[Wahlprogramm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD)
für die Bundestagswahl 2002
vom 2. Juni 2002]
ERNEUERUNG UND ZUSAMMENHALT - WIR IN DEUTSCHLAND
Regierungsprogramm 2002 - 2006
PRÄAMBEL
Wir haben mit unserer Politik der Mitte die Erneuerung
in Deutschland begonnen. Und wir wollen sie fortsetzen und den Zusammenhalt sichern.
Diese vier Jahre haben sich gelohnt für unser Land. Der Reformstau ist aufgelöst.
Deutschland ist in Bewegung gekommen. Unser Land ist wirtschaftlich robuster, moderner,
gerechter und weltoffener geworden. Der Stillstand ist überwunden.
Diese Politik der sozialen und ökologischen Modernisierung bleibt richtig. Denn die
Herausforderungen von heute und morgen sind nicht mit Rezepten von gestern und vorgestern
zu meistern.
Deutschland braucht die Politik der Erneuerung und des Zusammenhalts. Das ist unsere
Politik der Mitte.
Wir hatten Innovation und Gerechtigkeit versprochen. Wir haben Wort gehalten. Das gilt
auch für die Zukunft. Wir sagen, was wir tun und wir tun, was wir sagen. Deshalb gibt es
bei uns keine unerfüllbaren Versprechungen. Manches Wünschenswerte ist nicht machbar,
mindestens nicht sofort.
Wir haben Sicherheit im Wandel und Sicherheit durch Wandel gefordert und dies
bleibt Orientierung für unsere Politik: |
- Wir wollen Deutschlands Rolle in Europa und in der Welt gerecht werden,
- Wir wollen das bewährte Sozialstaatsmodell nachhaltig fortentwickeln, Wohlstand
sichern, Beschäftigung für alle erreichen, eine gesunde Umwelt garantieren.
- Und wir wollen eine lebendige Demokratie ermöglichen, mit einer freien und offenen
Kultur.
|
Die Richtung stimmt. Wir werden den Weg weitergehen. Deutschland ist ein
starkes Land, es hat alle Chancen.
Vertrauen in Bundeskanzler Gerhard Schröder
Gerhard Schröder hat als Bundeskanzler mit neuen politischen Ideen und mit neuem
politischen Stil Deutschland erfolgreich ins neue Jahrhundert geführt.
Er ist mit Leidenschaft in der Sache und mit Augenmaß seiner Verantwortung gerecht
geworden.
Gerhard Schröder sucht den gesellschaftlichen Konsens und er führt entschieden. Er macht
Mut und hat Zuversicht in die Gestaltbarkeit der Zukunft. Er zeigt, dass er das Leben mag.
Er stellt sich Herausforderungen.
Gerhard Schröder macht gute Arbeit für unser Land. Er genießt Vertrauen. Und es gibt
noch viel zu tun.
Gerhard Schröder muss Bundeskanzler unseres Landes bleiben.
Die deutsche Sozialdemokratie in der Mitte der Gesellschaft
Wir leben in Zeiten des Wandels. Die Herausforderungen von heute und morgen sind nicht mit
Rezepten von gestern zu meistern. In den letzten vier Jahren haben wir mit der Auflösung
des Reformstaus begonnen. Diese Politik der sozialen Modernisierung werden wir fortsetzen.
Die Menschen verlangen nach Orientierung und Sicherheit im Wandel. Daher wird die
Bundestagswahl auch eine Entscheidung über die Prägung unserer Gesellschaft am Beginn
des 21. Jahrhunderts sein. Es geht um grundlegende Alternativen:
um sinnvolle Regeln für die Globalisierung der Wirtschaft oder sich selbst überlassene
Märkte;
um sozialen Zusammenhalt oder Polarisierung der Gesellschaft;
um eine moderne Familienpolitik oder ein Zurück zur Ausgrenzung der Frauen aus dem
Erwerbsleben;
um eine liberale und weltoffene Politik oder nationalistische Engstirnigkeit;
um Konsolidierung der öffentlichen Haushalte oder ungedeckte Schecks auf die Zukunft;
um Vorrang für Qualifizierung und Aktivierung für den Arbeitsmarkt oder bloße
Verwaltung der Arbeitslosigkeit.
Deutschland braucht auch weiterhin den Mut zu Veränderung und Erneuerung.
Dafür wollen wir auch in der kommenden Zeit die politische Verantwortung in Deutschland
tragen. Für eine soziale und demokratische Politik.
Erneuerung
Die Investitionen in Bildung und Forschung steigen deutlich. Wer morgen ernten will, muss
heute säen. Wir denken nicht nur von Wahltag zu Wahltag. Wir setzen auf Nachhaltigkeit.
Deshalb hat auch die Konsolidierung der Staatsfinanzen ein so großes Gewicht in unserer
Politik; der Marsch in den Schuldenstaat ist beendet. Ab 2006 kommen keine neuen Schulden
mehr hinzu.
Das JUMP-Programm für die Jungen, die Ausbildung brauchen, und die staatlich geförderte
kapitalgedeckte Altersvorsorge - das sind Beispiele für gelungene Erneuerung. Sie weisen
in die Zukunft. Der Generationenvertrag gilt.
Unbürokratisch dafür sorgen, dass rechtzeitig qualifiziert und zielgerichtet vermittelt
wird - darauf kommt es an. Mit dem Job-AQTIV-Gesetz und der Neugestaltung der
Bundesanstalt für Arbeit haben wir den Arbeitsmarkt verstärkt in die Erneuerung
einbezogen.
Wir haben eine Energiepolitik begonnen, die - auf der Grundlage eines belastbaren
Energiemix - stärker erneuerbare Energien berücksichtigt, Sparpotentiale nutzt und den
Ausstieg aus der Kernenergie durchsetzt.
Wir haben wesentliche Schritte zur Verwirklichung der Gleichstellung von Männern und
Frauen in Beruf und Gesellschaft unternommen. Diesen Weg wollen wir fortsetzen.
Und wir haben die Familie in den Mittelpunkt der Politik gerückt, materiell und ideell.
Denn Familie ist wichtig für die Entwicklungschancen der Kinder.
Jetzt ist die Betreuung der Kinder im Schulalter vordringlich. Der Ganztagsschule und
ihrem Ausbau kommt dabei große Bedeutung zu - auch für die Vereinbarkeit von Familie und
Beruf. Im Interesse der Mütter und im Interesse unserer Volkswirtschaft, die auf Wissen
und Kreativität der Frauen angewiesen ist.
Zusammenhalt
Die Steuerreform senkt den Eingangssteuersatz von 25,9 % in 1998 auf 15 % im Jahr 2005 und
hebt den Grundfreibetrag deutlich an. 2003 gibt es die nächste Steuersenkung. Das gilt
für alle Einkommensgruppen bis hin zum Spitzensteuersatz in gleicher Weise. Das hilft
auch den kleinen und mittleren Unternehmen. Durch unsere umfassenden Steuerreformen 1998 -
2005 bleiben insgesamt rd. 41 Mrd. Euro mehr auf den privaten Konten, wandern nicht zum
Finanzamt.
Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und der generelle Kündigungsschutz wurden wieder
eingeführt und die betriebliche Mitbestimmung ausgebaut. Arbeitgeber und Arbeitnehmer
sollen sich in gleicher Augenhöhe begegnen. Auch in Zukunft.
Eine große Leistung dieser Legislaturperiode ist das neue Recht für behinderte Menschen,
ein Fortschritt, der überfällig war. Aber in der Praxis gibt es auch hier noch viel zu
tun.
Die von uns gesetzlich geregelte Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften
vollzieht nach, was in der gesellschaftlichen Wirklichkeit längst akzeptiert ist. Die
Konservativen waren dazu nicht fähig.
Das neue Staatsbürgerschaftsrecht und jetzt das Zuwanderungsgesetz
schaffen Klarheit und Steuerbarkeit, wo über Jahrzehnte die Realität missachtet und
verdrängt wurde. Hier wird sich die politische Reife unserer Demokratie beweisen müssen.
CDU und CSU - immer dagegen
Die meisten dieser Initiativen für Erneuerung und Zusammenhalt mussten gegen den oft
massiven Widerstand von CDU und CSU durchgesetzt werden. Ohne unsere Politik seit 1998
wäre Deutschland heute weniger modern, weniger sozial, auch weniger liberal.
Beschäftigung - Aufgabe Nr. 1
Arbeit für alle ist und bleibt zentrales Ziel unserer Politik.
Mit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sind wir vorangekommen, von 4.279.200 im
Jahresdurchschnitt 1998 auf 3.851.636 in 2001. Die Beschäftigtenzahl stieg um 1,2
Millionen.
Aber das ist nicht genug. Außeneinwirkungen bremsten die anfangs zügigen Fortschritte.
Wir finden uns mit der Arbeitslosigkeit nicht ab.
Der wirtschaftliche Aufschwung weltweit und auch in Deutschland wird Beschäftigung
sichern und neue Arbeitsplätze schaffen. Eine offensive Mittelstands- und
Existenzgründerpolitik bedeutet zusätzliche Beschäftigung.
Am Arbeitsmarkt selbst müssen die große Nachfrage und das erhebliche Angebot für
zielgerichtete Qualifikation und zielgenaue Vermittlung genutzt werden. Der Trend in die
illegale Beschäftigung muss gebrochen und umgekehrt werden.
Das Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit bleibt eine unverzichtbare
Plattform beim gemeinsamen Bemühen aller gesellschaftlichen Kräfte um Beschäftigung.
Aufbau Ost - Die zweite Hälfte des Weges
Es ist das Verdienst der Regierung Gerhard Schröder, die Prioritäten neu geordnet, die
Investitionen erhöht, Wachstumskerne entwickelt, die Regionen in ihrer eigenen Kraft
gestärkt und die Realitäten ehrlich benannt zu haben.
Der Solidarpakt II, der den ostdeutschen Ländern die gesamtstaatliche finanzielle
Solidarität bis 2019 sichert und eine verlässliche Aufbauperspektive bietet, zeigt
zweierlei: Wir sind beim Aufbau konkret. Die Hälfte des Weges ist geschafft. Wir sind zu
großen weiteren Anstrengungen bereit.
Der Aufbau Ostdeutschlands ist auch Voraussetzung für den Wohlstand in ganz Deutschland,
für eine starke Wirtschaft, starke Regionen und gute Lebensperspektiven.
Deutschlands Rolle in Europa und der Welt
Die Welt ist in einer Zeit großen Wandels, mit tiefgreifenden Konsequenzen auch für
unser Land. Die Rückkehr des Bürgerkriegs und der Völkermord in Südosteuropa, direkt
vor unserer Haustür, und die schrecklichen Ereignisse des 11. September 2001 in den USA
haben uns unsere sicherheitspolitischen Aufgaben in der Völkergemeinschaft vor Augen
geführt.
Wir haben Verantwortung im Rahmen unserer Kräfte übernommen und helfen
politisch-diplomatisch, humanitär und auch mit dem Einsatz der Bundeswehr. Es geht darum,
Gewalt zu stoppen, Terrorismus zu bekämpfen.
Wir wollen beitragen zu einer Friedenspolitik, die Konflikten vorbeugt und Krieg
verhindert. Dabei bleibt es beim Vorrang für die Möglichkeiten der Außenpolitik und der
Politik wirtschaftlicher Zusammenarbeit.
Deutschland ist ein selbstverständlicher gleichberechtigter Partner in der
internationalen Politik geworden.
Deutschland in Europa
Über Jahrhunderte zerstrittene Völker haben sich im Frieden zu einer Gemeinschaft
verbündet.
Ein Erdteil mit einer großen Geschichte und mit bedeutenden Potentialen vereint sein
Wissen und seine Kräfte zum Nutzen aller.
Es lohnt, sich für Europa zu engagieren.
Dabei wissen wir: Je kleiner die Welt, desto nötiger die Europäische Union. Die
epochalen Veränderungen und die Entwicklungen der Weltwirtschaft generell erfordern -
auch zum Nutzen unseres eigenen Landes - ein geeintes und friedliches und wirtschaftlich
starkes Europa.
Dabei achten wir darauf, dass die europäische und vor allem auch deutsche Idee und
Tradition von sozialer Marktwirtschaft und Sozialstaat lebendig bleibt und dass nicht
Gesellschaftsordnungen vorherrschen, die unter dem Vorwand der absoluten Freiheit das
Prinzip der Macht des Stärkeren ungebremst realisieren.
Freiheit und Sicherheit
Wir fördern Individualität als Bedingung und als Ausdruck der Freiheit. Individualität
gibt die Chance, Lebensweg und Lebensweise selbst zu wählen und eigenverantwortlich zu
handeln.
Eigenverantwortung und gesellschaftlicher Zusammenhalt bedingen einander. Unsere Politik
der Mitte erweitert Freiheitsspielräume und ermutigt zu solidarischem Handeln.
Der Staat behält dabei seine Aufgaben, Regeln zu setzen und im Wandel und durch Wandel
Sicherheit zu gewährleisten.
Das gilt für die soziale, aber auch für die innere Sicherheit, für den Schutz vor
Gewalt und den Schutz des Eigentums, für den Kampf gegen Wirtschaftskriminalität und
Korruption, für das Verbot des Rechtsextremismus.
Wir beugen der Kriminalität vor, aber wir bekämpfen sie auch energisch, im eigenen Land
und in der Völkergemeinschaft.
Der Staat
In dieser Welt des Wandels müssen auch die Staatsaufgaben überprüft werden.
Das tun wir unvoreingenommen. Im Großen wie im Kleinen. Wir achten das Prinzip der
Subsidiarität und fördern die Idee der Zivilgesellschaft.
Was an Aufgaben vor Ort, von gesellschaftlichen Gruppen und von Einzelnen in
Eigenverantwortung erfüllt werden kann, das sollte der Staat nicht reglementieren.
Dementsprechend müssen aber auch Ansprüche an den Staat zurückgenommen werden, die ihn
überfordern.
Wir sehen den Staat als Partner in der freien Bürgergesellschaft.
Wir sehen und bejahen aber auch die Verantwortlichkeit des Staates. Wir bekennen uns zu
dieser Verantwortlichkeit der Politik.
Der Staat muss Grundlagen schaffen und Leitlinien bestimmen und Entscheidungen treffen
für eine humane Gesellschaft. Das kann nur der Staat.
Die Ideologie der totalen Entstaatlichung lehnen wir ab. Der Staat darf nicht nur
Reparaturbetrieb sein für Interessengegensätze, die in der Zivilgesellschaft ungeklärt
bleiben.
Der Staat hat Lenkungsfunktion.
Politik der Mitte
Uns geht es um eine wertorientierte Politik, die Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität
verbindet - das ist Politik der Mitte. Gleiche Chancen für alle zu gewährleisten gehört
zu dieser Politik ebenso, wie die Anerkennung der vielfältigen Fähigkeiten und
Interessen der Menschen. Gerechtigkeit bedeutet für uns, alle auf faire Weise an den
Chancen unserer Gesellschaft teilhaben zu lassen. Und sie zu Innovation und Zuversicht in
die Gestaltbarkeit der Zukunft zu ermutigen.
Solche Reformpolitik ist auf breite gesellschaftliche Unterstützung angewiesen. Nicht
alle Weichenstellungen sind bequem, aber sie führen in eine gute Zukunft und wirken weit
über die Phase einer Legislatur hinaus.
Wir laden alle gesellschaftlichen Kräfte ein, jede Frau, jeden Mann und insbesondere auch
die Jugend, gemeinsam mit uns an der Verwirklichung unserer pragmatischen Vision für ein
modernes und gerechtes Deutschland mitzuwirken.
In der Koalition mit den Bürgerinnen und Bürgern werden wir dafür sorgen, dass es voran
geht mit Deutschland.
Wir in Deutschland!
