrige Steuersätze, einfache und verständliche Regeln, eine gerechte Belastung aller,
das sind die Kennzeichen. Bürger und Unternehmer akzeptieren Steuern nur in maßvoller
und berechenbarer Höhe. Die Besteuerungsgrundlagen müssen zudem verständlich sein.
Beides ist heute nicht der Fall.
Niedrige Steuern erreichen wir durch unseren
Einkommensteuer-Stufentarif: |
Einkommensteile von 0 bis 7.500 Euro
Einkommensteile von 7.501 bis 15.000 Euro
Einkommensteile von 15.001 bis 40.000 Euro
Einkommensteile ab 40.001 Euro |
0 %
15 %
25 %
35 % |
Steuern
Steuern
Steuern
Steuern |
Wichtig ist: Jeder, der über den Null-Steuersatz hinausverdient, zahlt
immer nur für den höheren Einkommensteil den höheren Steuersatz. So kann sich jeder
seine Steuerbelastung selbst ausrechnen. Bei Ehegatten verdoppeln sich die
Einkommensstufen. Ergebnis unseres Tarifs: Der Bürger behält das meiste des
verdientenGeldes, er muss nur einen akzeptablen Anteil beim Finanzamt abliefern.
Zur Freistellung des Existenzminimums gibt es für jeden Bürger, also auch für jedes
Kind, einen einheitlichen Grundfreibetrag von 7.500 Euro. Der besonderen Belastung von
Familien einschließlich der Alleinerziehenden wird durch diese Verdoppelung des
Freibetrags für Kinder Rechnung getragen. Das Kindergeld wird entsprechend angepasst. Das
Ehegattensplitting wird in ein Realsplitting umgewandelt.
Das Einkommensteuerrecht wird drastisch vereinfacht. Wir wollen die Steuererklärung auf
einem Blatt Papier ermöglichen. Es entfällt die Unterscheidung zwischen den sieben
verschiedenen Einkunftsarten. Auch für Körperschaften gilt der Stufentarif.
Ausschüttungen werden immer mit 35 % bei der Gesellschaft belastet. Beim Anteilseigner
kann diese Steuer auf Antrag angerechnet werden. Die Besteuerung wird so
rechtsformneutral. Für die Bürger spielt es also keine Rolle, ob Einnahmen von einer
Kapitalgesellschaft oder einer Personengesellschaft, durch selbständige oder
nichtselbstständige Arbeit erzielt werden. Um Kapitalflucht zu verhindern, werden als
einzige Ausnahme hierzu Zinsen durch eine an der Quelle anonym erhobene Abgeltungsteuer
von 25 % besteuert. Die Steuer wird auf Antrag auf die persönliche Einkommensteuerschuld
angerechnet.
Voraussetzung und Folge der Gleichbehandlung aller Einkunftsarten ist der Wegfall der
Gewerbesteuer. Sie ist eine Sonderbelastung für eine immer geringere Zahl deutscher
Unternehmen und im internationalen Vergleich ein Wettbewerbsnachteil. Der Wegfall der
Gewerbesteuer muss einhergehen mit einer umfassenden Reform der Gemeindefinanzen. Die
Gemeinden können mit einem eigenen Hebesatzrecht einen Zuschlag auf die zuvor gesenkte
Einkommen- und Körperschaftsteuer erheben. Zusammen mit einem höheren Anteil an der
Umsatzsteuer erhalten sie eine ergiebige und planbare Finanzausstattung.
Für die Alterseinkünfte wird die nachgelagerte Besteuerung eingeführt. Soweit Beiträge
zur gesetzlichen und privaten Altersvorsorge steuerlich abzugsfähig sind, müssen daraus
resultierende Alterseinkünfte beim Zufluss versteuert werden.
Das Einkommensteuerrecht wird im übrigen durch den Wegfall von Sondertatbeständen,
Steuerbefreiungen und Steuervergünstigungen vereinfacht. "Steuern mit Steuern"
soll es künftig nicht mehr geben. Staatliche Förderung bestimmter Zwecke ist nur noch
durch direkte Zahlungen möglich. Das schafft mehr Transparenz und zwingt
Leistungsempfänger und Staat laufend zur Rechtfertigung der Fördermaßnahme.
Ein so vereinfachtes Einkommensteuerrecht führt zu einer gerechten und damit akzeptablen
Belastung. Die Bürger können wieder mehr Eigenverantwortung übernehmen. Unternehmen
erhalten neuen finanziellen Spielraum für Investitionen und die Schaffung von
Arbeitsplätzen.
Die Steuererhöhungen mit dem Etikett Ökosteuer sind unsozial und ungerecht. Sie müssen
rückgängig gemacht werden. Sie haben weder positive Umwelteffekte erzielt noch die
Lohnnebenkosten gesenkt. Im Rahmen einer umfassenden Rentenreform werden die mit der
Ökosteuer finanzierten Zuschüsse des Staates zur Rentenversicherung und damit auch die
Ökosteuern zurückgeführt.
Darüber hinaus soll nicht mehr das Halten eines Autos besteuert werden, sondern nur noch
der Betrieb. Aus diesem Grund entfällt die KfZ-Steuer. Sie wird auf die Mineralölsteuer
umgelegt.
Die bisher nur ausgesetzte Vermögensteuer wird endgültig abgeschafft. Unternehmen
müssten sie aus der Substanz finanzieren, Bürger aus bereits versteuertem Einkommen. Die
Erbschaftsteuer wird nicht erhöht. Beim Generationswechsel in Unternehmen wird sie
erlassen, wenn der Übernehmer den Betrieb mindestens zehn Jahre weiterführt. Die
Trinkgeldsteuer und die Bauabzugsteuer werden abgeschafft.
Der Staat muss sich aus vielen Bereichen zurückziehen, in denen er heute kostenträchtig
tätig ist. Wer deutlich weniger Steuern bezahlen möchte, kann nicht in jeder Situation
nach dem Staat rufen, er muss mehr Eigenverantwortung übernehmen.
Ein neues einfaches Steuerrecht mit einer maßvollen und gerechten Belastung für alle
setzt voraus, dass Steuervergünstigungen, Finanzhilfen und Subventionen umfassend
abgebaut werden. Unterm Strich profitieren alle: Die Bürger haben mehr Geld zur
Verfügung. Die Unternehmen erhalten neuen Spielraum für Investitionen. Mehr Dynamik in
der Wirtschaft sorgt für Wachstum und Beschäftigung. Und: Ein schlanker Staat lebt
gesünder und ist nicht mehr anfällig für blaue Briefe aus Brüssel.
II. Arbeitsplätze schaffen statt Arbeitslosigkeit verwalten
Der deutsche Arbeitsmarkt leidet unter zu geringem wirtschaftlichen Wachstum, unter
strukturellen Defiziten und seiner Inflexibilität. Etwa 50 Mrd. Euro werden insgesamt
für Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und arbeitsmarktpolitisch motivierte
Frühverrentungen aufgewandt, ohne dass dies zu einer Wende auf dem Arbeitsmarkt geführt
hätte. Diese hohen Ausgaben haben starke Steuer- und insbesondere Beitragsbelastungen zur
Folge, die ihrerseits die Beschäftigungsdynamik einschnüren. Dieser Teufelskreis kann
und muss durchbrochen werden.
Die FDP will Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt. Die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen
sind dringend auf Umfang, Wirksamkeit und Effizienz zu durchforsten, denn sinnvolle
Arbeitsmarktpolitik muss dazu beitragen, mit möglichst geringem Mitteleinsatz
Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder möglichst rasch zu beenden. Die FDP fordert daher, die
Arbeitsmarktpolitik mit dem Ziel der Erleichterung von Neueinstellungen grundlegend zu
reformieren.
In der Arbeitslosenversicherung muss wieder ein strenges Versicherungsprinzip zur Geltung
kommen. Die aktive Arbeitsmarktpolitik, z.B. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, die häufig in
Konkurrenz zu kleinen und mittelständischen Privatunternehmen tritt, muss entschlossen
gestrafft werden. Versicherungsfremde Leistungen, wie die Kosten für die Fortsetzung des
Sofortprogramms zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit sowie die in den Haushalt der
Bundesanstalt verschobenen arbeitsmarktpolitischen Programme müssen aus dem
Bundeshaushalt finanziert werden. Dadurch wird eine Senkung der Beiträge zur
Arbeitslosenversicherung von heute 6,5 % auf 25 4,5 % ermöglicht.
Die Vermittlung und Beratung von Arbeitsuchenden muss neu organisiert und soweit wie
möglich privatisiert werden. Die Kompetenzen für die Bereiche Arbeitsmarkt und
Arbeitsrecht sind in das Bundeswirtschaftsministerium zu verlagern, um eine bessere
Abstimmung der arbeitsmarktpolitischen Gesetzgebung auf die ökonomischen Notwendigkeiten
zu erreichen. Die Arbeitsvermittlung wird durch eine Versicherungsanstalt organisiert, die
dazu Vermittlungsgutscheine ausgibt. Die Versicherungsanstalt zieht die Beiträge zur
Arbeitslosenversicherung ein und wird - sei es von den Arbeitnehmern und Arbeitgebern, sei
es durch Versicherungsanbieter - privatwirtschaftlich organisiert. Die Arbeitsmarktpolitik
hingegen wird durch eine nachgeordnete Bundesbehörde durchgeführt, da
arbeitsmarktpolitische Maßnahmen als allgemein sozialpolitische Leistungen ohnehin
stärker aus dem Steuerhaushalt zu vergeben und zu kontrollieren sind. Die 10
Landesarbeitsämter sind abzuschaffen.
Der Wettbewerb zwischen privaten und staatlichen Arbeitsvermittlern muss stärker
gefördert werden. Arbeitslose erhalten Vermittlungsgutscheine, die mit marktüblichen
Preisen ausgestattet werden und die vermittlungshemmende und -fördernde Merkmale wie
Qualifikation, Alter und Gesundheit berücksichtigen. Damit können sie einen
Arbeitsvermittler ihres Vertrauens beauftragen. Sie gelten für private und für
staatliche Vermittler, so dass es einen echten Wettbewerb gibt.
Beim Arbeitslosengeld muss die Anspruchsdauer wieder auf 12 Monate festgesetzt werden, um
den Anreiz zur Arbeitsaufnahme zu erhöhen. Jeder Arbeitslose sollte verpflichtet sein,
mit seinem Arbeitsamt laufenden Kontakt zu halten, denn nur so wird seine intensive und
effektive Vermittlung und Betreuung durch das Arbeitsamt gewährleistet.
Alle Maßnahmen müssen den Betroffenen nicht erst nach frühestens 6 und spätestens 12
Monaten, sondern bereits von Beginn der Arbeitslosigkeit an zur Verfügung stehen.
Förderungsmaßnahmen hängen vom individuellen Arbeitsuchenden ab und müssen möglichst
frühzeitig aus allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgewählt werden können.
Priorität sollten dabei nach dem Vorrang der Vermittlung die berufliche Weiterbildung,
die Förderung der Selbstständigkeit mit qualifizierter Beratung sowie das
Probearbeitsverhältnis mit befristetem Einarbeitungszuschuss haben. Während der
Elternzeit muss die Möglichkeit bestehen, Qualifizierungsmaßnahmen über das Arbeitsamt
wahrzunehmen.
Das Kündigungsschutzgesetz muss gelockert werden, sodass es Neueinstellungen erleichtert
statt diese zu verhindern. Seine heutige Form ist ein Einstellungshemmnis und verfehlt
zugleich seine soziale Schutzfunktion, da es nur zu einer Vielzahl von
Arbeitsgerichtsprozessen führt, die in der Regel nicht den Arbeitsplatz erhalten, sondern
ohnehin in Abfindungsregelungen münden. Das Kündigungsschutzgesetz sollte daher erst ab
der Betriebsgröße von 20 Mitarbeitern gelten und erst zwei Jahre nach Beginn des
Arbeitsverhältnisses einsetzen. Zudem muss den Arbeitnehmern mehr Spielraum eingeräumt
werden, welche Form des Kündigungsschutzes sie wollen. Daher sollten Arbeitnehmer und
Arbeitgeber statt des Kündigungsschutzes eine Abfindungszahlung für den Fall der
Kündigung vereinbaren können oder der Arbeitgeber sich zur Finanzierung einer
Weiterqualifizierungsmaßnahme verpflichten. Im übrigen soll die Sozialauswahl bei
betriebsbedingten Kündigungen nur nach den drei Kriterien Alter, Dauer der
Betriebszugehörigkeit und Unterhaltsverpflichtungen erfolgen. Besonders qualifizierte
Mitarbeiter sollen aus der Sozialauswahl ausgenommen werden können. Es ist zu prüfen, ob
Sondervorschriften für Menschen mit Behinderungen diesen die Annahme eines Arbeitsplatzes
erleichtern oder eher erschweren.
Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz muss liberalisiert werden. Die verschärfte
Tarifbindung im zweiten Beschäftigungsjahr ist zurück zu nehmen. Die Befristung von
Arbeitsverträgen muss durch Abschaffung des Verbots eines wiederholten Abschlusses eines
befristeten Arbeitsvertrages und die Ausdehnung der Befristung auf 4 Jahre erleichtert
werden. Die Zeitarbeit ist dem Baubereich zu öffnen. Der einseitige Rechtsanspruch auf
Teilzeitarbeit, der gerade für Frauen ein Einstellungshemmnis darstellt, ist
zurückzunehmen. Mit dem pauschal besteuerten, sozialversicherungsfreien 630-Euro-Job -
und damit auf dem doppelten Niveau der früheren 630 DM-Jobs - soll die Möglichkeit
geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse wieder eingeführt werden.
Die großflächige Vernichtung von Arbeitsplätzen und sozialen Chancen durch starre,
betriebsferne Flächentarife muss gestoppt werden. Der Flächentarifvertrag, der die
Arbeitsverhältnisse bis ins Detail bundeseinheitlich regelt, hat ausgedient. Die
Tarifparteien sollen sich darauf beschränken, Rahmenbedingungen zu setzen. Innerhalb
dieses Rahmens wird die Entscheidung insbesondere über das Arbeitsentgelt und die
Arbeitszeit auf die betriebliche Ebene verlagert, auf Vereinbarungen zwischen dem
Unternehmen und den Mitarbeitern bzw. den gewählten Belegschaftsvertretungen. Nur sie,
die Partner im Einzelbetrieb, kennen seine wirtschaftliche Lage und seine speziellen
Anforderungen. Nur sie können hierauf flexibel und individuell reagieren. Durch
entsprechende Änderung des Tarifvertragsgesetzes und des Betriebsverfassungsgesetzes ist
diese neue Form der Tarifverträge gesetzlich abzusichern. Die Allgemeinverbindlichkeit
von Tarifverträgen ist abzuschaffen.
Das Günstigkeitsprinzip in § 4 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz muss dahin gehend geändert
werden, dass künftig auch ein geringerer Lohn oder eine längere Arbeitszeit für den
Erhalt des Arbeitsplatzes günstiger sein kann, wenn hierdurch der Arbeitsplatz gesichert
wird und dem 75 % der abstimmenden Mitarbeiter des Unternehmens zugestimmt haben.
Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz, der vom Tarifvertrag
abweichende Betriebsvereinbarungen bislang untersagt, ist zu ändern. Vereinbarungen auf
betrieblicher Ebene zwischen Unternehmen und Belegschaftsvertretung, die freiwillig
geschlossen werden und der 75 % der abstimmenden Mitarbeiter zugestimmt haben, sollten
möglich sein.
Alle arbeitsmarktpolitischen Programme müssen nach den Prinzipien der Wirtschaftlichkeit
und Effizienz öffentlich ausgeschrieben werden. Projektträger müssen zukünftig im
Wettbewerb stehen. Durch ständige Leistungsvergleiche sollte der Qualitätswettbewerb
zusätzlich verstärkt werden. Arbeitslose sollen über Qualifizierungsgutscheine die
Möglichkeit haben, als Nachfrager aufzutreten und damit den Wettbewerb zwischen den
Anbietern zu stärken.
Die FDP lehnt Tariftreueregelungen bei der öffentlichen Auftragvergabe ab. Die
öffentlich subventionierte, unfaire Konkurrenz für mittelständische Unternehmen und
Existenzgründer durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Strukturanpassungsmaßnahmen,
etwa im Bereich des Garten- und Landschaftsbaus, des Handwerks und der Bauwirtschaft, muss
deutlich eingeschränkt werden. Vorhandene Anbieter werden durch die mit öffentlichen
Geldern subventionierten Anbieter aus dem Markt gedrängt und private Arbeitsplätze gehen
verloren. Die Möglichkeit, durch die bloße Teilnahme an diesen Maßnahmen den Anspruch
auf Arbeitslosengeld aufzubauen bzw. zu erneuern, muss ebenfalls abgeschafft werden. Die
Höhe der Bezahlung darf sich nicht mehr wie bisher üblich an den tariflichen Löhnen
ausrichten, sondern muss sich am ansonsten bestehenden Transferanspruch orientieren, um so
den Anreiz zur Suche und Aufnahme einer regulären Beschäftigung zu stärken. Es ist Ziel
der Liberalen, besonders jungen Menschen ein Angebot zur Beschäftigung zu machen. Dies
sollte von einem individuellen Fallmanagement durch private Agenturen begleitet werden.
III. Bürgergeld-Anreize für neue Arbeitsplätze
Die Beschäftigungspolitik muss sich auch den Auswirkungen der Globalisierung auf den
Arbeitsmarkt stellen. Während für Arbeitsplätze mit hohen Qualifikationsanforderungen
Arbeitskräfte fehlen, werden Arbeitsplätze mit geringen Qualifikationsanforderungen im
Hochlohn-Land Deutschland weiter abgebaut, nicht nur in Sektoren der Wirtschaft, die im
internationalen Wettbewerb stehen. Zugleich werden durch den technologischen Wandel
vorhandene alte Qualifikationen entwertet.
Es kommt daher darauf an, produktivitätsorientierte Löhne zuzulassen und gleichzeitig
ein Abgleiten in Armut zu verhindern. Das heutige Transfer-System ist dazu nicht in der
Lage. Für viele arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger lohnt es sich nicht, eine Arbeit
anzunehmen, weil gerade bei niedrigem Einkommen der Lohnabstand zu gering ist. Das Niveau
der steuerfinanzierten Sozialleistungen und die weitgehende Vollanrechnung von
Erwerbseinkommen auf die Sozialhilfe lassen es für den Betroffenen unattraktiv werden,
Arbeit zu niedrigen Löhnen anzunehmen. Um einem arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger
größere Anreize zu geben, Arbeit aufzunehmen und in das Erwerbsleben zurückzukehren,
müssen die Freibeträge erhöht werden, die Anrechnungssätze langsamer ansteigen und der
Eingangssteuersatz auf 15 Prozent gesenkt werden.
Notwendig ist ein Transfer-System, das auch im Niedriglohn-Sektor Arbeitsanreize erhält
und Brücken in neue Beschäftigung baut. Das von der FDP vorgeschlagene Bürgergeld baut
solche Brücken besser als alle bisher versuchten Kombilohn-Modelle. Durch die beim
Bürgergeld nur teilweise Anrechnung von Erwerbseinkommen auf Sozialleistungen können
trotz niedrigen Lohnes oder geringer Stundenzahl bisher arbeitslose Leistungsempfänger
ihr Auskommen sichern und gegenüber der Nicht-Erwerbsfähigkeit verbessern.
Um das Bürgergeld-System, das gerade geringer qualifizierten, aber leistungswilligen
Menschen hilft, finanzierbar zu machen, schlägt die FDP vor, die Anrechnungssätze von
Erwerbseinkommen auf die Sozialleistungen progressiv zu gestalten. Für Menschen mit
Behinderungen bzw. bei Betreuungsnotwendigkeit von Angehörigen soll es einen erhöhten
Bürgergeld-Anspruch geben.
Als erster Schritt zum Bürgergeld muss die Arbeitslosenhilfe vollständig mit der
Sozialhilfe zu einem System mit einer Leistung, mit klaren Zuständigkeiten, eingleisigen
Verfahren und schlankerer Verwaltung zusammengefasst werden. Bis zur Einführung des
Bürgergeldes muss die Sozialhilfe so ausgestaltet werden, dass sie einerseits den
tatsächlich Bedürftigen ein Leben in Würde ermöglicht, andererseits aber zugleich die
Selbstständigkeit aller Hilfeempfänger stärkt und den Leistungsmissbrauch vermeiden
hilft. Dazu gehört auch die Pauschalierung von Leistungen statt der bürokratischen und
zu Missbrauch einladenden Erstattung einzelner Aufwendungen.
Dem Gegenleistungsprinzip muss wieder Geltung verschafft werden. Wenn jemand gesund und
arbeitsfähig ist und keine Kinder oder pflegebedürftigen Angehörigen zu versorgen hat,
dann ist es ihm zuzumuten, dass er für das, was er erhält, auch eine Gegenleistung
erbringt. Die vorhandenen Sanktionsmechanismen müssen in Zukunft straffer und stärker
angewandt werden. Bisher muss das Sozialamt beweisen, dass ein Sozialhilfeempfänger
entgegen seiner Behauptung arbeitsfähig ist. Dies will die FDP ändern: In Zukunft muss
der Sozialhilfeempfänger darlegen, dass er nicht arbeitsfähig ist. Der Staat ist
gehalten, über einen Fallmanager geeignete Angebote zu machen.
Nur bei einem solchen Nachweis eigener Bemühungen zur Aufnahme von Arbeit besteht der
Anspruch auf Leistungen, die über das materielle Existenzminimum hinaus für die
Eingliederung des Bedürftigen in die Gesellschaft erforderlich sind. Ansonsten erfolgt
eine Kürzung der Geldleistungen auf das materielle Existenzminimum, also die Existenz
sichernden Leistungen wie Ernährung, Unterkunft, Kleidung und Hausrat. Im Gegenzug werden
bei der Sozialhilfe nach dem Bürgergeld-System die Anrechnungssätze für selbst
verdientes Einkommen abgesenkt. Damit werden Modelle nach dem § 18 V BSHG (Einstiegsgeld)
zum Regelfall.
IV. Sozialstart - Sicherungssysteme zukunftsfest machen
Ein wichtiges Kennzeichen der Sozialen Marktwirtschaft ist nicht nur ihre hohe
ökonomische Leistungsfähigkeit, die Arbeitsplätze schafft und so die Menschen in die
Lage versetzt, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Zur Sozialen Marktwirtschaft
gehört auch eine aktive soziale Verantwortung des Staates, die greift, wenn der Einzelne
nicht in der Lage ist, aus eigener Kraft für die Absicherung der großen Lebensrisiken
wie Arbeitslosigkeit, Krankheit und Alter Vorsorge zu treffen. Ein so ausgestaltetes
Sozialsystem, das seinem Charakter nach subsidiär ist, ist nicht Fremdkörper sondern
produktiver Faktor in der Sozialen Marktwirtschaft.
Bei uns allerdings haben sich die sozialen Sicherungssysteme verselbstständigt. Ein
Drittel des Sozialprodukts verschlingt bei uns der Sozialbereich. Eigenverantwortung wurde
so zunehmend zurückgedrängt, kollektive Verantwortung immer weiter in den Vordergrund
gerückt. Freiheit und Gestaltungsspielräume werden beschnitten, Anspruchs- und
Besitzstandsdenken verfestigt und gefördert, Leistungsanreize gemindert und die
Anreizsysteme zur Arbeitsaufnahme vor allem in den Bereichen der unteren Lohngruppen
ausgehebelt. Was sozial gemeint ist, wird so in hohem Maße unsozial.
Wegen der Umbrüche auf dem Arbeitsmarkt und der demografischen Entwicklung müssen die
Systeme der sozialen Sicherung den veränderten Gegebenheiten angepasst werden. Um
Generationengerechtigkeit wiederherzustellen, sind dringend Reformen der
Sozialversicherung, die heute auf den umlagefinanzierten Systemen für Rente, Krankheit
und Pflege beruht, erforderlich. Gleiches gilt auch für die Sicherungssysteme der Beamten
und Politiker, bei denen die Umlagefinanzierung auf Steuern basiert. Unser Ziel ist es,
die sozialen Sicherungssysteme zukunftsfest zu machen, durch Transparenz und Vereinfachung
für mehr Gerechtigkeit zu sorgen und die Beitragslast dauerhaft unter 40 % zu senken.
Notwendig sind dafür echte Strukturreformen. Die FDP lehnt weitere Steuerzuschüsse in
unreformierte Systeme strikt ab. Zur Wahrung der Generationengerechtigkeit ist von
unabhängiger Stelle dem Bundestag regelmäßig eine Generationenbilanz vorzulegen. In ihr
müssen auf der Habenseite Leistungen wie Bildung, Infrastruktur und soziale Sicherheit,
auf der Sollseite Belastungen wie Staatsverschuldung, Pensionslasten und
Generationenverträge ausgewiesen werden.
Die Weiterentwicklung der sozialen Sicherungssysteme soll sich an dem Grundsatz
orientieren: Versicherungspflicht statt Pflichtversicherung. Es soll der freien und
individuellen Entscheidung eines jeden Bürgers überlassen sein, wie und wo er dieser
Versicherungspflicht für die großen Risiken nachkommt. Die Finanzierung dieser
Grundabsicherung ist zunehmend vom Beschäftigungsverhältnis zu lösen.
Für eine leistungsfähige und bezahlbare Gesundheitsversorgung
Der Erhalt der Gesundheit und eine gute Versorgung im Krankheitsfall sind zentrale
Anliegen der Menschen in unserem Land. Der Staat muss deshalb Rahmenbedingungen schaffen,
die es den Menschen unabhängig von ihrem Einkommen oder einer eventuellen Behinderung
oder Vorerkrankung ermöglichen, das Krankheitsrisiko und seine Folgen abzusichern. Ein
freiheitliches Gesundheitswesen ohne übermäßige Bürokratie und Reglementierung bietet
hierfür die besten Voraussetzungen.
Grundsätzlich ist der Markt mit seiner Vielfalt der handelnden Personen und seiner
Flexibilität am besten geeignet, die Gesundheitsversorgung zu optimieren. Der Staat soll
nur dort steuernd eingreifen, wo der Markt versagt. Er hat den Rahmen für eine sozial
verantwortliche Gesundheitspolitik zu setzen, nicht jedoch alles und jedes bis ins
kleinste Detail gesetzlich zu regeln, wie das heute weitgehend der Fall ist. Der
Wettbewerb fördert die Kreativität, versicherten- und patientengerechte Lösungen zu
finden. Er muss deshalb intensiviert werden.
Daher setzt die FDP auf ein Gesundheitswesen, das eine gute und bezahlbare medizinische
Versorgung aller Bürgerinnen und Bürger gewährleistet, den Menschen
Gestaltungsmöglichkeiten für den Umfang ihres Versicherungsschutzes gibt, Anreize für
alle Beteiligten setzt, mit den vorhandenen Ressourcen sparsam umzugehen, die freie
Arztwahl garantiert, Schluss macht mit gesetzlich vorgegebenen Budgets gleich welcher Art
und feste Preise für die einzelnen ärztlichen, zahnärztlichen und psychotherapeutischen
Leistungen vorsieht.
Die gesetzliche Vorgabe für einheitliche und gemeinsame Verhandlungen der Krankenkassen
muss fallen. An die Stelle staatlicher Vorgaben müssen Verhandlungslösungen treten.
Staatliche Planwirtschaft führt zu Missmanagement und Fehlleitung knapper Ressourcen. Der
Risikostrukturausgleich ist zu begrenzen. Ziel des Risikostrukturausgleichs muss es sein,
echte Risikodisparitäten der Kassen auszugleichen. In der Betriebs- und
Verwaltungseffizienz müssen die gesetzlichen Krankenkassen sich mit der Effizienz der
privaten Krankenkassen messen lassen.
Auch auf Seiten der Leistungsanbieter ist Wettbewerb erforderlich, um eine effiziente
Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu erreichen. Dabei muss der freie Zugang zur
Berufsausübung stets erhalten bleiben.
Zum Wettbewerb gehört auch, dass sich möglichst viele Menschen entscheiden können, ob
sie in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) oder in der Privaten Krankenversicherung
(PKV) versichert sein wollen. Eine Anhebung der Versicherungspflichtgrenze ist deshalb
strikt abzulehnen.
Versicherte und Patienten haben ein Anrecht darauf, sich umfassend und neutral informieren
zu können. Das Werbeverbot muss deshalb im Hinblick auf sachgerechte Informationen
gelockert werden.
Patient und Arzt müssen wissen, wie teuer eine Behandlung ist. Das Sachleistungsprinzip
hält den Patienten künstlich uninformiert. Deshalb muss grundsätzlich die
Kostenerstattung die Sachleistung ersetzen.
Die bevormundende leistungsfeindliche Ausgabendeckelung muss abgeschafft werden, denn sie
führt zur Rationierung in Arztpraxen, Apotheken und Krankenhäusern. Warteschlangen, wie
in den skandinavischen Ländern und Altersgrenzen, wie in England dürfen in Deutschland
nicht Realität werden. Die Budgetierung muss durch leistungsgerechte Vergütungen und
Anreize zu wirtschaftlichem Handeln auf allen Seiten ersetzt werden. Ärzte, Zahnärzte
und Psychotherapeuten brauchen feste Preise für qualitativ hochwertige Leistungen, die
Krankenhäuser ein echtes Preissystem.
Die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen wird von den Versicherten mitbestimmt. Sie
können durch ein gesundheitsbewusstes Leben dazu beitragen, Krankheiten zu vermeiden.
Informationen darüber, wo Risiken liegen und wie ihnen begegnet werden kann sowie
Angebote zur Gesundheitsförderung müssen deshalb frühzeitig in Kindergärten und
Schulen erfolgen. Ebenso wichtig ist der Auf- und Ausbau einer qualitätsgesicherten
Gesundheitsvorsorge und entsprechender Früherkennungsmaßnahmen. Bonussysteme, wie beim
Zahnersatz, tragen dazu bei, die Motivation zu unterstützen.
Das heutige System widerspricht dem Wunsch vieler Menschen, ihre Belange möglichst
umfassend in eigener Verantwortung zu regeln. Die Tarifgestaltung in der GKV muss deshalb
flexibler werden. Die FDP will die Zwangsbeiträge auf Kernleistungen beschränken und
Wahlmöglichkeiten und Gestaltungsspielräume für individuelles Handeln eröffnen.
Versicherte müssen die Möglichkeit haben, Tarife mit unterschiedlichen Optionen
abzuschließen. Selbstbehalte und Selbstbeteiligungen setzen Anreize für ein
kostenbewusstes Verhalten. Regelungen für einkommensschwache Versicherte müssen dafür
sorgen, dass niemand von medizinisch notwendigen Gesundheitsleistungen ausgeschlossen
wird.