POLITIK MUSS NACHHALTIG SEIN
Politik braucht lange Linien und den Blick über die nächste Legislaturperiode hinaus.
Schuldenberge und Abfallberge sind so unverantwortlich wie Forschungslücken und
Instandhaltungslücken. Wer das Saatgut verspeist, kann morgen nicht ernten.
Nachhaltigkeit verbindet sich in der politischen Debatte vor allem mit einem konsequenten
Umweltschutz. Mit dem Anspruch also, Luft und Wasser und Boden und vor allem die Menschen
zu schützen.
Wir unterstützen dieses Ziel des nachhaltigen Umweltschutzes mit Nachdruck. Damit nicht
morgen oder irgendwann von Menschen verursachte Naturkatastrophen den Lebensraum
zerstören.
Ökologische Modernisierung bringt Arbeit und Umwelt zusammen.
Aber nachhaltige Politik in diesem Sinne ist auch
erforderlich: |
- für die dauerhafte Stabilität des Wohlstandes,
- für die langfristige Funktionsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme,
- für die Sicherung von Freiheit und Frieden.
|
Viele Entscheidungen, die jetzt getroffen werden, reichen mit ihren
Wirkungen weit in dieses Jahrzehnt und auch darüber hinaus.
Mit dem besonderen Engagement bei Bildung und Forschung, mit der ergänzenden Regelung zur
Alterssicherung und mit humanitärem und friedenssicherndem Einsatz weltweit haben wir
gute Beispiele für nachhaltige Politik gesetzt.
Die Idee des Generationsvertrages hat sich bewährt. Sie bleibt gültig, ergänzt um die
wachsende Gewissheit, dass sie auch einen erheblichen internationalen Bezug hat.
Wir vertreten die Interessen der Menschen heute und die Interessen unseres Landes. Gerade
deshalb aber bedenken und beachten wir dabei auch die Interessen zukünftiger Generationen
und anderer Länder. Unsere Politik hat Zukunft.
1. Deutschlands Rolle in Europa und der Welt
Verantwortung übernehmen
Deutschlands Rolle in der Welt hat sich verändert. Unsere Stimme hat an Gewicht gewonnen.
Unser Rat und unsere Hilfe sind gefragt. Die Staatengemeinschaft zählt auf Deutschland,
und sie kann sich auf Deutschland verlassen. Dazu haben wir mit unserer Politik
entscheidend beigetragen.
Weil wir Mitverantwortung tragen für die gemeinsame Sicherheit in unserer einen Welt,
haben wir die Außenpolitik, die Politik der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und die
Sicherheitspolitik schrittweise weiter entwickelt. Diesen Prozess wollen wir fortsetzen
und durch die Geltung gemeinsamer Rechtsgrundsätze weltweit stärken.
Unser Ziel ist die Sicherung des Friedens weltweit. Interessengegensätze müssen
friedlich ausgeglichen werden.
Mit uns wird von Deutschland niemals Aggression ausgehen. Aber die Wirklichkeit der Welt
ist nicht nur friedlich. Unsere Aufgabe besteht heute in der Prävention von Konflikten
und der Eindämmung von Gewalt. Wir engagieren uns für eine aktive Friedenspolitik. Dabei
ergibt sich unsere Rolle in dieser Politik aus der geografischen und politischen Lage
Deutschlands im Herzen Europas, unserer Mitgliedschaft in der Europäischen Union, den
Vereinten Nationen und als Partner im Atlantischen Bündnis. Unsere Friedenspolitik wird
bestimmt durch unsere Werte und Überzeugungen und unsere nationalen Interessen.
Ob auf dem Balkan, bei der Neuordnung und dem Wiederaufbau in Afghanistan, bei der Lösung
regionaler Konflikte oder im Kampf gegen den internationalen Terrorismus - seit 1998 war
Deutschland auch sicherheitspolitisch verstärkt gefordert und ist seiner internationalen
Verantwortung gerecht geworden. Und zwar so, wie es unserem Selbstverständnis entspricht
und wie unsere Partner und die Staatengemeinschaft es von uns erwarten können.
Mit der staatlichen Einheit haben wir nicht nur unsere nationale Souveränität in vollem
Umfang zurückgewonnen, sondern zugleich auch das Recht und die Pflicht zur
internationalen Solidarität. Wir sind ein normales europäisches Land geworden.
Wir stehen zum Einsatz unserer Soldaten international, wo er durch Beschlüsse der
Vereinten Nationen und des Deutschen Bundestages legitimiert und den Soldaten gegenüber
verantwortbar ist. Man darf sich seiner Verantwortung nicht entziehen, wenn Völkermord
oder die Eskalation gewaltsamer Konflikte drohen oder geschehen. Das ist auch eine Lehre
aus unserer eigenen Geschichte.
Die Vereinten Nationen stärken
Frieden und die weltweite Achtung der Menschenrechte sind unser Ziel. Der Weg dorthin
führt über verstärkte Zusammenarbeit, über aktive Hilfe bei der wirtschaftlichen
Entwicklung und ein gemeinsames System der Sicherheit und des Rechts. Wir haben den
Menschen nicht nur Märkte anzubieten - sondern auch Chancen und Solidarität.
Die Vereinten Nationen sind unverzichtbar für die Zusammenarbeit auf dieser Welt. Die
Mehrzahl der 189 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verfügt über keine andere
Instanz zu ihrer Interessenvertretung.
Die Vereinten Nationen zu stärken und ihnen durch mehr Rechte und eine innere Reform
bessere und erweiterte Arbeitsmöglichkeiten zu geben, bleibt deshalb unser Ziel.
Deutschland ist bereit, sich in den Vereinten Nationen noch stärker zu engagieren.
Die Anforderungen an Sicherheit sind vielfältiger, komplexer und weniger berechenbar
geworden. Deutschland ist heute ein Partner für Sicherheit und Stabilität in Europa und
der Welt und verfolgt eine konsequente Politik des Interessenausgleiches und des
Multilateralismus.
Wir werden auch in Zukunft eine aktive Friedens- und Sicherheitspolitik
voranbringen, die |
- die Prävention - wie in Makedonien erfolgreich geschehen - in den Mittelpunkt der
Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik rückt,
- die Unteilbarkeit der Sicherheit anerkennt und
- auf die Zusammenarbeit über nationale und regionale Grenzen hinweg setzt.
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Prävention erfordert Unterstützung für politische Konfliktlösungen in
den Regionen, für Rüstungskontrolle, Abrüstung und Vertrauensbildung, für
wirtschaftliche Entwicklung, für sozialen Ausgleich. Eine umfassende und wirksame
Friedenspolitik benötigt auch die Verfügbarkeit leistungsfähiger militärischer
Fähigkeiten. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist der Beitrag der Bundeswehr zu einer
solchen Politik der Friedenssicherung noch wichtiger geworden.
Deutschland ist gefordert, wenn Vereinte Nationen, NATO, EU und OSZE sich zur Abwehr von
Gefahren und zur Sicherung des Friedens engagieren und wird seine internationalen
Verpflichtungen erfüllen. Dabei müssen unsere nationalen Interessen und Fähigkeiten
beachtet werden.
Die Fortsetzung einer Politik der Abrüstung und Rüstungskontrolle leistet Beiträge zu
einer vorausschauenden Friedenspolitik. Zu einer Weiterentwicklung der vertragsgestützten
Abrüstungspolitik gibt es keine Alternative. Das Ziel der Nichtverbreitung von
Massenvernichtungswaffen steht bei uns weiter an erster Stelle.
Die Verträge zur Non-Proliferation, das Chemiewaffenübereinkommen, das
B-Waffen-Übereinkommen und das Regime der Nichtverbreitung von Trägerwaffentechnologie
(MTCR) sind zu stärken. Der START-Prozess muss fortgesetzt und der Atomteststopp-Vertrag
(CTBT) ratifiziert werden.
Eine gerechte Weltordnung
Die Globalisierung ist Realität. Sie stoppen zu wollen, ist illusionär. Ihr freien Lauf
zu lassen, ist gefährlich. Sie zu gestalten und ihre Potentiale für alle zu nutzen -
darauf kommt es an.
Wir wollen eine weltwirtschaftliche Ordnung, die sich am Ziel einer sozialen und
ökologischen Marktwirtschaft ausrichtet. Dafür treten wir ein, dafür werben wir, das
wollen wir allen Schwierigkeiten zum Trotz durchsetzen.
Wir setzen uns für gerechtere Welthandelsbeziehungen im Interesse der Entwicklungsländer
ein. Mit Blick auf die neue Welthandelsrunde heißt das, dass wir für eine weitere
Marktöffnung eintreten. Es geht dabei um Zollabbau, um Beseitigung nichttarifärer
Handelsbarrieren, um einen besseren Schutz der Umwelt, um die Beachtung von
Arbeitnehmerrechten.
Die internationale Finanzarchitektur muss gerecht fortentwickelt werden. Wir setzen uns
für die Sicherung stabiler und funktionierender Finanzmärkte als Motor für
Wirtschaftswachstum und Beschäftigung ein. Wir brauchen einen europaweit abgestimmten
Maßnahmen-Mix zur Regelung der internationalen Finanzmärkte als Einstieg für eine
globale Einigung.
Die Entwicklungsländer müssen eine bessere Chance bekommen für ihre Produkte und für
die Versorgung der Bevölkerung mit wirksamen und preiswerten Medikamenten.
Wir haben uns seit jeher für die Stärkung des Rechts weltweit eingesetzt. Wir haben das
Zustandekommen des ständigen Internationalen Strafgerichtshofs gefördert und
unterstützen seine Arbeit. Es geht darum, das Recht des Stärkeren durch die Stärke des
Rechts abzulösen.
Für eine wirksame Entwicklungs-Zusammenarbeit
Wohlstandssteigerungen in armen Regionen sind nicht nur ein Gebot der Gerechtigkeit,
sondern Teil unserer Bemühungen um eine weltweite Stärkung demokratischer Strukturen und
gleichberechtigter Entwicklung. Wir wollen Armut und Hunger entscheidend mindern und durch
Entwicklung Frieden sichern. Nur so können Krieg, Armutswanderungen und internationaler
Terrorismus langfristig und effektiv bekämpft werden.
Mit der Kölner Entschuldungsinitiative im Sommer 1999 haben wir den Grundstein für
bessere Lebenschancen in den Entwicklungsländern gelegt. Die Entschuldung ist verknüpft
mit den nationalen Strategien der Armutsbekämpfung, die unter Beteiligung der
Bevölkerung erarbeitet werden. So soll sicher gestellt werden, dass die Entlastungen vor
allem den armen Bevölkerungsschichten zu gute kommen.
Mit einem konsequenten Aktionsprogramm 2015 zur weltweiten Armutsbekämpfung haben wir
wichtige Verpflichtungen übernommen. Wir werden dazu beitragen, die von der
internationalen Gemeinschaft beschlossenen Ziele zu verwirklichen: Die weltweite
Halbierung der extremen Armut, Grundbildung für alle Kinder bis zum 14. Lebensjahr,
drastische Reduzierung der Kinder- und Müttersterblichkeit und die Bekämpfung von AIDS.
Das internationale Ziel, 0,7 % des Bruttosozialprodukts jedes Landes für die
Entwicklungszusammenarbeit einzusetzen, gilt. Die Realität ist aber noch weit davon
entfernt. Das Ziel muss stufenweise umgesetzt werden. Wir wollen, wie auf dem EU-Gipfel in
Barcelona verabredet, auch in Deutschland unseren Teil dazu beitragen und. bis zum Jahr
2006 unseren Anteil auf 0,33 % des BSP steigern. Gleichzeitig werden wir neue
Finanzierungsmöglichkeiten für Entwicklung prüfen.
Die Nichtregierungsorganisationen, die Kirchen und Stiftungen leisten eine wichtige
Arbeit. Mit ihren Fähigkeiten und Kenntnissen sind sie unsere wichtigen Partner bei der
Gestaltung der Globalisierung, der Bekämpfung der Armut und der Friedenssicherung. In
enger Kooperation mit diesen Organisationen werden wir den zivilen Friedensdienst weiter
ausbauen.
Das wirtschaftliche und technisch-organisatorische Potential der Unternehmen fließt in
die Entwicklungspartnerschaften mit der Wirtschaft ein, die wir weiter ausbauen werden.
Die Länder des Südens und Ostens brauchen eine faire Integration in den Welthandel.
Durch eine bessere Beteiligung an den WTO-Strukturen müssen ihre Interessen im
Welthandelssystem stärker berücksichtigt werden.
Die Europäische Union ist für viele dieser Länder der wichtigste Handelspartner. Die EU
muss für die ärmsten Entwicklungsländer einen freien Zugang zu ihren Märkten
sicherstellen. Die von der EU beschlossene Marktöffnung für die 48 ärmsten
Entwicklungsländer ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Im Rahmen der WTO
müssen Zölle und Handelsbarrieren für weiterverarbeitete Produkte zurückgeführt und
gleichzeitig soziale und ökologische Mindeststandards im Welthandel stärker verankert
werden. Entsprechend den Beschlüssen zur neuen Welthandelsrunde müssen die
Exportsubventionen für Agrarprodukte beendet werden, die zu einem unfairen Wettbewerb mit
den Entwicklungsländern führen.
Deutschland in Europa
Wir gehören zu Europa und Europa gehört zu uns. Deutschland mit seinen Regionen ist und
bleibt dabei unsere Heimat.
Das Zusammenwachsen Europas in der Europäischen Union ist weltweit eine der
hoffnungsvollsten Entwicklungen überhaupt.
Die Stabilität, die die europäische Integration gefunden hat, begründet Frieden und
Wohlstand für unseren Kontinent dauerhaft.
Jetzt stehen weitere wichtige Entscheidungen darüber an, wie es weitergeht in Europa und
welches unverwechselbare Gesicht Europa bekommen soll.
Im diesem Jahrzehnt muss eine Erweiterung der EU gelingen, die vor allem die europäischen
Länder des ehemals kommunistischen Herrschaftsbereichs einbezieht.
Und es muss die EU eine Gestaltungskraft entwickeln, die - demokratisch legitimiert und
politisch effizient - der neuen Aufgabe gerecht wird.
Die europäische Idee hat ihren eigenen Wert, aber sie ist auch die unverzichtbare Antwort
auf die Globalisierung.
Wir tun alles, den europäischen Integrationsprozess voranzubringen und dabei die
wohlbegründeten deutschen Interessen zu berücksichtigen.
Das europäische Gesellschafts- und Sozialmodell stärken
Der Euro stärkt Europa im weltweiten Wettbewerb und trägt zu einer Stabilität im
Weltfinanzsystem bei, von der alle Volkswirtschaften profitieren. Durch die Einführung
der Wirtschafts- und Währungsunion ist die EU zu einer großen Volkswirtschaft mit einem
ausgedehnten Binnenmarkt sowie einem relativ geringen Außenhandel geworden. Dadurch
wachsen die Notwendigkeiten und Chancen die Geld- und Finanzpolitik zu koordinieren, um
die Beschäftigung unter Wahrung der Geldwertstabilität so verbindlich wie möglich zu
fördern.
Wir wollen auf EU-Ebene darauf hinwirken, dass die bislang schon gegebenen Möglichkeiten
der wirtschaftspolitischen Abstimmung zwischen der Europäischen Zentralbank (EZB), den
Tarifvertragsparteien und den Regierungen der Mitgliedstaaten verstärkt und ausgeschöpft
werden. Ziel ist dabei ein beständiges, nicht inflationäres und umweltverträgliches
Wachstum sowie ein hohes Beschäftigungsniveau.
Wir leisten mit der Konsolidierung des Bundeshaushalts unseren Beitrag zur Stabilität des
Euro, mit sozialer Vernunft und klaren Prioritäten bei den öffentlichen Investitionen.
Auch deshalb werden wir an unserem Konzept der strukturellen Reformen festhalten und
Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland modernisieren.