Die Einkommensteuer neutrale Auszahlung des Arbeitgeberanteils als echter Bestandteil des
Lohnes soll dem Einzelnen deutlich machen, was sein Krankenversicherungsschutz
tatsächlich kostet. Das erhöht den Anreiz, stärker auf das Preis-Leistungsverhältnis
der Krankenkassen zu achten und verschärft damit den Wettbewerb. Die Abkopplung der
Krankenversicherungsbeiträge von den Lohnzusatzkosten erleichtert zudem die Schaffung von
individuellen Spielräumen zur Gestaltung der Tarife. Ferner wird der Automatismus
zwischen steigenden Gesundheitsausgaben und steigenden Lohnkosten durchbrochen und damit
die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gestärkt.
Zusammen mit einer Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes für Arzneimittel sowie der
Rückgängigmachung der erheblichen Finanztransfers in andere Sozialversicherungszweige,
die die rot-grüne Regierungskoalition in den letzten zwei Jahren vorgenommen hat, wird
der Beitragssatz für alle Beitragszahler deutlich reduziert. Ergänzt durch eine mutige
Steuerreform, wie die FDP sie mit ihrem Stufenmodell vorschlägt, verbleibt den Bürgern
erheblich mehr Geld in ihrer Tasche, das u. a. für eine zusätzliche
Zukunftsvorsorge im Hinblick auf die Folgen des demografischen Wandels aufgewandt werden
kann.
Rentenversicherung
Die heutigen Probleme der gesetzlichen Rentenversicherung sind durch die letzten Reformen
in keiner Weise gelöst worden. Der Kostendruck hält unvermindert an. Gründe dafür sind
die hohe Arbeitslosigkeit, die zu Einnahmeverlusten bei den Beiträgen geführt hat, der
immer noch zu frühe Rentenzugang und vor allem der längere Rentenbezug auf Grund
längerer Lebenszeit, die höhere Ausgaben zur Folge hatten. Die FDP sieht in der
konsequenten Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch bessere Rahmenbedingungen der
Wirtschaft auch den Weg, die Einnahmen in der Rentenversicherung zu verbessern. Bei den
jährlichen Rentenanpassungen ist der längere Rentenbezug wieder angemessen zu
berücksichtigen. Vor allem muss das durchschnittliche Rentenzugangsalter an das
gesetzliche Rentenzugangsalter angenähert werden. Die längere Lebensarbeitszeit will die
FDP in erster Linie durch früheren Berufsbeginn möglich machen, wozu kürzere Bildungs-
und Ausbildungszeiten und die Aussetzung der Wehrpflicht beitragen. Die sogenannte
Eckrente soll mit 45 Jahren Beitragshöhe erreicht werden. Bei einem Rentenbeginn vor 65
Jahren will die FDP versicherungsmathematisch korrekte Abschläge, bei einem späteren
Rentenbeginn entsprechende Zuschläge. Dadurch hebt sich das durchschnittliche
Zugangsalter.
Die FDP trat schon immer für die private Vorsorge als Ergänzung zur Rente ein. Sie
unterstützte daher auch bei der letzten Reform 2001 den Ansatz, mit 4% des Bruttolohnes
diese Vorsorge aufzubauen. Allerdings ist die Reform mit unzureichender
Generationengerechtigkeit, mangelnder Beitragssatzstabilität, fehlender Steuerbefreiung
aller Vorsorgebeiträge und einer viel zu komplizierten Ausgestaltung der Anlagekriterien
in der praktischen Ausgestaltung misslungen. Als wesentliches Kriterium für die
geförderte Vorsorge hätte eine praktikable Zweckbestimmung für die Altersvorsorge
ausgereicht. Es muss ein echter Wettbewerb aller Anbieter gewährleistet sein, ein
vererbbarer Kapitalstock gebildet werden können und die angebotenen privaten
Altersvorsorgeprodukte bestimmten Mindeststandards genügen. Der Bürger muss bei der
Auszahlung Wahlfreiheit je nach seinen individuellen Bedürfnissen haben: Er muss
entscheiden können, ob er z. B. eine Verrentung, einen lebenslangen Auszahlungsplan in
abnehmenden oder steigenden Raten wählt oder sich einen Platz in einem Alten- oder
Pflegeheim sichern will. Auch das Sparen zum Aufbau von Wohneigentum muss als Vorsorgeform
in praktikabler Weise anerkannt werden.
Die private Vorsorge soll nach einem schrittweisen Übergang die gesetzliche
Rentenversicherung ergänzen und so weit ersetzen, dass die Altersvorsorge zu etwa 50 %
auf der privaten und betrieblichen Vorsorge beruht. Wenn die Sparer vom Angebot der
geförderten Altersvorsorge nicht im dafür erforderlichen Umfang Gebrauch machen, liegt
eine Pflicht zur Versicherung nahe - aber nur wenn die für die private Vorsorge genannten
Voraussetzungen erfüllt sind.
Die staatlichen Anreize, insbesondere die nachgelagerte Besteuerung der in anerkannten
Vorsorgeformen geleisteten Beiträge, sind für sie unverzichtbare Voraussetzungen der
künftigen Reform der Eigenvorsorge. Die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung
muss im Gegenzug Schritt für Schritt zu einer beitragsfinanzierten Grundsicherung
umgebaut werden. Die Belastung der Arbeitnehmereinkommen durch die gesetzlich geregelte
und staatlich geförderte Altersvorsorge darf 20% der Einkommen auch künftig nicht
überschreiten.
Aus Gerechtigkeitsgründen und mit Blick auf die Haushaltsrisiken für kommende
Generationen muss mit einer solchen Reform auch eine der Beamtenversorgung einhergehen.
Wir brauchen eine klare und einfache Regelung, um es Rentnern ohne finanziellen Schaden zu
ermöglichen, hier zu arbeiten und Rentenversicherungsbeiträge zu zahlen und im Alter ins
Ausland überzusiedeln. Dies ist auch notwendig im Hinblick auf eine Gewährleistung der
Freizügigkeit in Europa.
Im Ergebnis wird die Alterssicherung der Zukunft eine neue Statik haben. Sie setzt sich
aus der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung und den aus betrieblicher und
privater Eigenvorsorge erwachsenen Ansprüchen zusammen. Nur so ergibt sich ein
ausgeglichenes Modell, das zu einem auskömmlichen Alterseinkommen führt, aber die
jüngere Generation vor Überforderung schützt.
Pflegeversicherung
Langfristig wird aufgrund der demografischen Entwicklung die Anzahl der Pflegebedürftigen
und auch der Demenzkranken deutlich steigen. Die Einnahmen werden damit nicht Schritt
halten können. Der so entstehende Kostendruck darf jedoch nicht zu einer Erhöhung der
Pflichtbeiträge führen. Die Pflegeversicherung muss deshalb im Hinblick auf
Zielgenauigkeit, Effizienz und Organisation und auch im Hinblick auf die Folgerungen aus
dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zur Entlastung der Familien auf den Prüfstand. Aus
Sicht der FDP müssen hierbei insbesondere die Weichen für den Aufbau einer ergänzenden
kapitalgedeckten Säule der privaten Eigenvorsorge für das Pflegerisiko gestellt werden.
Dem gesetzlich festgeschriebenen Grundsatz des Vorranges der Rehabilitation vor der Pflege
muss Rechnung getragen werden. Das bestehende System der Pflegeversicherung läuft diesem
zuwider. Es gibt keine Anreize, Betroffene zu fördern, um ihren Zustand verbessern zu
können und sie somit z. B. in eine niedrigere Pflegestufe einzustufen.
Seit der Einführung der Pflegeversicherung hat sich außerdem der Besorgnis erregende
Trend entwickelt, schwerbehinderte Menschen in Pflegeheime abzuschieben, um so eine
Finanzierung über die Pflegeversicherung zu erreichen. In vielen Heimen erfahren die
Betroffenen nicht mehr die notwendige und durchaus erfolgversprechende Förderung. Die
Sozialhilfeträger dürfen diesen Personenkreis nicht aus finanziellen Beweggründen
entmündigen und die ihm zustehende Förderung vorenthalten.
V. Entmonopolisierungs- und Wettbewerbsoffensive
Wettbewerb ist das Herzstück der Sozialen Marktwirtschaft. Wettbewerb zwingt die
Unternehmen, besser, leistungsfähiger, stärker zu werden. Deshalb bekämpfen Liberale
alle Tendenzen, Wettbewerb abzubauen, zu verzerren oder zu verfälschen.
Wir treten ein für ein strenges Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, gegen Kartelle,
Monopole und wettbewerbsbeschränkende Fusionen. Wir treten ein für einen starken Staat,
der die Wettbewerbsregeln durchsetzt und weiterentwickelt. Denn Bewahrung und Stärkung
des Wettbewerbs gehören mit zu den wichtigsten wirtschaftspolitischen Aufgaben des
Staates in der sich wandelnden Wirtschaft.
Der von FDP-Wirtschaftsministern begonnene Weg der Deregulierung und Privatisierung, der
für die Bürger in vielen Bereichen bessere Leistungen zu günstigeren Preisen erbracht
hat, muss konsequent fortgesetzt werden. Die nächsten Schritte müssen sein:
Das Briefmonopol muss schnellstmöglich auslaufen, damit auch bei Briefsendungen bis 200
g, adressierten Katalogen und Infopost bis 50 g Wettbewerb möglich wird. Die ehemaligen
Staatsmonopole Post und Telekom sind bis zum Jahr 2005 vollständig zu privatisieren.
Die Telekommunikationsnetze, insbesondere im Ortsnetzbereich, in dem der Marktanteil der
Deutschen Telekom von 98 % einen wirklichen Wettbewerb weiter verhindert, sind weiter zu
liberalisieren. Der liberalisierte Netzzugang auf den Strommärkten ist
wiederherzustellen. Auch bei der Wasser- und Abfallwirtschaft ist Deregulierung und
Privatisierung erforderlich.
Netz und Betrieb bei der Bahn AG sind konsequent zu trennen. Außerdem ist es
erforderlich, Wettbewerb zwischen den einzelnen Teilen der bisherigen DB Holding zu
ermöglichen sowie den diskriminierungsfreien Zugang Dritter zum Netz sicherzustellen.
Die Aufgabe der Sicherstellung von Wettbewerb muss wieder beim Bundeskartellamt
konzentriert und die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post in der nächsten
Legislaturperiode aufgelöst werden.
Nachdem die EU für Landesbanken und kommunale Sparkassen ab spätestens 2005 die
Beendigung der unbeschränkten Haftung der sie tragenden Gebietskörperschaft verfügt und
deren Anstaltslast eingeschränkt hat, fordert die FDP schon jetzt die grundsätzliche
Neuordnung dieses Sektors.
Die Landesbanken sind insgesamt zu privatisieren und damit für den Wettbewerb mit
privaten und genossenschaftlichen Banken zu öffnen. Die kommunalen Sparkassen, ein
notwendiger Teil ländlicher Infrastruktur, sind zu "Bürgersparkassen"
fortzuentwickeln.
Das gesamte deutsche Kammerwesen ist auf seine Zweckmäßigkeit hin grundsätzlich zu
überprüfen. Bei den Industrie- und Handelskammern ergeben sich der öffentlich
-rechtliche Status und die daraus resultierende Pflichtmitgliedschaft der
Gewerbetreibenden aus den öffentlichen Aufgaben, die den Kammern durch Gesetz und
Verordnung zugewiesen sind. Die Kammern müssen sich jedoch grundlegend reformieren. Die
Kammern dürfen sich nicht mehr auf Feldern betätigen, wo ein ausreichendes Angebot von
Seiten privater Dienstleister zur Verfügung steht. Doppelarbeit zwischen Kammern und
Behörden und zeitraubende bürokratische Querverbindungen sind zu vermeiden.
Das Ladenschlussgesetz ist ersatzlos zu streichen. Das Gesetz gegen den unlauteren
Wettbewerb ist zu entrümpeln.
VI . Schlanker Staat - Starker Staat
Für Liberale ist nicht der Staat besonders leistungsfähig, der sich in möglichst viele
Bereiche der Gesellschaft einmischt, sondern der Staat, der sich auf seine Kernaufgaben
konzentriert. Der schlanke Staat ist der starke Staat. Deshalb will die FDP Subventionen
abbauen, öffentliche Aufgaben zurückführen und staatliche Beteiligungen privatisieren.
Die FDP will eine Politik der Haushaltskonsolidierung. Ausgeglichene Haushalte aller
staatlichen Ebenen bleiben Ziel der FDP. Nur so wird die Politik in der Praxis auf Dauer
dem Grundgedanken einer wirkungsvollen Begrenzung der Staatsverschuldung gerecht, wie er
in unserem Grundgesetz und im Europäischen
Stabilitätspakt verankert ist. Im Sinne unseres Grundsatzes, dass Steuern nur für
unverzichtbare öffentliche Aufgaben erhoben werden dürfen, bedeutet dies: alle derzeit
vom Staat wahrgenommenen Aufgaben sind unter dem Gesichtspunkt ihrer Verzichtbarkeit zu
überprüfen und in Frage zu stellen. Auch von lieb gewordenen staatlichen
Betätigungsfeldern gilt es Abschied zu nehmen.
Gerade im öffentlichen Sektor wird der Wohlstand der Gegenwart mit Hypotheken auf die
Zukunft finanziert. Kredite, die heute aufgenommen und verwendet werden, müssen die
Bürger und Steuerzahler kommender Generationen zurückzahlen. Deshalb fordert die FDP,
den Bundeshaushalt innerhalb von fünf Jahren auszugleichen und danach keine zusätzliche
Verschuldung mehr zu erlauben. Der Deutsche Bundestag soll hierzu einen für ihn selbst
und die Bundesregierung verbindlichen Stufenplan beschließen.
Die Staatsquote muss mittelfristig auf ein Drittel des Sozialproduktes gesenkt werden.
Subventionen führen zur Fehlleitung von Ressourcen zu Lasten der Steuerzahler und
Verbraucher. Zudem fließen sie zu häufig den Großunternehmen zu und benachteiligen
damit den Mittelstand. Unvertretbar sind Dauersubventionen. Sie konservieren Produkte und
Produktionsverfahren aus der Vergangenheit und verhindern Innovationsprozesse am Markt.
Die FDP setzt sich deshalb dafür ein, Subventionen nur degressiv und zeitlich auf fünf
Jahre befristet zu gewähren. Eine Neuauflage kommt nur nach erneuter Bestätigung im
Parlament in Betracht.
Die deutsche Steinkohle ist ein nicht wettbewerbsfähiger Energieträger. Die bewusste und
dauerhafte Subventionierung ist auch aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht zu
verantworten. Durch sie werden enorme volkswirtschaftliche und finanzielle Ressourcen in
einen vergangenheitsorientierten Wirtschaftszweig fehlgeleitet. Diese fehlen für dringend
notwendige Zukunftsinvestitionen mit den Schwerpunkten Bildung und Verkehr. Deshalb
fordert die FDP, den für den Zeitraum 2002 bis einschließlich 2005 vorgesehenen
Gesamtsubventionsbetrag seitens des Bundes und der Länder zu halbieren. Seitens des
Bundes wird letztmalig für das Jahr 2005 ein Subventionsbetrag in Höhe von 2 Mrd. EURO
gewährt. Nach 2005 erfolgt keine Subventionierung des deutschen Steinkohlebergbaus mehr.
Zur Umsetzung der durch die Subventionskürzungen bedingten Personalanpassungsmaßnahmen
können betriebsbedingte Kündigungen am Ende nicht mehr ausgeschlossen werden. Die damit
verbundene Problematik wird dadurch abgeschwächt, dass v.a. in Handwerk und Gewerbe
etliche tausend Facharbeitsplätze nicht besetzt werden können, die für die im Schnitt
33jährigen Mitarbeiter zur Verfügung stehen. Die Bundesanstalt für Arbeit wird
aufgefordert, für diejenigen Bergbaubeschäftigten, deren berufliche Qualifikation nicht
den Anforderungen des Arbeitsmarktes entspricht, ausreichende Mittel für
Qualifizierungsmaßnahmen und Umschulungsprogramme bereitzustellen. Die Kosten für die
Folgeschäden des Bergbaus werden vom Bund übernommen. Der Kohleabbau unter bebautem
Gebiet wird gestoppt.
Die öffentliche Hand erfüllt in Deutschland zu viele Aufgaben. Der Staat ist an zu
vielen Unternehmen beteiligt. Für die FDP ist die Privatisierung wirtschaftlicher
Betätigungen der öffentlichen Hand und die Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen
ein Kernziel liberaler Politik. Deshalb wollen wir alle Bundesbeteiligungen innerhalb von
fünf Jahren veräußern. Liegenschaften in öffentlichem Besitz sind ebenfalls zu
reduzieren.
Die größten Privatisierungspotenziale liegen auf kommunaler Ebene. Bundesweit führen
die Kommunen über 100.000 Eigenbetriebe. Dabei ist nicht einsichtig, warum
Grünflächenpflege, Müllabfuhr, Tierparks, Gebäudeverwaltung oder Druck- und
Buchbindearbeiten in kommunaler Hand liegen müssen. Auch die vielfach vorgenommenen
Scheinprivatisierungen sind der falsche Weg. Sie ebnen den Kommunen vielmehr den Weg in
lukrative mittelständische Märkte und stehen für eine Ausdehnung von Staatstätigkeit
zu Lasten kleiner und mittlerer Unternehmen.
VII. Mittelstand - Jobmaschine Nr. 1
Der Mittelstand ist der größte Arbeitgeber in Deutschland. Zwei Drittel aller
Beschäftigten arbeiten in mittelständischen Betrieben. Mittelständische Unternehmen
erbringen weit über 80 % der Ausbildungsleistung. Die Marktnähe und das unmittelbare
Gespür für Markterfordernisse tragen dazu bei, dass der Mittelstand besonders innovativ
ist.
Angesichts der hohen Bedeutung der kleinen und mittleren Unternehmen zur wirksamen
Bekämpfung der Arbeitslosigkeit muss der Mittelstand Bedingungen vorfinden, die es ihm
erlauben, seine Potenziale im Interesse einer freiheitlichen Gesellschaft und einer
funktionsfähigen Sozialen Marktwirtschaft voll zu entfalten.
In ihrer Steuerreform hat die rot-grüne Bundesregierung die Personengesellschaften, und
damit insbesondere den Mittelstand, drastisch benachteiligt. Im Mittelpunkt einer
Steuerreform muss deshalb der Übergang zu einem einfachen Stufentarif mit Steuersätzen
von 15 %, 25 % und in der Spitze 35 % stehen. Von Vereinfachungen im Einkommensteuerrecht
profitieren insbesondere mittelständische Unternehmen, die nur selten über
Möglichkeiten und Kapazitäten für Steueroptimierungsstrategien verfügen. Deshalb wird
im Zuge einer Steuerreform auch ein radikaler Abbau steuerlicher Ausnahmeregelungen sowie
die Abschaffung der Gewerbesteuer zu verwirklichen sein.
Die Reform der betrieblichen Mitbestimmung hat mit der Absenkung der Schwellenwerte
insbesondere die kleinen und mittelständischen Betriebe massiv belastet. Die FDP setzt
auf betriebliches Miteinander statt funktionärische Fremdbestimmung. Wir sprechen uns
daher für eine Öffnungsklausel im Betriebsverfassungsgesetz aus, damit Betriebe bei
Zustimmung der Geschäftsleitung und der Mehrheit der Mitarbeiter rechtsverbindlich
alternative Mitbestimmungsmodelle vereinbaren können.
Bei der Neufassung der Richtlinien zur Unterlegung von Bankkrediten mit Eigenkapital
("Basel II") dürfen die Finanzierungsmöglichkeiten des Mittelstandes
insbesondere bei langfristigen Krediten nicht abgeschnitten werden. Grundsätzlich
entspricht es zwar einem marktwirtschaftlichen Ansatz, wenn der Zinssatz auch das Risiko
eines Kredites widerspiegelt. Bei der Gewichtung des Risikos sind aber neben dem
Eigenkapital auch die Qualität der Betriebsleitung und der Produkte, die Stabilität des
Marktes, die Größe des Kredites u. ä. zu berücksichtigen.
Nach der in den letzten Jahren erfolgreich angelaufenen Privatisierung von öffentlichem
Beteiligungsbesitz muss verstärkt das Augenmerk auf Aufgabenprivatisierungen gelegt
werden. Unabdingbar ist deshalb aus Sicht der Liberalen eine Beweislastumkehr bei der
Aufgabenwahrnehmung durch die öffentliche Hand. Soll eine Aufgabe durch die öffentliche
Hand durchgeführt werden, so ist nachzuweisen, dass andere Aufgabenträger dazu nicht
vergleichbar in der Lage sind. Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben ist
gleichbedeutend mit der Stärkung mittelständischer Unternehmen. Die öffentlichen
Serviceleistungen werden vielfach durch Private bereits angeboten und sind in erster Linie
Betätigungsfelder kleiner und mittlerer Unternehmen.
Den Unternehmen in Deutschland werden jährlich ungeheure Bürokratielasten zugemutet. Die
FDP will die Regelungsdichte abbauen und Genehmigungsverfahren beschleunigen. Dazu gehört
auch die Einführung eines "Bürokratiekosten-TÜV". Die FDP setzt sich dafür
ein, dass Gesetze stärker als bisher mit Verfallsdaten versehen werden. Es ist außerdem
erforderlich, zielgerichtet den Mittelstand, insbesondere Klein- und Kleinstunternehmen,
von den Pflichtdiensten so weit wie möglich zu befreien. Dies kann z.B. über längere
Erhebungsfristen beim Steuereinzug oder großzügigere Abschneidegrenzen bei der amtlichen
Statistik geschehen. Beispiele sind hier die Verlängerung der Umsatzsteuervoranmeldung
von einem auf drei Monate, die Abschaffung der Umsatzsteuerjahresmeldung sowie die
Entwicklung einer einheitlichen und behördenübergreifenden Verdienstbescheinigung.
Als Ausbilder Nr. 1 braucht der Mittelstand eine noch schnellere und flexiblere Anpassung
der Ausbildungsverordnungen. Nach wie vor werden zu wenige Jugendliche in den
Dienstleistungsberufen ausgebildet. Dies hat auch etwas mit nicht vorhandenen
Ausbildungsberufen zu tun. Neue Berufe entstehen aber am Markt und nicht am Schreibtisch.
Deshalb müssen die Ausbildungsordnungen offener werden für zukünftige
Marktentwicklungen.
Die Bereitstellung von zusätzlichen Verbundausbildungsplätzen durch mehrere kleine
Unternehmen, die allein nicht zu einer qualifizierten Berufsausbildung in der Lage wären,
sollte durch eine Prämie gefördert werden. Völlig verfehlt ist hingegen die Einführung
einer Ausbildungsabgabe.
Die größten Chancen für zusätzliche Arbeitsplätze bestehen im Bereich der
wirtschaftsnahen und sozialen Dienstleistungen. Hier liegen besondere Chancen für
Existenzgründer und kleine und mittlere Unternehmen - sei es im Bereich der
Informationstechnologie, den Freien Berufen, dem Tourismus oder dem Sozialbereich.
Die FDP will deshalb Marktzutrittsbarrieren auf dem Weg in die Selbstständigkeit abbauen,
die Existenz unabhängiger Freiberufler sichern und eine neue Kultur der
Selbstständigkeit in Deutschland fördern.
VIII. Neue Länder - Wirtschaftsstandort mit Zukunft
Ostdeutschland kann noch nicht auf solidarische Förderung verzichten. Die bisherige
Gesamtförderung muss nach 12 Jahren aber auf die verbliebenen Schwachstellen konzentriert
werden. Ohne eine effektivere Wirtschaftspolitik, die auf die besondere Situation der
neuen Bundesländer zugeschnitten ist, wird sich keine Aufwärtsbewegung einleiten lassen.
Deshalb wollen die Liberalen eine "Offensive für Zukunftsinvestitionen in den neuen
Bundesländern".
Wir fordern insgesamt eine stärkere Konzentration auf den Infrastrukturausbau sowie
Wissenschaft und Forschung. Dabei ist sicherzustellen, dass die den Ländern und Gemeinden
gewährte finanzielle Hilfe zum Ausbau der Infrastruktur auch in die geplanten investiven
Verwendungen fließt.
Schwerpunktmäßig müssen deshalb Verkehrsprojekte der Deutschen Einheit vorgezogen
werden. Wir fordern Priorität für den Ausbau der Straßen von europäischer Bedeutung.
Der Verkehrszuwachs durch den zunehmenden Handel mit Ost- und Mitteleuropa muss
aufgefangen werden.
Die wissenschaftliche Infrastruktur in den neuen Ländern bildet die Keimzelle für neue
arbeitsplatzschaffende Wissensregionen. Dieser wissenschaftliche Vorteil muss in
wirtschaftliche Vorteile umgemünzt werden. Durch eine stärkere Vernetzung zwischen
Wissenschaft und Wirtschaft können rund um die ostdeutschen Hochschulen und
Forschungsinstitutionen wirtschaftliche "Innovationsgürtel" entstehen. Die
Kürzungen im Bundeshaushalt bei der Leibniz-Gemeinschaft müssen zurückgenommen werden,
da namhafte wissenschaftliche Institute davon betroffen sind. Die Industrieforschung muss
wieder gestärkt werden.
Die deutsche Ausgleichsbank als Mittelstandsbank des Bundes muss zum zentralen
Ansprechpartner für alle Existenzgründer auf Bundesebene werden. Die von den Ländern
getragenen Förderinstitute müssen enger mit der Deutschen Ausgleichsbank kooperieren.
Eine sinnvolle konkrete Produktkoppelung zwischen Bundesinstitut und den einzelnen
Länderinstituten ist herzustellen.
Die FDP fordert ein Programm zur Beseitigung der Strukturkrise am Wohnungsmarkt Ost.
Kernpunkte dieses Programms sind die Streichung der Altschulden der Wohnungswirtschaft Ost
bei dauerhaftem Leerstand von mehr als 5 % des Bestandes, ein 500-Mio.-Euro-Sonderprogramm
über 3 Jahre - aus dem Erblastentilgungsfonds dotiert - mit dessen Hilfe sinnvoller
Abriss und städtebauliche Ergänzungsmaßnahmen ermöglicht werden sowie die Beseitigung
fiskalpolitischer Hindernisse zur Erleichterung des Strukturwandels.
Ostdeutschland darf nicht zum "Altersheim" der Republik werden. Die FDP fordert
schnellere Anpassungen des Ausbildungssystems und die Unterstützung von Unternehmen, die
neue Ausbildungsplätze schaffen statt staatlicher Subventionierung der Abwanderung. Die
Abwanderung junger Leistungsträger ist aber ebenso auch eine Herausforderung an die
Wettbewerbsfähigkeit der Regionen in den neuen Ländern.
Eine dauerhafte Lösung für die Arbeitsmarktprobleme Ostdeutschlands kann nicht über den
zweiten Arbeitsmarkt geschaffen werden, sondern nur, wenn dauerhaft mehr Beschäftigung
rentabel wird. Für eine Übergangszeit können ABM weiter notwendig sein. Dabei ist die
unfaire Konkurrenz für mittelständische Unternehmen und Existenzgründer durch
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Beschäftigungsgesellschaften zu reduzieren.
IX. Wohneigentum für Alle
Die Bau- und Wohnungswirtschaft befindet sich in einer tiefen Krise. Aus dieser Talsohle
führt nur eine marktwirtschaftliche Wirtschaftspolitik, die die Steuer- und
Abgabenbelastung der Bürger und Unternehmen zurückführt, die weniger reguliert und mehr
Freiräume schafft.
Es ist der Wunsch vieler Bürger, Wohneigentum zu erwerben. Die Wohneigentumsquote in
Deutschland ist jedoch zu niedrig. Deshalb muss die Wohneigentumsförderung nicht nur
erhalten, sondern auch bedarfsgerecht ausgebaut werden. Die Einkommensgrenzen bei der
Wohneigentumsförderung sind zu streichen. Im Eigenheimzulagengesetz ist neben dem
Barzuschuss auch die Option einer steuerlichen Förderung vorzusehen. Der Erwerb aus dem
Bestand muss stärker gefördert werden. Ferner ist der Erwerb von Wohneigentum durch
Abschaffung der Grunderwerbssteuer zu erleichtern. Bürokratische Regelungen wie die
Bauabzugssteuer und das Tariftreuegesetz lehnt die FDP entschieden ab.
Wohneigentum schafft Freiheit, Unabhängigkeit und Sicherheit gerade auch im Alter.
Deshalb muss Wohneigentum gleichberechtigt neben anderen Anlagemöglichkeiten in die
Förderung der privaten Altersvorsorge einbezogen werden.
Die FDP wird das bestehende Mietrecht entbürokratisieren und ändern, um die Rechte der
Vermieter wieder mit den Rechten der Mieter in Einklang zu bringen. Die sogenannte
"zweite Miete" belastet Mieter und Vermieter. Die FDP fordert die Senkung
öffentlicher Abgaben und Kostentransparenz. Wohngeld und Belegungsrechte sind die
marktwirtschaftlichen Steuerungsinstrumente zur Wohnraumversorgung einkommensschwächerer
Mitbürgerinnen und Mitbürger. Die Belegungsrechte müssen für private Vermieter
insgesamt wirksamer gestaltet werden. Der klassische soziale Wohnungsbau, ein Relikt der
50er Jahre, ist viel zu teuer, zu ineffizient und nicht zielgenau. Er hat deshalb
ausgedient. Die dafür bereitgestellten Finanzmittel sollten als Länderaufgabe dem
Wohngeld zugeordnet werden.
Die FDP spricht sich eindeutig gegen eine Erhöhung der Erbschaftssteuer aus und trägt
eine Reform der Grundsteuer, die zu Steuererhöhungen führt, nicht mit.
Für private Investoren müssen auch finanzielle Anreize geschaffen werden, alten- und
behindertengerechte Wohnungen zu bauen oder aus dem Bestand zu entwickeln. Damit können
ältere Mitbürger und Menschen mit Behinderungen sich freier entscheiden, wie und wo sie
wohnen möchten. Kostensparendes, flächensparendes und umweltfreundliches Bauen sind
liberale Leitlinien. Unsinnige bauphysikalische Vorschriften beim energiesparenden Bauen
lehnt die FDP ab.
X. Der Landwirt muss wieder zum Unternehmer werden
Die Agrarpolitik muss sich zukünftig an den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft
orientieren. Die FDP rückt den unternehmerischen Landwirt in den Mittelpunkt. Die
unerträgliche Agrar-Bürokratie muss radikal zurückgeschnitten werden. Quoten und
Marktregulierungen müssen durch marktwirtschaftliche Elemente ersetzt werden. Deshalb
sollen die Landwirte zukünftig für ihre Leistungen zur Pflege und Erhaltung unserer
Kulturlandschaft eine produktunabhängige Kulturlandschaftsprämie erhalten. Im Gegenzug
entfallen schrittweise die bisherigen Quoten und Marktordnungen.
Ein solcher Ausstieg kann nicht von heute auf morgen erfolgen. Unternehmerische Landwirte
brauchen Planungssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen. Nationale Sonderwege -
wie sie in vielen Bereichen von Rot-Grün beschritten wurden - sind abzulehnen. Sie
verschlechtern die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Landwirtschaft und isolieren
Deutschland innerhalb der EU. Vor dem Hintergrund der BSE-Krise muss der vorsorgende
Gesundheits- und Verbraucherschutz gestärkt und durch privatrechtliche Elemente ergänzt
werden.
Die rot-grüne Bundesregierung setzt mit der so genannten Agrarwende die falschen
Rahmenbedingungen für den Verbraucherschutz und die heimische Land-, Forst- und
Ernährungswirtschaft. Die Verbraucher sind durch nationale Alleingänge beim
Verbraucherschutz in einem offenen Binnenmarkt nicht wirklich zu schützen. Die einseitige
und überproportionale Förderung des ökologischen Landbaus ist ohne die entsprechende
Verbrauchernachfrage kontraproduktiv. Es besteht die Gefahr, funktionierende Märkte durch
eine unangemessene staatliche Förderung zu zerstören und die Einkommensbasis der
ökologisch wirtschaftenden Betriebe zu gefährden.
Ein wirksamer Verbraucherschutz hat gute Chancen in einer marktwirtschaftlichen Ordnung,
die strikte Regeln setzt und ihre Einhaltung kontrolliert. Staatliche Dirigismen, die vom
Misstrauen gegenüber dem Markt, den Produzenten und Verbrauchern gekennzeichnet sind,
sind keine Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft. Die FDP will Markttransparenz
durch Information, damit der Verbraucher eine Grundlage für seine Entscheidungen erhält:
Verbraucherpolitik ist Querschnittsaufgabe auf allen politischen Ebenen. Klare
Entscheidungen und Kompetenzzuweisungen sind notwendig. Dazu gehört ein abgestimmtes
Vorgehen auf EU-, Bundes- sowie Landes- und Kommunalebene. Die Sicherung der unabhängigen
Arbeit der Stiftung Warentest durch einmalige Bereitstellung eines Stiftungskapitals hat
für die FDP oberste Priorität.
Die so genannte Agrarwende und deren "Herzstücke", das Ökosiegel und die
Modulation, führen in die Sackgasse. Das Ökosiegel für Produkte des ökologischen
Landbau stellt im Gegensatz zu dem von der Wirtschaft entwickelten "QS-Siegel"
für konventionell hergestellte Nahrungsmittel keine ausreichende Kontrolle sicher. Die
vorgesehene Umsetzung der Modulation, also die Kürzung der EU-Prämien, bläht die
Agrar-Bürokratie weiter auf und bedingt durch den vorgeschriebenen Freibetrag agrar- und
strukturpolitische Verzerrungen. Da ein marktwirtschaftlicher Rahmen der beste
Verbraucherschutz ist, müssen freiwillige betriebliche Eigenkontrollen,
Qualitätsmanagement, Ökoaudit und Zertifizierung durch unabhängige Dritte sowie eine
konsequente Produkthaftung die staatliche Aufsicht ergänzen.
Die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes ist rückgängig zu machen. Aus eigentums-,
naturschutz- und agrarpolitischen Gründen ist die bisherige Ausgleichsregelung wieder
einzuführen, dem Vertragsnaturschutz eindeutigen Vorrang einzuräumen und die gute
fachliche Praxis in der Landwirtschaft wieder ausschließlich in den maßgeblichen
Fachgesetzen zu regeln.
Die rot-grüne Bundesregierung hat die steuerlichen Belastungen in unverantwortlicher Art
und Weise für die Agrarwirtschaft erhöht: Das reicht von der Einführung eines deutlich
erhöhten Steuersatzes für Agrardiesel, der Ökosteuer bis hin zur Erhöhung der
Umsatzsteuer für Tierarzneifütterungsmittel zur Finanzierung der so genannten
Agrarwende. Schließlich stellt die Einführung eines Steuersatzes für Agrardiesel von 25
cts/l eine immense Steuererhöhung und Benachteiligung gegenüber den Hauptwettbewerbern
in Europa dar. Diese Steuererhöhungen von mehr als 500 Millionen Euro müssen
zurückgenommen werden.
Eine unternehmerische Landwirtschaft ist auf die Nutzung des technischen Fortschritts
angewiesen. Daher ist es unverantwortlich, die Potentiale der Grünen Gentechnik in der
Landwirtschaft aus ideologischen Gründen in Deutschland und Europa zu blockieren.
XI. Ökologische Marktwirtschaft
Die FDP ist die Partei der ökologischen Modernisierung in deren Mittelpunkt der Mensch
steht. Liberales Leitbild ist dabei eine nachhaltige zukunftsverträgliche Entwicklung,
die ökologische Belastungen weiter reduziert und die Ressourcenproduktivität erhöht.
Das liberale Leitbild beinhaltet darüber hinaus qualitative Ziele, die ästhetische und
kulturelle Belange berücksichtigen, ein gesundes Umfeld schaffen und somit dem
Wohlbefinden der Menschen dienen. Für effizienten Umweltschutz sind moderne
marktwirtschaftliche Mechanismen zielführend und nicht bürokratisch-dirigistische
Verfahren. Die FDP setzt vorrangig auf die Eigenverantwortung von Bürgern und Wirtschaft
statt auf staatliche Verordnungen. Soziale Marktwirtschaft ist ökologisch.
Nachhaltigkeit
Die FDP versteht Nachhaltigkeit als ein Prinzip der Gerechtigkeit zwischen den
Generationen. Es geht darum, die Lebensqualität und den sozialen Zusammenhalt
nachfolgender Generationen zu sichern. Dies erfordert eine sachgerechte Verknüpfung
ökologischer, ökonomischer und sozialer Erfordernisse. Nachfolgende Generationen sollen
die gleichen Chancen zur wirtschaftlichen Entfaltung haben wie die heute lebenden
Generationen. Jede Generation ist verpflichtet, die Freiheitschancen Nachgeborener zu
bewahren und nicht durch Verbindlichkeiten und Verschwendung dieses Erbes zu riskieren.
Dabei geht es nicht allein um die Menge und Qualität natürlicher Ressourcen. Zum Erbe
gehören auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Errungenschaften. Die Nutzung des
marktlichen Preismechanismus gewährleistet, dass wirtschaftliche Dynamik und technischer
Fortschritt Potenziale zur Kostensenkung aufdecken und auch Chancen für neue
Arbeitsplätze entstehen. Umweltpolitische Ziele sollen dabei stets mit minimalem Aufwand
realisiert werden, so dass mit gegebenen Mitteln ein möglichst großer Umweltnutzen
erreicht wird.
Energie sinnvoll nutzen
Ziel liberaler Energiepolitik ist eine nachhaltig zukunftsfähige und effiziente
Energieversorgung. Eine konsequente Verringerung der Treibhausgasemissionen ist im
Interesse des Erdklimas geboten. Liberale Energiepolitik orientiert sich am Leitbild der
Nachhaltigkeit. Unsere Aufgabe ist es daher, die gleichrangige Verwirklichung von
Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit sowie Umwelt- und Sozialverträglichkeit
durchzusetzen. Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit bei der Energieversorgung
bedeuten, dass der Anteil einzelner Träger an der Gesamtenergieversorgung die
tatsächlichen Kosten der Energieumwandlung berücksichtigen muss. Auch bei der
Energieversorgung muss jede Form von Ressourcenverschwendung vermieden werden. Es gilt
also, einen optimalen Energiemix unter geringst möglichen Kosten bereitzustellen.
Effiziente Energieversorgung bedeutet demnach grundsätzlich nichts anderes als eine
wirtschaftliche Energieversorgung, die zugleich umweltverträglich ist. Dies betrifft
besonders den Klimaschutz. Aus Klimaschutzgründen ist der Abschied von der Kernenergie
der falsche Weg. Auch über die Betriebszeit der heutigen Kernkraftwerke hinaus brauchen
wir diese Option der Stromerzeugung. Mit einem umfassenden Emissionshandel werden externe
Kosten der Energiebereitstellung elegant bei der Preisbildung berücksichtigt und
Innovationen angestoßen. Bis dahin setzt liberale Klimapolitik auf Energieeinsparung, auf
eine Erhöhung der Energieeffizienz sowie auf eine Förderung erneuerbarer Energien. Die
Frage, welche konkrete Energieform im Kreise aller möglichen erneuerbaren Energien
wirtschaftlich genutzt und in das Stromnetz eingespeist wird, soll jedoch von Staats wegen
nicht entschieden werden. Die FDP will die Forschungsförderung im Bereich der sogenannten
erneuerbaren Energien verbessern, indem die Mittelvergabe künftig durch
Ausschreibungswettbewerbe und damit sowohl wirtschaftlich als auch transparent erfolgt:
Derjenige kommt zum Zug, der das günstigste Angebot vorlegt. Diese Förderung wird
ergänzt, indem ein marktlich organisiertes Handelsmodell eingerichtet wird, um
ausgereifteren Techniken eine eigenständige Marktteilnahme zu ermöglichen.
Abfallwirtschaft
Wie bei Telekommunikation und Energieversorgung muss zum Wohle der Bürgerinnen und
Bürger auch bei der Abfallentsorgung der Weg zu einer weiteren Liberalisierung
beschritten werden. Umfang und Intensität der abfallpolitischen Regulierung sollen auf
das umweltpolitisch gebotene Ausmaß reduziert werden. Die FDP will die Abfallwirtschaft
vollständig in privatwirtschaftliche, wettbewerbliche Strukturen überführen. Das
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz soll mit dem Ziel der Aufhebung landesrechtlicher
Andienungs- und Überlassungspflichten geändert werden, um bestehende Monopole und
monopolähnliche Strukturen aufzuheben und so die Voraussetzung für eine
wettbewerbsgerechte und mittelstandsfreundliche Neugestaltung der Verträge zu schaffen.
Außerdem müssen bei der seit langem angekündigten Novellierung der
Verpackungsverordnung stärker als bisher faire Wettbewerbsbedingungen für konkurrierende
Systeme gewährleistet werden. Die FDP tritt dabei auch für eine Flexibilisierung der
Mehrwegquote ein. Die grundsätzliche ökologische Überlegenheit von Mehrwegverpackungen
ist wissenschaftlich widerlegt. Nicht mehr angemessen sind damit auch die alten
Instrumente zur Durchsetzung der Mehrwegquote. Das Zwangspfand ist ökologisch
kontraproduktiv, technisch unzeitgemäß und wirtschaftlich unvertretbar.
Natur- und Artenschutz
Für den Naturschutz fordert die FDP mehr Kooperation mit den Betroffenen durch
freiwillige Maßnahmen und einen Ausbau des Vertragsnaturschutzes. Die FDP lehnt dagegen
die in der rot-grünen Naturschutznovelle vorgesehenen Nutzungseinschränkungen ab, weil
sie ökologisch sinnlos sind und die naturschutzrelevanten Wirtschaftsbereiche unnötig
belasten. Um ökologische Ziele im Naturschutz zu erreichen, setzt die FDP andere Akzente.
Lebensqualität und sozialer Zusammenhalt können auch auf nationaler Ebene nur
gewährleistet werden, wenn die Menschen im Mittelpunkt der Umweltpolitik stehen.
Menschen, die sich in ihrer Heimat wohlfühlen, leisten freiwillig mehr für Natur und
Umwelt als grüne Öko-Bürokratie und staatliche Verbotspolitik. Deshalb setzt die FDP
auf persönliche Verantwortung und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Mit öffentlichen
Geldern finanzierte Maßnahmen können privaten Eigentümern Vorbilder sein. Nur Menschen,
die die Natur kennen und mit ihr vertraut sind, haben aus eigenem Erleben eine positive
Beziehung zur Natur und schützen sie besser, als unkontrollierbare Verordnungen dies je
erreichen können.
Daher muss eine Naturschutzpolitik langfristig scheitern, die den Menschen aussperrt.
Menschen sollen nicht als Störenfriede aus der Natur verdrängt, sondern, wo dies geboten
ist, mit den Argumenten des Natur- und Artenschutzes um Rücksichtnahme gebeten werden.
Die Naturnutzer - dazu gehören auch Segler und andere Sportler, Jäger und Wanderer -
haben Freude an ihren Revieren. So sind beispielsweise die Sportfischer als Naturnutzer
auch engagierte Naturschützer. Nicht Naturschutz und Umweltpolitik gegen die Menschen,
sondern mit ihnen und für sie ist das Konzept der FDP.
Die FDP hält an der Einführung des Staatszieles Tierschutz fest, da es eine effektive
Möglichkeit ist, eine sinnvolle Abwägung zwischen den Belangen des Tierschutzes und etwa
der Forschungs- und Religionsfreiheit zu erreichen.
Politik für ein innovatives Deutschland
Bildung ist Bürgerrecht. Erziehung, Bildung und Ausbildung junger Menschen zählen zu den
vorrangigen Aufgaben der Gesellschaft. Nur engagierte, gut ausgebildete und kreative
Menschen werden angesichts des rasanten gesellschaftlichen, sozialen und vor allem
technischen Wandels die Herausforderungen der Zukunft bewältigen. In unserem
rohstoffarmen Land ist Bildung der entscheidende Standortfaktor für nachhaltigen
Wohlstand aller. Bildung schafft damit die materielle Grundlage unseres modernen
Sozialstaates.
Gleichrangig mit der Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten muss unser Bildungssystem
Werte und Normen unserer Gesellschaft und Kultur den jungen Menschen nahe bringen. Bildung
und Ausbildung sollen zu Unabhängigkeit und Selbstbewusstsein erziehen und die
Bereitschaft fördern, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen.
Bildung muss auf die Lebenswirklichkeit der Menschen eingehen und alle Dimensionen
menschlicher Fähigkeiten, von den emotionalen und willensmäßigen über die
ästhetischen bis zu sozialen und handlungsbezogenen Aspekten des Daseins erfassen.
Bildung muss eine souveräne Orientierung in der Welt vermitteln.
Ein solides Grundwissen in Verbindung mit fachlichem Können und sozialer Kompetenz
ermöglicht es den Menschen, Leistungen zu erbringen, neue Herausforderungen zu
bewältigen und gesellschaftliche Prozesse mitzugestalten statt sie nur nachzuvollziehen.
Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands hängt im Wesentlichen davon ab, wie
gut die Menschen für den Beruf ausgebildet sind und wie sie sich im und neben dem Beruf
weiterbilden können. Das für die berufliche Praxis nötige Spezialwissen wandelt sich
immer schneller und erfordert eine ständige Überprüfung und Erneuerung des einmal
Gelernten. Der beruflichen Bildung und Weiterbildung kommt angesichts dessen eine
besondere Bedeutung zu.
Unser Bildungssystem muss sich ständig selbst überprüfen
Nur mit großer Vielfalt unterschiedlichster Bildungsangebote und Organisationsformen kann
die Gesellschaft heutigen und künftigen Anforderungen gerecht werden.
Darum wollen wir eine Neuverteilung der Verantwortung im Bildungsbereich: Für eine
Stärkung der Eigenverantwortung der Bildungseinrichtungen, für Wettbewerb um die
besseren Konzepte und damit auch um die Bildungsteilnehmer selbst. Bildungseinrichtungen
in freier Trägerschaft erweitern und bereichern das staatliche Bildungsangebot. Sie
zeigen schon heute, dass pädagogische Vielfalt im Wettbewerb zu guten Ergebnissen führt.
Aber auch sie werden künftig mehr gefordert sein, wenn staatliche Schulen im Wettbewerb
mehr Bewegungsfreiheit erhalten. Bildungseinrichtungen in freier Trägerschaft, die
staatlich anerkannte Abschlüsse anbieten, müssen daher dieselbe Förderung erhalten, wie
die entsprechenden staatlichen Einrichtungen.
Die FDP wird den Anteil der Bildungsausgaben erhöhen und gibt Investitionen in Bildung
und Forschung Vorrang in den öffentlichen Haushalten.
Die FDP wird dafür eintreten, dass die Kultusministerkonferenz abgeschafft wird. Das
überregulierte Bildungswesen braucht Raum, um neue Konzepte erproben zu können. Die FDP
fordert ein Rahmengesetz, das einheitliche Bildungsstandards garantiert.
Darüber hinaus darf Bildung in einer sich ständig und teilweise sprunghaft wandelnden
Welt nicht als eine einmalige Angelegenheit verstanden werden. Bei mittlerweile fast
dreißigtausend Weiterbildungsträgern, 20 Mio. Teilnehmern und einem Kostenvolumen von 52
Mrd. Euro pro Jahr müssen Rahmenbedingungen für mehr Effizienz und Transparenz
geschaffen werden. Dazu sollte eine Stiftung Bildungstest, ähnlich der Stiftung
Warentest, eingerichtet werden. Die Bildungsträger müssen verpflichtet werden, Systeme
freiwilliger Zertifizierung zu schaffen. Für Teilnehmer an Weiterbildung ist ein
Bildungspass zu schaffen, der ihre Bildungs- und Weiterbildungsschritte auf freiwilliger
Basis in standardisierter Form dokumentiert.
In den Schulen muss die Qualifikation von Lehrern in der unterrichtsfreien Zeit ebenso
selbstverständliche Pflicht werden wie in den Hochschulen. Die wissenschaftliche
Weiterbildung muss für die Professoren der Hochschulen bundesweit dritte Pflichtaufgabe
neben Lehre und Forschung werden.
Die FDP fordert die Erstellung eines nationalen Bildungsberichtes. In diesem Bericht sind
einmal pro Legislaturperiode die Daten zum gesamten Bildungssystem vom Kindergarten bis
zur Weiterbildung von Bund und Ländern zu erheben und dem Bundestag vorzulegen.
I. Bildung ist eine Hauptaufgabe der Gesellschaft - und der Familie
Elternschaft heißt auch, den Erziehungsauftrag des Grundgesetzes
ernst zu nehmen: "Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der
Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht" (Artikel 6 Absatz 2). Die Aufgabe der Bildung unserer
Kinder ist durch die Schule nicht alleine zu erfüllen.
Die Bildung unserer Kinder muss so früh wie möglich anfangen, denn Bildungsdefizite in
den ersten fünf Jahren können von der Schule nicht mehr aufgeholt werden. Deshalb muss
ein bildungspolitischer Schwerpunkt auf Kindertagesstätten und Kindergärten gelegt
werden. Hierzu ist eine verstärkte finanzielle Förderung und eine Verbesserung der
Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern nötig. Damit die vorschulische Ausbildung
professionell betrieben werden kann, benötigen wir pädagogische Profis.
Eine bessere Ausstattung mit Kinderbetreuungsplätzen ist eine wichtige Aufgabe, der sich
die Politik zwingend stellen muss. Insbesondere das Betreuungsangebot für Kinder unter
drei Jahren und Grundschulkinder ist zu erweitern. Die Förderung von Kindern in den
Tageseinrichtungen und der Tagespflege erfüllt eine gesellschaftliche Funktion.
Kindertageseinrichtungen sind auch als frühzeitige Vorbereitung auf den Schulbesuch ein
elementarer Bestandteil des Bildungssystems und gerade in unserer sich wandelnden
Informationsgesellschaft wichtig. Die FDP setzt sich für die Verbesserung der
Kinderbetreuung durch mehr Markt und Wettbewerb ein.
Darüber hinaus fordert die FDP ein breiteres Angebot an integrativen Kindergärten für
deutsche und ausländische Kinder. Auch muss die Förderung deutscher Sprachkenntnisse,
bei deutschen genauso wie bei ausländischen Kindern, integraler Bestandteil der
Vorschulerziehung werden. Insgesamt sind Kindergärten zu spielerischen Elementarschulen
aufzuwerten. Das erlaubt eine frühkindliche Förderung mit einem klaren Bildungskonzept.
Der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz muss von den Bundesländern umgesetzt
werden, damit er von den Eltern als Vertreter ihrer anspruchsberechtigten Kinder wirklich
in Anspruch genommen werden kann. Gemeinsam mit den Kommunen ist zusätzlich für ein
bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsbetreuung für Kinder verschiedener Altersstufen zu
sorgen. Kindergärten, die vorschulische Aufgaben übernehmen, müssen gebührenfrei sein.
Ein Sparpotenzial besteht in diesem Zusammenhang in der Beseitigung bürokratischer
Hemmnisse, der Verschlankung kostentreibender Bauvorschriften für Kindergärten und in
dem Verzicht auf überholte und überzogene Regulierungen, z.B. bei der räumlichen
Ausstattung. Ziel der Liberalen ist die Schaffung eines neuen Freiraumes für Kommunen und
die einzelnen Einrichtungen, um nach konkreten Erfordernissen vor Ort zu entscheiden. Denn
Kommunen und andere Träger von Betreuungseinrichtungen sind selbstständig in der Lage,
gemeinsam mit den Eltern die erforderlichen Standards sowie die Prioritätensetzung zu
definieren.
Um ein flexibleres und am Bedarf orientiertes Angebot zu schaffen, fordert die FDP die
Einführung des sogenannten Kita-Card-Modells. Mit der Kita-Card wird der Anspruch der
Eltern auf eine Kinderbetreuung bestätigt, ohne dass damit die Zuweisung eines konkreten
Platzes verbunden ist. Mit der Kita-Card treten die Eltern auf dem Markt der Anbieter als
Nachfrager auf und suchen sich die von ihnen gewünschte Leistung aus. Die Qualität des
Betreuungsangebotes soll die Nachfrage bestimmen - nicht bloß die Nähe der Wohnung. In
diesem Zusammenhang muss es auch möglich werden, die Kita-Cards bei Arbeitgebern
einzulösen, die in ihrem Unternehmen eine Kinderbetreuung ermöglichen, die bestimmten,
zu definierenden Qualitätsstandards entspricht.
Leistungsstarke Schulen - neue Rahmenbedingungen schaffen
Aufgabe der Schule der Zukunft wird es vor allem sein, bei der nachwachsenden Generation
die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen zu wecken und die entsprechenden Fähigkeiten dazu
auszubilden. Die Überregulierung des deutschen Schulwesens muss abgebaut werden, damit
unsere Schulen diese Aufgabe lösen können.
Für eine solide Grundausbildung
Die Grundschulen sind wesentlich zu stärken. Schulhorte sind generell an die Schulen zu
koppeln. Fremdsprachenunterricht sollte spätestens beginnend mit der dritten Klasse
fester Bestandteil des Lehrplans werden. Eine größere Chancengerechtigkeit für die
Schüler durch Vertiefung der Grundkenntnisse und -fertigkeiten erfordert eine deutliche
Ausweitung der Ganztagsangebote in allen Schulformen. Die Ganztagsschule, soweit sie die
ergänzende Betreuung von Kindern umfasst, muss ein Angebot bleiben, dessen Annahme
letzten Endes von der Entscheidung der Eltern abhängt. Die FDP lehnt dabei ein Modell der
Ganztagsschule, das ausschließlich verstanden wird als eine Verlängerung der
Halbtagsschule, ab. Für die Betreuung der Kinder an Ganztagsschulen müssen neue Modelle
erlaubt werden, die eine Zusammenarbeit mit Kinderhorten und anderen Einrichtungen freier
Träger ebenso sinnvoll einbeziehen, wie die Erziehungsberechtigten.
Die FDP will, dass unsere Kinder schon mit fünf Jahren eingeschult werden können. Eine
frühere Einschulung trägt nicht nur den sich zunehmend verändernden
Lebensverhältnissen vieler Familien Rechnung. Sie eröffnet die Möglichkeit, die
Lernbereitschaft und Wissbegier der Schüler frühzeitig pädagogisch sinnvoll zu nutzen.
Die Leistungen unserer Kinder müssen für Eltern und Kinder verständlich bewertet
werden.
Die Arbeitsbedingungen besonders der Grundschulen sind zu verbessern. Die PISA-Studie hat
deutlich gemacht: Während in anderen Ländern Klassengrößen von 20 Kindern nicht
überschritten werden dürfen, sind - vor allem in den Ballungsgebieten Deutschlands -
Klassenstärken von bis zu 30 Kindern die Normalität. Die FDP setzt sich daher für eine
deutliche Verbesserung der Lehrer-Schüler Relation in den Grundschulen ein.
Für Chancengleichheit
Chancengleichheit im Bildungswesen zu gewährleisten, hat für die FDP Priorität. Das
bedeutet Gleichheit der Chancen am Start , jedoch nicht Gleichheit der Ergebnisse am Ziel.
Vor der Einschulung sollten alle Kinder einen verbindlichen Eingangstest durchlaufen, der
nicht nur ihre "Schulfähigkeit", sondern auch Lernschwächen, besondere
Begabungen und vor allem auch Sprachprobleme erfasst. Kinder, die zum Zeitpunkt des
Schuleintritts die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrschen, sind so lange gesondert
zu fördern, bis sie den Anschluss an die anderen Kinder ihrer Jahrgangsstufe erreicht
haben.
Die FDP begrüßt die verschiedenen Formen der Bemühungen zur Integration von behinderten
Kindern in Kindergärten und Schulen. In allen Bundesländern sollen behinderte Kinder in
Regelkindergärten und Regelschulen gehen können. Dem Elternwillen und den Wünschen der
behinderten Menschen sollte in Zukunft vermehrt Rechnung getragen werden. Die
Durchlässigkeit zwischen den Einrichtungen ist zu verbessern. Behinderte und
nichtbehinderte Menschen sollten zukünftig gemeinsam innerhalb einer Bildungseinrichtung
unterrichtet werden. Sonder- und Regelschulen können unabhängig voneinander unter einem
Dach existieren.
Ebenso wie Lernschwache und Lernbehinderte haben auch Hochbegabte ein Recht auf besondere
schulische Förderung. Die FDP will die durchgehende Förderung Hochbegabter - vom
Kindergarten über die Grundschule und weiterführende Schule bis zum Studium und zur
Berufsbildung. Bei Hochbegabten versagen die üblichen Methoden der Pädagogik. Die FDP
fordert daher bundesweit die Einrichtung von Lehrstühlen für Hochbegabtendidaktik und
-pädagogik sowie eine Reform der Lehrerausbildung, die den Bedürfnissen der Hochbegabten
Rechnung trägt.
Für Innovationen
Zu keiner Zeit reichte es aus, sich auf einmal erworbenem Wissen auszuruhen. Lebenslanges
Lernen gewinnt jedoch eine neue Qualität, wenn sich die Innovationszyklen auf immer
kürzere Zeitspannen reduzieren. Arbeitsplätze entstehen durch Bildung. Zur notwendigen
Bildung, die im Berufsleben gefordert ist, gehören auch Kenntnisse im Umgang mit neuen
Medien.
Neue Werkzeuge wie Computer erfordern auch neue Konzepte. Deshalb: Neue Medien gehören in
die Bildungseinrichtungen. Die dafür nötigen Haushaltsmittel, auch solche für
Systembetreuung, sind bereitzustellen. Diese Mittel sind einerseits aus der Privatisierung
staatlicher Unternehmen, anderseits aus der Streichung von Subventionen zu gewinnen.
Schulsponsoring ist durch die Politik durch den Abbau von bürokratischen Hindernissen zu
fördern. Unternehmen sollen sich dazu bekennen dürfen, Schulen mit Computern oder
Büchern ausgestattet zu haben. Schulen sollen mit einer guten Ausstattung für sich
werben dürfen. So kann die Wirtschaft tatsächlich mit in die Verantwortung für eine
gute Ausbildung der Schüler genommen werden.
Leistungsstarke Schulen - Eigenständigkeit, Wettbewerb und Verantwortung
Im Schulwesen soll die Vielfalt der Angebote und die Eigenständigkeit der einzelnen
Schulen entwickelt werden. Dazu benötigen die Schulen deutlich mehr Möglichkeiten zur
Selbstverwaltung, als es die geltende Gesetzgebung derzeit zulässt. Die FDP fordert eine
größere pädagogische und finanzielle Verantwortung der einzelnen Bildungseinrichtungen,
damit sich der Wettbewerb zwischen den einzelnen Schulen verstärkt und das bessere
Konzept sich durchsetzen kann. Derzeit verlassen pro Jahr circa 87000 Schüler (9%) die
allgemeinbildende Schule ohne Abschluss. Dieser erschreckend hohen und leider gestiegenen
Zahl kann nur entgegengearbeitet werden, wenn neue Konzepte schulischer Arbeit entwickelt
und umgesetzt werden.
Darüber hinaus ist die Profilbildung von Schulen zu erleichtern und der Wettbewerb
zwischen allen Schultypen zu fördern. Die Bundesländer müssen in ihren Schulgesetzen
den Schulen Verantwortung übertragen. Dabei bilden Pro-KopfPauschalzuweisungen, die die
Schulen vom Schulträger erhalten und über deren Verwendung die Schulen selbstständig
entscheiden können und volle Personalautonomie die Chance für eine
Qualitätsverbesserung und den Wettbewerb. Schulen müssen die Möglichkeit erhalten, das
Personal selbst einzustellen, das sie benötigen.
Die Schulbezirke müssen abgeschafft werden. Nur so erhalten auch die Eltern die
Möglichkeit, sich aus einem vielfältigen Schulangebot die geeignete Bildungseinrichtung
für ihre Kinder auszuwählen.
Eine verbindliche und transparente Qualitätssicherung ist die entscheidende Voraussetzung
für den Stellenwert der deutschen Schulen im internationalen Maßstab ebenso wie für
deren Vergleichbarkeit bundesweit und am einzelnen Schulort. Die Qualitätssicherung an
Schulen muss künftig eng mit einer regelmäßigen Rechenschaftslegung gegenüber den
Eltern, der Kommune, der Wirtschaft und den weiterführenden Bildungseinrichtungen
verbunden werden. Eine Einbeziehung von Vereinen, Unternehmen, Kirchen, Bibliotheken usw.
ist ein dringendes Erfordernis. Die Qualität einer Schule muss messbar und überprüfbar
gemacht werden. Um dieses Ziel zu erreichen und die Öffentlichkeit stärker in den
Bildungsprozess einzubeziehen, ist ein Ranking unter den Schulen sinnvoll.