Europa soll in den nächsten zehn Jahren zum dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt werden
und es soll in zehn Jahren bei Forschung und Entwicklung weltweit an der Spitze stehen.
Deshalb muss die EU stärker in Innovation und Modernisierung investieren. Wir müssen den
europäischen Forschungsraum konsequent weiterentwickeln und Spitzenforschern sowie
Unternehmen höhere Anreize bieten, in Europa zu arbeiten bzw. mit europäischen
Forschungseinrichtungen zusammenzuarbeiten.
Das europäische Sozialstaatsmodell muss erhalten und weiterentwickelt werden. Es hat sich
bewährt und es gibt keines sonst, das vergleichbar in akzeptabler Weise
Leistungswilligkeit und Eigenverantwortung einerseits und gesellschaftlichen Zusammenhalt
und Solidarität andererseits miteinander verbindet. Die, die in Not geraten, können sich
auf die Gemeinschaft verlassen.
Europäische Außen- und Sicherheitspolitik ausbauen
Eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU ist Voraussetzung für
gleichberechtigte transatlantische Partnerschaft, für eine engere Zusammenarbeit Europas
mit Russland und für ein abgestimmteres Auftreten der EU in internationalen
Organisationen wie der OSZE und den Vereinten Nationen.
Eine stärkere Rolle der Europäer in der Allianz und eine stärkere sicherheitspolitische
Rolle der EU wird die NATO stärken. Die transatlantische Partnerschaft bleibt die
Grundlage europäischer Sicherheit und die NATO die entscheidende politische und
institutionelle Klammer für die euroatlantische Gemeinschaft.
Die europäische Union muss mit der GASP ein umfassendes Sicherheitskonzept entwickeln,
das politische, militärische, wirtschaftliche, soziale und ökologische Elemente umfasst,
die europäische Außen-, Sicherheits- und Verteidigungs- und Entwicklungspolitik verzahnt
und die Fähigkeit zur Konfliktprävention verstärkt.
Künftig wird die EU auch militärisch selbständig im Krisenmanagement handeln können,
wenn sich die NATO als Ganzes nicht engagiert. Eine gemeinsame europäische Grenzpolizei
wird an den künftigen Außengrenzen der Europäischen Union für einen wirkungsvollen
Schutz gegen organisierte Kriminalität und illegale Einwanderung sorgen.
Die europäische Einigung vollenden
Politisch und wirtschaftlich wird die Osterweiterung der EU sowohl für die
Beitrittskandidaten als auch für Deutschland und die jetzigen Mitgliedsstaaten der
Europäischen Union ein Gewinn. Mit der Erweiterung wird die Europäische Union zum
weltweit größten Binnenmarkt. Ihre globale Wettbewerbsfähigkeit wird weiter gestärkt,
denn die hinzukommenden Länder sind Wachstumsmärkte. In Deutschland als einem der
wichtigsten Wirtschaftspartner der mittel- und osteuropäischen Beitrittsländer sichert
der Handel mit Mittel- und Osteuropa schon jetzt viele Arbeitsplätze.
Wir werden auch weiterhin unseren Beitrag leisten, um |
- die Erweiterungsverhandlungen zügig und sorgfältig zum Erfolg zu bringen, so dass die
meisten Kandidatenländer - wenn möglich - bereits an den nächsten Wahlen zum
Europäischen Parlament im Jahre 2004 teilnehmen können. Dazu ist auch eine grundlegende
Reform aller Politikbereiche der Europäischen Union notwendig, die Mittel für die
Beitrittsländer freimacht.
- 7-jährige Übergangsfristen in den besonders sensiblen Bereichen wie der
Arbeitnehmerfreizügigkeit oder Dienstleistungsfreiheit zu vereinbaren, die einerseits ein
hohes Schutzniveau gegen Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt bieten, andererseits jedoch
durch flexible Ausgestaltung eine schnelle Reaktion auf veränderte Rahmenbedingungen
erlauben.
|
Die Europäische Verfassung auf den Weg bringen
Wir haben die EU-Grundrechtecharta auf die europäische Tagesordnung gesetzt. Nach ihrer
Verabschiedung ist jetzt der Entwurf einer europäischen Verfassung durch den
EU-Verfassungskonvent die wichtigste Aufgabe. Die Verfassungsdebatte muss für alle
interessierten Bürgerinnen und Bürger transparent werden. Die nächsten Jahre
entscheiden über Wesen und Gesicht des künftigen Europa. Dazu wollen wir in Deutschland
eine breite gesellschaftliche Debatte organisieren.
Die Verfassung für Europa soll gewährleisten, dass Europas Strukturen verständlich und
dass die Entscheidungen nachvollziehbar sind und parlamentarisch kontrolliert werden.
Deshalb wollen wir, dass der nächste Präsident der EU-Kommission direkt vom
Europäischen Parlament gewählt wird und treten dafür ein, dass die Sozialdemokratische
Partei Europas für die Europawahlen eine/n Spitzenkandidaten/in benennt, die/der für das
Amt des Kommissionspräsidenten antritt.
Europas Zuständigkeiten klar regeln
Die historisch gewachsene Aufgabenverteilung zwischen der Europäischen Union und ihren
Mitgliedsstaaten entspricht nicht mehr den Anforderungen des 21. Jahrhunderts. Die
Mitgliedstaaten - und in Deutschland auch die Länder und Kommunen - haben im Verlauf
dieses Prozesses an politischem Gestaltungsspielraum verloren, obwohl in vielen Bereichen
sachgerechte Entscheidungen besser auf ihrer Ebene getroffen werden. Andererseits verfügt
die Europäische Union auch heute noch nicht über die Kompetenzen, die zur Wahrung ihrer
Interessen auf internationaler Ebene oder zur Wahrung der inneren Sicherheit erforderlich
sind.
Wir haben in Nizza erreicht, dass auf einer weiteren Reformkonferenz der EU im Jahre 2004
eine genauere, dem Subsidiaritätsprinzip entsprechende Abgrenzung der Zuständigkeiten
zwischen der EU und den Mitgliedsstaaten vorgenommen wird. Für den Bürger muss klar
erkennbar werden, wer welche Politik zu verantworten hat.
Russland unterstützen
Wir werden Russland auf seinem Weg zu Demokratie und sozialer Marktwirtschaft weiter
unterstützen und uns dafür einsetzen, dass es einen seiner Bedeutung angemessenen Platz
in der künftigen europäischen Sicherheitsarchitektur findet.
Wir befürworten die Aufnahme Russlands in die WTO und eine weitergehende Einbeziehung in
die Zusammenarbeit G7/8.
Unsere Bundeswehr
Wir werden die Reform der Bundeswehr weiterführen. Sie |
- richtet die Bundeswehr auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts aus,
- passt die Organisation der Bundeswehr den neuen Anforderungen an und investiert
zielgerichtet in Menschen und Ausrüstungen,
- beseitigt Ungleichgewichte in Personalstruktur und Besoldung,
- setzt auf moderne Management-Grundsätze
|
Mit dem Reformprozess werden Aufgabenumfang, Organisation, Ausrüstung
und Mittel der Bundeswehr wieder in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht und das
Stationierungs- und Standortkonzept bis 2006 abgeschlossen. Mit der mittelfristigen
Finanzplanung für die Bundeswehr und dem beschlossenen Programm für Innere und Äußere
Sicherheit haben wir finanzielle Planungssicherheit für die Bundeswehr geschaffen. Die
materielle Ausstattung der Streitkräfte soll kontinuierlich verbessert werden.
Die allgemeine Wehrpflicht und die große Zahl von Zeitsoldaten, die nur für eine
begrenzte Frist Dienst in den Streitkräften leisten und dann in alle Bereiche des zivilen
Lebens zurückkehren, stellen sicher, dass die Bundeswehr künftig in der Gesellschaft
fest verankert bleibt. Deshalb bleibt es bei der Wehrpflicht.
2. Wirtschaft und Beschäftigung
1998 haben wir den Politikwechsel versprochen: Mehr Arbeitsplätze, Wirtschaftswachstum
und solide Finanzen.
Wir haben Wort gehalten und kräftige Impulse gegeben für die Stärkung der
Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, für die finanzielle Entlastung der Arbeitnehmer.
Und für die Konsolidierung der Staatsfinanzen.
Der Erfolg: Mehr Beschäftigung und weniger Arbeitslose. 1,2 Mio. Beschäftigte mehr im
Vergleich zu 1998 - dies ist auf einem historischen Höchststand der Beschäftigung in
Deutschland. Und 2001 rund 428.000 Arbeitslose weniger im Jahresdurchschnitt als 1998.
400.000 jungen Menschen wurde mit dem Sofortprogramm "JUMP" eine neue Chance
gegeben.
Das ist eine Trendwende, aber diese Erfolge reichen uns nicht. Wir geben uns damit -
insbesondere in Ostdeutschland - nicht zufrieden.
Stetiges und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und soziale Gerechtigkeit
bleiben die zentralen Anliegen unserer Politik.
Auch deshalb werden wir das Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit
fortführen. Alle gesellschaftlichen Kräfte müssen an einem Strang ziehen.
Weltwirtschaftliche Entwicklungen beeinflussen die nationale Wirtschaft, denn wir sind
Teil der Globalisierung. Wir sind aktiver Teil und müssen dazu beitragen, die
Weltwirtschaft nach klaren Regeln und sozialen und ökologischen Prinzipien zu
organisieren. Auch um dieses Ziel erreichbar zu machen, ist eine starke und einige EU
nötig.
Die europäische Politik auf wirtschafts- und finanzpolitischer Ebene muss besser
abgestimmt und koordiniert werden. Dies gilt insbesondere für die Harmonisierung der
Steuerpolitik.
Wohlstand sichern und steigern
Eine wettbewerbsfähige und nachhaltige Wirtschaft ist Grundlage für
Wohlstand. Wohlstand braucht Beschäftigung für alle und soziale Sicherheit. Durch die
Stabilitätspolitik und die Reformen der Bundesregierung hat der Standort Deutschland an
Attraktivität gewonnen. Dies zeigt der deutliche Anstieg der Auslandsinvestitionen.
Notwendig bleibt weiterhin eine kluge Kombination aus Angebots- und Nachfragepolitik, die
das wirtschaftliche Wachstum stärkt, die öffentlichen und privaten Investitionen
unterstützt und die Arbeitsmarktpolitik modernisiert. Stetiges und hohes Wachstum ist die
Voraussetzung für einen spürbaren Abbau der Arbeitslosigkeit.
Wir werden die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiter
verbessern vor allem durch |
- Förderung des Mittelstandes,
- Stärkung der innovativen Basis unserer Wirtschaft,
- Qualifizierung und Vermittlung am Arbeitsmarkt, einschließlich Neuorganisation der
Bundesanstalt für Arbeit,
- die weitere Reduzierung der Steuer- und Abgabenlast durch die bereits beschlossenen
Reformgesetze,
- hohe öffentliche Investitionen,
- Orientierung des Wachstums an Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit,
- den weiteren Abbau von Bürokratie.
|
Dabei bleibt die Konsolidierung der Staatsfinanzen unverzichtbar.
Industrie- und Dienstleistungsstandort Deutschland
Deutschland wird auch als hoch entwickelte Dienstleistungsgesellschaft eine starke
industrielle Basis behalten. Unsere industriellen Fundamente sind stärker als in vielen
anderen europäischen Ländern. Von ihnen gehen wesentliche Impulse in die anderen
Wirtschaftssektoren aus. Dies muss Niederschlag auch in der Politik der EU finden.
Unsere heute wichtigsten industriellen Leitbranchen - Automobilbau, Chemie,
Energiewirtschaft, Elektrotechnik und Maschinenbau - sind auf dem Weltmarkt hoch
wettbewerbsfähig. Das muss so bleiben.
Diese Branchen, wie unsere Wirtschaft überhaupt, profitieren von günstigen
Standortbedingungen, von hochrangiger Forschung und Entwicklung, von qualifizierten
Mitarbeitern, auch von unserer flexiblen mittelständischen Struktur in Gewerbe und
Handwerk.
Wir wollen Deutschland zu einem attraktiven Standort für Entwicklung und Anwendung von
Zukunftstechnologien und wissensbasierten Dienstleistungen ausbauen. Wir wollen als
führende Handelsnation auch die weltweiten Märkte der Zukunft mit hochwertigen Produkten
beliefern. Hier liegen Wachstumspotentiale für die Zukunft. Damit leistet Deutschland
seinen Beitrag zum gemeinsamen Ziel, die EU bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten und
dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen.
Mittelstand stärken
Mittelstand und Handwerk sind das Herz unserer Wirtschaft. Sie sind Motor für
Investitionen, Wachstum und Beschäftigung. Wir unterstützen sie.
Und wir verbessern die Rahmenbedingungen für Existenzgründungen und stärken so die
Kultur der Selbständigkeit. Wir brauchen in Deutschland mehr mittelständische
Unternehmen und mehr Selbständige überhaupt.
Für kleine und mittlere Unternehmen ist eine
ausreichende Kreditversorgung entscheidend. Auch die Möglichkeit,
Unternehmensentwicklungen über Kapitalbeteiligungen zu finanzieren. |
- Wir konzentrieren die Förderinstrumente der Bundesregierung. Deshalb werden wir eine
Mittelstandsbank des Bundes aufbauen.
Diese wird die Förderprogramme des Bundes für Unternehmen mit geringer
Technologieausprägung im gleichen Maße wie für innovative Technologieunternehmen
konzentrieren und intensivieren. Diese Bank wird neue Wege in der Kundenberatung
beschreiten und Voraussetzungen schaffen, dass die Eigenkapitalbildung im Mittelstand
verbessert werden kann.
- Wir wollen, dass die Bereitstellung von Investitionskapital nicht durch erhöhte
Ansprüche der Risikoabdeckung (Basel II) erschwert wird.
- Existenzgründer bedürfen der gezielten individuellen Beratung zur Minimierung des
Verwaltungsaufwandes gerade in der Startphase eines Unternehmens. Dazu müssen
Regulierungsvorschriften reduziert und unnötige Bürokratie abgebaut werden.
- Risikokapital ist eine wichtige Finanzierungsquelle für innovative
Unternehmensgründer. Gerade vor dem Hintergrund der Eigenkapitalschwäche vieler
kleinerer Unternehmen muss die Versorgung mit Risikokapital sichergestellt, weiter
verbessert und der Zugang dazu erleichtert werden.
- Zur Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen werden wir die Attraktivität der
Dienstleistungsagenturen steigern.
|
Zusätzliche Kosten und Bürokratie hemmen wirtschaftliche Dynamik und behindern
Existenzgründer. Wir werden
|
- bei den Beiträgen für die Industrie- und Handelskammern sowie bei denen der
Handwerkskammern eine angemessene Bagatellgrenze vorsehen, um kleine Unternehmen zu
entlasten,
- regeln, dass junge Existenzgründer in den ersten vier Jahren von den Beitragszahlungen
ausgenommen werden.
- Der Generationenwechsel in den mittelständischen Unternehmen und im Handwerk ist im
Fluss. Wir verstärken die bereits eingeleiteten Unterstützungsmaßnahmen für
Alteigentümer und für potentielle Übernehmer von Betrieben. Wir tun das gemeinsam mit
den Verbänden.
|
Eine schlechte Zahlungsmoral gefährdet wirtschaftliche Selbständigkeit.
Die Wirksamkeit des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen muss erhöht werden.
Selbständige dürfen nicht durch Zahlungsverzug in finanzielle Schwierigkeiten gebracht
werden.
Wissen und Können aktivieren
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind prädestiniert für die Entwicklung und
Markteinführung neuer Produkte. Dabei sind Fühlungsnähe zu Hochschulen und
Technologiezentren hilfreich.
Deutschland muss sein Wissen und seine innovativen Ideen besser nutzen. Patente müssen
zur Wertschöpfung gebracht werden, Ideen zu Arbeit. Möglichst im eigenen Land.