Qualitätssicherung ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die zukünftigen
sozialen Chancen unserer Jugend. Vordringliches Ziel aller Veränderungen im Schulsystem
muss die konsequente Erarbeitung und Sicherung vergleichbarer Standards in allen
Abschlüssen und Prüfungen sein. Um eine Vergleichbarkeit der Schulabschlüsse zu
gewährleisten, setzt sich die FDP daher für generelle Abschlussprüfungen nach der
neunten bzw. zehnten Klasse ein. Damit sollen die Aussichten der Schulabgänger auf dem
Arbeitsmarkt verbessert werden. Auch fordert die FDP das Abitur bundesweit nach 12 Jahren.
Dabei müssen Mindeststandards festgelegt werden, um einer faktischen Entwertung des
Abiturs als Zugangsberechtigung zum Hochschulstudium entgegenzuwirken. In der sich so
entwickelnden Wettbewerbsordnung muss der Staat künftig staatlichen und Bildungsanbietern
in freier Trägerschaft die gleichen Möglichkeiten einräumen. Private Träger erhalten
künftig die gleichen Pro-Kopf-Beträge wie die staatlichen.
II. Praxistaugliche Berufsausbildung
Eine Reform im Bereich der Beruflichen Bildung ist unumgänglich. Das duale System mit
seinen Komponenten der Berufsschulausbildung und der praktischen Lehrzeit in Betrieben
besitzt national und international einen hohen Stellenwert. Zwei Drittel aller
Jugendlichen eines Altersjahrgangs absolvieren eine Ausbildung im dualen System.
Allerdings ist dieses Berufsbildungssystem reformbedürftig. Derzeit sind 20% der
Jugendlichen nach Besuch der allgemeinbildenden Schule nicht wirklich
berufsausbildungsfähig. 10-14% der Jugendlichen eines Altersjahrgangs bleiben trotz aller
Fördermaßnahmen ohne Berufsausbildung. Der dualen Berufsausbildung drohen infolge dieser
Faktoren materieller Schaden und Imageverlust zugleich.
Vor dem Hintergrund der anhaltenden Ausbildungsbereitschaft in der deutschen Wirtschaft
und Europäisierung in allen Wirtschaftszweigen muss sich Deutschland einer Strukturreform
in der beruflichen Bildung stellen. Grundlagenwissen, spezielles Fachwissen und
lebenslange Weiterbildung müssen miteinander verzahnt werden. Dabei müssen Fremdsprachen
im Vordergrund stehen.
Ganzheitliches Berufsprofil
Für die FDP muss die Berufsausbildung auch zukünftig zu einem klaren Berufsprofil
führen, welches die volle berufliche Kompetenz gewährleistet. Es sichert
Arbeitsmarktmobilität und vermeidet Mehrkosten. Dem Auszubildenden verschafft es eine
hohe Identität mit dem erlernten Beruf und ein geringeres Arbeitsplatzrisiko. Es ist
kompatibel zu anderen Berufsbildungsstrukturen wie der Berufsberatung und
Sozialversicherungssystemen.
Verhältnis Staat - Wirtschaft verbessern
Die FDP will das Verhältnis von Wirtschaft und Staat neu definieren. Dabei darf die
Ausbildungsverantwortung der Wirtschaft nicht durch staatliche Vorgaben eingeengt werden.
Vielmehr muss die Wirtschaft die Ausbildung lenken, während der Staat nur begleiten soll.
Das LE-GO-Modell - Flexible Regelungen mit Modulsystem
Eine starre Berufsausbildung entspricht nicht mehr den dynamischen Entwicklungen in der
heutigen Arbeitswelt. Vielmehr müssen Lernzielkataloge flexible Rahmenbedingungen für
die Vermittlung von typischen Tätigkeitsfeldern schaffen. Die FDP schlägt eine
Differenzierung und Verkürzung, in besonderen Situationen eine Verlängerung der
Ausbildungszeiten vor. Diese Ausbildungszeiten setzen bausteinartige Ausbildungsangebote
voraus (Modulsystem "LE-GO!" = Learn and Go!). Die fachliche Qualifikation ist
dabei der Kern der Ausbildung und wird ergänzt durch die Vermittlung von Sozial- und
Methodenkompetenzen.
Zunächst vermittelt ein Grundbaustein das komplette berufliche Orientierungswissen und
die typischen Tätigkeitsfelder des Berufes. Daran knüpfen differenziert und wahlweise
Aufbaubausteine an. Sie vermitteln die volle fachliche Berufskompetenz. Verschiedene
Ausbildungsabschnitte wie Pflicht-, Wahlpflicht- oder Wahlmodule können - auch zeitlich
unabhängig voneinander - vermittelt werden. Durch Zusatzqualifikationen ist der
Auszubildende im späteren Beruf flexibel. Berufliche Fortbildungsthemen könnten im
LE-GO!-System zeitlich vorgezogen werden und damit eine echte Konkurrenz zu akademischer
Bildung darstellen. Wenn mit Hilfe von LE-GO! einzelne Ausbildungsabschnitte geprüft und
bewertet werden, hat auch der Ausbildungsabbrecher eine Chance, später seine Ausbildung
mit einem Berufsabschluss zu komplettieren.
Mit LE-GO! können sich auch die Jugendlichen integrieren, die aufgrund spezieller
persönlicher Fähigkeiten in der herkömmlich eingeteilten Ausbildungsstruktur weniger
gute Leistungen erbringen würden. Sie entscheiden sich für eine andere
Schwerpunktsetzung der Ausbildungskomponenten (z.B. bei eher praktisch Begabten).
Euro-Ausbildungspass
Die FDP will einen Ausbildungspass einführen, in dem einzelne Ausbildungsabschnitte als
Teilkompetenzen ausgewiesen werden. Auf diese Bescheinigungen kann bei späteren
Nachqualifizierungen oder Nachholung des Abschlusses zurückgegriffen werden. Während der
Ausbildung gibt der Pass über den erreichten Stand der Ausbildung und über noch zu
vermittelnde Teilausbildungsmodule Auskunft. Auch Ausbildungsabbrechern ermöglicht der
Pass den Nachweis über abgelegte Teilausbildungen. Durch den Pass kann eine Ausbildung an
mehreren Ausbildungsstätten oder auch virtuell durchgeführt werden. Dies wiederum
fördert Ausbildungsverbünde, Lernortkooperationen und überbetriebliche Ausbildungen.
Allerdings darf durch die Einführung des Ausbildungspasses nicht der Eindruck erweckt
werden, dass einzelne Ausbildungsbausteine genügen würden, um einen vollwertigen
Berufsabschluss zu erhalten bzw. in einem Beruf gleichgestellt arbeiten zu können. Hier
muss durch tarifpolitisch abgestimmte Lohnvariationen deutlich gemacht werden, dass nur
alle zum vollen Berufsprofil und auch zur vollen tariflichen Vergütung in der Arbeitswelt
führt.
Berufsbildungsangebot erweitern
Die FDP fordert ein Berufsbildungsangebot, das differenzierter als das herkömmliche ist.
Es muss auf neue Berufsbilder mit neuen Profilen und flexiblen Ausbildungszeiten
reagieren. Die FDP tritt ein für eine zukunftsorientierte Verknüpfung von
allgemeinbildenden Schulabschlüssen mit Fachausbildungen.
Strukturwandel an staatlichen Berufsschulen Staatliche Berufsschulen müssen für
den Wettbewerb mit privaten Berufsschulen, Akademien, freien Trägern und betrieblichen
Berufsschulen fit gemacht werden. Sie brauchen dringend mehr Eigenverantwortung, damit sie
wirkliche Selbständigkeit und Handlungsfreiheit entwickeln. Curricula und Schulangebote
müssen auf Bedürfnisse der Ausbildungsbetriebe zugeschnitten werden. Berufsschulen
müssen hinsichtlich der technischen Ausstattung verbessert werden. Die FDP fordert, dass
jede deutsche Berufsschule über eine ausreichende Internet-Anbindung verfügt. An den
Berufsschulen müssen alternative Lehrmethoden erprobt und Methodenvielfalt zugelassen
werden. Beispiel hierfür ist das probeweise Vermitteln von Lernstoff durch den besten
Auszubildenden in der Klasse. Insgesamt muss die Attraktivität des dualen
Berufsschulsystems gegenüber den Ausbildungen an Berufsakademien und Hochschulen erhöht
werden.
Lehrerberuf mit neuen Anreizen
Auf drei freie Berufsschullehrerstellen bewirbt sich derzeit ein Lehrer. Damit droht den
Berufsschulen ein erheblicher Lehrermangel. Die Ausbildung zum Berufsschullehrer muss neu
überdacht, Studienordnungen überarbeitet und ausgeweitet werden. So muss auch in den
betriebswirtschaftlichen und ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen die Ausbildung von
Berufsschullehrern bundesweit möglich sein. Berufsbegleitende Studiengänge für
praxiserfahrene Diplom-Ingenieure wären geeignet, die Fachkräfte auch für eine
Lehrtätigkeit an beruflichen Schulen vorzubereiten.
Virtuelle Wissensvermittlung
Die virtuelle Wissensvermittlung muss gefördert werden. Der zweitgrößte private
Ausbilder in Deutschland praktiziert die Wissensvermittlung des Lernstoffes beim
Berufsbild des Industrietechnologen bereits zu 30% auf virtuellem Wege.
Internationalisierung des Berufes
Die internationale Komponente in der beruflichen Ausbildung muss stärker gefördert
werden. Bisher fehlen Anreize für die Ausbildung deutscher Azubis im Ausland. Auch
müssen Möglichkeiten für ausländische Auszubildende geschaffen werden, sich in
Deutschland ausbilden zu lassen. Ausländischen Unternehmen sind in Deutschland nur dann
verstärkt ausbildungsbereit, wenn sie besser informiert und betreut werden. Die
Ausbildungsordnungen müssen so verändert werden, dass sie mit den LE-GO!-Modulen
kompatibel sind. Der Auszubildende muss eigenverantwortlich entscheiden können, welche
weiterführenden Qualifikationen er nach dem Grundbaustein ablegen will. Durch
entschlackte Ausbildungsordnungen könnten Unternehmen auch konkrete Aufträge in die
Ausbildung integrieren. Dies würde das selbständige Arbeiten und die Motivation der
Auszubildenden fördern.
Lebenslanges Lernen - Fortbildung durch Anreize und Eigenengagement
Die Berufsschule muss auch Weiterbildungseinrichtung sein, in der Aus- und Weiterbildung
ineinander übergehen. Daneben muss nach liberalem Verständnis die eigenverantwortliche
Fortbildung des Arbeitnehmers außerhalb der Arbeitszeit gefördert werden. Beispielsweise
muss der Arbeitnehmer Anspruch auf Dokumentation der Weiterbildung als
Berufsqualifizierung im Ausbildungspass haben.
Bessere Prüfungen gewährleisten
Abschlussprüfungen in der Berufsausbildung müssen in der Wertigkeit allgemeinbildenden
Abschlüssen gleich stehen. Mit dem Modulsystem muss ein flexibleres Prüfungssystem mit
höherwertigen Zwischenprüfungen geschaffen werden.
Ausbildungsfinanzierung
Die FDP will keine Rückkehr zum "Lehrgeld". Auszubildende leisten während
ihrer praktischen Ausbildungszeit wertvolle Arbeit in Betrieben. Eine Vergütung ist
gerechtfertigt. Durch die Dokumentation ohne aufwendige Prüfungsverfahren für die
verschiedenen Module werden die Prüfungskosten der Ausbildungsbetriebe eher gesenkt. Das
liberale Bildungsschecksystem, das die FDP für die Hochschulfinanzierung vorgeschlagen
hat, ist auch in der beruflichen Bildung einsetzbar.
Die berufliche Bildung braucht Reformen, damit in Zukunft Berufsschüler durch kompetente
Berufslehrer gut qualifiziert ausgebildet werden. Nur dann werden Absolventen einer
Berufsschule den Anforderungen einer modernen Wirtschafts- und Wissensgesellschaft
gerecht.
III. Hochschule - Mehr Qualität durch Wettbewerb
Das deutsche Hochschulsystem ist im internationalen Vergleich nicht mehr
wettbewerbsfähig. Sowohl in der Lehre als auch in der Forschung zählt Deutschland nicht
mehr zur Weltspitze. Die Arbeit an den Hochschulen ist bestimmt durch die Engpässe der
Länderhaushalte und abhängig von Bund-Länder-Notprogrammen. Bei der
Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau schiebt der Bund eine Bugwelle finanzieller
Verpflichtungen gegenüber den Ländern für deren jahrelange Vorleistungen in
Milliarden-Höhe vor sich her. Die interne Struktur der Universitäten und Fachhochschulen
ist, bedingt durch das öffentliche Dienstrecht und eine bürokratische
Mittelbewirtschaftung, in hohem Maße ineffizient. Qualität in der Lehre zahlt sich für
Hochschullehrer oftmals nicht aus, Studierende haben keine Nachfragemacht. In
Studiengängen, die von der Zentralen Vergabestelle für Studienplätze (ZVS) kontrolliert
werden, werden ihnen die Hochschulen und den Hochschulen die Studierenden vorgeschrieben.
Die von Rot-Grün versprochene grundlegende BAföG-Reform ist ausgeblieben.
Die wettbewerbsfähige Hochschule ist international, unabhängig, wirtschaftlich und
profiliert. Dieses Leitbild kann nur verwirklicht werden, wenn die zentralistischen und
bürokratischen Strukturen des jetzigen Hochschulwesens überwunden werden. Die
Hochschulen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft sollen so beweglich werden wie die
Hochschulen in freier Trägerschaft.
Wettbewerbsfähige Hochschulen sind international
Die deutschen Hochschulen wollen international wieder in die Spitzengruppe gelangen.
Dafür brauchen sie neben einer besseren Finanzausstattung einen Ordnungsrahmen, der den
wissenschaftlichen Leistungswettbewerb national und international ermöglicht und anregt.
Die FDP hat in ihrer Regierungszeit durchgesetzt, dass Bachelor- und Masterstudiengänge
ermöglicht wurden. Diese Studiengänge müssen sich aber erst am Arbeitsmarkt bewähren.
Wir wollen im eigenen nationalen Interesse die Position Deutschlands auf dem globalen
Bildungsmarkt verbessern, das Studienangebot und die akademischen Grade unserer
Hochschulen stärker internationalisieren sowie die Werbung für den Studien- und
Forschungsstandort Deutschland im Ausland erhöhen. Werbung für den Hochschulstandort
Deutschland muss auf Produktqualität setzen. Nur wenn Bildung und Ausbildung in
Deutschland oder durch deutsche Bildungseinrichtungen wieder ein Qualitätsprodukt wird,
werden wir Erfolg haben. Bürokratische Verfahren z.B. bei der Visaerteilung in den
Botschaften müssen abgebaut werden. Deutsche Außenhandelskammern müssen in die Werbung
stärker einbezogen werden. Aktives Auslandsmarketing bedeutet Kooperationen mit
Hochschulen, aber auch die Gründung von Zweigstellen deutscher Hochschulen im Ausland.
Die Deutschen Schulen im Ausland sind wichtige Werbeträger und dürfen nicht länger als
Steinbruch im Haushalt des Auswärtigen Amtes missbraucht werden.
Wettbewerbsfähige Hochschulen sind unabhängig
Wir wollen das Hochschulwesen nicht mehr staatlich planen und vereinheitlichen. Das
Hochschulrahmengesetz erhält eine neue Aufgabe: Es soll den Hochschulen im Interesse der
Wissenschaftsfreiheit eine umfassende Autonomie sichern und die bürokratischen Tendenzen
der Wissenschaftsministerien der Länder zurückdrängen. Dazu ist das
Hochschulrahmengesetz grundlegend zu überarbeiten mit dem Ziel, die Hochschulautonomie zu
erweitern, indem den Hochschulen Kompetenzen und Verantwortung für Finanz-, Personal- und
Organisationsentscheidungen übertragen werden.
Die Übernahme von Eigenverantwortung durch die Hochschulen ist zu fördern und der
Wettbewerb zwischen ihnen ist zu stärken. Leider wurden die im novellierten
Hochschulrahmengesetz vorgesehenen Gestaltungsfreiheiten für die Hochschulgesetze der
Länder nicht zugunsten der Hochschulautonomie umgesetzt. Wir wollen den Hochschulen das
Recht einräumen, ihre Leitungsstrukturen endlich nach ihren Bedürfnissen und Erfahrungen
in ihren Grundordnungen selbst zu bestimmen.
Mit der Stärkung der Eigenverantwortung der Hochschulen müssen andere Willensbildungs-
und Entscheidungsstrukturen einher gehen. Die Hochschulen verstärken in diesem Prozess
ihre Managementfähigkeiten und beseitigen Führungsdefizite. Das schließt ein, dass den
Fachbereichen im Rahmen einer mit der Hochschulleitung abgestimmten Zielsetzung
entscheidend mehr Eigenverantwortung bei der Erarbeitung von Studien- und
Prüfungsordnungen sowie in Lehre und Forschung übertragen wird.
Jede Hochschule muss ihr Profil selbst bestimmen können, wie zum Beispiel durch die
Einführung neuer Studienfächer und Studienabschlüsse sowie die stärkere
Weiterentwicklung einzelner Fachbereiche oder auch die Bündelung von Fachbereichen. Durch
regelmäßige interne und externe Evaluation der Ziele und Leistungen der Hochschule in
Forschung und Lehre und die Veröffentlichung von deren Ergebnissen wird es
Studienbewerbern erleichtert, die für ihre persönlichen Ziele am besten geeignete
Hochschule herauszufinden.
Der Wettbewerbsgedanke - in der Forschung längst verankert - muss auch im Bereich der
Lehre verwirklicht werden. Es sind die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich die
Hochschulen durch exzellente Ergebnisse in Ausbildung und Forschung dem Wettbewerb
untereinander stellen.
Die Hochschulen sollen künftig selbst über die Aufnahme ihrer Studierenden entscheiden
können, so dass auch über fachspezifische Eignungstests Begabungen frühzeitig erkannt
werden.
Die Abschaffung der ZVS ist die Grundbedingung für eine wirkliche Freiheit in Lehre und
Studium. Alle Studienbewerber in Deutschland müssen das Recht erhalten, sich direkt an
der Hochschule ihrer Wahl zu bewerben. Die Hochschulen ihrerseits erhalten das Recht, sich
unter den Bewerbern nach Leistungskriterien die Geeigneten auszusuchen. Die Initiative der
Länder Baden-Württemberg, Hessen und Sachsen, den bestehenden Staatsvertrag zu
kündigen, entspricht den Vorstellungen der FDP. Sie ist der richtige Weg, den alle
Länder gehen sollten.
An den Hochschulen sind Bedingungen zu schaffen, die das Studium eines Menschen mit
Behinderungen zur Normalität werden lassen. Neben baulichen und anderen Maßnahmen, die
das Studium erst ermöglichen, setzen wir auf die verantwortliche Zusammenarbeit von
Studenten, Universitätsverwaltungen und Hochschullehrern, um Ideen zur individuellen
Unterstützung zu entwickeln.
Wettbewerbsfähige Hochschulen sind wirtschaftlich
Neue Formen der Bildungsfinanzierung steigern nicht nur die Autonomie der Hochschulen,
sondern werden es ihnen auch ermöglichen, mehr und bessere Ausbildungs- und
Forschungsleistungen zu erbringen. Die Globalisierung der Hochschulhaushalte beginnt mit
der gegenseitigen Deckungsfähigkeit aller Personal-, Sach- und Baumittel sowie der
Möglichkeit der Rücklagenbildung durch Aufhebung des Jährlichkeitsprinzips. Mit der
Befreiung von der Kameralistik und der Umstellung auf ein kaufmännisches Rechnungswesen
wird die Chance einer internen Kostenrechnung als Grundlage eines erfolgreicheren
Hochschulmanagements eingeräumt.
Die Höhe der Globalhaushalte wird sich künftig an der Anzahl der Studierenden und ihrem
Verhältnis zur Anzahl des wissenschaftlichen Personals orientieren. Die bundesweite
Einführung von Bildungsgutscheinen sichert den Hochschulen eine leistungsgerechte
Vergütung und ermöglicht den Ausbau der von den Studierenden bevorzugten Standorte.
Bildungsgutscheine verkörpern für jeden angehenden Studierenden sein "Recht auf
Bildung" und sollen nach Schulabschluss entsprechenden Studienanfängern vom Staat
unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Bildungsgutscheine ermöglichen jedem
Studenten, unabhängig vom Einkommen der Eltern, den Erwerb eines ersten
berufsqualifizierenden Abschlusses - und wahren damit die Chancengleichheit aller
Studierenden. An welcher Hochschule der Studierende diese Gutscheine zum Einsatz bringt,
bleibt ihm selbst überlassen. Die Summe der Bildungsgutscheine jeder Hochschule
entscheidet über die Höhe der Fördermittel durch den Staat. Dieser Finanzierungsweg
fördert das bisher fehlende Interesse der Hochschulen an der Aufnahme einer möglichst
großen Zahl von Studierenden, solange die Wettbewerbsfähigkeit der angebotenen
Ausbildungsqualität dadurch nicht leidet. Die Studierenden sollen das Recht erhalten, mit
ihren Bildungsgutscheinen auch an den staatlich anerkannten Hochschulen in freier
Trägerschaft zu studieren. Dies wird den Wettbewerb um die Studierenden beleben und an
allen Hochschulen zu energischen Studienreformen beitragen.
Darüber hinaus erweitert die Einführung von Bildungsgutscheinen auch die persönlichen
Gestaltungsfreiheiten des einzelnen Studierenden im Bezug auf die Planung seines Studiums.
Der Wettbewerb um die Studierenden wird es ihnen erleichtern, ihre Wünsche nach einem
Teilzeitstudium durchzusetzen, wenn dieses wegen Kindererziehung oder Betreuung
pflegebedürftiger Angehöriger erforderlich erscheint. In einer dynamisierten Arbeitswelt
starten auch viele Studierende früh ins Arbeitsleben, machen sich nebenher
selbstständig, versuchen sich neben dem Studium weitere Qualifikationen anzueignen. Ein
Staat, der sich zu seinen jungen Unternehmern bekennt, muss auch die Voraussetzungen
dafür schaffen, dass junge Menschen ihr Studium und ihre berufliche Laufbahn flexibel
gestalten können. Angesichts dieser veränderten Studiensituation kann mit den
Bildungsgutscheinen eine Flexibilisierung erreicht werden, bei der der Studierende nicht
pro Semester, sondern pro Lehrveranstaltung gefördert wird und so seine individuelle
Studienorganisation realisieren kann.
Stärker als bisher werden zur Einnahmeseite der Hochschulen die Drittmittel im Bereich
der Forschung gehören. Die Unterstützung der Wissenschaft durch gemeinnützige
Einrichtungen ist unverzichtbarer Bestandteil der Wissenschaftsförderung.
Privatwirtschaftliches Sponsoring, beispielsweise für Hochschulsanierungen und den Ausbau
von Studiengängen soll stärker in Anspruch genommen werden. Das bedeutet zugleich
Möglichkeiten für die Einrichtung von Stifter-Lehrstühlen durch die Wirtschaft. Alle
neuen Modelle müssen sich künftig an leistungsbezogenen Kriterien orientieren.
Durch die neuen Finanzierungsstrukturen wird das Vertrauen der Öffentlichkeit in den
sparsamen Umgang der Hochschulen mit den bereitgestellten staatlichen Mitteln spürbar
wachsen. Das wird es der FDP politisch erleichtern, den Hochschulen die dringend
benötigten Mittel zu sichern. Wir wollen den Hochschulen in der nächsten
Legislaturperiode 5 Mrd. Euro aus Bundesmitteln zusätzlich zur Verfügung stellen.
Außerdem soll der Bund 1,2 Mrd. Euro jährlich für den Hochschulbau aufwenden, um die
"Bugwelle" rückständiger Baufinanzierungen abzubauen.
Wettbewerbsfähige Hochschulen sind profiliert
Eine künftige Hochschulreform sollte sich nicht mehr an einem statischen binären Modell
orientieren, in welchem zwei gleichwertige Hochschultypen, also Universität und
Fachhochschule, nebeneinander stehen. Universität und Fachhochschule werden miteinander
im Wettbewerb um die Studierenden und um Forschungsmittel stehen, so wie die
Universitäten untereinander und die Fachhochschulen untereinander zunehmend im Wettbewerb
stehen werden. Jede Hochschule ist frei, sich ein eigenverantwortetes wissenschaftliches
Profil zu geben. Fachhochschulen sollen mehr forschen können und Universitäten sollen
mehr praxisorientierte Lehre anbieten können. Die erwünschten Projekte
wissenschaftlicher Kooperation wird es zwischen freien Hochschulen ebenfalls zunehmend
geben - nicht nur im internationalen Bereich.
Die Kapazitäten an den Fachhochschulen müssen weiter ausgebaut werden. Die
Organisationsstrukturen der Fachhochschulen sind auf noch mehr Flexibilität auszurichten.
Dies entlastet die Universitäten für ihre ureigenste Aufgabe der Ausbildung des
wissenschaftlichen Nachwuchses. Ein Studium an der Fachhochschule ist eine andersartige,
jedoch gleichwertige Ausbildung. Die Einstufung beim Zugang zum höheren Öffentlichen
Dienst muss deshalb im Wettbewerb der Absolventen aller Hochschularten, also auch der der
Fachhochschulen, erfolgen.
Der Aufbau dualer Studiengänge und ein berufsbegleitendes Teilzeitstudium für befähigte
Berufstätige sind zu fördern, um so ein enges Zusammenspiel von Wirtschaft und
Hochschule bei der gezielten Ausbildung von wissenschaftlichen Nachwuchsführungskräften
zu fördern. Die Einbeziehung dualer Komponenten bei der Verbindung von Studium und
praktischer beruflicher Ausbildung erfordern von den Hochschulen mehr als nur
organisatorische Anstrengungen, um diese Bedingungen als produktive Chance zu begreifen
und curricular zu berücksichtigen.
Die FDP hält an der Reform der Studienförderung nach dem sogenannten Dreikörbemodell
fest, für das sie bereits einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt hat. Die Förderung von
hochbegabten Studierenden ist von privaten und öffentlichen Stiftungen, durch die
Hochbegabtenförderungsprogramme der Stiftungen der Parteien, der Kirchen, des
Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft und das Heisenberg-Programm weiter
auszubauen. Die an den Hochschulen existierenden Möglichkeiten der Begabtenförderung in
Form von Promotionsstipendien reichen nicht aus und müssen verstärkt werden. Auch
künftig müssen Graduiertenkollegs an den Hochschulen eingerichtet und gefördert werden.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), deren Anliegen es ist, die Wissenschaft in
allen ihren Zweigen zu fördern, trägt dabei eine besondere Verantwortung.
IV. Forschung und Technologiepolitik - Chancen verantwortungsvoll nutzen
Die FDP ist Garant für Freiheit der Forschung. Die von uns als selbstverständlich
angenommene Lebensqualität wird von der Technikentwicklung mitbestimmt. Die Politik muss
hierfür das gesellschaftliche Klima und die Standortbedingungen schaffen. Eine fundierte
naturwissenschaftlich-technische Bildung, unterstützt durch liberale Forschungs- und
Technologiepolitik, schafft Chancen für ein innovatives, erfolgreiches wirtschaftliches
Handeln. Die FDP betont aber auch die hochrangige kulturelle Bedeutung von Wissenschaft,
Forschung und Technik.
Forschungs- und Technologiepolitik hat eine Querschnittsfunktion. Sie verbindet Bildungs-,
Hochschul- und Wirtschaftspolitik. Innovationen und Fortschritt in der Technik können nur
entstehen, wenn durch Bildung und Ausbildung der heranwachsenden Generation die
notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden. Eine zukunftsorientierte Bildungspolitik
sollte das Ziel haben, ein positives Verständnis von Technik und Naturwissenschaften zu
vermitteln sowie die Fähigkeit, mit den heute den Menschen zur Verfügung stehenden
größeren Möglichkeiten sachkundig und verantwortlich umzugehen. Die FDP sieht es als
Aufgabe des Bildungs- und Erziehungssystems an, durch die Vermittlung von Werten jeden
Einzelnen in die Lage zu versetzen, ethische Grenzen zu erkennen und daraus die Maximen
seines Handelns abzuleiten.
Auf dem schwierigen Gebiet der Bio- und Gentechnologie stellt jeder Schritt eine
schwierige Abwägung zwischen Forschungsfreiheit, Hilfe für schwerkranke Patienten und
Würde des werdenden Menschen dar. Der Import von und die Forschung an embryonalen
Stammzellen bieten große Chancen für die Entwicklung von neuen Therapien gegen genetisch
bedingte Krankheiten. Auch wenn hier nicht innerhalb weniger Jahre Erfolge zu erwarten
sind, so ist diese Grundlagenforschung von allerhöchster Bedeutung, um kranken Menschen
zu helfen. Die FDP setzt sich dafür ein, dass das Embryonenschutzgesetz zu einem
Fortpflanzungsmedizingesetz fortentwickelt wird. Das Klonen von Menschen bleibt in
Deutschland verboten und muss international geächtet werden.
Um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, muss die Förderung der Spitzen- und
Grundlagenforschung auf hohem Niveau gehalten werden. Über die bisher geförderten
Technologien hinaus sieht die FDP die Notwendigkeit, auch neue Gebiete aufzugreifen.
Die für Forschung, Investitionen und industriell-wirtschaftliches Handeln notwendigen
Rahmenbedingungen muss die Politik so gestalten, dass Innovations- und
Investitionshemmnisse abgebaut werden. Das gesamte Regelungsdickicht staatlicher Gesetze,
Verordnungen, Auflagen, Prüfungs- und Genehmigungsverfahren muss systematisch daraufhin
überprüft werden, ob es modernen Anforderungen an eine effiziente, unbürokratische
Handhabung liberaler Forschungs- und Technologiepolitik entspricht.
Die wünschenswerte Marktorientierung der Forschung durch Technologietransfer muss von
Hochschule, Forschung und Wirtschaft als gemeinsame Aufgabe und Chance in beiden
Richtungen angesehen werden. Ein Instrument dazu ist die Einführung von
Beratungsgutscheinen, mit denen die Kontakte zwischen Wirtschaft, insbesondere kleinen und
mittleren Unternehmen, und Hochschule stimuliert werden.
Die EU-Forschungsförderung soll den Forschern und den Wirtschaftsunternehmen helfen, die
Chancen europaweiter Kooperationen zu erkunden und zu nutzen. Sie darf aber nicht in
Industriepolitik abgleiten und unter dem Vorwand der Forschungspolitik durch Subventionen
unternehmerische Entscheidungen beeinflussen und Angebotsstrukturen staatlich planen. Der
Zugang von kleineren und mittleren Unternehmen zu Fördermitteln der EU für gemeinsame
Forschungsvorhaben mit Hochschulen und Forschungsinstituten muss in der Konkurrenz mit
Großunternehmen wesentlich chancenreicher gestaltet werden.
Politik für eine Verantwortungsgesellschaft
Ziel liberaler Gesellschaftspolitik ist es, dem Bürger möglichst viele Chancen zur
Gestaltung seines Lebens zu eröffnen. Jeder Lebensentwurf verdient den Respekt und die
Unterstützung der Gesellschaft und des Staates. Im Mittelpunkt liberaler
Gesellschaftspolitik steht die Politik für Familien und andere
Verantwortungsgemeinschaften. Bindungen sind in unserer heutigen individualisierten
Gesellschaft von besonderer Bedeutung. Verantwortungsgemeinschaften als auf Dauer
angelegte Partnerschaften, in denen Menschen füreinander einstehen und Verantwortung
übernehmen, sind zu achten und rechtlich abzusichern.
Pluralisierung, Individualisierung und neue Lebensentwürfe von Frauen und Männern haben
in unserer Gesellschaft zu vielfältigen familiären Lebensformen und Lebensstilen
geführt. Für Liberale ist Familie das Zusammenleben mit Kindern: Familie ist dort, wo
Kinder sind. Eben diese Familien bedürfen unserer besonderen Förderung. Denn Kinder sind
eine Bereicherung für die Zukunft. Eine moderne Familienpolitik muss insbesondere den
sich ändernden gesellschaftlichen Bedingungen Rechnung tragen.
Familie und Beruf
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eines der wichtigsten Ziele liberaler
Familien- und Frauenpolitik. Ein breiteres und flexibleres Angebot an staatlichen und
privaten Kinderbetreuungsplätzen muss geschaffen werden. Erst dann besteht wirkliche
Wahlfreiheit für Frauen und Männer Beruf und Familie zu vereinbaren.
Im Rahmen des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz (halbtags zwischen dem 3. und 6.
Lebensjahr) soll Kinderbetreuung kostenlos sein. Die Kosten für die Kommunen sind im
Bund-Länder Finanzausgleich zu berücksichtigen. Außerdem muss für mehr Markt und
Wettbewerb gesorgt werden. Dies wird durch Einführung der so genannten KiTa-Card
erreicht. Damit wird den Eltern ihr Anspruch auf Kinderbetreuung gestellt, ohne Zuweisung
eines konkreten Kindergartenplatzes. Die Eltern suchen sich auf dem Markt der Anbieter als
Nachfrager die von ihnen gewünschte Leistung aus.
Um die Förderlücken zwischen dem 2. und 3. Lebensjahr zu schließen, müssen in diesem
Bereich verstärkt Kinderbetreuungsplätze angeboten werden. Denn das einkommensabhängige
Erziehungsgeld wird nur für die ersten beiden Jahre gezahlt, der Rechtsanspruch auf
Kindergartenplatz gilt aber erst ab dem vollendeten 3. Lebensjahr. Die Einrichtung von
Betriebskindergärten ist durch flexible und vereinfachte gesetzliche Vorgaben zu
erleichtern. Für kleinere Unternehmen bieten sich Kooperationsformen mit anderen
Betrieben oder mit Kindergärten an.
Ferner soll ein 5-Jahres-Programm aufgelegt werden, in das Bund und Länder jeweils 500
Mill. Euro jährlich einzahlen, um die Infrastruktur und das Angebot an
Kinderbetreuungsplätzen zu verbessern.
Die "verlässliche Grundschule" ist flächendeckend anzubieten. Eltern müssen
sich sicher sein können, dass ihre Kinder auch bei Stundenausfall bis mittags in der
Schule betreut werden. Betreuungsangebote vor und nach der "verlässlichen
Grundschule" im Zeitrahmen von 7.00 - 14.00 Uhr müssen geschaffen werden. Im Bereich
der weiterführenden Schulen wird angestrebt, neben den bestehenden Angeboten an der
Schule die Einrichtung weiterer Betreuungsangebote am Nachmittag zu unterstützen. Das
Angebot an Ganztagsschulen muss bedarfsorientiert und in enger Abstimmung mit den
Schulträgern - insbesondere den bestehenden Hort-Angeboten -ausgebaut werden.
Familie und Steuern
Durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die finanzielle Benachteiligung
der Familien vor allem im Steuerrecht aufgezeigt worden. Die Umsetzung des Urteils von
1999 zur Einführung eines Erziehungs- und eines Betreuungsbetrages bleibt aber hinter dem
Notwendigen und Gebotenen zurück. Deshalb muss die Familie weiter steuerlich entlastet
werden. Das liberale Konzept der finanziellen Entlastung und Förderung von Familien sieht
folgende Maßnahmen vor.
Das Existenzminimum bleibt steuerfrei. Nur das darüber hinaus gehende Einkommen darf als
disponibles Einkommen der progressiven Besteuerung unterworfen werden. Zur Freistellung
des Existenzminimums will die FDP einen einheitlichen steuerlichen Grundfreibetrag in
Höhe von 7.500 Euro für jeden Bürger, also auch für jedes Kind. Der besonderen
Belastung von Familien einschließlich der Alleinerziehenden Rechnung wird durch diese
deutliche Erhöhung des Freibetrags für Kinder Rechnung getragen. Das direkt ausgezahlte
Kindergeld bleibt erhalten und wird gemäß des Grundfreibetrags angepasst. Zugunsten
einer verstärkten Berücksichtigung von Kindern sollte das Ehegattensplitting in ein
Realsplitting umgewandelt werden, d. h. in eine individuelle Besteuerung mit
Berücksichtigung von Ehegatten und Kindern in Form von deutlich erhöhten Freibeträgen.
Kinder erhalten einen Rechtsanspruch auf das Kinder- und Erziehungsgeld. Es wird nur an
die Personen ausgezahlt, bei denen die Kinder leben.
Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf müssen anfallende Betreuungskosten, wie
KiTa-Gebühren, Kosten für Tagesmütter etc. für Arbeitnehmer/innen als Werbungskosten
und für Selbständige als Betriebsausgaben absetzbar sein. Auch die Kosten für die
Inanspruchnahme von Dienstleistungsagenturen für die Kinderbetreuung sind steuerlich zu
berücksichtigen. Die steuerliche Abzugsfähigkeit von hauswirtschaftlichen
Beschäftigungsverhältnissen ist wieder einzuführen, um sozialversicherungspflichtige
Arbeitsverhältnisse in Privathaushalten zu schaffen. Der Höchstbetrag der
Abzugsfähigkeit ist auf 12.500 Euro (von zuletzt 18.000 DM pro Jahr auf 25.000 DM pro
Jahr) zu erhöhen.
Familie und Sozialversicherung
Als Konsequenz aus dem Verfassungsgerichtsurteil zur Pflegeversicherung vom April 2001
sind Familien mit Kindern während der Erziehungsphase der Kinder (und nur während der
Phase der Kindererziehung) in der Sozialversicherung dort zu entlasten, wo ihr Beitrag zur
intergenerativen Kostenverteilung nicht ausreichend berücksichtigt wird. Die vom
Bundesverfassungsgericht geforderte stärkere Berücksichtigung der Kindererziehung in der
Sozialversicherung soll nicht durch eine Beitragsstaffelung nach Kinderzahl verwirklicht
werden, sondern durch direkte Beitragszuschüsse an die Familien. Familien zu fördern ist
Aufgabe staatlicher Sozialpolitik. Familienpolitische Leistungen sind als
Transferleistungen von Versicherungsleistungen zu trennen und aus allgemeinen
Steuermitteln zu finanzieren.
Die Forderung, allgemein das Armutsrisiko für Familien möglichst zu beseitigen, gilt
insbesondere, wenn außergewöhnliche finanzielle Belastungen durch behinderte oder
chronisch kranke Kinder vorliegen. Deshalb sind hier bei Bedarf zusätzliche
Unterstützungen notwendig. Die Gewissheit, dass man als Familie in solchen Notlagen mit
speziellen staatlichen Hilfen rechnen kann, erleichtert potenziellen Eltern erheblich die
Entscheidung für Kinder.
Verantwortungsgemeinschaften
Als Verantwortungsgemeinschaften sind neben Ehe und Familie seit 2002 auch eingetragene
Lebenspartnerschaften anerkannt. Die FDP begrüßt die Möglichkeit für
gleichgeschlechtliche Paare, ihre Partnerschaften rechtlich abzusichern. Die FDP hatte als
erste Partei in der laufenden Wahlperiode einen Gesetzentwurf hierfür vorgelegt. Leider
hat Rot-Grün keinen gesellschaftlichen Konsens gesucht. In der Folge wurden wichtige
Teile des Gesetzespaketes im Bundesrat blockiert. Als Ergebnis gibt es heute ein
Ungleichgewicht von Rechten und Pflichten zu Lasten der eingetragenen Lebenspartner. Die
FDP setzt sich dafür ein, die offenen Rechtsfragen unverzüglich gesetzlich zu regeln und
Rechte und Pflichten in Einklang zu bringen. Mittelfristig ist zu untersuchen, ob die
bestehenden gesetzlichen Regelungen den Bedürfnissen von gleichgeschlechtlichen
Lebensgemeinschaften gerecht werden oder ob in anderen Rechtsbereichen weitere
Diskriminierungen bestehen. Diese Diskriminierungen müssen beseitigt werden. Die FDP
fordert hier insbesondere Änderungen im Erbschaftssteuerrecht.
Frauen
Klassische Wertvorstellungen und gesellschaftliche Rollenbilder befinden sich in einem
rasanten Wandel. Vor diesem Hintergrund hat sich vor allem das Selbstverständnis von
Frauen fundamental geändert. Viele Frauen wollen heute Beruf, Karriere und Familie
verwirklichen. Dieser Wunsch muss heute genauso möglich sein, wie die Entscheidung für
einen der Bereiche.
Die FDP begreift liberale Frauenpolitik nicht als weibliche Spartenpolitik, weil sie in
alle politischen und gesellschaftlichen Bereiche hineinreicht. Sie muss als politische
Querschnittsaufgabe begriffen werden, "gender mainstreaming", die mit jedem
Politikfeld Berührungspunkte hat.
Obwohl die Gleichberechtigung von Frauen und Männern gesellschaftlich und juristisch
festgelegt ist, sind Frauen jedoch nach wie vor in denjenigen Positionen
unterrepräsentiert, die mit hohem Einkommen und Sozialprestige ausgestattet sind. Trotz
hoher beruflicher Qualifikation sind Frauen in Führungspositionen nach wie vor eine
Seltenheit. Formelle und informelle Netzwerke sowie persönliche Förderung sind
unverzichtbar für den beruflichen Erfolg. Die FDP unterstützt das Konzept des
"Mentoring", um verschiedenartige diskriminierende Faktoren auszugleichen, die
den Frauen den Weg zu informellen Nachrichten oder karriererelevanten Kontakten
erschweren.
Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung ist in unserer Gesellschaft nach wie vor
Realität. Die Benachteiligungen von Frauen im Beruf und von Männern in der
Kindererziehung spiegeln nicht die Wünsche vieler Paare nach einer partnerschaftlichen
Gestaltung ihres Familienlebens wider. Die FDP verkennt nicht, dass Frauen, um
gleichberechtigte, selbstbestimmte Verantwortung realisieren zu können, Unterstützung in
der Gesellschaft und Politik brauchen. Als einzige Partei setzt sie auf das kreative
Potenzial der einzelnen Bürgerinnen, ihre Leistungsbereitschaft und ihren Willen, ihr
Leben selbst bestimmt zu leben. Die FDP setzt auch darauf, dass zunehmend erkannt wird,
dass Wirtschaft und Gesellschaft die Potenziale und Fähigkeiten von Frauen brauchen und
nicht länger ausgrenzen können. Nur wenn Frauen über ihr eigenes Leben selbst
bestimmen, können sie sich bewusst und frei entscheiden und eine partnerschaftliche
Gleichberechtigung herbeiführen.
Senioren
Die Senioren sind die am stärksten wachsende Bevölkerungsgruppe in Deutschland. Noch nie
erreichten Menschen ein so hohes Alter bei so guter Gesundheit. Die FDP begreift diese
Entwicklung als Chance und Herausforderung, die Jung wie Alt angeht, auch als Dialog
miteinander.
Senioren wollen ihr Leben so lange wie möglich selbst bestimmen. Die Gesellschaft muss
sich neu darüber verständigen, was sie von Mitbürgern an Leistungen erwarten kann, die
aktiv in ihrem dritten Lebensabschnitt stehen. Ihre Kompetenz, ihre Erfahrung und ihr
Wissen sind für die moderne Bürgergesellschaft unverzichtbar. Ältere Menschen sollten
auch selbst entscheiden können, wann sie in den Ruhestand treten wollen.
Vitale Mitbürgerinnen und Mitbürger sehen sich ausgegrenzt, wenn sie ab 55 Jahren in den
Vorruhestand gedrängt werden oder ihre beruflichen Fähigkeiten nur noch eingeschränkt
und unter Wert der Allgemeinheit zur Verfügung stellen dürfen. Für die FDP ist es
deshalb notwendig, die beruflichen und sozialen Kompetenzen von Senioren vollwertig zu
erhalten und den Bedürfnissen älterer Menschen nach aktiver Betätigung Rechnung zu
tragen.
Seniorenpolitik wird allzu oft gleichgesetzt mit der Sicherstellung einer bedarfsgerechten
Versorgung alter, kranker, hilfe- und pflegebedürftiger Menschen. Dies umschreibt einen
wichtigen Teilbereich, greift aber insgesamt zu kurz. Die politische Teilhabe von Senioren
ist eine wesentliche Bereicherung für die Weiterentwicklung einer liberalen Gesellschaft
Es geht darum, die Mitwirkungs- und Beteiligungschancen der älteren Generation zu
stärken. Dazu gehören entsprechende Wohnformen, Seniorenbüros, Altenclubs und zur
gegenseitigen Unterstützung Seniorenfamilien, Hilfsbörsen und "Vereine zur
gegenseitigen Hilfe".
Die Förderung altengerechten und betreuten Wohnens trägt dazu bei, Selbstständigkeit im
Alter durch das Angebot betreuerischer und hauswirtschaftlicher Hilfen solange wie
möglich zu erhalten. Die geriatrische und gerontologische Forschung ist mit dem Ziel
vorantreiben, entsprechende Kenntnisse in der Standardausbildung bei Medizin und Pflege zu
verankern.
Für behinderte Menschen, die das Rentenalter erreicht haben, sind spezielle integrative
Konzepte zu entwickeln. Herkömmliche Alten- und Pflegeheime sind auf die besonderen
Bedürfnisse älterer Menschen mit Behinderung stärker auszurichten.
Ehrenamt
Ehrenamtliches Engagement ist ein wichtiges Element einer freiheitlichen Gesellschaft.
Grundlegend für dauerhafte starke demokratische Strukturen ist der unentgeltliche Einsatz
persönlicher geistiger und manueller Kreativität in der und für die Gesellschaft,
verbunden mit individueller Leistungsbereitschaft, Verantwortungsbewusstsein und
Pflichtgefühl. Die Liberalen treten für die Stärkung des selbstbestimmten und
selbstverantworteten ehrenamtlichen Engagements der Bürger ein. Die Rolle des Staates
darf nur diejenige eines Rahmengesetzgebers sein, der die rechtlichen und tatsächlichen
Voraussetzungen für freiwillige Tätigkeit schafft. Dazu gehört etwa die Festlegung der
gesetzlichen Rahmenbedingungen für einen allgemeinen Freiwilligendienst.
Mit neuen Anreizen müssen die vorhandenen Potentiale für ehrenamtliche Tätigkeiten
erschlossen werden. Möglichkeiten hierzu können steuerliche Vorteile oder Freistellung
von der Erwerbstätigkeit sein. Im Gegensatz zu dem allgemeinen Grundsatz einer strikten
Trennung von ehrenamtlichem Engagement und Erwerbsarbeit soll in den Fällen eine soziale
und versicherungsrechtliche Absicherung ausdrücklich zugelassen werden, in denen Menschen
während ihrer Einsatzzeit ausschließlich in diesem Rahmen tätig sind. Die Förderung
neuer Formen des bürgerschaftlichen Engagements, wie z.B. Corporate Citizenship, Day of
Caring oder Freiwilligen-Agenturen, muss verstärkt werden. Darüber hinaus ist es auch
notwendig das Freiwillige Soziale Jahr zu reformieren.
Behindertenrechte
Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige haben ein Recht auf ein weitestgehend
selbstbestimmtes Leben. Sie müssen mit klaren Rechten und fairen Chancen ausgestattet
werden. In jedem Lebensabschnitt und in jeder Lebenssituation müssen sie die Chance
erhalten, ihr Leben so zu gestalten, wie sie es wollen und können.
Behindertenpolitik darf deshalb nicht nur für behinderte Menschen, sie muss mit
behinderten Menschen gemacht und wesentlich durch sie mit gestaltet werden. Dies gilt für
alle Formen von Behinderungen. Einzelne Gruppen von behinderten Menschen, die keine Lobby
haben oder sich nicht so gut artikulieren können, dürfen nicht benachteiligt werden.
Ziel liberaler Behindertenpolitik ist echte Teilhabe, denn Menschen mit Behinderungen
gehören in die Mitte der Gesellschaft.
Politik für ein freies und sicheres Deutschland
I. Freiheit erhalten
Die FDP ist die Partei der Toleranz und Weltoffenheit. Wir wollen dazu beitragen, dass
Deutschland ein international anerkanntes Land in der zivilen Weltgesellschaft bleibt. Um
die Freiheit der Lebensentwürfe zu schützen, bedarf es des Rechts als objektiver,
gerechter Instanz. Denn erst durch Setzung und Durchsetzung des Rechts ohne Ansehen der
Person wird die Wahrung der Chancengleichheit möglich.
Die FDP versteht den Rechtsstaat nicht als Vormund, sondern als Garant für die Sicherung
einer offenen Bürgergesellschaft. Deshalb gewährt nicht der Staat den Bürgern Freiheit,
sondern die Bürger gewähren dem Staat Einschränkungen ihrer Freiheit zur Wahrung der
gleichen Rechte und der Sicherheit aller. Freiheit und Sicherheit dürfen keine
Gegensätze werden. Zur Freiheit gehört es, die Rechte anderer zu respektieren.
Sicherheit darf nicht zu Gängelung und ungerechtfertigter Überwachung führen. Dabei
sind die liberalen Grundrechte als Ausdruck des Rechtsstaatsgedankens auch Abwehrrechte
der Bürger gegenüber dem Staat sowie der Minderheit gegen die Mehrheit. Dies bedeutet
aber auch, dass vor der Verabschiedung neuer Gesetze zu prüfen ist, ob die bereits
bestehenden Gesetze nicht ausreichen. In Deutschland besteht ein Vollzugsdefizit und nicht
ein Gesetzgebungsdefizit. Daher muss sich der Staat im Bereich der Innen- und
Rechtspolitik auf seine Kernzuständigkeiten konzentrieren und Polizei und Justiz sowohl
personell wie auch materiell ausreichend ausstatten. Rechtssetzung und Rechtsdurchsetzung
müssen ohne Ansehen der von ihnen betroffenen Personen erfolgen und sind essentielle
Säulen des Rechtsstaates.
Datenschutz
Ein liberaler Rechtsstaat benötigt einen den technischen Entwicklungen entsprechenden
Datenschutz. Dieses bedeutet, den Schutz der Privatsphäre als elementaren Bestandteil
unserer Verfassung. Datenschutz ist Schutz der Privatsphäre und des allgemeinen
Persönlichkeitsrechtes, nicht Täterschutz. Die FDP verschließt sich nicht einer
Änderung der Datenschutzregelungen, wenn sich tatsächlich herausstellen sollte, dass
Vorschriften des Datenschutzes terroristische Anschläge begünstigt haben. Dieser
Nachweis konnte bei den Beratungen des Sicherheitspakets II, das tiefgreifend in den
Datenschutz vieler Bürgerinnen und Bürger eingreift, indem Luftverkehrsgesellschaften,
Geld- und Finanzinstitute, Telediensteanbieter und Postleistungsanbieter schon bei
Hinweisen auf einen möglichen Zusammenhang mit Terroranschlägen Daten ihrer Kunden an
die Dienste herauszugeben haben, nicht erbracht werden. Die FDP hat diese Regelungen
abgelehnt.
Die FDP wendet sich gegen die Abschaffung des Bankgeheimnisses, da bereits jetzt Banken im
Bereich strafrechtlicher Ermittlungen auskunftspflichtig sind. Das materielle Recht bietet
ausreichend Möglichkeiten zur Bekämpfung von Geldwäsche und illegalen
Finanztransaktionen. Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung darf nicht der
"gläserne Bürger" geschaffen werden. Der Datenschutz muss den neuen
technischen Entwicklungen angepasst werden. Die Rechte des Datenschutzbeauftragten des
Bundes und der Länder müssen verbessert werden, so zum Beispiel im Bereich der
Telefonüberwachungs-Maßnahmen, die in Deutschland in den letzten Jahren massiv
angestiegen sind.
Dem Bürger muss die Möglichkeit eingeräumt werden, staatliches Handeln, das ihn
betrifft, zu kontrollieren. Dabei bedarf es eines Informationsfreiheitsgesetzes, welches
dem Bürger das Recht einräumt, die über ihn geführten Akten einzusehen.
Die FDP hält das Instrument der Rasterfahndung für geeignet, bei einem hinreichend
konkreten Raster durch die umfangreiche Sammlung von Daten Verdächtige und potenzielle
Täter aufspüren und ergreifen zu können. Die Rasterfahndung bedarf jedoch einer
strikten rechtsstaatlichen Anwendung. Bei der Suche nach Terroristen nach dem 11.
September 2001 ist in mehreren Bundesländern die durchgeführte Rasterfahndung von den
Gerichten für rechtswidrig erklärt worden, da die Voraussetzungen für eine
gegenwärtige Gefahr zur Sammlung hunderttausender Daten von zigtausenden Personen nicht
gegeben war. Die FDP fordert eine rechtsstaatliche Anwendung der Rasterfahndung und eine
stärkere Kontrollbefugnis durch die Datenschutzbeauftragten.
Staatshaftung
Staatliches Handeln verursacht immer wieder Schäden, für die der Staat einen Ausgleich
zu leisten hat. Das vollkommen unübersichtliche und auch für Spezialisten
undurchschaubare Staatshaftungsrecht muss endlich einheitlich geregelt werden. Das
Bekenntnis des Staates zur Verantwortung ist ein dringend notwendiger Beitrag, um das
Vertrauen des Bürgers in staatliches Handeln zu stärken.
Waffenrecht
Die FDP hält die vorgeschlagenen Verschärfungen im Zusammenhang mit der Novellierung des
Waffengesetzes nicht für geeignet, die Sicherheit der Bürger zu verbessern. Der
Gesetzesentwurf sieht vor allem eine bürokratische Kontrollverdichtung für legale
Waffenbesitzer vor. Ziel eines Waffengesetzes muss es aber sein, ein Vorgehen gegen den
illegalen Waffenbesitz zu erleichtern.
II. Sicherheit gewährleisten
Für die FDP ist der Erhalt der inneren Sicherheit eine Kernaufgabe des Staates. Bei
dieser Kernaufgabe darf es keine Abstriche geben. Freiheit ist ohne Sicherheit nicht zu
verwirklichen. Liberalismus bedeutet im Zusammenhang mit innerer Sicherheit nicht
Gleichgültigkeit, sondern Freiheit in Sicherheit und Freiheit durch Sicherheit.
Die Anschläge auf New York und Washington waren ein Anschlag auf die Freiheit der
Menschen in den USA und haben die Angreifbarkeit der zivilen Gesellschaft auch in Europa
klar gezeigt. Dieser Anschlag auf die Freiheit darf nicht dazu führen, die
Freiheitsräume der Bürger weiter einzuschränken. Mit geeigneten Maßnahmen muss
vielmehr die Sicherheit gewährleistet werden, die die Bürger vom Staat erwarten. Die
Ereignisse des 11. September haben mit aller Deutlichkeit gezeigt, dass die
Gewährleistung der Inneren Sicherheit heute nicht allein durch nationale Regelungen
erreicht werden kann. Wir sind der Auffassung, dass die internationale Zusammenarbeit der
Polizei dringend verbessert werden muss. Dabei kommt es nicht nur auf eine
rechtsstaatliche Weiterentwicklung von EUROPOL an, sondern darauf, die unmittelbare
grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Polizeien der Länder endlich wieder von
Bürokratie zu befreien.
Innere Sicherheit
Die FDP nimmt die Herausforderung durch den internationalen Terrorismus ernst. Die
traditionelle Reaktion der Politik, bei besonders spektakulären Verletzungen der inneren
Sicherheit durch möglichst schnelle und möglichst umfangreiche Gesetzgebung einen Erfolg
zu erzielen, lehnt die FDP jedoch ab. Dieser Gesetzgebungsaktionismus führt nur zu einer
kurzfristigen Befriedung. Tatsächlich erreicht er jedoch wenig. Die FDP orientiert sich
an den Grundrechten und an den Grundsätzen der Notwendigkeit, Verhältnismäßigkeit und
Geeignetheit. Wir sind der Überzeugung, dass wir kein Defizit an Gesetzen, sondern ein
Defizit bei ihrem Vollzug haben.
Die FDP lehnt einen Einsatz der Bundeswehr zum Schutz der inneren Sicherheit ab. Die
Bundeswehr ist zum Schutz der äußeren Sicherheit da, die Polizei, der Bundesgrenzschutz
und die Bundes- und Landeskriminalämter zum Schutz der inneren Sicherheit.
Verfassungsschutz
Die Terroranschläge in New York und Washington vom 11.September 2001 haben zugleich die
Notwendigkeit und Schwäche auch des Verfassungsschutzes vor Augen geführt. Durch
frühzeitige Erkenntnisse kann unsere freiheitliche Gesellschaft vor terroristischen
Angriffen besser geschützt werden. Einem Zugriff auf persönliche Daten vieler
Bürgerinnen und Bürger muss der in einem Rechtsstaat zwingende Grundsatz zu Grunde
liegen, dass die Sammlung und Auswertung höchstpersönlicher Daten nur unter engen
Voraussetzungen zulässig sein darf. Es bedarf daher in allen Fällen einer gesetzlichen
Grundlage, einer nachträglichen Benachrichtigung des Betroffenen und auch nachträglich
einer gerichtlichen Kontrolle. Auch muss die parlamentarische Kontrolle auf Bund- und
Länderebene bei der Einschätzung der Effektivität des Handelns der Dienste gestärkt
werden.
Staatliches Gewaltmonopol
Das staatliche Gewaltmonopol garantiert die Durchsetzung von Recht innerhalb eines
demokratisch legitimierten Rahmens. Kriminalität ist ein Verstoß gegen unsere
Zivilisation. Das staatliche Gewaltmonopol ist nicht Selbstzweck, sondern die
Voraussetzung dafür, dass nicht Gewalt, sondern das Recht herrscht. Der Verzicht auf
private Gewalt ist die Grundlage für ein zivilisiertes Zusammenleben.
Ein Rechtsstaat kann nur effektiv reagieren, wenn er über die inzwischen zum Standard
gehörenden technischen Mittel verfügt. Die FDP fordert eine Modernisierung der
Justizverwaltung. Die FDP möchte auf der einen Seite in Bund und Land eine Polizei, die
besser ausgebildet, organisiert, bezahlt und moderner ausgestattet wird. Gleichzeitig
fordert sie eine Polizei, die sich auf die Kernaufgaben konzentriert. Die wichtigste
Kernaufgabe ist dabei der Schutz der Bürgerrechte. Auf der anderen Seite lehnt es die FDP
ab, dass eine immer weitere Herabsenkung der polizeilichen Eingriffsschwellen im Rahmen
von Bundes- und Landesgesetzen erfolgt.
Die FDP erteilt auch weiterhin allen Überlegungen eine Absage, polizeiliche Befugnisse
auf private Sicherheitsunternehmen zu übertragen. Zur Entlastung der Polizei müssen die
Ausrichter privatwirtschaftliche Großveranstaltungen, bei denen das staatliche
Gewaltmonopol nicht tangiert wird, stärker an den Kosten der dafür angeforderten
Polizeikräfte beteiligt werden.
Die FDP setzt sich dafür ein, dass durch einen effektiven Einsatz von Polizei,
Staatsanwaltschaft und Gerichten, gerade im Bereich von sogenannter Alltagskriminalität,
die Strafe der Tat auf dem Fuße folgt. Die von der FDP durchgesetzte Form des
beschleunigten Verfahrens muss hier verstärkt zur Anwendung kommen. Denn gerade eine
schnelle Bestrafung führt dem Straftäter vor Augen, dass er Freiheitsrechte anderer
verletzt hat. Die nachträgliche strafprozessuale Anordnung der Sicherungsverwahrung ist
geboten bei Straftätern, bei denen sich die Gefährlichkeit erst während des
Strafvollzuges herausstellt. Damit kann eine Sicherheitslücke geschlossen werden, die
insbesondere im Bereich der Sexualstraftaten von großer Bedeutung ist.
Die FDP wird darauf achten, dass jegliche Pläne zur Entkriminalisierung sogenannter
Bagatellkriminalität keinerlei Chance bekommen. Auch in Zukunft müssen Ladendiebstahl,
Schwarzfahren und Graffitischmierereien konsequent bekämpft werden. Hierzu gehört die
Schaffung eines Straftatbestandes bei Graffitischmierereien.
Opferrechte stärken
Der Schutz und die Rechte des Opfers von Gewaltverbrechen gehören in den Mittelpunkt des
Strafverfahrens. Die gesetzlichen Maßnahmen, wodurch die rechtliche, tatsächliche und
psychologische Situation der Opfer und Zeugen verbessert werden sollten, sind von der
Bundesregierung nicht entschieden genug fortgesetzt worden. Daher setzt sich die FDP
weiterhin für eine konsequente Reform des Strafprozessrechts, des Strafrechts sowie der
Opferschutzgesetze ein. Wir fordern die Einführung des Opferanwaltes, die erleichterte
Anwendung des Adhäsionsverfahrens, damit Schadensersatzansprüche der Opfer gegen die
Täter erfolgreicher durchgesetzt werden können.
Die FDP tritt konsequent denjenigen entgegen, die durch ein falsches Verständnis für die
Täter den viel wichtigeren Schutz der Opfer und Unschuldiger vergessen. Dazu gehört auch
ein klares Vorgehen in Fällen häuslicher Gewalt. Die FDP fordert, dass die Verweisung
von Gewalttätern aus ihrer Wohnung konsequent angewandt wird.