Wir organisieren und unterstützen die Idee einer KMU-Börse für Innovationen. Sie soll
Wissen, Produkte, Finanzierung und Marketing zusammen und zum Erfolg führen. Sie soll
Leitfunktion haben, im Zusammenwirken mit unterschiedlichen Einrichtungen vor Ort und in
den Regionen und in den Ländern.
Qualität der Arbeit
Qualität der Arbeit umfasst viele Aspekte von der Arbeitszeitgestaltung bis zum
Arbeitsschutz. Der Erhalt der Gesundheit der Arbeitnehmer ist die grundlegende
Voraussetzung für deren Beschäftigungsfähigkeit. Wir werden ein Dialogverfahren
organisieren, in dem sich Spitzenverbände von Wirtschaft und Arbeitnehmern,
Arbeitsschützer und die Unfallversicherungsträger auf gemeinsame Ziele und Konzepte zur
weiteren Minimierung der gesundheitlichen Risiken und zur Verbesserung der betrieblichen
Organisation und Abläufe verständigen.
Zur Gestaltung der Welt von morgen gehört auch, dass wir Teilhabe und Selbstbestimmung
von Menschen mit Behinderungen weiter sichern und unsere konsequente und erfolgreiche
Behindertenpolitik auf der von uns seit 1998 geschaffenen Grundlage Schritt für Schritt
fortsetzen.
3. Solide Finanzen und gerechte Steuern
Wir haben den Weg in den Schuldenstaat gestoppt und die Politik der
Haushaltskonsolidierung zu unserem Markenzeichen gemacht.
Sparen ist für uns kein Selbstzweck. Eine solide Finanzpolitik bildet vielmehr die
Grundlage für mehr Wachstum und Beschäftigung. Sie ist Garant für Preisstabilität und
damit auch für eine gesamtwirtschaftlich ausgerichtete Geldpolitik der Europäischen
Zentralbank.
Sie verbindet soziale Gerechtigkeit mit wirtschaftlicher Vernunft. Sie schafft
Gestaltungsspielräume für Investitionen in wichtigen Zukunftsfeldern und verbessert die
Lebenschancen künftiger Generationen.
Die jährliche Neuverschuldung des Bundes haben wir kontinuierlich zurückgeführt. Wir
werden diesen Weg konsequent weitergehen. Unser Ziel bleibt, 2006 einen ausgeglichenen
Bundeshaushaushalt vorzulegen. Deshalb machen wir auch in Zukunft keine unbezahlbaren
Versprechen.
Neben der Fortsetzung der quantitativen Konsolidierung
wollen wir in den kommenden Jahren eine qualitative Konsolidierung einleiten:
Zukunftsinitiativen stärken und neue Prioritäten setzen, |
- soziale Leistungen zielgenau einsetzen,
- Subventionen abbauen und auf zukünftige Wachstumsfelder umschichten sowie
- Bürokratie abbauen und den öffentlichen Dienst modernisieren.
- Trotz kontinuierlicher Rückführung der Neuverschuldung haben wir in den letzten Jahren
die Investitionen in Zukunftsbereichen neu ausgerichtet und deutlich erhöht:
verkehrlicher Infrastrukturausbau mit Priorität in Ostdeutschland
- Forschung und Innovation
- Stadtumbau.
|
Mit der Fortführung des Zukunftsinvestitionsprogramms bis
einschließlich 2007 setzen wir wichtige Signale für die langfristige Umsetzung wichtiger
Projekte, besonders im Bereich Verkehr, Forschung und Innovation. Die klare
Finanzierungsperspektive schafft Planungssicherheit und löst zusätzliche Impulse für
mehr Investitionen aus.
Damit legen wir die Grundlage für Wachstumsimpulse in wichtigen Zukunftsfeldern für die
kommenden Jahre.
Wir erreichen einen höheren Wachstumspfad dauerhaft nur dann für ganz Deutschland, wenn
wir die Wachstumskräfte in Ostdeutschland stärken. Dazu haben wir klare programmatische
Ziele formuliert und konkrete Maßnahmen eingeleitet oder in Planung.
Steuerreform 2003 und 2005
Mit der Steuerreform haben wir die größte Steuersenkung in der Geschichte der
Bundesrepublik auf den Weg gebracht. Wir entlasten vor allem Arbeitnehmer, Familien und
die mittelständische Wirtschaft. Damit sind die Rahmenbedingungen mittelfristig bis 2005
festgelegt. Wir schaffen Planungssicherheit für Unternehmen und private Haushalte.
Die Kapitalgesellschaften in Deutschland haben endlich ein auch international
konkurrenzfähiges Steuersystem erhalten. Damit haben wir europaweit eine Spitzenposition
erreicht. Wir haben es geschafft, dass sich die ausländischen Direktinvestitionen seit
1998 verzehnfacht haben.
2003 und 2005 werden weitere Entlastungsstufen bei der Einkommensteuer in
Kraft treten: |
- Der Grundfreibetrag wird von 7.158 Euro (14.000 DM) auf 7.664 Euro (rd. 15.000 DM) im
Jahre 2005 angehoben. Der Eingangssteuersatz wird von 25,9 %.23 (1998) auf 15 % gesenkt.
Damit entlasten wir Familien mit zwei Kindern bis 2005 um 2.448 Euro (4.788 DM).
- Alle anderen Einkommensstufen werden in gleicher Weise entlastet. Bis hin zum
Spitzensteuersatz (von 53 % auf 42 %).
|
Mit diesen Steuersätzen haben wir in Deutschland ein Niveau erreicht,
das im europäischen und internationalen Vergleich attraktiv ist.
Wenn sich im Zuge einer erfolgreichen Konsolidierungspolitik künftig neue
Entlastungsspielräume ergeben, werden wir diese für eine Stärkung der Investitionen,
weitere steuerliche Entlastungen und den Abbau der Staatsschulden nutzen.
Das Prinzip der ökologischen Steuerreform ist und bleibt richtig. Die Lohnnebenkosten
(Rentenversicherung) werden verringert, Energieverbrauch und Umweltbelastung gedrosselt.
Die letzte Stufe der ökologischen Steuerreform wird zum 1.1.2003 in Kraft treten. Danach
wird es keine weitere Anhebung geben. Wir werden auf die Beibehaltung von
Ausnahmetatbeständen für energieintensive Unternehmen hinwirken.
Steuergerechtigkeit und -ehrlichkeit
Der Staat muss sicherstellen, dass jeder einen seiner Leistungsfähigkeit entsprechenden
Beitrag im Rahmen einer gerechten und sinnvollen Besteuerung des Einkommens aus Arbeit und
Vermögen leistet.
Die Ungleichheit in der Verteilung der Einkommens- und Lebenschancen bleibt aber nach wie
vor eine große Herausforderung.
Wir haben bereits 1999 viele Ausnahmeregelungen und Steuervergünstigungen, die vor allem
die Bezieher von Spitzeneinkommen ungerechtfertigt begünstigt haben, gestrichen und
eingeschränkt. Mit dem dadurch gewonnenen zusätzlichen Steueraufkommen werden die von
uns verwirklichten Steuersenkungen für alle mit finanziert. Es hat sich gezeigt: Mehr
Steuergerechtigkeit ist auch ökonomisch die bessere Alternative.
Mit dem Gesetz zur steuerlichen Förderung von Stiftungen haben wir Anreize für eine
Stiftungskultur in Deutschland gegeben. Damit haben wir ein Instrument geschaffen, mit dem
große Einkommen und Vermögen freiwillig einen sinnvollen Beitrag zur Sicherung der
Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft leisten können.
Die Besteuerung von Kapitalerträgen muss europaweit vereinheitlicht und unfairer
Steuerwettbewerb wirksam unterbunden werden. Dafür setzen wir uns ein. Das gebietet die
soziale Gerechtigkeit genauso wie das Prinzip des fairen Wettbewerbs.
Mit der Bekämpfung von Steuerhinterziehung, illegaler Beschäftigung, Steuerflucht und
internationalem Steuerdumping leisten wir auch künftig einen wesentlichen Beitrag zur
Herstellung von mehr Steuergerechtigkeit. Betrug am Finanzamt ist kriminell und kein
Kavaliersdelikt.
4. Arbeitsmarkt
Zentrales Ziel der Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik ist die Vollbeschäftigung.
Dieses Ziel ist schrittweise erreichbar. Wir tun alles, was dazu im eigenen Land und in
Europa getan werden kann.
Die zeitgemäße Ausgestaltung der Arbeitsmarktpolitik ist dabei ein wichtiges Instrument.
Arbeitsmarktpolitik trägt dazu bei, Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt besser
aufeinander abzustimmen. Und sie kann Brücken in den ersten Arbeitsmarkt bauen. Unser
Kompass hierbei: die soziale Balance zwischen wirtschaftlichen Notwendigkeiten und den
Sicherheitsbedürfnissen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Neben den Arbeitslosen müssen auch die sogenannten
"Stillen Reserven" unseres Arbeitsmarktes vermittelt werden, bevor offene
Stellen durch Zuwanderung besetzt werden: |
- Die Erwerbsquote bei Frauen steigt in Deutschland - auch durch die Erfolge unserer
Politik, sie ist aber noch zu niedrig. Die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf
kann zu einer höheren Frauenerwerbstätigkeit beitragen.
- Aus der Generation der 55-Jährigen und älteren stehen nur 39 % aktiv im Erwerbsleben.
Das tatsächliche Renteneintrittsalter muss mittelfristig über die heute durchschnittlich
gut 59 Jahre wieder in Richtung der gesetzlichen Altersgrenze verändert werden. Die
Erfahrungen und das Können dieser Generation sind unverzichtbar.
|
Die Weichen sind gestellt
Wir sorgen für die, die auf dem Arbeitsmarkt nur schwer Fuß fassen können. Wir
bekämpfen erfolgreich die Arbeitslosigkeit bei Schwerbehinderten - 50.000 neue Jobs bis
Herbst 2002 - und bei Langzeitarbeitslosen. Wir haben mit dem Jugendsofortprogramm
"JUMP" schon über 400.000 jungen Menschen eine berufliche Chance geschaffen.
Das seit dem 1.1.2002 gültige Job-AQTIV-Gesetz ist eine strukturelle Neuerung. Es setzt
auf Prävention und auf zielgerichtete Vermittlung. Vor dem Hintergrund von 1,2 Mio.
offenen Stellen ist eine breit angelegte nachhaltige Vermittlungsoffensive als
beschäftigungspolitischer Impulsgeber gefordert.
Das Gesetz muss nun konsequent angewendet werden: Vermittlung muss möglichst beginnen,
bevor Arbeitslosigkeit eingetreten ist. Das kann weiterführende Qualifizierung erfordern.
Und es muss zwischen Arbeitnehmer und Bundesanstalt für Arbeit früh eine Vereinbarung
zur Wiedereingliederung getroffen werden, die für beide Seiten verbindlich ist.
Auch niedrig entlohnte Beschäftigung muss für Arbeitnehmer attraktiv sein. Das
"Mainzer Modell" trägt wesentlich dazu bei, wenn es überall aktiv genutzt
wird. Nach einer Erprobungsphase werden bundesweit über Sozialversicherungszuschuss und
Kindergeldzuschlag Anreize zur Arbeitsaufnahme im Einkommensbereich von 325 bis 800 Euro
gegeben.
Die nächsten Schritte
Weitere Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt sind erforderlich:
Vor dem Hintergrund eines beklagten Fachkräftemangels in verschiedenen Arbeitssegmenten
ist eine breit angelegte nachhaltige Offensive "Arbeit und Qualifizierung" als
beschäftigungspolitischer Impuls gefordert. Qualifikation ist der beste Schutz vor
Arbeitslosigkeit. Erforderlich ist ein breiter Mix von Weiterbildungsangeboten aller
Qualifikationsstufen und Berufsbilder mit jeweils klarer Zukunfts- und Marktorientierung.
In diesem Sinn ist auch die Weiterbildungslandschaft in Deutschland neu zu strukturieren.
Die Qualifizierungsoffensive soll insbesondere Klein- und Mittelbetrieben und den dortigen
Beschäftigten zugute kommen. Eine erfolgreiche Umsetzung der Qualifizierungsoffensive
muss durch attraktive Leistungsanreize an die Beteiligten unterstützt werden.
Die Verzahnung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für Arbeitslose ermöglicht
konzentrierte Bemühungen im Interesse der Langzeitarbeitslosen für eine bessere,
schnellere Vermittlung in Beschäftigung. Wir bekennen uns zur besonderen Verantwortung
gegenüber den Schwächeren in unserer Gesellschaft. Deswegen wollen wir im Rahmen der
Reform der Arbeitslosen- und Sozialhilfe keine Absenkung der zukünftigen Leistungen auf
Sozialhilfeniveau. Die finanziellen Auswirkungen für die Kostenträger werden in der
Gemeindefinanzreform zu berücksichtigen sein.
Das klassische Regel-Arbeitsverhältnis wird auch künftig dominieren. Es wird jedoch
zunehmend ergänzt durch andere Beschäftigungsformen wie z. B. befristete
Arbeitsverhältnisse, Teilzeitarbeit, Werkverträge, Zeitarbeit, Telearbeit oder
Jobrotation. Wir wollen diese flexiblen Ergänzungen zum Regelarbeitsverhältnis gestalten
und dabei soziale Sicherheit gewährleisten.
Alle Arbeitsverhältnisse müssen klar normiert, sozial abgesichert und existenzsichernd
sein. Flexibilität darf nicht zulasten sozialer Sicherheit gehen.
Der offizielle Arbeitsmarkt für einfache, personenbezogene Dienstleitungen liegt brach.
Wir wollen die Beschäftigungspotentiale dieses Sektors stärker erschließen. Arbeit muss
sich mehr lohnen als der Bezug sozialer Leistungen.
Die Zahl der regelmäßigen Überstunden ist zu hoch. Das ist volkswirtschaftlich
unvernünftig und sozialpolitisch inakzeptabel. Vorrangig die Tarifparteien müssen sich
um klare Vereinbarungen zu ihrer sinnvollen Begrenzung bemühen.
Wir brauchen intelligente Arbeitszeitmodelle, die Beschäftigung sichern und neue
Arbeitsplätze schaffen. Neue Formen der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeiten bieten
große Chancen für den Einzelnen und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Einer modernen und flexiblen Arbeitszeitpolitik kommt eine entscheidende Rolle bei der
Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu. In der Nutzung flexibler Arbeitszeitgestaltung liegt
ein großes Beschäftigungspotential, das durch die Förderung qualifizierter Teilzeit-
und tarifvertraglich vereinbarter Arbeitszeitmodelle stärker erschlossen werden muss.
Wir wollen eine flexiblere Verteilung der
Lebensarbeitszeit in Form von Arbeitszeitkonten. Schwankungen im Erwerbsverlauf sind so
besser auszugleichen. Dazu ist |
- die Absicherung von Zeitguthaben im Konkursfall,
- die arbeitsrechtliche Regelung von Langfrist-Arbeitszeitkonten,
- die Möglichkeit des Ansparens von Arbeitszeit für Qualifizierung,
- die Ausgestaltung von Langfrist-Arbeitszeitkonten und
- der Abbau von Überstunden
|
notwendig. |
Reform der Bundesanstalt für Arbeit
Die Bundesanstalt für Arbeit und insbesondere die Arbeitsvermittlung werden grundlegend
reformiert und modernisiert. Die Bundesanstalt behält primär die Aufgabe,
Arbeitslosigkeit verhindern zu helfen und - wo sie eintritt - sie schnellstmöglich zu
beheben. Aufbau und Arbeitsweise der Bundesanstalt müssen ausgerichtet sein auf die
Veränderungen am Arbeitsmarkt und in der Arbeitsmarktpolitik.
Die Bundesregierung hat die Kommission "Moderne Dienstleistungen am
Arbeitsmarkt" (Hartz-Kommission) eingesetzt. Sie hat den Auftrag, bis Sommer 2002
konkrete Vorschläge zur Umgestaltung und zur künftigen Arbeitsweise der BA vorzulegen.
5. Rechte der Arbeitnehmer
Eine verlässliche soziale Sicherung und verbriefte Mitwirkungsrechte für Arbeitnehmer
haben in der Vergangenheit wesentlich zur wirtschaftlichen und sozialen Stabilität
Deutschlands beigetragen. Wir setzen auch für die Zukunft auf soziale Sicherheit,
Teilhabe und Mitbestimmung. Sie gehören zum erfolgreichen europäischen
Sozialstaatsmodell.
Wir haben deshalb zu Beginn unserer Regierungszeit den sozialen Frieden
wiederhergestellt: |
- Der Kündigungsschutz gilt auch wieder in kleineren Betrieben mit mehr als fünf
Beschäftigten.
- Die volle Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gilt wieder.
- Es gibt wieder Schlechtwettergeld.
- Das Entsendegesetz gilt unbefristet.
|
Wir haben den Missbrauch der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse
und der Scheinselbständigkeit zurückgeführt. Mit der Novellierung des
Betriebsverfassungsgesetzes wurde die betriebliche Mitbestimmung der Arbeitnehmer
gestärkt und modernisiert.
Teilhabe am Sagen und Haben bleibt wichtig. Das gilt auch für den Bereich des
Personalvertretungsrechts. Auch unter den Bedingungen zunehmender Globalisierung sind
informierte und mit Rechten ausgestattete Arbeitnehmer Garanten für wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit und Erfolg. Im Gegensatz dazu gefährden Sozialdumping und der Abbau
von Arbeitnehmerrechten nicht nur den sozialen Frieden, sondern auch die internationale
Wettbewerbsfähigkeit.
Die Tarifautonomie und der Flächentarifvertrag haben sich bewährt. Sie haben starke und
gut organisierte Sozialpartner zur Voraussetzung, deren Chancengleichheit insbesondere in
Tarifauseinandersetzungen gesichert sein muss. Sie ermöglichen bei Bedarf flexible
Lösungen, die auf regionale und branchenspezifische Bedürfnisse und auf
Beschäftigungssicherung ausgerichtet sind. Sie können gezielt und verstärkt auch
betriebliche Aspekte berücksichtigen.
Notwendige Reformen werden wir auch weiterhin im Bündnis für Arbeit, Ausbildung und
Wettbewerbsfähigkeit mit den Sozialpartnern abstimmen. Das Bündnis hat erfolgreich
gearbeitet und wichtige Reformen gestützt sowie Beschäftigung gesichert.
Wir werden das Bündnis fortsetzen und verbindliche Absprachen mit den Sozialpartnern
anstreben. Dazu sind effizientere Strukturen im Bündnis erforderlich. Eine zentrale
Aufgabe des Bündnisses wird es sein, Wege zum Abbau von bezahlter Mehrarbeit und zur
Verbesserung der Angebote von Teilzeitarbeit und familienfreundlichen Arbeitszeiten
aufzuzeigen.
Die europäischen Betriebsräte haben sich als ein ganz wesentliches Element bei der
sozialen Gestaltung der Europäischen Union erwiesen. Ihre Rechte sind allerdings oft zu
eng gefasst. Deshalb müssen die europäische Richtlinie und das deutsche Umsetzungsgesetz
weiterentwickelt werden. Dies gilt insbesondere für die Verbesserung der
Arbeitsbedingungen der europäischen Betriebsräte (z.B. durch einen gesetzlichen
Schulungsanspruch und ein Teilnahmerecht von Gewerkschaftsvertretern an Sitzungen), die
Weiterentwicklung der Informations-, Beratungs- und Mitwirkungsrechte, sowie ihre
wirksamere Durchsetzung.
6. Bildung und Qualifizierung
Bildung entscheidet über unsere Zukunft. Der rasche Wissenszuwachs, die weltweite
Verfügbarkeit von Wissen durch die neuen Kommunikationsmöglichkeiten, die
Internationalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft stellen uns alle vor neue
Herausforderungen.
Sozialer Zusammenhalt in der Gesellschaft ist nur möglich, wenn alle Menschen über
Bildung einen Zugang zu Arbeit und zum gesellschaftlichen Leben haben. Eine gute
Bildungspolitik ermöglicht Chancen für alle, unabhängig von ihrer Herkunft. Sie ist.
Voraussetzung, um im weltweiten Wettbewerb um Wachstums- und Beschäftigungschancen
erfolgreich zu sein. Deshalb müssen wir alle Bildungspotentiale ausschöpfen. Bildung ist
die soziale Frage des 21. Jahrhunderts.
Deutschlands Bildungsinstitutionen waren lange vorbildlich und sind immer noch
leistungsfähig. Aber das heutige Niveau ist insgesamt nicht befriedigend. Daran muss
gearbeitet werden.
Unsere Bildungspolitik orientiert sich an klaren Prinzipien: |
- Der Zugang zu den Bildungswegen bemisst sich allein an Fähigkeiten und der Leistung,
nicht aber an der sozialen Herkunft.
- Begabtenförderung und Benachteiligtenförderung bedingen sich gegenseitig. Unser
Bildungssystem muss fördern und fordern.
- Bildung ist mehr als reine Wissensvermittlung, sie umfasst die Vermittlung von Werten
und Regeln und hat einen Erziehungsauftrag.
- Die Bildungsinstitutionen müssen durchlässig sein, so dass ein Wechsel zwischen den
Schulformen und Bildungswegen möglich ist.
- Das Bildungssystem hat eine entscheidende Funktion für die soziale Integration unserer
Gesellschaft zu leisten.
- Die Bildungseinrichtungen sollen so weiterentwickelt werden, dass sie höchste Qualität
sicherstellen.
|
Die Bundesregierung hat seit 1998 kontinuierlich die Investitionen in
Bildung erhöht. Diese Priorität bleibt. Notwendig sind in Zukunft aber auch privates
Kapital und gemeinsame öffentlichprivate Initiativen. Neue Möglichkeiten der
Bildungsfinanzierung etwa durch Sponsoring oder durch Stiftungen werden wir nutzen. Dabei
darf es zu keiner neuen Ungleichheit von Schulen kommen, wegen der Lage oder des
Einzugsgebiets. Um das zu sichern, wird es neue Möglichkeiten der Bildungsfinanzierung
nur mit einem solidarischen Ausgleichssystem geben.
Geld allein wird nicht genügen, um das Bildungssystem der Zukunft zu gestalten. Schulen
und die Lehrer müssen wieder mehr Wertschätzung erfahren. Die Schülerinnen und Schüler
brauchen Vorbilder, an denen sie klare Wertorientierungen und das Einhalten von Regeln
lernen können. Schulen sind Orte der Erziehung. Sie ergänzen die Erziehung in den
Familien, aber sie ersetzen sie nicht. Nur eine Schule die fordert, kann auch fördern.
Dass viele Jugendliche ohne Schulabschluss bleiben, können wir nicht länger hinnehmen.
Wir werden auch daraufhin wirken, dass sich die Zahl der mittleren und höheren
Schulabschlüsse erhöht.
Es ist für die Zukunft des deutschen Bildungssystems unverzichtbar, dass alle politisch
Verantwortlichen zusammenarbeiten. Eine neue Form der Zusammenarbeit hat das Forum Bildung
gezeigt. Dessen Empfehlungen müssen nun zügig umgesetzt werden.
PISA hat gezeigt: Auch in Deutschland brauchen wir eine regelmäßige Bestandsaufnahme
unseres Bildungssystems. Eine kontinuierliche Bildungsberichterstattung unter Beteiligung
der Länder, wäre ein Meilenstein auf dem Weg zu mehr Qualität in der Bildung.
Von Anfang an
Wir wollen, dass die Kinder schon in den Kindergärten spielerisch das Lernen lernen
können. Frühe Bildungsschritte setzen den Grundstein für die weiteren Bildungswege. Die
Erzieherinnen und Erzieher in den Kindergärten müssen ausgebildet sein, diesen frühen
Bildungsprozess zu begleiten.
Schon im Kindergarten werden die entscheidenden Weichen für die Chancengleichheit auf dem
späteren Bildungsweg gestellt und die Fähigkeit zum "lebenslangen Lernen"
angelegt. Benachteiligte Kinder, die oftmals aus Migrantenfamilien stammen, brauchen
gezielte Hilfen insbesondere beim Erlernen der deutschen Sprache.
Die Grundschulen leisten einen entscheidenden Beitrag für die Lernbereitschaft und
Lernfähigkeit der Kinder. Sie sollen auch erste Schritte im Erlernen des Umgangs mit
neuen Medien erproben. Auch der erste Zugang zu einer Fremdsprache und zu
naturwissenschaftlichem Wissen muss in der Grundschule möglich sein. Es ist
sicherzustellen, dass die Kinder sowohl beim Umzug in eine andere Region, als auch auf den
weiterführenden Schulen die Fremdsprache weiterführen können.
Die Durchlässigkeit des Ausbildungssystems muss erhöht werden. Dies schafft mehr
Motivation, bessere Leistungen und Gerechtigkeit im Schulsystem. Die PISA-Studie zeigt,
dass höhere soziale Integration an Schulen zu besseren Leistungen führt. Es ist die
Aufgabe der Schule, Begabungen möglichst umfassend zu fördern und die
Leistungsbereitschaft sowie die sozialen Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen zu
stärken.
Deutsch muss als Arbeitssprache im ersten Schuljahr für alle Migrantenkinder möglich
sein.
Mehr Ganztagsschulen
Wir brauchen in der Bildungspolitik bei Wahrung der föderalen Zuständigkeiten eine
nationale Antwort und eine gemeinsame Kraftanstrengung! Für uns sind Zuständigkeiten
kein Vorwand für Untätigkeit!
Wir werden deshalb ein bundesweites Programm "Zukunft Bildung und Betreuung" mit
einem Finanzvolumen von 4 Milliarden Euro auflegen, 1 Milliarde Euro pro Jahr. Damit
unterstützen wir die Anstrengungen der Länder und Kommunen, um die Betreuungs- und
Bildungsangebote auszubauen und zu verbessern.
Durch das Programm kann es bis zum Jahr 2007 in Deutschland 10.000 zusätzliche
Ganztagsschulen geben.
Ganztagsschulen sind ein Schlüssel für eine bessere Bildung unserer Kinder und
Jugendlichen. Lernen braucht Zeit und Kinder brauchen mehr individuelle Förderung.
Ganztagsschulen unterstützen auch die Eltern bei ihrem Wunsch, Beruf und Familie besser
vereinbaren zu können.
Autonomie der Schulen
Schulen brauchen eine größere Autonomie, auch in der Personalrekrutierung. Sie sollen
mehr Eigenverantwortung übernehmen in der Gestaltung ihres spezifischen Profils. Dies
setzt die Bereitschaft zur Rechenschaftslegung voraus. Die Gestaltung des Schullebens
sollte in enger Abstimmung mit allen Beteiligten, insbesondere unter Einbeziehung der
Schülerinnen und Schüler erfolgen. Eltern, Vereine und Unternehmen wollen wir ermutigen,
sich stärker in den Bildungseinrichtungen zu engagieren.
Die Lehreraus- und -weiterbildung soll reformiert werden, damit sie den gestiegenen
Anforderungen Rechnung trägt. Lehrerinnen und Lehrer sollen verpflichtet sein, einen Teil
ihrer unterrichtsfreien Zeit zur Fortbildung - auch in Unternehmen - zu nutzen.
Ausbildungschancen
Die primäre Verantwortung für ausreichende und qualifizierte Ausbildungsplätze liegt
bei den ausbildungsfähigen Betrieben. Nicht alle werden dieser Aufgabe gerecht. Aber die
Ausbildungssituation hat sich verbessert.
In Deutschland gibt es wieder mehr Ausbildungsstellen als Bewerber. Alle Jugendlichen
können eine Lehrstelle bekommen. Dennoch gibt es immer noch große regionale
Unterschiede. Insbesondere in den neuen Bundesländern ist das Verhältnis zwischen
Ausbildungsstellen und Ausbildungsstellensuchenden im dualen System weiterhin
unbefriedigend.
Deshalb sorgen wir dafür, dass regionale Beratungs- und Unterstützungsangebote für die
Betriebe und Jugendlichen geschaffen werden. Betriebliche Ausbildungsverbünde sollen
diese Bemühungen verstärken. In Netzwerken wollen wir Ausbildungsplätze in den
besonders innovativen Bereichen fördern.
Um die beruflichen Anforderungen frühzeitig erkennen zu können, bauen wir effiziente
Prognoseinstrumente zur Früherkennung der Qualifikationserfordernisse von morgen auf. Die
Verbesserung der Berufsorientierung von Jugendlichen durch die Zusammenarbeit von Schulen
und Betrieben soll gefördert werden. Die Berufsberatung muss zu einem festen Bestandteil
des Unterrichtes an allen Schulen werden.
Wir wollen künftig mehr Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Bildungswegen.
Hochschulen sollen bei Wahrung der qualitativen Standards für die Absolventinnen und
Absolventen der dualen Ausbildung offen stehen. Dazu wird die berufliche
Aufstiegsfortbildung weiter entwickelt und verstärkt.
Den eingeschlagenen Weg, die Berufsschulen besser auszustatten, neue Berufsbilder
schneller zu entwickeln und die Ausbildungskonzepte flexibler zu gestalten, setzen wir
fort.
Auch lernschwache Jugendliche müssen eine Chance im Berufsleben haben. Teilzertifikate
auf dem Weg zu einer vollen Berufsausbildung können dabei helfen.
Maßnahmen zur gezielten Förderung ausländischer Jugendlicher sollen verstärkt werden,
damit eine bessere Integration in die Gesellschaft gelingen kann.
Mehr akademische Abschlüsse
Deutschland braucht mehr und noch besser ausgebildete Fachkräfte mit akademischen
Abschlüssen. Wir wollen die Zahl der Studienanfänger von heute 28 % auf das OECD-Niveau
von etwa 40 % steigern.
Deshalb muss der Zugang zu unseren Hochschulen offen und in ganz Deutschland muss
Studiengebührenfreiheit bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und für das
Studium in einem konsekutiven Studiengang, der zu einem weiteren berufsqualifizierenden
Abschluss führt, bestehen bleiben. Mit der BAföG-Reform haben wir wieder mehr
Studierenden aus finanzschwachen Familien den Hochschulzugang ermöglicht. Heute helfen
wir rund 80.000 jungen Menschen zusätzlich, ihr Hochschulstudium ohne finanzielle Sorgen
zu absolvieren.
Durch ein flächendeckendes Angebot von Bachelor- und Master-Abschlüssen werden die
Studienzeiten gesenkt. Die konsequente Einführung von Juniorprofessuren wird
Nachwuchswissenschaftler frühzeitig an eigenständige Forschungsprojekte heranführen und
andererseits das Durchschnittsalter der Erstberufung absenken.
Die Nutzung der neuen Medien wird für die Hochschulen immer wichtiger werden.
Internetgestützte virtuelle Hochschulen werden wir exemplarisch ausbauen.
Wichtige Säule Weiterbildung
Lebensbegleitendes Lernen muss zu einem Grundprinzip der Bildungspolitik werden.
Berufsbezogene Weiterbildung wird heute vor allem von denen genutzt, die schon vorher
über eine überdurchschnittliche Ausbildung verfügten. Die Strukturen der Weiterbildung
müssen offener und transparenter und die Teilnahme an Weiterbildung zur
Selbstverständlichkeit werden.