Sexuellen Missbrauch von Kindern bekämpfen
Jungen und Mädchen müssen vor jeglicher Form der Verletzung ihrer sexuellen
Selbstbestimmung, vor körperlicher und psychischer Gewalt geschützt werden. Die FDP
setzt sich dafür ein, dass sich die Maßnahmen zum Schutz der Kinder nicht nur auf
Gesetzgebung und Strafverfolgung erstrecken, sondern dass auch umfassende Prävention,
Schutz und Hilfen für Opfer sowie ein aktives Engagement der Zivilgesellschaft gefördert
werden. Darüber hinaus fordert die FDP die internationale Zusammenarbeit zur Bekämpfung
der kommerziellen sexuellen Ausbeutung von Kindern als ein weltweites und
grenzüberschreitendes Verbrechen, das sich auch auf Deutschland erstreckt.
Kinder- und Jugendkriminalität
Primäres Ziel des Vorgehens gegen Kinder- und Jugendkriminalität muss die Prävention
bleiben. Es gilt, Gewalt und ihre Ursachen bei Kindern und Jugendlichen in ihrem Ursprung
zu bekämpfen. Dies ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und umfasst insbesondere auch
die soziale Absicherung von Kindern, ein ausreichendes Angebot an Betreuungseinrichtungen
und ein Schulsystem, das auch schwächeren Schülerinnen und Schülern eine Perspektive
gibt. Die FDP lehnt eine Absenkung des Strafmündigkeitsalters auf unter 14 Jahre ab. Wenn
es zu einer Jugendstrafe kommt, muss durch ein endlich einzuführendes
Jugendstrafvollzugsgesetz in einer weit effektiveren Weise den erzieherischen Aufgaben
eines solchen Vollzuges Platz gegeben werden.
Extremismus
Die FDP verurteilt jeglichen Extremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt.
Der Umfang extremistischer Straftaten in der Bundesrepublik Deutschland ist Besorgnis
erregend. Die Annahme, es handele sich um vorübergehende Vorgänge, hat sich nicht
bestätigt. Die FDP fordert eine stärkere Unterstützung der freiwilligen Organisationen
mit ihrem breiten Angebot an Jugendarbeit. Jährlich muss ein Betrag für Projekte zur
Förderung der kommunalen Jugendarbeit, insbesondere für politische Bildung, soziales
Engagement und für kulturelle Arbeit in nichtstaatlichen Organisationen im Bundeshaushalt
bereitgestellt werden. Die Bundeszentrale für politische Bildung muss schwerpunktmäßig
Projektsjugendarbeit in den neuen Bundesländern entwickeln und durchführen.
Es gilt dem Eindruck entgegen zu treten, es handele sich bei rechtsextremistischen
Erscheinungsformen um ein Phänomen ausschließlich der neuen Bundesländer. Dennoch sind
die östlichen Bundesländer regionale Schwerpunkte rechtsextremistisch motivierter
Gewalttaten und Konzentrationspunkt des Potenzials gewaltbereiter Rechtsextremisten.
Die Auseinandersetzung über die Ursachen und die Vorstellungen von Rechtsextremisten muss
offensiv und argumentativ in unserer Gesellschaft geführt werden. Die ungeheuerlichen
Skandale im Zusammenhang mit dem NPD-Verbotsverfahren zeigen die Gefahren auf, die darin
liegen, auf diese Weise die NPD als eine Partei mit rechtsextremistischem Programm aus der
Parteienlandschaft verdrängen zu wollen.
Drogenpolitik
Grundlage einer erfolgreichen Drogenpolitik ist die Erforschung der Ursachen und
Auswirkungen dieser Erkrankungsformen. Sucht ist eine Krankheit und kann deshalb mit
repressiven Mitteln nicht erfolgreich und andauernd behandelt werden. Die FDP setzt sich
für eine Verbesserung der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung ein. Für die
bereits Süchtigen muss ein bedarfsgerechtes, differenziertes Therapieangebot auf- und
ausgebaut werden, das einen umgehenden Therapiebeginn gewährleistet. Drogenabhängige
Menschen brauchen stärker Hilfen im niedrigschwelligen Bereich. Die FDP unterstützt
ausdrücklich die Einrichtung von Drogenkonsumräumen, in denen medizinische, hygienische
und psychologische Hilfen angeboten werden sowie die Bereitschaft für den Beginn einer
Therapie gefördert wird. Dabei sollen die Anwohner frühzeitig in die Planung
miteinbezogen werden. In Übereinstimmung mit den Polizeipräsidenten fast aller deutschen
Großstädte setzt sich die FDP für die Verwirklichung des "Schweizer Modells"
ein, d.h. für Schwerstheroinabhängige kann die staatlich kontrollierte, durch
qualifizierte Ärzte verordnete Betäubungsmittelvergabe eine Möglichkeit sein,
Drogenkranken zu helfen, Beschaffungskriminalität einzudämmen und die Integration von
Suchtabhängigen in die Gesellschaft zu fördern. Eine bessere Bekämpfung der
organisierten Drogenkriminalität sowie des internationalen Rauschgifthandels muss die
Präventionsangebote und die Hilfen für Suchtkranke wirksam ergänzen.
III. Rechtssicherheit wiederherstellen
Eine unabhängige, moderne, bürgernahe und leistungsstarke Justiz ist unverzichtbar,
damit ein effektiver Rechtsschutz für den Bürger gewährleistet ist.
Die letzten vier Jahre waren von einer wahren Flut von Gesetzen insbesondere im Zivil- und
Verfahrensrecht gekennzeichnet. Gesetze, die zum Teil aus ideologischen Gründen
tiefgreifend in bewährte Regelungen eingegriffen haben. Die Folge hiervon ist eine
erhebliche Rechtsunsicherheit und eine unnötige Belastung bei allen Beteiligten, vor
allem bei der Anwaltschaft und der Justiz. Die FDP wird im Dialog mit der Praxis
sorgfältig prüfen, welche Neuregelungen überhaupt hilfreich sind und welche unsinnigen
Änderungen dringend korrigiert werden müssen. Weniger Gesetze und eine Vereinfachung der
Rechtsordnung, dafür aber eine bessere personelle und sachliche Ausstattung der Justiz,
auch mit modernster Technologie, sind wichtige Ziele liberaler Rechtspolitik.
Die FDP setzt sich zur Sicherung der Qualität der Rechtsprechung an den obersten
Bundesgerichten für eine Reform des Verfahrens der Bundesrichterwahl ein, das dem
verfassungsrechtlich vorgegebenen Anspruch der Bestenauslese stärker Rechnung trägt, als
bislang.
IV. Öffentliche Dienste modernisieren
Die FDP fordert ein Modernisierungsprogramm des für einen zukunftsfähigen, d.h.
leistungsstarken und effizient arbeitenden öffentlichen Dienst. Nur der schlanke Staat
ist ein starker Staat. Der Einsatz von Beamten muss zukünftig auf hoheitliche
Tätigkeiten beschränkt werden. Ziel muss es sein, die Attraktivität des öffentlichen
Dienstes für die Beschäftigten und damit die Leistungsfähigkeit der Verwaltungen auf
allen Ebenen für den Bürger ständig zu erhöhen.
Eine Säule eines leistungsfähigen öffentlichen Dienstes ist das Berufsbeamtentum. Die
Liberalen haben in der Vergangenheit die Leistungsorientierung des Dienstrechts initiiert.
Wir fordern, dass endlich die von den Bundesinnenministern versprochene Liberalisierung
und Vereinfachung des Laufbahnrechts umgesetzt wird, um den Aufstieg in allen Formen zu
erleichtern. Der Personalaustausch der Beschäftigten innerhalb des öffentlichen
Dienstes, einschließlich der europäischen Institutionen, aber auch von und zu
Arbeitgebern außerhalb des öffentlichen Dienstes, muss erleichtert werden.
Die FDP fordert die Rückkehr zum Gleichklang von Tarif und Besoldung, eingeschlossen die
Versorgung, bei den regelmäßigen Anpassungen. Darüber hinaus brauchen wir ein
transparentes, funktions- und leistungsgerechtes Bezahlungssystem. Hinzu kommen müssen
Instrumente, um die öffentlichen Dienstherren am Arbeitsmarkt handlungsfähig zu machen,
wie z.B. Sonderzuschlagsregelungen, damit qualifiziertes Personal kurzfristig gewonnen
werden kann. Schließlich brauchen unsere öffentlich Beschäftigten in den neuen
Bundesländern endlich eine klare zeitliche Perspektive, um die Ostbezahlung an das
Westniveau im öffentlichen Dienst bis 2007 anzupassen.
Die FDP wird die Auswirkungen des von der rot-grünen Bundesregierung durchgesetzten
Versorgungsänderungsgesetzes kritisch, insbesondere auch auf die Belastungssymmetrie hin,
überprüfen. Wir werden entscheiden, wie eine etwaige Benachteiligung vorhandener
Versorgungsempfänger und pensionsnaher Jahrgänge ausgeglichen und finanzpolitisch nicht
erforderliche Überkompensationen der Beamtenversorgung gegenüber anderen
Versorgungssystemen beseitigt werden können.
V. Zuwanderung steuern und begrenzen, Integration fördern
Die Bundesrepublik Deutschland ist seit Jahren faktisch ein Einwanderungsland. Die FDP
hatte als erste Partei bereits zu Beginn der Legislaturperiode einen Gesetzentwurf zur
Regelung der Zuwanderung und Integration in den Bundestag eingebracht und diesen unter
Einbeziehung der Ergebnisse der "Unabhängigen Kommission Zuwanderung"
fortentwickelt. Unter Fachleuten ist unstreitig, dass Deutschland auch in Zukunft im
eigenen Interesse Einwanderung braucht.
Die Steuerung der Zuwanderung ist eine herausragende Zukunftsaufgabe, der
verantwortungsvolle Politik nicht ausweichen darf. Eine klare und transparente Regelung
trägt dazu bei, teilweise noch vorhandene Ängste in der Bevölkerung abzubauen sowie das
Klima für die Integration der bereits hier lebenden und der künftig zuwandernden
Ausländer zu verbessern.
Zuwanderung
Die FDP setzt auf den Dreiklang aus stärkerer Ausrichtung der Zuwanderung am eigenen
Interesse unseres Landes, Wahrung der humanitären Verpflichtungen Deutschlands und
Verbesserung der Integrationsbemühungen.
Die Zuwanderung kann Wirtschaftswachstum und Wohlstandsentwicklung in Deutschland festigen
und fördern, indem sie den in vielen Branchen bestehenden Arbeitskräftemangel
ausgleicht. Dabei soll die Zuwanderung jedoch nicht allein dem Fachkräftemangel abhelfen;
vielmehr setzt die FDP auf die Förderung der Ausbildung und Umschulung von in Deutschland
lebenden Arbeitslosen zu benötigten Fachkräften. Nicht Qualifizierung und Weiterbildung
vor Zuwanderung, sondern Qualifizierung und Weiterbildung plus Zuwanderung ist die
richtige Lösung.
Zum Wettbewerb um die besten Köpfe gehört auch die Attraktivität des Studienstandortes
Deutschland. Deshalb müssen die insoweit bestehenden Hürden für ausländische
Studierende und Wissenschaftler abgebaut werden. Dazu gehören die Vereinfachung
ausländer- und arbeitserlaubnisrechtlicher Regelungen, die Beschleunigung der
Einreiseverfahren, die Erleichterung im Genehmigungsverfahren nach der Einreise, etwa bei
einem Fachrichtungswechsel oder bezüglich der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, und die
Förderung des Verbleibs qualifizierter Absolventen nach Abschluss des Studiums. Zur
Verbesserung der Bedingungen gehört ebenso, Zuwanderungshemmnisse, wie Arbeitsverbote
für mitwandernde Ehegatten, abzubauen. Aufgrund der mittel- und langfristigen
demografischen Entwicklung fordert die FDP auch eine quotierte Zuwanderung junger,
qualifizierter Menschen, die sich an der demografischen Entwicklung ausrichtet.
Die Zuwanderung kann helfen, das demografische Problem einer alternden und schrumpfenden
Bevölkerung zu lösen, indem sie den Alterungsprozess der Gesellschaft und damit die
kommenden Belastungen für die sozialen Sicherungssysteme abmildert. Durchgreifende
Reformen in der Sozial-, Arbeitsmarkt-, Renten- und Gesundheitspolitik kann und darf sie
jedoch nicht ersetzen.
Asylrecht
Für die FDP kommt weder eine Abschaffung des Asylgrundrechts noch eine Beschneidung der
grundgesetzlichen Rechtsweggarantie in Frage. Zuwanderung aus wirtschaftlichen oder
anderen nicht humanitären Gründen sowie die Schutzsuche wegen politischer oder sonstiger
Verfolgung sind zwei sich im Sinne eines "Zwei-Türen-Modells" einander
grundsätzlich ausschließende Tatbestände. Beschleunigungsmöglichkeiten bei den
Verfahren durch einfachgesetzliche oder andere Maßnahmen sollten aber genutzt werden. Der
größte Handlungsbedarf besteht bei der Verkürzung der Gerichtsverfahren. Die personelle
Verstärkung der zuständigen Gerichte ist das beste Mittel, um eine Beschleunigung zu
erzielen.
Die bisherige Schutzgewährung bei sogenannter nichtstaatlicher und
geschlechtsspezifischer Verfolgung ist lückenhaft und muss verbessert werden. Die FDP
hält insoweit die Gewährung des so genannten Kleinen Asyls für geboten.
Wer nicht als schutzbedürftig anerkannt wird, muss Deutschland möglichst zügig wieder
verlassen, wobei auf die Möglichkeiten einer freiwilligen Rückkehr hinzuwirken ist.
Ansonsten bleibt nur die konsequente Abschiebung. Für Fälle der unzumutbaren Härte soll
eine Härtefallklausel im Ausländerrecht eingeführt werden, die den Behörden den
notwendigen Handlungsspielraum lässt, in begründeten Einzelfällen von einer Abschiebung
abzusehen.
Die Situation von illegal in Deutschland lebenden Personen gerät zunehmend in das
Blickfeld der Politik. Die FDP will die illegale Einreise, insbesondere in Verbindung mit
kriminellem Schleuserwesen, konsequent bekämpfen.
Die FDP setzt sich dafür ein, dass das überaus bürokratische Erfordernis der
Arbeitserlaubnis abgeschafft wird. Diejenigen, die sich gesetzlich auf rechtlicher
Grundlage in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, haben auch das Recht, eine bezahlte
Arbeit aufzunehmen. Arbeitsverbote schaden der deutschen Wirtschaft und den betroffenen
Menschen. Der freie Zugang zum Arbeitsmarkt und damit das Bestreiten des Lebensunterhalts
aus eigener Kraft gehören zu den Grundlagen eines menschenwürdigen Lebens und
individueller Freiheit.
Integration
Die Akzeptanz der Zuwanderung hängt wesentlich davon ab, wie Zugewanderte und
Einheimische miteinander umgehen. Auch für die Eingliederung der bereits Zugewanderten
muss mehr als bisher getan werden. Aufgabe und Ziel der staatlichen Integrationspolitik
muss es sein, auf eine gleichberechtigte Teilnahme am politischen, wirtschaftlichen und
kulturellen Leben auf der Basis der freiheitlich-demokratischen Grundordnung hinzuwirken.
Die FDP sieht die Hauptaufgaben der Integrationspolitik zum einen in der Vermittlung der
deutschen Sprache und von Kenntnissen über die wirtschaftlichen und politischen
Verhältnisse der Bundesrepublik. Die Sprachkurse sollen für Zuwanderer verpflichtend
werden, wobei sie an den Kosten angemessen zu beteiligen sind. Zum anderen ist
wesentlicher Bestandteil einer erfolgreichen Integration die schulische und berufliche
Qualifikation junger Menschen ausländischer Herkunft sowie die Eingliederung in
kulturelle und soziale Organisationen. Bauliche und soziale Ghettosituationen müssen
vermieden werden.
Um die Bedeutung der Integration als gesamtstaatliche Aufgabe zu unterstreichen, fordert
die FDP, die Integration als Staatszielbestimmung in das Grundgesetz aufzunehmen. Zusätzlich muss ein
Anreizsystem geschaffen werden, das es den integrationswilligen Ausländern ermöglicht,
den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zu beschleunigen.
VI. Mehr Demokratie wagen
Das Ansehen der deutschen Politik hat unter Parteispenden- und Politikerskandalen
gelitten. Dadurch wurde das Vertrauen in die Parteien insgesamt beschädigt und das
Ansehen unserer repräsentativen Demokratie in Mitleidenschaft gezogen. Um der sich
ausbreitenden Verdrossenheit und Entfremdung zwischen Wählern und Gewählten
entgegenzutreten, fordert die FDP eine Diskussion über eine dauerhafte Stärkung des
Bürgervertrauens, eine Reform des Parteienstaates und neues Vertrauen in die politischen
Institutionen.
Die FDP wendet sich zugleich gegen eine schleichende Entmachtung des Parlaments durch die
Einrichtung außerparlamentarischer Gremien, die Entscheidungen so vorbereiten, das dem
Parlament nur noch die Möglichkeit von Zustimmung oder Ablehnung bleibt.
Die FDP will die Parteienmacht zugunsten von mehr Bürgermacht zurückdrängen. Die
Parteien sollen sich wieder auf die ihnen in der Verfassung zugewiesene Rolle
beschränken. Nur so wird der Staat von einer Repräsentation der Parteien zu einer
Repräsentation der Bürger. Die FDP will den Einfluss der Parteien durch Privatisierung
öffentlicher Aufgaben und Unternehmen zurückdrängen. Denn: Je mehr entstaatlicht wird,
desto geringer wird der Einfluss der Parteien. Zugleich verlieren damit zahlreiche
Interessenverbände die Möglichkeit, den Staat zu instrumentalisieren. Dort, wo der
Parteienproporz bei der Postenvergabe im Mittelpunkt steht, muss er zurückgedrängt
werden; bei den öffentlich-rechtlichen Medien, bei kommunalen Betrieben oder in Schulen
und Behörden. Maßstab ist die Kompetenz, nicht das Parteibuch.
Eine überwältigende Mehrheit der Deutschen will auch auf Bundesebene mehr direkte
Demokratie. Die FDP unterstützt diesen Wunsch. Die FDP bekennt sich zur repräsentativen
Demokratie. Sie will diese jedoch um Elemente der direkten Demokratie bereichern. Der
Bürger muss sich vor allem in seinem unmittelbaren Umfeld stärker an Entscheidungen
beteiligen können. Bürgerentscheide, Bürgerbegehren und Bürgerbefragungen sind dafür
auch auf Bundesebene der richtige Weg. Die Bürgerinnen und Bürger sollten das Recht
haben auch den Bundespräsidenten in Direktwahl zu bestimmen.
Die FDP setzt sich dafür ein, die Macht der Bürger zu stärken, in dem ihnen die
Möglichkeit eingeräumt wird, stärker als bisher auf die Auswahl der Mandatsträger
Einfluss zu nehmen. Durch die Möglichkeit des Kumulierens und Panaschierens auf
kommunaler Ebene können Wählerinnen und Wähler ihre Stimmen bündeln und damit die
bisher von den Parteien vorgegebene Reihenfolge der Kandidatenliste verändern. Dies
sollte auch bei Landtags- und Bundestagswahlen möglich sein.
Die Bürger wissen um die Notwendigkeit einer angemessenen Entschädigung der Politiker,
weisen aber zu Recht unangemessene Privilegien zurück. Dem Vorwurf der Selbstbedienung
will die FDP durch die Einsetzung einer unabhängigen Kommission zur Festlegung der
Entschädigung begegnen. Die FDP tritt anstelle der derzeitigen Regelung, die keine
Beiträge der Abgeordneten für ihre Altersvorsorge vorsieht, für ein
privatwirtschaftliches Versicherungsmodell ein, das es den Abgeordneten ermöglicht, sich
eigenverantwortlich um ihre Altersversorgung zu kümmern. Die Liberalen wollen die
Privilegien von Beamten abbauen, um einen gleichberechtigten Zugang zu den Parlamenten zu
gewährleisten. In den deutschen Parlamenten sitzen im Verhältnis zu ihrem
gesellschaftlichen Anteil zu viele Beamte, Gewerkschafts- und Verbandsvertreter.
VII. Föderalismus
Im deutschen Föderalismus gibt es Fehlentwicklungen. Die Gewaltenteilung ist einem System
der gegenseitigen Verflechtung zwischen Bund und Ländern in Politikgestaltung und
Verwaltung gewichen. Daher sind die Bürger kaum noch in der Lage, politische
Entscheidungen und ihre Folgen zuzuordnen und darauf aufbauende Wahlentscheidungen zu
treffen. Da die in Nizza für das Jahr 2004 beschlossene Regierungskonferenz u.a. die
Aufgabenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und den Organen
der EU regeln wird, ist eine Reform des bundesdeutschen Föderalismus umso dringender. Die
FDP fordert wettbewerblichen Föderalismus mit transparenter Entscheidungsfindung und
klarer Kompetenzverteilung. Im Sinne des Subsidiaritätsgedankens sollen Kompetenzen, die
nicht zwingend bundeseinheitlich und auf der nationalen Ebene geregelt werden müssen, vom
Bund auf die Länder zurückverlagert werden. So kann dem Gebot der Verantwortlichkeit und
Durchschaubarkeit politischer Entscheidungsprozesse Rechnung getragen werden. Die
nachträglich in das Grundgesetz eingeführten
"Gemeinschaftsaufgaben" haben die Staatsaufgaben über falsche Ausgabenanreize
aufgebläht. Daher sind die Artikel 91 a
und 91 b aus dem Grundgesetz ersatzlos zu streichen und diese
Aufgaben vollständig an die Länder zurückzugeben. Ebenso müssen die Bundesfinanzhilfen
an die Länder (Art. 104 a, Abs. 4 GG) entfallen, die dem Bund die Möglichkeit eröffnen,
von den Ländern Zuständigkeiten "zu erkaufen". Auch der
Wettbewerbsföderalismus wird nicht ohne gewisse Felder konkurrierender Gesetzgebung
auskommen. Durch die Einführung einer "Experimentierklausel" soll es den
Bundesländern ermöglicht werden, vom Bund besetzte Felder der konkurrierenden
Gesetzgebung zurückzuholen. Wenn der Bundestag nicht in einer gesetzten Frist mit einer
qualifizierten Begründung widerspricht, kann ein Bundesland Gesetze gewissermaßen als
"Pilotprojekt" erlassen. Erweist sich die Sonderregelung als erfolgreich,
können andere Bundesländer dem Beispiel folgen und so zu einer Fortentwicklung der
gesetzlichen Rahmenbedingungen durch Wettbewerb beitragen. Der Gesetzgebungskompetenz muss
die Pflicht zur Kostentragung folgen. Das heißt, dass der Bund nicht mehr, wie geschehen,
das Recht auf einen Kindergartenplatz beschließen und die Kommunen mit Aufgaben und
Kosten belasten kann. Daher ist Art. 104 a Abs. 2 GG entsprechend zu ändern. Für mehr
Transparenz bei den Staatsfinanzen müssen Staatsaufgaben und Steuerkompetenzen wieder
übereinstimmen. Daher sind die Verbundsteuern schrittweise abzuschaffen. Jede Ebene muss
für die von ihr erhobenen Steuern die alleinige Verantwortung haben. Daher soll durch
Bundesgesetzgebung eine einheitliche Bemessungsgrundlage für die Steuern festgelegt
werden, und Bund und Länder sollen das Recht erhalten, untereinander frei konkurrierend
darauf je ihre eigenen Steuertarife, wie für Einkommen- und Körperschaftssteuer,
anzuwenden. Bei der Einkommensteuer sollen die Gemeinden das gleiche Recht erhalten. Für
den Bürger muss dabei klar erkennbar bleiben, welche Gebietskörperschaft wie viele
Steuern von ihm erhebt.
Der Länderfinanzausgleich hat die grundsätzliche Funktionsfähigkeit der Länder zu
sichern. In diesem Zusammenhang muss er gewährleisten, dass die Länder in der Lage sind,
die Gesetze zu wahren, die öffentliche Ordnung und die Bürgerrechte zu garantieren sowie
die sozialen Mindeststandards zu sichern. Die Orientierung an einem einzigen, klar
definierten Ziel vereinfacht den Finanzausgleich erheblich: sämtliche Zuweisungen, die
etwa an Seehäfen und Küsten, besondere Belastung durch politische Führung etc.,
geknüpft sind, entfallen. An ihre Stelle tritt eine einzige, am Kriterium der
Funktionsfähigkeit orientierte, Zuweisung. Die Einwohnerveredelung zugunsten der
Stadtstaaten wird durch direkte Transferregelungen zwischen den Stadtstaaten und dem
jeweiligen Umland ersetzt. Bei der Gestaltung dieses - vereinfachten - Systems ist auf ein
niedriges Ausgleichsniveau und geringe Grenzbelastungen zu achten. Die nach den
reformierten Kriterien noch zu zahlenden Zuweisungen sollen gemeinsam (je zur Hälfte) vom
Bund und den anderen Ländern - von diesen nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit -
aufgebracht werden.
VIII. Kirchen und Religionsgemeinschaften
Für die FDP ist Religionsfreiheit und Toleranz gegenüber allen Religionsgemeinschaften
ein zentrales Anliegen. Die Liberalen wollen, dass freie Bürger in einem freien Staat
ihre Religion frei und ungehindert ausüben können.
Um der zunehmenden kulturellen und damit auch religiösen Vielfalt gerecht zu werden,
definiert die FDP Kirchenpolitik als Religionspolitik. Die FDP sucht das Gespräch mit der
evangelischen und katholischen Kirche ebenso wie mit dem Judentum, dem Islam und allen
anderen Religionsgemeinschaften. Alle Religionsgemeinschaften, die sich zu der
freiheitlich-demokratischen Grundordnung und den Menschenrechten bekennen und diese leben,
finden in der FDP einen ehrlichen Anwalt ihrer Interessen. Wir wollen, dass der Staat sein
Verhältnis zu den Religionsgemeinschaften in einer Weise definiert, die allen Religionen
und ihren Gläubigen gerecht wird.
Angesichts der terroristischen Angriffe des 11. September 2001 sieht sich eine gesamte
Religionsgemeinschaft dem Generalverdacht eines religiös geprägten Extremismus
ausgesetzt. Die FDP setzt sich für gegenseitiges Verständnis und Toleranz ein, damit
diese Aktionen als das gesehen werden, was sie tatsächlich sind: isolierte Taten einiger
Extremisten, die in keinem Zusammenhang mit der Religionszugehörigkeit stehen. Die FDP
will den Dialog zwischen den Religionen und Kulturen fördern und unterstützen.
Religionsfreiheit findet allerdings ihre Grenzen in den Menschenrechten, wie sie z.B. von
den Vereinten Nationen definiert werden. Deshalb ist es für die FDP von zentraler
Bedeutung, dass alle Religionsgemeinschaften sich klar und deutlich zu den Menschenrechten
bekennen und diese auch umsetzen. Religion trifft in Deutschland auf Offenheit und
Toleranz und dieses erwarten wir auch von den Religionsgemeinschaften.
IX. Sport
Sport ist politisch zu fördern, da er für alle, insbesondere für Jugendliche ein
Lebensbereich ist, in dem sich liberale und soziale Werte und Ziele optimal ergänzen.
Liberale Sportpolitik unterstützt den Spitzensport ebenso wie den Breiten- und
Behindertensport - und verwendet sich insbesondere für den Schulsport. Die FDP fordert
die flexiblere Bereitstellung von Sportflächen und Bewegungsräumen sowie die Belohnung
des freiwilligen, ehrenamtlichen Engagements im Sportwesen.
Die FDP unterstützt die Bewerbung Deutschlands für die Ausrichtung der Olympischen
Spiele 2012 und begrüßt, dass das Bewerbungsverfahren mit einer verstärkten Förderung
des Schulsports verknüpft wird. In diesem Zusammenhang fordert die FDP eine gezielte
Talentförderung durch sportbetonte Schulen und Sportinternate.
Die FDP fordert die Aufnahme eines Straftatbestandes von Doping im Profi-Sport in das
Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, da Doping im Profi-Sport den Wettbewerb verzerrt. Aber
auch im Freizeit- und Fitnessbereich ist die Anwendung von leistungssteigernden Substanzen
bei Kindern und Jugendlichen angestiegen. Diesem Missbrauch will die FDP durch bessere
Datenerhebung, verstärkte Forschung und Eindämmung des Schwarzmarktes begegnen.
X. Kulturpolitik
Liberale wollen kulturelle Vielfalt und Offenheit. Liberale Kulturpolitik hat es sich
daher zur Aufgabe gemacht, die Freiheit der Kunst und Kultur zu garantieren und allen
Bürgern eine gleichberechtigte Teilhabe an Kultur zu ermöglichen. Kulturpolitik hat auch
eine wirtschaftspolitische Dimension. Innovative künstlerische Entwicklungen gilt es zu
unterstützen und das einzigartige deutsche Kulturerbe in all seinen Ausformungen zu
bewahren und zu pflegen. Staatliche Kunstförderung soll die Grundlagen für die freie
Entfaltung der Kunst sichern. Dabei kommt der Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den
Ländern eine besondere Bedeutung zu. Das bürgerschaftliche kulturelle Engagement muss
gestärkt und seine Weiterentwicklung befördert werden. Das neue Selbstverständnis
bundesdeutscher Kulturpolitik muss auf Bundesebene seinen angemessenen Ausdruck finden.
Die Träger deutscher Kultur im Ausland, die maßgeblich zu einem gegenseitigen
Verständnis auf internationaler Ebene beitragen, wie das Goethe Institut Inter Nationes,
aber auch die deutschen Auslandsschulen, bedürfen verstärkter staatlicher
Unterstützung.
Die kulturelle Aufgabenstellung dieser Institutionen sollte eine Entsprechung in ihrer
administrativen Zuordnung erhalten.
Der Bewahrung und Pflege unseres historischen Erbes, zu dem die Deutsche Sprache, Musik
und Bildende Kunst gehören, kommt eine große Bedeutung zu. Die Verantwortung für das
baukulturelle und das archäologische Erbe bleibt wesentlicher Bestandteil
gesellschaftlichen Kulturauftrages. Unter der fortschreitenden Vereinigung Europas kann
das historische Erbe der deutschen Länder einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen
Identitätsstiftung leisten.