Berufliche Meisterschaft
Wir haben das Meister-BAföG deutlich verbessert und damit eine wichtige Grundlage für
bessere Weiterbildungsmöglichkeiten im Bereich der beruflichen Bildung gelegt. Die
dadurch erlangten Qualifikationen können für eine Existenzgründung in einem eigenen
Betrieb oder auch für die Fortsetzung des Bildungsweges an Fachhochschulen oder
Hochschulen genutzt werden.
Stiftung Bildungstest
Zur Sicherung der Qualität von Weiterbildungsangeboten wird eine Stiftung Bildungstest
auf Bundesebene aufgebaut, die die Weiterbildungsangebote prüft. So ist es möglich,
einen produktiven Wettbewerb unter den Weiterbildungsanbietern zu erreichen und
Transparenz für die Kunden von Weiterbildung zu schaffen.
Wir werden den Aufbau regionaler Bildungslandschaften fördern, die zu einer
Zusammenarbeit von Schulen, Hochschulen, Betrieben und anderen Trägern der Bildungsarbeit
führt. Dadurch können die Bildungswege besser aufeinander abgestimmt und Zugänge
erleichtert werden.
Volkshochschulen und andere Institutionen der Erwachsenenbildung werden eine wichtige
Rolle in der Weiterbildung behalten.
7. Forschung, Innovation, Nachhaltigkeit
Deutschland ist in den letzten Jahren wieder zu einem der attraktivsten
Innovationsstandorte der Welt geworden und knüpft an seine einstige Spitzenposition an.
Heute haben wir die höchste Dichte an innovativen Unternehmen in Europa. In Deutschland
werden doppelt so viele Patente wie im europäischen Durchschnitt angemeldet. Damit liegen
wir weltweit auf Platz Zwei. Bei Gütern hochwertiger Technik weist Deutschland mit fast
20 % den höchsten Welthandelsanteil auf.
Der Wohlstand in Deutschland beruht auf dem Ideenreichtum unserer Forscher und Ingenieure.
Forschung und Entwicklung in Deutschland haben Weltruf. Das soll auch in Zukunft so
bleiben und noch besser werden. Deswegen haben wir - nach Jahren sinkender
Zukunftsinvestitionen - die Ausgaben für Bildung und Forschung seit 1998 um mehr als 21 %
erhöht. Seit die Bundesregierung wieder gezielt in Forschung und Entwicklung investiert,
steigen auch die privaten Ausgaben in diesem Bereich.
Wir nehmen die Herausforderung an, die an eine Wissensgesellschaft im internationalen
Wettbewerb gestellt werden. Noch nie hat eine Bundesregierung so viel Kapital in die
Köpfe investiert. Dies wollen wir fortsetzen und eine neue Gründerzeit einläuten. Wir
werden die Forschungsausgaben im Bundeshaushalt darum auch in den nächsten vier Jahren
auf hohem Niveau verstetigen und steigern.
Wir wollen den besten Forschern aus aller Welt optimale Bedingungen bieten. Unsere
Forschungspolitik schafft leistungs- und wettbewerbsfähige Strukturen, fördert die
Schlüsseltechnologien von morgen, unterstützt Ausgründungen und vereinfacht den
Technologietransfer.
Forschungsergebnisse müssen den Menschen und der Gesellschaft unmittelbar zugute kommen
und einen Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung leisten. Der Kampf gegen Krankheiten,
die Erhaltung einer lebenswerten Umwelt und der Umgang mit Mobilität haben hierbei
höchste Priorität. Forschung im Dienste der Menschen muss die moralischen und ethischen
Grenzen achten. Darüber ist ein ständiger Dialog in der Gesellschaft unverzichtbar.
Werkstätten der Zukunft
Unsere Hochschulen müssen Werkstätten der Zukunft sein und die Innovationskultur unseres
Landes stärken. Sie stehen im internationalen Wettbewerb. Sie konkurrieren um die besten
Köpfe unter den Forschenden und den Studierenden. Und sie konkurrieren auch um die
Forschungsaufträge der Wirtschaft.
Die Hochschulen brauchen eigene Profile, um in einem dynamischen Umfeld eine
Wettbewerbsposition behaupten zu können. Dazu stärken wir die Autonomie der Hochschulen.
Junge Menschen erwarten von einem Studium zu Recht, dass es in planbarer Zeit absolviert
werden kann, dass die Studienstrukturen klar sind, dass sie eine gute Betreuung erhalten
und dass der Abschluss auf dem Arbeitsmarkt breit verwertbar ist. Dazu brauchen wir eine
Studienstrukturreform.
In Exzellenzzentren der Hochschulen muss sich die Spitzenforschung konzentrieren. Wir
fördern Ausgründungen von jungen, innovativen Unternehmen. Ökonomisches Grundwissen und
die Fähigkeit, einen Geschäftsplan zu erstellen, soll zum gewohnten und vertrauten
Handwerkszeug von Hochschulabsolventen werden. Es werden Lehrstühle für
Existenzgründungen an allen Hochschulen gegründet.
Wissenschaft und Wirtschaft müssen durch Kompetenzzentren und Netzwerke enger miteinander
verzahnt werden, um die Umsetzung von Forschungsergebnissen in neue Produkte und
Dienstleistungen zu beschleunigen. Kleine und mittlere Unternehmen sind das Rückgrat für
eine positive Beschäftigungsentwicklung. Deshalb werden wir den Zugang von kleinen und
mittleren Unternehmen zur öffentlich geförderten Forschung gewährleisten. Ein neuer
"Wissenschaftstarifvertrag" für Forschungseinrichtungen soll die
Mobilitätshemmnisse beim Wechsel zwischen Wissenschaft und Wirtschaft abbauen.
Wir wollen die Förderung der entscheidenden Schlüsseltechnologien in den Mittelpunkt
einer Innovationsoffensive stellen. Dazu ist es notwendig, Forschungsziele zu benennen und
Leitbilder zu entwickeln. Grundlagenforschung und anwendungsorientierte Forschung werden
so auf die Forschungsfelder der Zukunft ausgerichtet.
Schlüsseltechnologien für die Märkte von morgen stärken
Zur Gestaltung und Beschleunigung des Wandels zur Informationsgesellschaft werden in dem
Förderprogramm "IT-Forschung 2006" insbesondere vier Säulen gestärkt: die
Nanoelektronik, die Kommunikationstechnologien, die Softwaresysteme und das Internet.
Die Biotechnologie hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt. Die Zahl der vor
allem kleineren und mittleren Biotechnologieunternehmen hat sich seit 1998 um 25 %
erhöht. Deutschland steht in der Biotechnologie in Europa an der Spitze. Wir wollen die
Arbeitsplätze in diesem Bereich in den nächsten fünf Jahren mehr als verdoppeln. Mit
der Initiative B 21 soll ein bundesweites Netz von privaten Unternehmen und öffentlich
geförderten Forschungsinstitutionen entstehen.
Die Gesundheits- und Genomforschung liefert neue Erkenntnisse über die Ursachen von
Erkrankungen und deren Entstehung. Damit lassen sich die Lebensqualität der Menschen,
ihre Lebenserwartung und die Heilung von Krankheiten verbessern. Zugleich können mit
Hilfe der Gesundheitsforschung die Effizienz im Gesundheitswesen gesteigert und Kosten
reduziert werden. Wir werden deshalb die Gesundheits- und Genomforschung stärken, damit
neue Präventions- und Therapieverfahren entwickelt werden können. Wir werden die
Grundlagenforschung und klinische Forschung enger miteinander verzahnen, damit
Forschungsergebnisse schneller den Patienten zugute kommen.
Die Potentiale der Gentechnik im Bereich der Landwirtschaft müssen weiter erforscht
werden. In Abstimmung mit den Unternehmen bringen wir ein sorgfältig ausgearbeitetes
Forschungs- und Begleitprogramm zum Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen auf den
Weg.
Chancen und Grenzen gentechnologischer Forschung müssen daher immer wieder neu bestimmt
werden. Forschung im Dienste der Menschen beachtet die moralische und ethische Grenze. Die
Debatte über wissenschaftliche und ethische Fragen begrüßen wir und wollen sie auch
künftig fördern.
Nachhaltige Energiepolitik
Unsere Energiepolitik orientiert sich am Leitziel der Nachhaltigkeit. Dies schließt
Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Preiswürdigkeit sowie
Umweltverträglichkeit ein. Diese Ziele erfordern auch in Zukunft einen Energiemix, der
einseitige Abhängigkeiten von einzelnen Lieferländern oder Energieträgern vermeidet. Er
schließt die heimische Braun- und Steinkohle ebenso ein wie Mineralöl, Erdgas und
erneuerbare Energien.
Die heimische Kohle bleibt bei umweltverträglicher Nutzung ein wichtiger Bestandteil
einer modernen Energieversorgung. Wir werden den Strukturwandel im Bergbau weiter
begleiten, um den Regionen und Beschäftigten klare Zukunftsperspektiven zu bieten.
Wir wollen eine Strategie "Weg vom Öl" und unsere Abhängigkeit von
Mineralölimporten weiter reduzieren und Deutschland zum weltweit führenden Land für
moderne Energietechniken machen. Wir setzen dabei auf die drei Säulen
Kraft-Wärme-Kopplung, Energieeffizienz und erneuerbare Energien für eine sichere
Energiepolitik ohne Atomkraft.
Der Anteil bei erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung soll bis 2010 mindestens
verdoppelt werden. Dazu werden wir in einem nationalen Energieplan die erforderlichen
Maßnahmen zusammenführen und fortentwickeln. Ziel ist, die Verwendung umweltfreundlicher
Energieträger gegenüber umweltbelastenden Energieträgern kostengünstiger zu gestalten.
Sicherheit geht vor: Bei der Umsetzung des Atomausstiegs werden wir besonderes Augenmerk
auf die Sicherheit des Reaktorbetriebs während der Restlaufzeit legen.
Die Voraussetzungen für die Genehmigung von Off-Shore-Windparks werden verbessert. Wir
wollen innovative Techniken der Energieerzeugung bis zur Marktreife unterstützen. Dazu
gehören z. B. der Bereich der Kraftwerkstechnik, die Entwicklung alternativer Kraftstoffe
- wie z.B. moderne Biokraftstoffe - neuer Antriebe und die Brennstoffzelle. Damit leiten
wir den Weg zum Null-Emissions-Motor ein und verringern die Importabhängigkeit von
fossilen Treibstoffen.
Die Exportförderung für neue Energietechnologien wird durch eine Initiative zur
Schaffung einer Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien unterstützt, um damit
die globale Ausweitung der Energiealternativen voranzutreiben und in der
Entwicklungszusammenarbeit Erneuerbare Energien zum Schwerpunkt zu machen.
Auch im Baubereich müssen die Potenziale für eine effizientere Energienutzung in allen
Bereichen konsequent genutzt werden. Dazu gehört auch die Entwicklung neuer energetischer
Bautechnologien und damit der Architektur der Zukunft, die auf energieautonome Häuser
zielt.
Mobilität - integrierte Verkehrspolitik
Mobil sein bedeutet für Menschen ein hohes Maß an Freiheit und Lebensqualität.
Mobilität ist Voraussetzung für Wachstum und Entwicklung und trägt selbst erheblich zum
wirtschaftlichen Wachstum bei. Dazu ist eine integrierte Verkehrspolitik notwendig, die
die einzelnen Verkehrsträger besser vernetzt.
Ein 90-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm ist für den
Erhalt, die Modernisierung, den Ausbau und die bessere Vernetzung der Verkehrswege die
nötige finanzielle Basis für dieses Jahrzehnt. Mit dem Investitionsprogramm werden wir |
- die Investitionen dauerhaft verstetigen und gezielt Engpässe und Staupunkte auf den
Autobahnen, auf der Schiene und auf den Wasserwegen beseitigen,
- die Lebensqualität in den Ortschaften deutlich verbessern,
- den maritimen Standort Deutschland stärken,
- die Verkehrsinfrastruktur mit einem Schwerpunkt "Ost" im
Bundesverkehrswegeplan ausbauen,
- die modernste Spitzentechnologie im Verkehrsbereich anschieben,
- die Vernetzung der Verkehrsträger optimieren,
- modernste Bahntechnik wie z. B. Magnetschwebetechnik fördern.
|
Die Bahnreform muss konsequent fortgesetzt werden. Unser Ziel ist es, das
wachsende Aufkommen von Güterverkehr, das Deutschland aufgrund seiner Mittellage in
Europa künftig zu bewältigen hat, vermehrt von der Straße auf die Schiene zu lenken.
Dazu werden wir auch die Mittel für den kombinierten Verkehr verdoppeln. Für den
Schienenverkehr wollen wir faire Wettbewerbsbedingungen auch zu anderen Verkehrsträgern
gewährleisten.
Über 26 Mio. Menschen nutzen täglich den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Wir
fördern den ÖPNV deshalb mit hohen Beträgen. Gerade in Großstädten und
Ballungsgebieten ist Mobilität ohne ÖPNV undenkbar. Um noch mehr Menschen zum Umstieg
auf Bus und Bahn zu bewegen, ist eine weitere Qualitätssteigerung des ÖPNV-Angebots
notwendig.
Wir wollen sicherstellen, dass der ÖPNV auch künftig bezahlbar bleibt. Deswegen werden
wir für eine dauerhaft verlässliche Förderung durch den Bund sorgen.
Wesentlicher Bestandteil einer nachhaltigen Mobilität ist der Einsatz moderner
Antriebstechnik und die Entwicklung neuer Kraftstoffe. Mit der Wirtschaft sind wir
überzeugt, dass Wasserstoff der Kraftstoff mit dem größten Zukunftspotential ist. Wir
wollen daher den Aufbau von Wasserstoff-Tankstellen finanziell fördern und die Produktion
entsprechender Fahrzeuge unterstützen.
Gesunde Umwelt
Wir bekennen uns zum Ziel einer nachhaltigen Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft.
Nachhaltig ist eine Entwicklung, wenn sie die Interessen künftiger Generationen
berücksichtigt.
Die Umsetzung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie ist Grundlage unserer Politik. Alle
Fachpolitiken stehen dabei in der Pflicht, ihren Beitrag zu leisten. Unsere Vision ist
eine Steigerung der Effizienz beim Einsatz von Energie und Rohstoffen um den "Faktor
4" mittelfristig zu realisieren, d.h. wir wollen Güter und Dienstleistungen mit nur
noch einem Viertel des heute benötigten Rohstoff- und Energieeinsatzes produzieren. Die
parallele Verbesserung von Wettbewerbsfähigkeit und Umwelt ist ökonomisch wie
ökologisch sinnvoll. Ökologie und Nachhaltigkeit sind Langfrist-Ökonomie.
Um diesen Prozess parlamentarisch zu begleiten, wollen wir die Arbeitsstruktur des
Bundestages weiterentwickeln und einen "Zukunftsausschuss 2010" einrichten.
Der Schutz des Klimas ist eine der großen Aufgaben unserer Zeit. Unser Land ist dabei
weltweit Vorreiter bei der Verringerung der schädlichen Kohlendioxid-Emissionen.
Effektiver Klimaschutz braucht langfristige, berechenbare und verbindliche Ziele. Wir
werden das Nationale Klimaschutzprogramm umsetzen, um die CO2-Emissionen bis 2005 um 25 %
zu senken.
Ein wichtiger Meilenstein für eine weltweite wirtschaftliche, soziale und ökologische
Entwicklung ist der Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg im Herbst
2002. Wir wollen, dass Deutschland bei der Umsetzung der Leitlinien für eine global
nachhaltige Entwicklung eine führende Rolle übernimmt. Die Globalisierung der Wirtschaft
muss im Einklang stehen mit den Grundsätzen der nachhaltigen Entwicklung. Deshalb werden
wir für entsprechende Initiativen in der laufenden Welthandelsrunde und für weitere
Anstrengungen zur Stärkung der Umweltorganisationen der Vereinten Nationen eintreten. Die
Erhaltung der biologischen Vielfalt ist national und international ein wichtiges Anliegen.
Deshalb wollen wir den Naturschutz weiter stärken.
Vermeiden - verwerten - beseitigen: Das ist die Hierarchie einer modernen Stoffwirtschaft.
Durch klare ökologische Standards, eindeutig abgestimmte Zuständigkeiten, und
transparente Kontrollmöglichkeiten verbessern wir sowohl die Planungs- wie die
Investitionssicherheit für private wie für öffentliche Unternehmen. Eine
leistungsfähige Stoffwirtschaft braucht neben dem Ordnungsrecht auch ökonomische
Instrumente. Deshalb werden wir die Verpackungsverordnung reformieren. Wettbewerbsförmige
Lösungen zur Umsetzung der Produzentenverantwortung durch die Wirtschaft sind zuzulassen
und zu fördern.
Wasser ist das wichtigste Lebensmittel und keine Handelsware wie jede andere. Wir lehnen
die Liberalisierung der Wasserversorgung ab. Daher werden wir die Rahmenbedingungen für
eine nachhaltige Wasserwirtschaft und den Schutz des Grundwassers verbessern. Mit
Ländern, Kommunen, Unternehmen und Verbänden entwickeln wir eine Strategie zur
Modernisierung der Wasserwirtschaft im internationalen Wettbewerb entwickeln.
Moderne Landwirtschaft
Mit der Einrichtung des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft haben wir einen politischen Neuanfang in der Verbraucher- und
Landwirtschaftspolitik gemacht. Die Zuständigkeiten für den Verbraucherschutz wurden
gebündelt, die Kontrolle verbessert und Verbraucherschutz als eigenständige politische
Aufgabe etabliert.
Wir wollen eine Neuausrichtung auf eine verbraucherorientierte, tierschutzgerechte,
umweltgerechte und wettbewerbsfähige Landwirtschaft. Wir wollen diese große
Gemeinschaftsanstrengung in den nächsten 10 Jahren bewältigen.
Die europäische Landwirtschaftspolitik muss nach 3 Jahrzehnten schwerpunktmäßiger
Produktionsorientierung an die veränderten Bedingungen und die veränderten
Verbraucherbedürfnisse angepasst werden.
Die Herausforderung der EU-Osterweiterung und die bevorstehenden WTO-Verhandlungen machen
ebenfalls eine Neuordnung der EU-Agrarpolitik erforderlich. Hier wird es entscheidend
sein, klare Regelungen für ein hohes Niveau im gesundheitlichen Verbraucherschutz sowie
im Umwelt- und Tierschutz gemeinschaftsweit festzuschreiben. Dies sichert die
Wettbewerbsfähigkeit unserer Land- und Ernährungswirtschaft und gewährleistet den
Verbraucherschutz auf hohem einheitlichem Niveau. Der Einsatz von Steuermitteln zur
Entwicklung einer nachhaltig wirtschaftenden Landwirtschaft muss nach unseren
Vorstellungen daher neu geordnet werden.
Wir werden in Deutschland ab 2003 von der Möglichkeit Gebrauch machen, in begrenztem
Umfang produktbezogene Ausgleichszahlungen zurückzuführen und diese Mittel für
Programme der ländlichen Entwicklung bereitzustellen.
Die Landwirte sind nicht nur Produzenten von Nahrungsmitteln und Rohstoffen. Sie haben
auch eine zentrale Aufgabe bei der Gestaltung des ländlichen Raumes. Diese Leistungen
für die Allgemeinheit wie der Erhalt von Natur, der Kulturlandschaften für den
Gewässer-, Boden- und Klimaschutz müssen angemessen bezahlt werden. Besondere
Anstrengungen werden wir auch dort unternehmen, wo landwirtschaftliche Betriebe die von
ihnen erzeugten Produkte regional verarbeiten und vermarkten. Sie müssen zusätzliche
Einkommensquellen erschließen können. Hier spielt auch der Agrartourismus eine
wesentliche Rolle.
Bezüglich der speziellen Probleme in den neuen Bundesländern werden wir die
Altschuldenproblematik angehen. Sie gehört zu den letzten gravierenden Problemen der
deutschen Wiedervereinigung im Agrarbereich. Wir wollen daher Möglichkeiten. eröffnen,
die zu einer beschleunigten Ablösung der Altschulden führen. Dabei ist eine Orientierung
an der jeweiligen Leistungsfähigkeit wichtig.
In der Bodenpolitik haben wir die letzten Hemmnisse beim Flächenerwerb aus dem Weg
geräumt und die Pachtzeiträume für BVVG (Bodenverwertungs- und
-verwaltungsgesellschaft)-Flächen deutlich erhöht. Land- und Forstwirtschaft leisten
einen wichtigen Beitrag für die Wirtschaftskraft ländlich geprägter Räume in unserem
Lande.
8. Der Osten - ein starkes Stück Deutschland
Demokratie und Freiheit
Die Menschen in der DDR haben sich 1989 mit der friedlichen Revolution Demokratie und
Freiheit selbst erkämpft. Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten waren Teil der
ostdeutschen Bürgerrechts- und Demokratiebewegung. Mit allen, die damals beteiligt waren,
sind wir stolz auf dieses Kapitel deutscher Geschichte.
Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen sind
ein starkes Stück Deutschland. Das hat sich auch in den Jahren seit 1989 erwiesen. Es
waren vor allem die Menschen in den Ländern und Regionen selbst, die nach der Revolution
auch den Aufbau in ihre Hände nahmen, die die Chancen zur Erneuerung ergriffen.
Die Politik der Kohl-Regierung hat in der frühen Phase des Aufbaus durch falsche
Regelungen in der Eigentumsfrage, durch allzu kurzatmige Förderung des Baubereiches und
damit verbunden auch durch Begünstigung der Spekulation Weichen falsch gestellt.
Es ist das Verdienst der Regierung Schröder, die Prioritäten neu geordnet, die
Investitionen erhöht, Wachstumskerne entwickelt, die Regionen in ihrer eigenen Kraft
gestärkt und die Realitäten ehrlich benannt zu haben. Der Solidarpakt II ist ein klares
Signal für die Solidarität und Identifikation des ganzen Landes und gibt Sicherheit bis
2019.
Die Stärke Ostdeutschlands ist auch Voraussetzung für den Wohlstand in ganz Deutschland,
für eine starke Wirtschaft, starke Regionen und gute Lebensperspektiven für den
Einzelnen.
Perspektiven für den Osten
Zur Stärkung der regionalen Entwicklung werden wir uns an folgenden
Leitlinien orientieren: |
- eine moderne, leistungsfähige Infrastruktur und ein attraktives Lebensumfeld schaffen;
- klare innovative, wirtschaftliche und wissenschaftliche Profile entwickeln;
- für umfassend qualifizierte, motivierte und flexible Facharbeiter und Absolventen von
Fach- und Hochschulen in den Regionen sorgen und
- ein an die Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung angepasstes System der
Qualifizierung und Weiterbildung fördern.
|
Mit der Entscheidung für den Solidarpakt II ist eine wichtige Grundlage
bis 2019 geschaffen worden. Dies eröffnet neue Chancen und steht für Ehrlichkeit, die
sich zur Dauer des Prozesses offen bekennt. Die Entscheidung für den Solidarpakt II ist
der wichtigste Durchbruch für die Zukunft der ostdeutschen Länder und Regionen.
Im Solidarpakt II stellt der Bund für weitere 15 Jahre 156 Mrd. Euro bereit. Davon
erhalten die Länder 105 Mrd. Euro für eine moderne Infrastruktur und zur Stärkung der
kommunalen Finanzkraft. Weitere 51 Mrd. Euro stellt der Bund an zusätzlichen Leistungen
für den gezielten Aufbau Ost zur Verfügung.
Wirtschaftsentwicklung gezielt fördern
Ostdeutschland hat sich zu einem Unternehmensstandort mit Zukunftsperspektiven entwickelt.
Der Aufbau der ostdeutschen Wirtschaft wird sich fortsetzen. Die wirtschaftliche
Entwicklung ist gegenwärtig durch ein stabiles Wachstum des Verarbeitenden Gewerbes aber
auch durch schmerzhafte Anpassungen vor allem in der Bauwirtschaft geprägt.
Es ist unser vorrangiges Ziel, den Strukturwandel zugunsten einer modernen und
wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstruktur als Grundlage für eine nachhaltige ökonomische
Entwicklung der ostdeutschen Länder zu stärken.
In Ostdeutschland bilden sich zunehmend regionale Wachstumszentren heraus. Wie
Ansiedlungserfolge in der Automobilindustrie in Sachsen und Thüringen, der
Luftfahrtindustrie in Brandenburg, der Maritimen Verbundwirtschaft in
Mecklenburg-Vorpommern oder der Chemieindustrie in Sachsen-Anhalt zeigen, entstehen dort
Anknüpfungspunkte für weitere Investitionen in kleinen und mittleren Unternehmen.
Entwicklungsimpulse strahlen in umliegende Regionen aus. Wir werden deshalb den besonderen
Infrastrukturbedarf von Wachstumszentren berücksichtigen.
Die steuerliche Investitionszulage wird nach europäischem Recht Ende 2004 auslaufen. Wir
werden eine gleichwertige Nachfolgeregelung zur Förderung von Investitionen in
Ostdeutschland auf den Weg bringen. Dabei werden wir die Zielgenauigkeit und die Effizienz
der Förderung weiter verbessern.
Innovationspotentiale nutzen
Mehr denn je entscheidet heute die Innovationsfähigkeit einer Gesellschaft über Erfolg
und Wohlstand in der Zukunft.
In den vergangenen Jahren ist es gelungen, Innovationsnetzwerke mit überregionaler und
internationaler Zusammenarbeit in Ostdeutschland zu bilden.
Wir halten an der Förderung von Innovationsprozessen im Betrieb und zwischen den
Innovationspartnern auf regionaler Ebene fest. Diese Hilfen werden weiterentwickelt.
Der Ausbau der Forschungszentren in den ostdeutschen Ländern ist in den letzten Jahren
vorangetrieben worden. Das betrifft Einrichtungen der Max-Planck-Gesell-schaft, der
Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Helmholtz-Zentren, der Wissenschaftsgemeinschaft
Gottfried Wilhelm Leibnitz und der Fraunhofer-Gesellschaft. Die Zentren sind wichtige
Keimzellen für die wirtschaftliche Entwicklung der Regionen und die Schaffung neuer
Arbeitsplätze. Sie haben auch die Aufgabe, die Umsetzung neuer Forschungsergebnisse in
marktfähige Produkte und Dienstleistungen zu fördern sowie die Gründung innovativer
Unternehmen zu initiieren.
Wir wollen mit einer neuen Gründungsoffensive den Aufbau der ostdeutschen
Forschungslandschaft weiter vorantreiben. Bei Entscheidungen über neu einzurichtende
Großforschungszentren werden wir die ostdeutschen Länder vorrangig berücksichtigen.
Die Erweiterung der Europäischen Union bietet die große Chance, aus Ostdeutschland eine
europäische Verbindungsregion zu machen, wenn wir die Strategien und Konzepte der
Infrastrukturentwicklung, der Forschung und der Kultur auf grenzüberschreitende
Zusammenarbeit ausrichten und wenn wir die Erfahrungen der letzten Jahre gemeinsam mit den
neuen Mitgliedern der EU nutzen und neue Netzwerke aufbauen. Das ist unser Ziel. Darum
werden wir ein Osteuropa-Zentrum für Wirtschaft und Kultur in einem der ostdeutschen
Länder aufbauen. Kooperationen zwischen Unternehmen in Ostdeutschland und Unternehmen in
den Beitrittsstaaten wollen wir gezielt fördern.
Arbeit und Qualifikation
Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und die Sicherung von Beschäftigung steht im
Mittelpunkt unserer Politik. Nur so lässt sich auch die Abwanderung aus den ostdeutschen
Ländern bremsen. Das Ziel in den ostdeutschen Ländern heißt vor allem mehr
Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt.
Aktive Arbeitsmarktpolitik bleibt aber unverzichtbar. Im Jahr 2002 werden für aktive
Arbeitsmarktpolitik in den ostdeutschen Ländern rd. 10 Mrd. Euro eingesetzt,
beispielsweise bei beruflicher Aus- und Weiterbildung, für Arbeitsbeschaffungs- und
Strukturanpassungsmaßnahmen sowie Eingliederungszuschüsse. Das sind rd. 1,0 Mrd. Euro
mehr als 1998.
Wir wollen die Zielgenauigkeit einer aktiven Arbeitsmarktpolitik weiter erhöhen und
stärker als bisher auf den Bedarf in den Regionen orientieren. Damit werden die
Vermittlungschancen in den ersten Arbeitsmarkt gerade auch für ältere Arbeitslose und
Langzeitarbeitslose erhöht. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bleiben weiter erforderlich.
Wir haben ein Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit (JUMP) aufgelegt.
Aufgrund seines Erfolgs wird das Programm bis 2003 fortgeführt. Ostdeutschland erhält 50
% der jährlich zur Verfügung gestellten Mittel in Höhe von 1,0 Mrd. Euro (2 Mrd. DM).
Wir werden ein JUMP-Plus-Programm für Jugendliche als Beschäftigungsbrücke Ost nach der
Erstausbildung entwickeln. Hierdurch sollen zusätzlich 100.000 Arbeitsplätze für
Jugendliche u.a. in Beschäftigungsfeldern des gesellschaftlichen Bedarfs (Soziales,
Kultur etc.) im Rahmen von Infrastrukturmaßnahmen sowie durch eine Verknüpfung von
Altersteilzeit mit Jugendteilzeit geschaffen werden.
Talente an den ostdeutschen Hochschulen werden wir verstärkt fördern, um sie für die
aktive Gestaltung des Innovationsprozesses in den neuen Ländern zu motivieren. Mit
FuE-Personalkostenzuschüssen für Neueinstellungen, insbesondere in kleinen und mittleren
Unternehmen, soll das Gehaltsgefälle zu Angeboten in den alten Bundesländern
ausgeglichen werden. Wir werden Kompetenzzentren mit klarer Profilbildung in ausgesuchten
Technologiefeldern schaffen, um so die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit und
Attraktivität für Spitzenkräfte aus dem In- und Ausland zu erhöhen. In einer
Gründungsoffensive werden wir über einen längeren Zeitraum Gründerstellen schaffen und
zusätzliche Mittel für Gründungsbeauftragte bereitstellen.
Es gibt nach wie vor ein unterschiedliches Lohnniveau in West- und Ostdeutschland.
Lohnanpassung muss zwar auch mit der Produktivität in Einklang stehen, damit
wettbewerbsfähige Arbeitsplätze entstehen, aber die Menschen in Ostdeutschland haben
auch die berechtigte Erwartung, dass sich diese Schere in den nächsten Jahren schließt.
Wir wollen daher auch im öffentlichen Dienst bis 2007 den Grundsatz gleicher Lohn für
gleiche Arbeit durchsetzen.
Infrastruktur ausbauen
Mehr als die Hälfte der im Investitionsprogramm 1999 bis 2002 vorgesehenen
Verkehrsinvestitionen mit einem Gesamtvolumen von rd. 35 Mrd. Euro entfallen auf die
ostdeutschen Länder. Schwerpunkt der Verkehrsinvestitionen sind die Verkehrsprojekte
Deutsche Einheit. Alle 17 Projekte sind begonnen worden, viele Projekte und
Projektabschnitte sind bereits in Betrieb. Viele Lücken im innerdeutschen
Verkehrswegenetz sind bereits geschlossen. Und es geht zügig weiter mit dem Ausbau.
Erstmals sind Verkehrsinfrastrukturprojekte des Bundes für den Zeitraum 2000-2006 aus dem
Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) gefördert worden. Das Programm in
Höhe von über 3,1 Mrd. Euro leistet einen wichtigen Beitrag zur Schaffung einer
dauerhaft leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur insbesondere im Osten der
Bundesrepublik.