Neben eher traditionellen Kunstformen wie Malerei und Plastik, ebenso Installationen,
sollen auch innovative und experimentelle Kunstformen bessere staatliche Rahmenbedingungen
erhalten. Diese Kunstformen reflektieren eine aktuelle gesellschaftliche Entwicklung und
können Wegweiser für eine Problem- und Zukunftsbewältigung sein. Mit der staatlichen
Förderung dieser Kunstformen sollen besonders Nachwuchskünstler und -künstlerinnen die
Möglichkeit erhalten, ihre künstlerische Tätigkeit frei zu entfalten. Auch die
wettbewerbsrechtliche Verbesserung der Rahmenbedingungen für Künstler, Kulturvermittler
und Kunstmarkt, so etwa die Modernisierung des urheberechtlichen Folgerechts, gehören zu
einer zukunftsweisenden liberalen Kulturpolitik.
Die Liberalen halten an der föderalen Struktur der deutschen Kulturpolitik fest. Um so
dringender bedarf es in Abstimmung mit den Ländern der Klärung der Frage nach den
kulturpolitischen Zuständigkeiten von Kommune, Land und Bund (vertikale Entflechtung).
Den umfassenden Aufgaben einer Kulturpolitik auf Bundesebene (horizontale Entflechtung)
muss eine angemessene Ausstattung der kürzlich auf Initiative der FDP gegründeten
Kulturstiftung des Bundes entsprechen.
Es wird angestrebt, die Kulturstiftung der Länder und die Kulturstiftung des Bundes unter
einem Dach zusammenzufassen.
Die Liberalen wollen allen Bürgern und Bürgerinnen eine weitgehende Teilhabe am
kulturellen Leben ermöglichen. Dazu gehört das Festhalten der FDP an der
Buchpreisbindung ebenso wie die Schaffung von Anreizen für mehr bürgerschaftliches
Engagement im Kulturleben. Deshalb halten die Liberalen an ihrem Konzept für ein modernes
Stiftungsrecht fest. Dazu wollen wir die Errichtung von Stiftungen erleichtern und die
Stiftungsarbeit transparenter machen. Ebenso muss das Stiftungssteuerrecht verbessert
werden.
XI. Medien und Rundfunk
Bei der Entwicklung neuer Technologien bewertet die FDP grundsätzlich die Chancen höher
als die Risiken. Wer nur die Risiken sieht, verhindert Fortschritt. Gesetzliche
Überregulierungen sind abzubauen und die Zuständigkeiten für Gesetzgebung und Aufsicht
dort, wo es Sinn macht, zu bündeln!
Jugendschutz
Die FDP fordert einen einheitlichen Regelungsrahmen für den Jugendschutz in allen Medien
sowie den Abbau des Zuständigkeitsgeflechts zwischen Bund und Ländern. Nutzerautonome
technische Zugangssperren sind ein sinnvoller Schutz für Kinder und Jugendliche und daher
Sendezeitbegrenzungen oder gar staatliche Sperrungsanordnungen für Webseiten vorzuziehen.
Ferner sind Selbstregulierungsinstanzen, wie die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen
(FSF) und die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia (FSM), staatlicher Inhaltskontrolle
vorzuziehen.
Datenschutz und Sicherheit im Netz
Datenschutz und Datensicherheit haben im Internet eine hohe Bedeutung, um das Vertrauen
der Bürger, insbesondere beim E-Commerce zu stärken. Die FDP lehnt deshalb Maßnahmen,
welche die Sicherheit im Netz beschränken, wie zum Beispiel ein Kryptografieverbot,
genauso wie Protokollierungs- und Aufbewahrungspflichten für digitale Spuren ab.
Der Staat soll auch nicht den digitalen Schlüssel zum Lesen der Daten erhalten. Eingriffe
in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dürfen allenfalls mit der notwendigen
gesetzlichen Grundlage und auf richterliche Anordnung erfolgen. Von der Bundesregierung
ist jährlich ein Bericht vorzulegen, in dem - ähnlich dem vergleichbaren Bericht über
die Telefonüberwachung - präzise Einzelheiten der Überwachungsmaßnahmen im Netz und
die hieraus gewonnen Erkenntnisse beschrieben werden.
Urheberrecht für digitale Medien
Erst ein wirksamer Schutz des geistigen Eigentums durch das Urheberrecht schafft die
notwendigen Anreize für kreative Tätigkeit und für Investitionen in deren
wirtschaftliche Verwertung. Das gilt auch und gerade für die digitalen Medien.
Von besonderer Bedeutung ist die künftige Regelung des Rechts der privaten
Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke. Die individuelle Lizenzierung hat
hier grundsätzlich Vorrang vor einer Pauschalabgabe auf Geräte und Speichermedien. Der
Systemwechsel darf, wo er technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist, nicht
behindert werden. Das digitale Rechtemanagement muss stattdessen auch durch geeignete
urheberrechtliche Rahmenbedingungen gefördert werden.
Fortschreibung des dualen Rundfunksystems
Öffentlich-rechtliche und private Sender sichern die Vielfalt des Programms und die
Pluralität des Meinungsangebotes mittlerweile gemeinsam. Der öffentlich-rechtliche
Rundfunk kann sich vor allem auf Programme konzentrieren, die von privaten
Rundfunkveranstaltern aus wirtschaftlichen Gründen weniger angeboten werden. Dabei will
die FDP die öffentlich-rechtlichen Aufsichtsgremien reformieren: Staatseinfluss und
Parteiendominanz müssen zurückgedrängt werden. Künftig sollen sich öffentlich-
rechtliche Sender ausschließlich über Gebühren finanzieren, also nicht mehr über
Werbung. Sie dürfen im Internet nur programmbegleitende Informationen anbieten. Der so
genannte Grundversorgungsauftrag darf nicht als Online-Freibrief für ARD und ZDF
missverstanden werden.
Die FDP fordert die Abschaffung der Gebühreneinzugspraxis in der bisherigen Form durch
die Gebühreneinzugszentrale (GEZ). Die Liberalen befürworten eine deutlich abgesenkte
Bürger-Abgabe für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die aus Kostengründen von den
Finanzämtern eingezogen werden könnte.
Telekommunikation und Internet
Telekommunikationslinien sind die Lebensadern der Neuen Medien und der Netzökonomie. Die
FDP setzt sich nachhaltig für einen zügigen Ausbau der Netzstrukturen, insbesondere der
Breitbandnetze ein, um damit einen funktionierenden Wettbewerb unter den Fernseh-,
Internet- und Telefonanbietern zu ermöglichen. Nur faire Wettbewerbschancen für alle
Anbieter und Infrastrukturen ermöglichen Vielfalt und nutzerfreundliche Preise, z.B. auch
pauschale Nutzungsentgelte sog. Flatrates.
Politik für ein bewegliches Deutschland
Für die FDP ist Mobilität ein Teil der Freiheit. Sie ist Voraussetzung von
Flexibilität, Lebensqualität, Fortschritt und Wirtschaftswachstum. In einer sich
wandelnden Gesellschaft heißt mobil zu sein, geistige Freiheit für sich in Anspruch zu
nehmen und geistig wie wirtschaftlich beweglich zu sein. Freiheit muss jedem zugänglich
sowie für jedermann erschwinglich sein. Mobilität stärkt die Freiheit sowie die
Eigenverantwortung der Menschen. Mobilität im Sinne von körperlicher und geistiger
Bewegungsfreiheit bedeutet Teilhabe - Teilhabe am gesellschaftlichen, politischen und
wirtschaftlichen Leben. Der Grad an Mobilität ist ein Gradmesser für Teilhabe. Die
liberale Bürgergesellschaft ist eine Teilhabergesellschaft. Bürger und Wirtschaft wollen
und brauchen Bewegungsfreiheit, Entscheidungsfreiheit und Mut, um zukünftigen
Herausforderungen gerecht werden zu können.
Deutschland steht in punkto Mobilität jedoch im Stau. Vor allem auch auf unseren
bundesdeutschen Verkehrswegen. Die Infrastruktur ist überlastet, das Durchschnittstempo
hat sich verlangsamt und der Staat hemmt zusätzlich die Mobilitätsentwicklung durch
Steuern, Abgaben und ideologisch begründete Lenkungsmaßnahmen.
Deutschland braucht eine neue Verkehrspolitik. Eine Verkehrspolitik, die die Mobilität
von Menschen und Gütern als Voraussetzung des wirtschaftlichen Wohlstandes sichert.
Bewegungsfreiheit muss wieder bezahlbar werden. Die Infrastruktur muss zügig fit gemacht
werden. Deshalb müssen alle Verkehrsträger mit ihren spezifischen Vorteilen zu einem
attraktiven, umweltschonenden und sicheren Gesamtsystem vernetzt werden. Das künftig zu
erwartende Wachstum des Verkehrs muss unter Beachtung von Verkehrssicherheit und
Umweltschutz bewältigt werden. Eine mobile Gesellschaft braucht alle Verkehrsträger und
muss offen sein für neue Entwicklungen und moderne Technologien.
Kein Tempolimit bei Reformen
Der bisherige Ordnungsrahmen, die staatlichen Lenkungsinstrumente und Subventionen und
nicht zuletzt das unternehmerische Handeln des Staates im Verkehrssektor haben sich nicht
bewährt. Die vergangenen Reformen zur Liberalisierung und zur Privatisierung des
Verkehrssektors waren wichtig, reichen aber nicht aus. Die Steuer-, Abgaben- und
Investitionspolitik ist zu einem staatlichen Abkassier- und Umverteilungsmechanismus
verkommen, statt verursachergerechte Kostenanlastungen zu fördern und durch Wettbewerb
Mobilität effizient und bezahlbar zu machen.
Liberale Verkehrspolitik baut auf zwei Grundsätzen auf. Zum einen wissen Bürger selbst
besser als der Staat, in welcher Form sie mobil sein wollen. Zum anderen sollte sich die
Rolle des Staates darauf beschränken, die Infrastruktur zu gewährleisten und den
Wettbewerb der Verkehrsträger untereinander zu fördern. Aus diesen Grundsätzen ergeben
sich vier Forderungen an eine liberale Verkehrspolitik: Das Verursacherprinzip ist
konsequent anzuwenden, denn nur dann ist die freie Verkehrsmittelwahl durch den Bürger
gesamtwirtschaftlich effizient. Sofern Subventionen im Verkehr erforderlich sind, sollen
sie so gezahlt werden, dass sie nicht Wettbewerb verhindern, sondern
Wettbewerbsverzerrungen vermindern. Für die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur ist so
viel privates Kapital wie möglich zu erschließen. Bei der Privatisierung ist darauf zu
achten, dass keine neuen privaten Monopole geschaffen werden, sondern Strukturen, die den
funktionsfähigen Wettbewerb sicherstellen.
Mobilität und Privatisierung
Der Staat ist ein schlechter Verkehrsunternehmer. Die Vermischung von unternehmerischem
Handeln einerseits, Daseinsvorsorge und politischer Opportunität andererseits schwächt
die Wettbewerbsfähigkeit und die Effizienz der Unternehmen der öffentlichen Hand,
erhöht deren Subventionsbedarf und verteuert die Mobilität insgesamt. Es ist deshalb das
Ziel der Liberalen, die staatliche Beteiligung an Verkehrsunternehmen auf allen Ebenen
aufzugeben. Zur Sicherung der Daseinsvorsorge reicht es letztlich aus, wenn Bund, Länder
und Kommunen als Bedarfsträger auftreten und notwendige und politisch gewünschte
Verkehrsleistungen im Wettbewerb an private Unternehmen vergeben. Die Gründung
privatwirtschaftlich organisierter Infrastrukturgesellschaften ist ohne Verzögerung auf
allen Ebenen möglich und wäre ein erster Schritt zur Privatisierung vor allem des
Straßen- und des Schienennetzes.
Vor allem im Bereich des Schienenverkehrs müssen endlich klare Rahmenbedingungen zur
Einführung von Wettbewerb führen. Wettbewerb auf dem Schienennetz ist eine wesentliche
Voraussetzung für die Bahnreform. Bei dem derzeitigen Stand der Umsetzung der Bahnreform
kann aber nicht erwartet werden, dass Private (Dritte) sich den diskriminierungsfreien
Zugang erstreiten. Die Trennung von Netz und Betrieb ist für einen funktionsfähigen
Wettbewerb die Grundvoraussetzung. In den letzten Jahren war es der Deutschen Bahn AG als
Monopolist durch den Alleingesellschafter Bund erlaubt, den Wettbewerb gegen sich selbst
zu organisieren, sie ist also Spieler und Schiedsrichter in einem. Dies muss sich nach der
Bundestagswahl schnellstmöglich ändern. Die FDP fordert einen Privatisierungsplan für
die Bahn AG. Das Schienennetz ist aus der Holding der Bahn AG herauszulösen, damit der
Netzzugang auf der Schiene diskriminierungsfrei auch für Dritte möglich ist und dort ein
Preis- und Leistungswettbewerb ausgelöst wird.
Die weitere Umsetzung der Privatisierung der Flughafenbeteiligungen des Bundes, der
Länder und Gemeinden ist zügig voranzutreiben. Die Straßenverkehrsverwaltung, speziell
die Autobahnmeistereien, sind zu privatisieren sowie private Unternehmen verstärkt in
Betrieb und Unterhaltung der Verkehrsinfrastruktur einzubeziehen. Die Hafenbeteiligungen
der Gebietskörperschaften sind zu privatisieren.
Der ordnungspolitische Grundsatz der vollständigen Deregulierung der Verkehrsmärkte in
der EU muss mit Konsequenz verfolgt werden.
Mobilität und Infrastruktur
Das System der Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur über die öffentlichen Haushalte
ist angesichts des Verkehrswachstums, vor allem auf der Straße, überfordert. Die
Investitionen in Neu- und Ausbau reichen nicht aus, um die Infrastruktur zeit- und
bedarfsgerecht bereitzustellen. Die Betriebs- und Erhaltungsaufwendungen sind viel zu
gering, der Substanzverlust ist vorprogrammiert. Deutschland schiebt einen Reparatur-,
Ausbau- und Neubau-Stau in Höhe von mehr als 20 Milliarden Euro vor sich her.
Mittelfristig muss die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur deshalb von der
Haushaltsfinanzierung auf die Nutzerfinanzierung umgestellt werden. Die FDP fordert ein
benutzer- und verursachergerechtes Gebührensystem sowie die Einbeziehung privater
Unternehmen in Bau, Betrieb und Unterhaltung der Verkehrsinfrastruktur, um deren Effizienz
zu steigern und überflüssigen Neubau zu vermeiden.
Im Luftverkehr ist ein bedarfsgerechter Ausbau der internationalen Verkehrs- und
Regionalflughäfen erforderlich, damit die wachsende Nachfrage im Passagier- und
Luftfrachtbereich bewältigt werden kann. Eine ausreichende Luftverkehrsinfrastruktur
ermöglicht nicht nur Mobilität für die Bürger und die Sicherung von Arbeitsplätzen in
der Luftfahrtindustrie, sondern stellt zusätzlich einen wichtigen Standortfaktor im
Wettbewerb der europäischen Regionen um Unternehmen und Fachkräfte dar.
Zur besseren Ausnutzung des Luftraumes in Deutschland und Europa gehört eine
leistungsfähige Luftraumüberwachung mit einheitlichen Standards für privatrechtlich
organisierte Flugsicherungseinrichtungen nach deutschem Vorbild, die unternehmerisch
handeln können. Die FDP will deshalb die Reform der europäischen Flugsicherung
vorantreiben.
Mobilität und Staat
Aufgabe des Staates ist es, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, Mobilität für alle
zu gewährleisten. So muss Mobilität grundsätzlich für jedermann bezahlbar sein. Sie
darf nicht zum Luxusgut für Wohlhabende werden, indem sie zur Steuer- und
Abgabenerhöhung oder zur speziellen Finanzierung anderer staatlicher Leistungen, wie des
Rentensystems, missbraucht wird. Verkehrslenkung über prohibitive Besteuerung mit der
Wirkung einer Zugangsbeschränkung führt ebenso zu Wohlstandsverlusten wie staatlich
geregelte Diskriminierung einzelner Verkehrsträger.
Die FDP setzt sich deshalb für ein verursachergerechtes und nutzungsabhängiges
Gebühren- und Steuersystem ein, das verkehrsmittelneutral ist, und fordert die
schrittweise Abschaffung der Kraftfahrzeugsteuer und deren aufkommensneutrale Umlegung auf
die Mineralölsteuer. Die durch den Verkehr erzeugten Steuereinnahmen sind in die
Verkehrsinfrastruktur zurückzuführen.
Liberale wenden sich auch gegen staatliche Gängelung in der Verkehrspolitik.
Geschwindigkeitskontrollen dienen der Verkehrserziehung und nicht der Erhöhung der
staatlichen Einnahmen. Sie sind deshalb auf Unfallschwerpunkte und konkrete
Gefahrenstellen zu konzentrieren. Das Punkte- und Bußgeldsystem muss dringend entrümpelt
und vereinfacht werden. Nicht unfallträchtige Delikte sind schwächer zu gewichten als
schwerpunktmäßige Unfallursachen. Die Registrierungspflicht für Kleindelikte bis 3
Punkte in der Flensburger Verkehrssünderkartei muss von 2 Jahren auf 1 Jahr reduziert
werden. In diesem Zusammenhang fordert die FDP auch die Ausweitung des Bonussystems bei
freiwilliger Nachschulung.
Mobilität und Wirtschaft
Eine leistungsfähige Verkehrswirtschaft und eine bedarfsgerechte Verkehrsinfrastruktur
sind Standortfaktoren von hohem Rang und Grundbedingung für die Ansiedlung neuer sowie
die Sicherung bestehender Arbeitsplätze. Der Verkehrssektor ist eine der Branchen mit den
größten direkten und indirekten Beschäftigungswirkungen. Die Zukunft dieser
Arbeitsplätze hängt unmittelbar von ihrer Wettbewerbsfähigkeit ab. Mobilität in der
Arbeitswelt bedeutet, Flexibilität zu zeigen und bei besseren Arbeitsplatzchancen die
Möglichkeit zu haben, zu einem weiter entfernten Arbeitsplatz zu gelangen.
Um die logistischen Rahmenbedingungen für den Standort Deutschland zu schaffen, ist neben
dem leistungsfähigen Neu- und Ausbau der Verkehrswege insbesondere die Erhaltung der
vorhandenen Infrastruktur von großer Bedeutung. Deutschland ist auf die Modernisierung
seines Verkehrswesens in besonderer Weise angewiesen. Nach der Wiedervereinigung sind die
Anforderungen an den Ost-West-Verkehr stark angestiegen. Die zukunftsorientierte
Gestaltung insbesondere des Schienen- und Straßenverkehrs eröffnet Chancen der
wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Integration von West- und Osteuropa. Die Erweiterung
der EU nach Osten macht Deutschland verkehrsgeografisch noch deutlicher zu einem
Transitland. Mit den zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen dem Baltikum,
Mittel- und Südosteuropa und Westeuropa werden sich neue zentrale Verkehrswege
herausbilden.
Bei der bevorstehenden EU-Osterweiterung muss der besonderen Wettbewerbssituation der
deutschen Verkehrswirtschaft, speziell des Güterkraftverkehrsgewerbes, der
Binnenschifffahrt und der Ostseehäfen angemessen Rechnung getragen werden.
Mobilität und Mensch
Mobilität muss menschlich sein. Sie darf nur dort reglementiert werden, wo es zwingend
erforderlich ist. Liberale Mobilitätspolitik orientiert sich am Leitbild des
eigenverantwortlichen Menschen, der rücksichtsvoll mit anderen Verkehrsteilnehmern und
mit seiner Umwelt umgeht und der übertriebene staatliche Gängelei ablehnt. Ob Bus oder
Bahn, Auto oder Motorrad, Fahrrad oder Flugzeug: Die Bürger wollen ihr Verkehrsmittel
frei wählen können.
Insbesondere für Menschen mit Behinderungen müssen Hindernisse aller Art abgebaut
werden. Denn Mobilität ist gerade auch für diejenigen Menschen elementar, deren Chancen
auf Teilhabe z.B. aufgrund von Behinderungen eingeschränkt sind.
Behinderte Menschen müssen sich vor allem frei in der Gesellschaft bewegen können. Dabei
ist die von Liberalen angestrebte Barrierefreiheit umfassend zu verstehen: Sie bezieht
sich einerseits auf die Zugänglichkeit von öffentlichen Gebäuden und Plätzen, auf den
privaten Wohnungsbau und die Nutzbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel. Behindertengerechte
Rampen, Aufzüge oder visuelle und auf dem Tastsinn beruhende Orientierungsmöglichkeiten
und Leitsysteme sollen bereits beim Bau berücksichtigt werden. Viele Bahnhöfe sind
mittlerweile rollstuhlgerecht, aber nicht behindertengerecht ausgestattet. Bei den Zügen
ist der Nachholbedarf noch größer: Erleichterte Einstiegsmöglichkeiten sowie
rollstuhlgerechte Abteile sind eine große Hilfe, die künftig zum Standard werden
müssen.
Mobilität ist auch für ältere Menschen von wesentlicher Bedeutung. Ältere Menschen
wollen und brauchen keine Sonderrechte, sondern Akzeptanz ihrer Lebensleistung.
Verantwortung kennt keinen Ruhestand. Und Eigenverantwortung lässt sich nicht in Rente
schicken. Öffentliche Gebäude und Straßen sind barrierefrei zu gestalten, und die
Förderung der Mobilität älterer Menschen ist in neuen Verkehrskonzepten zu
berücksichtigen.
Mobilität und Raumordnung
Persönliche Mobilität bestimmt sich auch durch eine effiziente Funktionsmischung der
Bereiche Leben, Wohnen und Arbeiten. Die Raumordnungs- und Städtebaupolitik beeinflusst
das Mobilitätsverhalten der Bürgerinnen und Bürger im wesentlichen Ausmaß. Liberale
Raumordnungs- und Siedlungspolitik trägt den Verkehrsbedürfnissen Rechnung. Die FDP
setzt sich für die Stadt der kurzen Wege und funktionierende, homogene Stadtviertel ein.
Wir wollen durch eine Änderung der Baunutzungsverordnung eine stärkere Durchmischung der
Funktionen erreichen. Wir wollen die Stadt-Umland-Beziehungen durch ein leistungsfähiges
integriertes Verkehrsangebot auf der Basis de öffentlichen Personennahverkehrs
verbessern. Wir wollen den ländlichen Raum durch ein bedarfsgerechtes Schienen- und
Busverkehrsangebot stärken. Dazu trägt auch mehr Wettbewerb und eine stärkere
Einbeziehung Privater im öffentlichen Personennahverkehr bei.
Mobilität und Technik
Technischer Fortschritt und Entwicklung bieten neue Chancen zur Bewältigung der
steigenden Mobilitätsbedürfnisse. Deswegen setzt sich die FDP ein für die Förderung
und Anwendung neuer Technologien.
Zum Beispiel die Entwicklung neuer Logistiksysteme mit dem Ziel, die durchschnittliche
Transportentfernung zu reduzieren, Leertransporte weitgehend zu vermeiden und den
Güterfluss zu verstetigen, wird den Güterverkehr wirtschaftlicher gestalten.
Eine intelligente Verkehrssteuerung mit Hilfe der Telematik ist möglich und hilft, Staus
zu vermeiden. Forschung und Entwicklung müssen diese Möglichkeiten mit Priorität zur
Anwendungsreife bringen.
Eine Verknüpfung des Hochgeschwindigkeitsnetzes der Bahn mit den Flughäfen ist
notwendig, um die Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf die Bahn möglich zu machen. Die
FDP bekennt sich zur Magnetschwebetechnik. Der Transrapid kann die Geschwindigkeitslücke
zwischen dem Hochgeschwindigkeitsverkehr auf der Schiene und dem Kurz- und
Mittelstreckenluftverkehr schließen. Der Staat stellt die Infrastruktur. Der Betrieb des
Transrapids muss von der privaten Wirtschaft getragen werden.
Neue Antriebstechniken, wie derzeit die Wasserstofftechnologie und die
Brennstoffzellentechnik, können in absehbarer Zeit den Verbrennungsmotor ergänzen. Die
Forschung an marktfähigen Modellen muss unterstützt und gefördert werden.
Politik für eine freie Welt
Liberale Außenpolitik ist werteorientierte Interessenpolitik. Deutschland muss eine
aktive, verantwortungsvolle und angemessene Rolle in der Weltpolitik übernehmen; dabei
muss es in seiner internationalen Verantwortung zwei Fehler vermeiden: es sollte sich
nicht größer machen, als es ist, aber auch nicht kleiner. Deutschland sollte zusammen
mit Partnern den Beitrag leisten, der seinem Gewicht und seinen Fähigkeiten entspricht
und den auch seine Verbündeten von ihm erwarten. Die Prinzipien und Werte, die für
unsere Verfassung und unser innerstaatliches Handeln gelten, sind auch für unsere Außen
- und Sicherheitspolitik verbindlich.
Die internationale Verantwortung Deutschlands muss Hand in Hand gehen mit deutscher
Außen- und Sicherheitspolitik in und mit der Europäischen Union. Die Notwendigkeit, die
Handlungsfähigkeit und Effizienz der EU zu stärken, liegt mehr denn je auf der Hand.
Deswegen sind die konstitutionelle Entwicklung und der erfolgreiche Abschluss der
nächsten Erweiterungsrunde strategisch zentrale Felder für die deutsche Politik. Die
europäische Integration, der Aufbau einer europäischen Sicherheits- und Friedensordnung,
sowie die Stärkung der Vereinten Nationen liegen ebenso im deutschen Interesse wie der
Export von Stabilität durch eine aktive Entwicklungs- und Menschenrechtspolitik und die
Schaffung von Rahmenbedingungen für einen freien Welthandel.
Die Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika bleibt ein tragendes Fundament
deutscher Außenpolitik. Zunehmende sicherheits- und handelspolitische Herausforderungen
stellen die transatlantischen Beziehungen jedoch vor neue Bewährungsproben. Dabei wissen
wir, dass der selbstbewusste Umgang miteinander letztlich auch Ausdruck unserer
transatlantischen Wertegemeinschaft ist. Echte Partnerschaft wird durch Kritik nicht
geschwächt, sondern gefestigt. Nicht aus dem Auge gelassen werden darf aber auch die
Etablierung belastbarer, vertrauensvoller Beziehungen zu den östlichen Nachbarn, wie z.B.
Russland und der Ukraine. Bei aller Notwendigkeit der Vertiefung der europäischen
Integration und der euro-atlantischen Partnerschaft dürfen auch die traditionellen
Beziehungen und die deutschen Interessen in Afrika, Lateinamerika und Asien nicht
vernachlässigt werden.
I. Europa ist unsere Antwort auf die internationalen Herausforderungen
In den nächsten fünf Jahren stehen in der Europapolitik zentrale Aufgaben auf der
Agenda: Europas Handlungsfähigkeit muss sichergestellt und die Vereinigung Europas
vorangebracht werden. Im Einzelnen ist es dazu erforderlich, eine Verfassung für Europas
Bürger zu erarbeiten, die europäische Sicherheitspolitik auszubauen, die europäische
Innen- und Justizpolitik zu vertiefen, Europas Wirtschaft zu stärken und die europäische
Agrar- und Strukturpolitik zu reformieren. Durch die Erfüllung dieser Aufgaben muss sich
die Europäische Union zu einem starken und fairen Global Player entwickeln. Die FDP lehnt
die Einführung eines Europaministers ab. Außen- und Europapolitik sind untrennbar und
müssen im Interesse einer europäischen Politik Deutschlands im Auswärtigen Amt bleiben.
Europäische Verfassung
Es ist an der Zeit, das europäische Gesellschaftsmodell, beruhend auf den Grundprinzipien
Freiheit, Demokratie, Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Rechtsstaatlichkeit,
Gewaltenteilung, Subsidiarität und Solidarität, als föderal verfasste Europäische
Union vertraglich zu verankern. Zu klären sind dabei das Verhältnis der Nationalstaaten
zu den europäischen Institutionen auch im Sinne einer klaren, sinnvollen
Kompetenzabgrenzung zwischen europäischer, nationaler und regionaler Ebene, das
Verhältnis der europäischen Organe untereinander, die Frage der demokratischen
Legitimität und Kontrolle von Entscheidungen auf europäischer Ebene sowie die dafür
notwendige Transparenz der Entscheidungsfindung. Bei der hierfür erforderlichen
Neuformulierung und ggf. Zweiteilung der Europäischen Verträge muss darauf geachtet
werden, dass sie auch für die Bürgerinnen und Bürger verständlich sind.
Die FDP setzt sich für die Ausarbeitung einer europäischen Verfassung ein. Grundstein
dieser europäischen Verfassung muss die Europäische Grundrechtencharta sein, die von
einem Konvent erarbeitet wurde und bisher nicht rechtsverbindlich ist. Die FDP hat sich
für den Europäischen Verfassungskonvent eingesetzt, da in diesem Konvent mit großer
Beteiligung von Parlamentarierinnen und Parlamentariern die Chance besteht, einen
Verfassungstext für die Regierungskonferenz 2004 zu erarbeiten. Die herkömmlichen
Strukturen reichen nicht mehr aus, um die Europäische Union im Innern entscheidend zu
reformieren und demokratischer und handlungsfähiger auszubauen.
Die FDP fordert, dass es über eine europäische Verfassung zu einer Volksabstimmung in
Deutschland kommt.
Europäische Osterweiterung
Es besteht die historische Chance, ein neues, freies und vereintes Europa zu schaffen. Die
vordringlichste Aufgabe für die nächsten Jahre ist daher das Vorantreiben der
Ost-Erweiterung der Europäischen Union unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger.
Die europäische Orientierung der Beitrittskandidatenländer darf nicht enttäuscht
werden, sonst werden sie sich andere Orientierungen suchen. Daher muss die Europäische
Union endlich die notwendigen Reformen der Institutionen sowie der Agrarund
Strukturpolitik durchführen, um ihre Erweiterungsfähigkeit sicher zu stellen. Die
Erweiterungsverhandlungen müssen gleichzeitig mit der Vertiefung der Union zügig
weitergeführt werden mit dem Ziel, nach strikter Erfüllung der Beitrittskriterien gut
vorbereiteten Kandidaten einen raschen Beitritt so rechtzeitig zu ermöglichen, dass deren
Bürger an den Europawahlen 2004 teilnehmen können. Die FDP setzt sich dafür ein, in
einem demokratischen Meinungsbildungsprozess eine breite Mehrheit der Bevölkerung für
die Ost-Erweiterung zu gewinnen.
Abgesehen von der moralischen und politischen Verpflichtung gegenüber den Ländern und
den Menschen Mittel- und Osteuropas fordert die FDP auch aus wirtschaftlichen Gründen die
rasche umfassende und konsequente Einbindung dieser Länder in die EU und den
europäischen Binnenmarkt. Denn die Osterweiterung bringt für die deutsche Wirtschaft und
damit für den deutschen Arbeitsmarkt enorme Chancen. Die Beitrittsländer müssen in
ihrem Bemühen unterstützt werden, das Regelwerk der Gemeinschaft nicht nur zu
übernehmen, sondern auch durchzusetzen. Dazu gehört auch, dass sie ihre Wirtschafts-,
Geld- und Finanzpolitik an den Zielen der Wirtschafts- und Währungsunion ausrichten.
Soweit die Osterweiterung in Grenzregionen der Bundesrepublik für einzelne Berufsgruppen
und Branchen zu Anpassungsproblemen führt, ist es Aufgabe der Politik, sie abzufedern.
Die zeitliche Verschiebung der Öffnung der Arbeitsmärkte hält die FDP für falsch.
Dienstleistungsfreiheit und Arbeitnehmerfreizügigkeit dürfen nicht behindert werden.
Die europäische Sicherheitspolitik ausbauen
Die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) muss konsequent ausgebaut
und gefestigt werden. Ein Konkurrenzverhältnis zur Nordatlantischen Allianz, die auch
künftig Motor und Garant einer breit angelegten europäischen Sicherheitsarchitektur
bleiben muss, darf dabei nicht entstehen. Vielmehr ist eine strategische Partnerschaft
zwischen EU und NATO bei der Krisenbewältigung das Ziel, in der die EU nur dann tätig
wird, wenn sich die NATO nicht engagieren kann oder will. Die Einsatzkräfte der ESVP
werden ab 2003 nationale Alleingänge überflüssig machen. Eine funktionierende ESVP
stärkt nicht nur Europa, sondern auch die Allianz.
Europäische Innen- und Justizpolitik vertiefen
Ein europaweit abgestimmtes Vorgehen zur Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität ist
dringend notwendig. Die bisher noch in der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit
verbleibenden Bereiche der Justiz- und Innenpolitik, also Strafrecht und Polizei, müssen
daher schnellstmöglich in das Gemeinschaftssystem überführt werden. Nur so kann es
europäisch einheitliche Standards im Strafrecht geben, die zur Rechtssicherheit und zum
Rechtsschutz der Bürger unverzichtbar sind. Die derzeitige Entwicklung der
intergouvernementalen Zusammenarbeit ist für den Bürger nicht verständlich,
undurchschaubar und verschlechtert seinen Rechtsschutz.
Innen- und Justizpolitik als Gemeinschaftsaufgabe kann die europäische
Kriminalitätsbekämpfung effektiver machen und eine demokratische Kontrolle durch das
Europäische Parlament sowie einen notwendigen Rechtsschutz durch den Europäischen
Gerichtshof gewährleisten.
Der EU-Vertrag sieht die Verhütung und Bekämpfung der - organisierten oder
nichtorganisierten - Kriminalität, insbesondere auch des Terrorismus vor und hält
entsprechende Kompetenzen bis hin zu operativen Befugnissen für Europol bereit. Zu ihrer
Umsetzung einschließlich einer wirksamen Gerichtskontrolle muss Europol ebenfalls in das
europäische Gemeinschaftsrecht integriert werden.
Europas Wirtschaft stärken
Die Europäische Union hat Stabilitäts- und Wohlstandswirkungen nicht nur nach innen. Sie
muss sich darüber hinaus in einer sich zunehmend globalisierenden Welt behaupten und sich
steigender Verantwortung auch für die Weltwirtschaft als ganze stellen. Durch die
einheitliche Währung werden die Vorteile des Binnenmarktes besser ausgeschöpft, werden
die Investitionen im Euro-Raum stimuliert und der Euro-Raum erhält insgesamt ein
stärkeres Gewicht in der Weltwirtschaft. Der Euro kann aber nur dann ein Erfolg werden,
wenn der Binnenmarkt tatsächlich vollendet wird. Dazu gehören vor allem die wirkliche
Integration der Geld- und Kapitalmärkte im Eu-ro-Raum sowie eine Abstimmung in der
Wirtschafts- und Finanzpolitik, ohne den Wettbewerb der Volkswirtschaften untereinander zu
behindern. Darüber hinaus fordert die FDP weitere Fortschritte in der Liberalisierung der
Märkte, vor allem auch des Arbeitsmarktes, um die notwendigen Strukturanpassungen in
einer sich globalisierenden Welt zu erleichtern.
Auch in Handelsfragen muss die EU künftig mit einer Stimme sprechen. Die Vetomöglichkeit
bei Entscheidungen des Rates im Rahmen der Handelspolitik muss so schnell wie möglich
beseitigt werden, damit die einzelnen EU-Mitgliedstaaten bei den WTO-Verhandlungen nicht
gegeneinander ausgespielt werden können. Die FDP widersetzt sich Bestrebungen der
Europäischen Union, das europäische Kartellrecht gleichsam auf den Kopf zu stellen: an
die Stelle des bisherigen Kartellverbotes, bei dem Ausnahmen der ausdrücklichen Erlaubnis
bedürfen, würde die faktische Kartellfreiheit treten. Dabei soll das Prinzip der
Selbsteinschätzung gelten: die betroffenen Unternehmen dürfen selbst beurteilen, ob ein
von ihnen angestrebtes Kartell freigestellt ist; es entfällt der Zwang zur Rechtfertigung
eines Kartells. Wer dagegen angehen will, hat für den Kartellverstoß die Beweislast zu
tragen. Dieser fundamentale Kurswechsel in der europäischen Wettbewerbsordnung schadet
den Interessen der Verbraucher und der kleinen und mittleren Unternehmen.
Das deutsche Gesundheitssystem muss so umgestaltet werden, dass die Chancen im
europäischen Raum genutzt werden können. Die Grenzen der Leistungsinanspruchnahmen
dürfen nicht an nationalen Grenzen enden. Die Voraussetzungen für europaweiten
Wettbewerb um Leistungen im Gesundheitswesen müssen umgehend geschaffen werden.
Europäische Agrar- und Strukturpolitik
Die Europäische Agrarpolitik muss sich zukünftig stärker an den Prinzipien der Sozialen
Marktwirtschaft und der Nachhaltigkeit orientieren. Die Landwirte müssen von
bürokratischer Gängelung und bürokratischen Marktregulierungen befreit und damit wieder
zu Unternehmern gemacht werden. Sie müssen die Chance haben, einen wesentlichen Teil
ihres Einkommens am Markt zu erzielen. Zukünftig sollen die Landwirte für ihre
Leistungen zur Pflege und Erhaltung unserer Kulturlandschaft eine Produkt unabhängige
Kulturlandschaftsprämie erhalten. Im Gegenzug entfallen schrittweise die bisherigen
bürokratischen Marktregulierungen. Weil unternehmerische Landwirte Planungssicherheit und
verlässliche Rahmenbedingungen brauchen, kann ein Umbau der produktbezogenen Stützung zu
einer Produkt unabhängigen Kulturlandschaftsprämie nicht von heute auf morgen erfolgen.
Die anstehende Halbzeitbewertung der Agenda 2000 muss genutzt werden, um die mit der
Agrarreform von 1992 und mit der Agenda 2000 eingeleitete marktwirtschaftliche
Orientierung der EU-Agrarpolitik beherzt fortzuführen.
Die FDP fordert eine Stärkung der Mitgliedstaaten durch mehr Subsidiarität und größere
nationale Steuerungsmöglichkeiten. Dazu sollte das Instrument der Kofinanzierung in der
Europäischen Agrarpolitik weiter ausgebaut werden, damit die Ausgleichsmaßnahmen besser
auf die örtlichen Notwendigkeiten abgestimmt werden. Dieser Umbau der Europäischen
Agrarpolitik ist auch erforderlich, um die Herausforderungen der laufenden
Welthandelsrunde (WTO) und der EU-Osterweiterung erfolgreich zu bestehen. Mit Rücksicht
auf die höheren Standards und die multifunktionalen Leistungen unserer heimischen
Landwirtschaft muss bei den laufenden Verhandlungen der WTO die Wettbewerbsfähigkeit
unserer Landwirtschaft sichergestellt werden, ohne dass neue protektionistische Barrieren
aufgebaut werden.
Auch die Strukturpolitik muss reformiert werden, nicht nur aus finanziellen
Gesichtspunkten. Die neuen Prioritäten müssen bei der Verbesserung von Infrastruktur und
Bildung sowie der Förderung von unternehmerischer Eigeninitiative und der Entwicklung von
wettbewerbsfähigen Klein- und Mittelbetrieben liegen, um Europa wieder innovativ und
wettbewerbsfähig mit anderen Weltregionen werden zu lassen.
II. Liberale Ordnungspolitik für Stabilität und Entwicklung
Deutschland hat ein nationales Interesse an weltweiter Stabilität und Entwicklung. Gerade
nach dem 11. September 2001 ist die Bewältigung globaler Herausforderungen wie
Terrorismus, Abrüstung, Entwicklung, Umweltschutz, internationale Kriminalität,
Migration und Flüchtlingselend zentrale Aufgabe der Außenpolitik. Außen- und
Sicherheitspolitik sind über ihre klassischen diplomatischen und militärischen
Dimensionen hinausgewachsen und integrale Bestandteile der Weltinnenpolitik geworden.
Präventive regionale und multilaterale Zusammenarbeit liegen daher mehr als je zuvor im
nationalen Interesse. Eine zukunftsweisende außenpolitische Strategie muss daher die
Stärkung multilateraler Netzwerke vor allem im Rahmen der Vereinten Nationen und ihrer
regionalen Abmachungen in den Vordergrund stellen.
Die Vereinten Nationen umfassend stärken
Die Vereinten Nationen (VN) sind als zentrales weltinnenpolitisches Instrument
alternativlos. Die FDP fordert, dass das VN-System in allen seinen Bereichen ausgebaut und
nachhaltig gestärkt wird. Als drittgrößter Beitragszahler steht Deutschland hier in
besonderer Verantwortung. Deutschland muss daher gemeinsam mit unseren Partnern in der
Europäischen Union eine Initiative zur Stärkung der Vereinten Nationen als zentralem
Instrument zur Bewältigung der neuen globalen Herausforderungen ergreifen.
Die FDP fordert eine zügige Reform des VN-Sicherheitsrates, die der Weltlage zu Beginn
des 21. Jahrhunderts entspricht. Hierzu gehört die Beteiligung Deutschlands unter
Aufrechterhaltung der Perspektive eines europäischen Sitzes ebenso wie einer angemessenen
Beteiligung bislang nicht vertretener Weltregionen. Der Generalsekretär ist ebenso
aufzuwerten wie die Generalversammlung durch Stärkung ihrer Ausschüsse und Kommissionen.
Die entwicklungspolitischen und humanitären VN-Organisationen müssen zu wirkungsvollen
Präventionsinstrumenten weiter entwickelt werden. Zur Stärkung friedenserhaltender und
friedensschaffender Maßnahmen sind permanente VN-Kapazitäten aufzubauen. Deutschland
soll sich für eine gemeinsame europäische VN-Politik durch Erarbeitung
gemeinschaftlicher Positionen im Rahmen der VN-Generalversammlung einsetzen.
Der OSZE mehr Gewicht beimessen
Besonders im Zuge von EU- und NATO-Erweiterung gilt es, den vertrauensbildenden Charakter
der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) weiter auszubauen und
zu festigen und ihr die zentrale Rolle bei der Neugestaltung der europäischen
Sicherheitsordnung zu übertragen. Deshalb fordert die FDP ein höheres Maß an
politischer Verbindlichkeit der OSZE-Beschlüsse und Krisenpräventionsfunktion der OSZE
durch "OSZE-First". Die OSZE muss als regionale Abmachung im Sinne der VN-Charta
gestärkt werden. Die Befugnisse des OSZE-Generalsekretärs sind zu erweitern und das
"Konsens minus eins-Prinzip" muss umgesetzt werden. Die OSZE-Feldeinsätze
müssen verstärkt werden.
Die KSZE/OSZE als Modell für regionale Vertrauensbildung
Das bewährte KSZE/OSZE-Modell sollte Grundlage einer dauerhaften politischen Lösung
regionaler Konflikte werden. Dies gilt insbesondere für die weiter schwelenden Konflikte
im ehemaligen Jugoslawien. Die FDP fordert daher, den betroffenen Staaten nicht nur im
Rahmen des Stabilitätspaktes Wiederaufbauhilfe zu leisten, sondern sie zu einer Konferenz
für Sicherheit und Zusammenarbeit in Süd-Ost- Europa (KSZSE) zusammen zu führen, um
alle offenen Fragen wie Minderheitenstatus, Vertriebenenrückkehr und Rüstungskontrolle
gemeinsam zu lösen. Der OSZE- Ansatz bietet sich auch für eine
"post-conflict-Regelung" in Afghanistan sowie für den Nahost-Friedensprozess
an. Die FDP fordert eine regionale Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen
Osten (KSZNO) unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen, an deren Ende eine belastbare
Friedensregelung stehen muss. Die Umsetzung dieser Regelung sollte durch VN-mandatierte
multilaterale Sicherheitskräfte abgesichert werden. Grundlage für den Frieden im Nahen
Osten ist aus liberaler Sicht neben der Abkehr von Gewalt und Terrorismus sowohl das
unantastbare Existenzrecht Israels als auch die Schaffung eines unabhängigen
Palästinenserstaates.
Die euro-atlantische Partnerschaft vertiefen
Es ist bislang nicht gelungen, einen Rahmen zu finden, der den wachsenden euro-
atlantischen Herausforderungen standhält. Die hohen Erwartungen an eine "neue
transatlantische Agenda" und den "Business-Dialog" haben sich nicht
erfüllt. Ein umfassendes Konzept zur Erfassung der euro-atlantischen Beziehungen ist
daher dringend erforderlich. Dabei geht es sowohl um Handlungsoptionen für die zügige
Verwirklichung eines transatlantischen Marktes einschließlich WTO-konformer
Streitschlichtungsmechanismen, als auch um eine neue Qualität der
Sicherheitspartnerschaft zur gemeinsamen Bewältigung neuer weltpolitischer
Herausforderungen wie Terrorismus, Proliferation von Massenvernichtungswaffen und
Abrüstung.
Den Dialog mit Russland intensivieren
Russland muss in der gesamteuropäischen Friedensordnung eine zentrale Rolle einnehmen.
Dies erfordert eine enge Anbindung Russlands an die Strukturen der europäischen
Integration, insbesondere an die der NATO und der EU. Die Intensivierung bedeutet aber
auch, dass schwierige Themen wie die Demokratisierung Russlands und die
Menschenrechtssituation in Tschetschenien auf der Tagesordnung bleiben müssen. Zur
Lösung der Rückführung der so genannten "Beutekunst" schlägt die FDP die
Gründung einer deutsch-russischen Kulturstiftung vor.
Menschenrechte durchsetzen
Für Liberale ist die Verwirklichung der Menschenrechte Fundament für demokratische,
nachhaltige, soziale und ökologische Entwicklung. Die FDP will den globalen
Menschenrechtsdialog verstärken.
Für die FDP sind Schwerpunkte deutscher Menschenrechtspolitik der Einsatz gegen die
Folter und den Missbrauch von Kindern, das Engagement für die Abschaffung der
Todesstrafe, der Schutz der weltweit zunehmenden Zahl von Flüchtlingen sowie das
Eintreten für eine Einbeziehung von transnationalen Unternehmen in die Verantwortung für
die Menschenrechte. Die Durchsetzung der Gleichstellung der Geschlechter, die Ächtung der
Gewalt gegen Frauen und der Schutz vor frauenverachtenden und gesundheitsschädigenden
Praktiken sind weitere Kernforderungen der FDP. Die Schaffung des ständigen
internationalen Gerichtshofes für Kriegsverbrechen ist ein wichtiger Schritt zur
Durchsetzung der Menschenrechte.
Außenpolitische Instrumente stärken
Die FDP fordert, dass der Auswärtige Dienst in allen Teilen finanziell und personell in
die Lage versetzt wird, den neuen weltweiten Herausforderungen wirkungsvoll zu begegnen.
Die Außenrepräsentanz Deutschlands muss nachhaltig verstärkt werden. Eine ersatzlose
Schließung von Auslandsvertretungen und Goethe-Instituten schadet Deutschlands
Interessen. Vielmehr müssen endlich auch in der gemeinsamen europäischen Außenpolitik
die Weichen für gemeinsame Strukturen in der Außenvertretung geschaffen werden. Eine
glaubwürdige Wahrnehmung deutscher Interessen im Ausland setzt im Übrigen auch voraus,
dass der Auswärtige Dienst wieder seine umfassenden Querschnittskompetenzen zurück
erhält. Die FDP fordert, die Tätigkeitsfelder des Bundesministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und des Auswärtigen Amtes zusammen zu
führen.
Innovative Lösungen für die Auswärtige Kulturpolitik
Die Auswärtige Kulturpolitik muss mit kreativen und innovativen Konzepten auf die
Herausforderungen der Globalisierung reagieren. Dies bedeutet zum Einen den zielgenaueren
Einsatz knapper Mittel. Zum Anderen sollten in der Auslandskulturarbeit auch stärker als
bisher nicht öffentliche Träger im Rahmen so genannter "Private Public
Partnerships" hinzu gezogen werden. Die FDP fordert eine Reform der Auswärtigen
Kulturpolitik mit programmatischem Schwerpunkt auf transkulturellem Dialog insbesondere
zwischen Regionen, Religionen und Kulturen. Auch die Auswärtige Kulturpolitik muss einen
Beitrag zum Abbau von Feindbildern und Vorurteilen und damit auch zur Bekämpfung des
Terrorismus leisten. In diesem Rahmen ist es unabdingbar, das Auswärtige Amt, die
politischen Stiftungen, die Mittler der Kulturpolitik, die deutschen Auslandsschulen und
einschlägige Nicht-Regierungsorganisationen finanziell nicht weiter zu beschneiden,
sondern sie im Gegenteil wieder stärker zu fördern.
III. Chancen der Globalisierung nutzen
Gerade angesichts der terroristischen Bedrohungen muss die Staatengemeinschaft ihren
gemeinsamen Willen zur Festigung und Ausweitung des Freihandels deutlich machen. Mehr
Handel und verbesserter Marktzugang für Entwicklungsländer sind die wirkungsvollste
Entwicklungshilfe. Wettbewerb und freier Welthandel sind die Grundlage für Wohlstand in
allen Ländern der Welt. Freier Handel ist die Lösung - nicht das Problem.
Welthandel
Die FDP verfolgt auch auf internationaler Ebene eine Politik der Öffnung der Märkte und
der Liberalisierung. Der weitere Abbau von Zöllen und anderen Behinderungen verstärkt
den Wettbewerb und schafft wirtschaftliche Freiräume für alle. Zukunftsorientierte
Handelspolitik beruht insbesondere auf den Prinzipien der Nichtdiskriminierung und
Meistbegünstigung. Die Handelsliberalisierung muss ganz oben auf der Agenda bleiben.
Die Bemühungen um weiter gehende institutionelle Reformen der Welthandelsrunde (WTO) als
Organisation und Verhandlungsforum müssen verstärkt fortgesetzt werden. Dazu gehören
höhere Effizienz, Transparenz und eine bessere Einbindung der Parlamente, z.B. in Form
einer Parlamentarischen Versammlung bei der WTO. Die FDP wird sich darüber hinaus massiv
für die Integration der Wettbewerbspolitik in das WTO-Regelwerk einsetzen. Ziel muss es
sein, mittelfristig Wettbewerbspolitik als neuen Teil der WTO-Überprüfungsmechanismen zu
etablieren und langfristig zu einem Rahmen gemeinsamer Wettbewerbsregeln und zu einer
globalen Wettbewerbsordnung unter dem Dach der WTO zu kommen.
Die FDP lehnt es ab, Sozial- und Umweltstandards zur allein gültigen Voraussetzung für
die Teilnahme am Welthandel zu machen. Das schadet den ärmeren Ländern, da es sie
hindert, ihre Wettbewerbsvorteile auszuspielen. Eine Sondersteuer auf Devisentransaktionen
- die so genannte "Tobin-Steuer" - lehnt die FDP ab.
Auch die Außenwirtschaftsförderung ist Aufgabe deutscher Außenpolitik. Vor allem der
deutsche Mittelstand, der über kein eigenes Netz von Auslandsvertretungen verfügt, ist
auf flankierende Unterstützung durch die deutsche Außenhandelspolitik angewiesen. Die
FDP will ein aktives Engagement des Auswärtigen Dienstes sowie eine bessere Vernetzung
mit den Außenhandelskammern.
Die Herausforderungen der WTO und die EU-Osterweiterung müssen durch marktwirtschaftliche
Reformen der Europäischen Agrarpolitik begleitet werden. Die WTO- Runde hat sich im
Agrarbereich durch den Beschluss zum völligen Abbau der Exportstützungen, zur
Erleichterung des Marktzugangs und zu einem Umbau der internen Stützmaßnahmen weitgehend
festgelegt. Die FDP fordert einen konkreten Zeitplan für das Ende der Exporterstattungen
im Agrarhandel, die den Markt erheblich und besonders zu Lasten der Entwicklungsländer
verzerrt haben.
Chancen der Globalisierung für die Entwicklungsländer nutzen
Effektive Entwicklungspolitik ist die beste Politik zur Begrenzung weltweiter
Migrationsströme. Liberale Entwicklungspolitik ist nicht Welt-Sozialhilfe. Nur die
Mobilisierung eigener Kräfte in den Entwicklungsländern bringt den angestrebten
gesellschaftlichen Fortschritt. Die Schaffung marktwirtschaftlicher Strukturen muss zur
vorrangigen Aufgabe öffentlicher Entwicklungshilfe werden. Die Soziale Marktwirtschaft
bietet das wirkungsvollste System für eine nachhaltige Entwicklung. Zusammen mit einer
aktiven Bildungspolitik unter Einsatz neuer Kommunikationstechnologien ist die Soziale
Marktwirtschaft damit ein Schlüssel zur Überwindung von Unterentwicklung und Armut.
Präventive Entwicklungshilfe muss wieder die notwendige Priorität erhalten.
Entwicklungspolitik muss sich strategisch erneuern und durch gezielte Armutsbekämpfung
einen maßgeblichen Beitrag zur Beseitigung von sozialen, wirtschaftlichen und politischen
Missständen leisten. Diese bedeutet neben zusätzlichen finanziellen Leistungen eine
Zusammenführung der politischen Verantwortung für Außen- und Entwicklungspolitik, sowie
deren strukturelle Neuausrichtung auf effiziente multilaterale Zusammenarbeit. Die beste
Entwicklungshilfe ist die Öffnung der europäischen Märkte für Produkte von
Entwicklungsländern und die Mobilisierung von Investitionskapital. Die Finanzierung
verstärkter Hilfeleistung für Entwicklungsländer muss langfristig sichergestellt
werden, damit diese ihre Interessen in einer multilateralen Welthandelsordnung wahrnehmen
können.
Die Entwicklungszusammenarbeit der Mitgliedsstaaten der EU mit der Europäischen Union
muss zu einer wirksamen europäischen Entwicklungspolitik umgestaltet werden. Die
Vereinten Nationen müssen zu einer schlagkräftigen Weltorganisation fortentwickelt
werden, die zentrale Aufgaben bei der Koordinierung der internationalen
Entwicklungszusammenarbeit übernimmt. Der Internationale Währungsfonds muss sich wieder
verstärkt auf seine klassischen währungspolitischen, die Weltbank auf ihre
entwicklungspolitischen Aufgaben konzentrieren.
Klimaschutz
Die FDP hält am nationalen Klimaschutzziel zur Reduzierung der CO2-Emissionen
in Deutschland um 25% bis 2005 gegenüber 1990 fest. Die FDP fordert dazu seit langem den
Einsatz der flexiblen Instrumente des Kyotoprotokolls. Im Vordergrund steht das Ziel,
unverzüglich Maßnahmen zur Verminderung der weltweiten Treibhausgasemissionen zu
ergreifen. Dabei ist entscheidend, dass pro eingesetztem Euro soviel Kohlendioxid wie
möglich vermieden wird. Klimaschutz muss deshalb gerade auch dort betrieben werden, wo er
zu den geringsten Kosten realisiert werden kann.
Die Verhandlungsergebnisse der Siebten Weltklimakonferenz von Marrakesch waren ein
Durchbruch für die internationale Klimapolitik. Jetzt geht es darum, dass möglichst
viele Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention den Ratifizierungsprozess zügig und
entschlossen einleiten. Das Europäische Parlament hat mit großer Mehrheit die
Ratifizierung des Kyotoprotokolls befürwortet; ein Richtlinienentwurf der EU- Kommission
sieht vor, dass ein verpflichtender Börsenhandel mit Emissionszertifikaten europaweit ab
2005 unter Beteiligung mehrerer tausend Unternehmen beginnen soll. Die FDP tritt dafür
ein, die flexiblen Mechanismen des Kyotoprotokolls auch in Deutschland unverzüglich zu
nutzen und unterstützt grundsätzlich die Vorschläge der EU-Kommission. Ein
Emissionshandel darf jedoch nicht auf ausgewählte Branchen und Großunternehmen
beschränkt bleiben, sondern muss zügig auf alle Wirtschaftsbereiche ausgedehnt werden.
Die ökonomischen Chancen, die ein moderner Klimaschutz auch für kleine und mittlere
Unternehmen eröffnen kann, dürfen nicht verspielt werden. Bei der Ausgestaltung des
Emissionshandels müssen insbesondere mit Blick auf die bestehende Selbstverpflichtung der
deutschen Wirtschaft zur Klimavorsorge Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden. Die
Selbstverpflichtung muss durch eine zumindest teilweise Anrechnung von im Ausland
erzielten Emissionsminderungen flexibilisiert und modernisiert werden. Auch auf der Ebene
internationaler Zusammenarbeit muss Deutschland die Voraussetzungen dafür schaffen, dass
die durch Klimaschutzprojekte erzielten Emissionsminderungen auf deutsche
Reduktionsverpflichtungen angerechnet sowie für die beteiligten Unternehmen und Länder
zertifiziert und im Sinne der Kyotomechanismen in einem deutschen Emissionshandelssystem
und international handelbar werden. Durch den Emissionshandel wird insbesondere auch für
die Entwicklungsländer eine attraktive Möglichkeit erschlossen, aktiv und in eigener
Verantwortung am Welthandel teilzunehmen, auf diese Weise zugleich substanzielle Beiträge
zum Klimaschutz zu leisten und ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern. Ein
weltweiter Emissionshandel ist insoweit auch eine große Chance für die
entwicklungspolitische Zusammenarbeit.
IV. Äußere Sicherheit schafft Sicherheit auch im Inneren
Frieden und Freiheit gehören unteilbar zusammen. Sie sind im Interesse der Menschen
herbeizuführen und zu sichern, notfalls auch mit militärischen Mitteln. Dieser Maxime
der Atlantischen Allianz verdanken wir Deutschen unsere Einheit in Freiheit. Deshalb
setzen wir uns dafür ein, dass Deutschland seine neue Rolle verantwortungsvoll annimmt
und die Bundeswehr schnell und konsequent bündnisfähig macht.
Die Bundeswehr bündnisfähiger machen
Die sicherheitspolitische Lage hat sich grundlegend geändert. Nach dem Ende des Kalten
Krieges, dem Zerfall der Sowjetunion und der Öffnung der NATO für neue Mitglieder hat
sich eine massive militärische Kräfteverschiebung vollzogen. Das Atlantische Bündnis
ist heute jedem denkbaren Gegner in konventioneller Hinsicht mindestens dreifach
überlegen, ohne auch nur einen Reservisten einberufen zu müssen. Die Mehrheit der
NATO-Mitgliedstaaten hat die Wehrpflicht ausgesetzt, eine Entscheidung, die auch
schnellstens für die Bundeswehr getroffen werden sollte. Die Wehrpflicht ist
sicherheitspolitisch nicht mehr zu begründen. Die Anforderungen an Streitkräfte sind
heute mit dem traditionellen Bild der Massenarmee nicht zu bewältigen.
Deutschland benötigt eine hochmotivierte, sehr gut ausgebildete und mit modernster
Bewaffnung ausgerüstete Bundeswehr. Sie muss professionell und flexibel sein und schnell
einsetzbar sowohl im Rahmen der Bündnisverteidigung, der Krisenbewältigung, der
Terrorbekämpfung, der Friedenssicherung, der humanitären und der Katastrophenhilfe.
Die Reform der Bundeswehr, wie sie von der Bundesregierung entschieden wurde, entspricht
in keiner Weise den Erfordernissen. Die Personalstärke ist aufgrund des starrsinnigen
Festhaltens an der Allgemeinen Wehrpflicht zu hoch, die Einsatzbereitschaft zu niedrig -
nur etwa 50.000 von 300.000 Soldaten der Bundeswehr sind heute einsatzbereit. Die
Aussetzung der Wehrpflicht wird die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr erhöhen, die
Ausbildungs- und Materialkosten senken und den investiven Anteil steigern. Die für
Verteidigung im Bundeshaushalt vorgesehenen Mittel (23,6 Mrd. Euro) reichen bei Weitem
nicht aus. Das Ansehen und die Reputation Deutschlands laufen Gefahr, beschädigt zu
werden. Ein Personalumfang von 240.000 Soldaten entspricht den heutigen Anforderungen und
Bedürfnissen an die Bundeswehr. Grundwehrdienstleistende werden nicht mehr benötigt.
Dafür sollten 30.000 Kurzzeitsoldaten mit einer Verpflichtungszeit von 12 bis 24 Monate
eingeplant werden, aus denen sich vorrangig der notwendige Nachwuchs rekrutieren wird. Die
Laufbahnen müssen neu gestaltet werden, Besoldung und Weiterbildung einen anderen
Stellenwert erhalten als heute. Darüber hinaus müssen Ausrüstung und Bewaffnung
unverzüglich und umfassend modernisiert werden. Der Verteidigungshaushalt ist auf 25 Mrd.
Euro anzuheben und in dieser Größenordnung real zu verstetigen.
Die NATO stärken
Die FDP erwartet von der Erweiterung der NATO einen Zugewinn an Stabilität und Chance
für den Frieden. Die uneingeschränkte Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit des
Bündnisses als Garant euro-atlantischer Sicherheit ist hierbei unverzichtbar. Ein
Bündnis, das durch die Erweiterung in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt würde,
nützt weder den Neumitgliedern noch den zu stabilisierenden Regionen. Daher muss die
sicherheitspolitische Kompatibilität der Kandidaten ein Beitrittskriterium sein.
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