Mit der Fortführung des Zukunftsinvestitionsprogramms bis einschließlich 2007 ist die
langfristige Umsetzung wichtiger Verkehrsprojekte in den ostdeutschen Ländern gesichert.
Wir werden im Jahr 2003 einen überarbeiteten Bundesverkehrswegeplan mit einem Schwerpunkt
Ost vorlegen und die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit (VDE) zügig fertig stellen
Mit dem Programm "Stadtumbau Ost" schaffen wir Impulse zur Verbesserung der
Wohnqualität und der Stabilisierung der Wohnungsmärkte. Hierfür stellen Bund und
Länder - neben den Mitteln, die die EU z. B. im Rahmen des Programms URBAN gegeben hat -
bis 2009 rund 2,5 Mrd. Euro zur Verfügung. Damit können notwendige Maßnahmen zur
Aufwertung von Stadtquartieren und bei dem unvermeidlichen Rückbau leerstehender,
langfristig nicht mehr benötigter Wohngebäude finanziert werden.
Die Altschuldenproblematik ist das letzte gravierende Problem der deutschen
Wiedervereinigung im Agrarbereich. Deshalb wollen wir die Möglichkeit eröffnen, die zu
einer beschleunigten, an der jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientierten
Ablösung der Altschulden führt. In der Bodenpolitik haben wir die letzten Hemmnisse beim
Flächenerwerb aus dem Weg geräumt und die Pachtzeiträume für
BVVG(Bundes-Vermögens-Verwaltungs-Gesellschaft)-Flächen deutlich erhöht.
Die Hälfte des Weges ist zurückgelegt
Wir wissen, dass erst die Hälfte des Weges in Ostdeutschland zurückgelegt ist. In einer
Reihe von Bereichen brauchen wir zusätzliche Anstrengungen, um den notwendigen
Nachholbedarf in den nächsten Jahren zu fördern.
Wir gehen entschlossen und mutig in den zweiten Teil der Strecke.
Mit Gerhard Schröder als Bundeskanzler und seiner Regierung hat der Aufbau Ost neue
Impulse bekommen und die Deutsche Einheit festere Konturen. Diesen Weg wollen wir
weitergehen und dabei die Interessen der Menschen mit Nachdruck vertreten.
Der Beschluss des Ost-Parteitags der SPD ist dabei Leitlinie für diesen Teil des
Regierungsprogramms 2002-2006.
9. Lebensqualität in Städten und Gemeinden
Eine lebendige Demokratie braucht starke Städte und Gemeinden. Die Kommunen sind der Ort
der unmittelbaren Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger am politischen, sozialen und
kulturellen Leben. Darin wollen wir unsere Städte und Gemeinden stärken.
Das dichte Netz intakter und lebendiger städtischer Zentren und ländlicher Räume ist
für die Lebensqualität unersetzlich. Im Zeitalter umfassender Mobilität und
weitgehender Globalisierung steigt die Bedeutung der kleinen Einheit, der Stadt, des
Wohnbereichs, des Dorfes.
Kommunale Handlungsspielräume in Europa erhalten
Deshalb unterstützen wir die Städte und Gemeinden in ihrem Bemühen, ihren Platz in
einem zusammenwachsenden Europa zu behaupten, wo nötig neu zu bestimmen. Wir treten ein
für die bewährte kommunale Selbstverwaltung.
Das Subsidiaritätsprinzip gilt. Das Konnexitätsprinzip gilt. Die öffentliche
Daseinsvorsorge behält ihre Funktion - bei aller notwendigen Öffnung zum Wettbewerb auch
für diesen Bereich.
Gemeindefinanzreform
Die Kommunen brauchen finanzielle Planungssicherheit und eine aufgabenadäquate
Finanzausstattung.
Wir haben mit der Vorbereitung einer grundlegenden Reform der Gemeindefinanzen begonnen.
Sie hat die Aufgabe, die Einnahmen und die Ausgaben der Kommunen wieder in Einklang zu
bringen. Sie muss vor allem die Planbarkeit der Einnahmen verbessern.
Die Gemeinden brauchen eine verfassungskonforme, wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle mit
eigenem Hebesatzrecht. Damit lässt sich eine gerechte Verteilung der Gemeindesteuerlasten
zwischen Großunternehmen, Mittelstand und Wohnbevölkerung erreichen.
Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe verzahnen
Zu einer nachhaltigen Gemeindefinanzreform gehört untrennbar eine Neuordnung im Bereich
der Sozial- und Arbeitslosenhilfe. Dabei wollen wir keine Absenkung der zukünftigen
Leistungen auf Sozialhilfeniveau.
Sozialhilfe reformieren - Hilfe zur Selbsthilfe stärken
Die Vermittlung erwerbsloser Sozialhilfeempfänger in den ersten Arbeitsmarkt muss
verbessert und die Eigenverantwortung der Unterstützungsempfänger muss mobilisiert
werden. Wir entwickeln die Sozialhilfe zu einer aktivierenden, fallbezogenen
Dienstleistung. Dabei steht das sozialstaatliche Existenzminimum selbstverständlich nicht
zur Disposition.
Wir reformieren die Sozialhilfe mit dem Ziel, dass arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger
schneller und sicherer in Arbeit kommen und gleichzeitig das Lohnabstandsgebot gewahrt
bleibt.
Der Sozialstaat muss auch in diesem Bereich das Prinzip "Fördern und Fordern"
konsequent umsetzen und die Betroffenen als wichtige Partner bei der sozialen Integration
ernst nehmen. Er muss den Anspruch auf zweite und dritte Chancen sichern.
Eine Reform der Hilfe zum Lebensunterhalt muss daher |
- die finanziellen Leistungen transparent und bedarfsgerecht weiter entwickeln,
- die Selbstverantwortung des Hilfeempfängers stärken und Verwaltung vereinfachen,
- die aktivierenden Instrumente und Leistungen der Sozialhilfe verbessern,
- die Integration in den Arbeitsmarkt verbessern,
- Länder und Kommunen bei der Verwaltungsmodernisierung wirksam unterstützen.
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Familienfreundliche Städte schaffen
Kinder brauchen Platz und sie brauchen Entwicklungschancen. Das entscheidet sich vor Ort.
Ein bedarfsgerechtes Angebot der Kinderbetreuung ist vorrangig. Die Ganztagsschule hat
dabei eine wichtige Funktion.
Soziale Stadt
Wir wollen Städte, die den Wohn- und Lebensbedürfnissen von Familien entsprechen. Gerade
Stadtteile, in denen soziale und bauliche Probleme verstärkt auftreten, brauchen
Unterstützung.
Mit den Programmen "Soziale Stadt" und "Stadtumbau Ost" werden
erfolgreich lokale Bemühungen für die soziale Stadtentwicklung gefördert.
Die Revitalisierung der Innenstädte - in Zusammenarbeit mit dem lokalen Einzelhandel und
örtlichen Initiativen - ist dabei ein Schwerpunkt. Und die persönliche Sicherheit der
Bürgerinnen und Bürger in ihrer Stadt muss kompromisslos gewährleistet sein.
Bezahlbarer Wohnraum für alle
Das Bauen in Deutschland muss wieder einfacher werden. Wir wollen kostengünstiges und
ökologisches Bauen erleichtern, indem wir das Baugesetzbuch und insbesondere die
vielfältigen Planungsstufen straffen und effizienter machen.
Auch in Großstädten brauchen wir bezahlbaren Wohnraum für alle. Dabei wird der
Stadtumbau gegenüber dem Neubau erheblich an Bedeutung gewinnen. Wertvolle Erfahrungen
hierfür liefert das vorbildliche Programm "Stadtumbau Ost".
Wir fördern das selbstgenutzte Wohneigentum als Neubau, insbesondere in den Zentren aber
auch im Bestand.
Mit der ersten Wohngeldreform seit 10 Jahren, der Stärkung der Mieterrechte und der
Initiative zum kostenbewussten Bauen haben wir wichtige Rahmenbedingungen für bezahlbares
Wohnen gesetzt.
Städte für unsere Kinder verkehrssicherer machen
Wir wollen die Verkehrssicherheit in unseren Städten und Gemeinden erhöhen und
insbesondere den Schutz für Kinder verbessern.
10. Sport ist Spitze für alle
Sport ist aktive Freizeitgestaltung, Gesundheitsvorsorge und Therapie. Sport macht Freude
und führt die Menschen zusammen. Wir unterstützen auch weiterhin Breiten- und
Spitzensport. Die besonderen Belange von Menschen mit Behinderungen berücksichtigen wir.
Breitensport ist eine große gesellschaftliche Bewegung. Er lebt vor allem durch das
ausdauernde Engagement der Vereine vor Ort und die Initiative Einzelner. Besonders
förderungswürdig ist dabei die Arbeit mit unseren Kindern und Jugendlichen. Wir stärken
das Ehrenamt im Sport und haben deshalb die Übungsleiterpauschale erhöht. Wir plädieren
für mehr Schulsport.
Sportstätten für den Hochleistungssport werden mit maßgeblicher Unterstützung des
Bundes gebaut, modernisiert und erhalten. Allein hierfür stehen seit 1999 116,1 Mio. Euro
Bundesmittel zur Verfügung. Der Sport kann sich auch in Zukunft auf uns verlassen.
Die Schattenseiten des Sports bekämpfen wir mit Nachdruck. Wer dopt, betrügt im Sport.
Wir werden zur Bekämpfung des Dopings das Kontrollsystem, aber auch die Forschung weiter
ausbauen und ein wirksames Anti-Doping-Gesetz schaffen.
Die Förderung von Sportanlagen in den ostdeutschen Ländern und im ehemaligen Ostteil
Berlins setzen wir fort. Wir haben den Goldenen Plan Ost verlängert und annähernd
verdoppelt und halten unser finanzielles Engagement auf hohem Niveau.
Wir unterstützen den Deutschen Fußballbund tatkräftig bei der Ausrichtung der WM 2006.
Leipziger Zentralstadion und Berliner Olympiastadion werden mit Bundeshilfe zu modernen
WM-Stadien ausgebaut. Frühzeitige Sicherheitsvorbereitungen sind wichtig und sind bereits
angelaufen.
Deutschland soll international Spitze im Sport bleiben.
Große Sportereignisse müssen auch zukünftig für alle live und ohne besondere Gebühren
im Fernsehen übertragen werden.
11. Familien im Zentrum
Familie ist, wo Kinder sind. Die Familien sind Leistungsträger unserer Gesellschaft. Sie
leben Zusammenhalt, ermöglichen freie Entfaltung der Individuen und sind
Lebensmittelpunkt. Die meisten Menschen wünschen und erleben Familie als Ort der
Geborgenheit und der Sicherheit, viele auch des privaten Glücks.
In Familien übernehmen Eltern, Großeltern und Kinder Verantwortung füreinander.
Familien sind die erste und wichtigste Instanz für Erziehung, Persönlichkeits- und
Charakterbildung. Hier finden junge Menschen den Raum, in dem Vertrauen, Selbstbewusstsein
und Bindung entstehen können. Im Zusammenleben in den Familien werden zentrale Werte,
Tugenden und Regeln unserer Gesellschaft vermittelt.
Die Mitglieder einer Familie müssen eigenverantwortlich entscheiden, wie sie ihr
Zusammenleben gestalten wollen. Politik hat da nicht hineinzureden.
Lebenspläne von Müttern und Vätern sind heute vielfältiger als in früheren
Generationen. Vor allem wollen weit mehr junge Mütter als früher Familien- und
Berufsleben miteinander verbinden, auch als Alleinerziehende.
Jedes von den Familien gelebte Modell verdient gleichermaßen gesellschaftliche
Anerkennung.
Familienfreundliche Politik seit 1998
Wir haben den Familien zu mehr materieller Sicherheit verholfen durch den Ausbau des
Familienleistungsausgleichs. Das Kindergeld wurde seit 1998 in mehreren Schritten um mehr
als 40 Euro monatlich deutlich erhöht, ebenfalls die steuerliche Entlastung bei
Betreuungskosten für Kinder.
Den Wünschen der Eltern nach mehr Flexibilität bei der Elternzeit und durch das Recht
auf Teilzeit wurde entsprochen. Es gibt mehr Erziehungsgeld, mehr Bafög und mehr
Wohngeld.
Wir haben den Schutz der Kinder und der Frauen vor Gewalt in der Familie verbessert. Wegen
der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Ressourcen müssen bei den weiteren
familienpolitischen Maßnahmen zwingend Prioritäten gesetzt werden.
Kinderbetreuung - dringlichste Aufgabe
Ein anspruchsvolles, bedarfsorientiertes und verlässliches Betreuungsangebot für Kinder
im Krippen-, Kindergarten- und Hortalter ist erforderlich und zu fördern.
Für die umfassende Lösung dieser wichtigen Aufgabe sind private Initiativen,
betriebliches, privatwirtschaftliches und das Engagement von Ländern und Kommunen
gleichermaßen erforderlich.
Wir streben an, im Einvernehmen mit den Ländern in den nächsten Jahren ein Programm
"Zukunft Bildung und Betreuung" auch von Seiten des Bundes über vier Jahre mit
jährlich 1 Mrd. Euro zu fördern.
Dem Ausbau von Ganztagsschulen und Ganztagseinrichtungen für Kinder aller Altersgruppen
kommt wegen des großen Nachholbedarfs aktuell besondere Bedeutung zu: für die Kinder und
deren Bildungschancen, aber auch im Interesse der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Dies ist zugleich die wirkungsvollste Strategie, Armut in Familien und von Kindern zu
verhindern. Wir werden alle an Fragen der Kinderbetreuung Beteiligten - Bund, Länder,
Kommunen, Wohlfahrtsverbände, Kirchen, Gewerkschaften und Unternehmen - zu einem
"Betreuungsgipfel" an einen Tisch holen. Ziel ist es, konkrete Absprachen
darüber zu treffen, was gemeinsam zur besseren Betreuung der Kinder getan werden kann.
Arbeitswelt familienfreundlich gestalten
Eltern wollen und brauchen Zeit und Raum für Kinder und Partner oder Partnerin. Das
Bündnis für Arbeit muss sich dem Ziel einer familienfreundlichen Arbeitswelt
nachdrücklich annehmen.
Es geht um Möglichkeiten flexibler Arbeitszeit, Teilzeit, moderner Arbeitsorganisation,
wie z. B. Telearbeitsformen, Weiterbildung und Kontakthalte- sowie Fortbildungsprogramme
speziell während der Elternzeit, damit junge Eltern den Anschluss an die
innerbetriebliche Entwicklung nicht verlieren.
Einige Großunternehmen, aber auch mittelständische Betriebe setzen positive Signale. Sie
unterstützen solche Initiativen. Und sie berücksichtigen die in der Familienarbeit
erworbenen Kompetenzen in ihrer Personalpolitik.
Wir ermutigen die Betriebe, sich bei der Schaffung und Vermittlung von Betreuungsplätzen
zu engagieren.
Das Netz familien- und haushaltsbezogener Dienstleister mit sozialversicherter
Beschäftigung muss erweitert werden.
Familienförderung entwickeln
Jedes Kind muss dem Staat gleich viel wert sein. Das Kindergeld werden wir mittelfristig
auf den Betrag von 200 Euro anheben. Dies entspricht der Steuerersparnis von
Spitzenverdienern bei den Kinderfreibeträgen. Vorrang hat für uns die Verbesserung der
Betreuungssituation. Mit einer erweiterten steuerlichen Absetzbarkeit von Betreuungskosten
bei Berufstätigkeit werden besonders Alleinerziehende entlastet. Wir führen mehr
Transparenz in der Familienförderung herbei und erleichtern es Familien, die ihnen
zustehenden Mittel zu erhalten.
Wir werden das Ehegattensplitting nicht abschaffen, aber zugunsten der Förderung von
Kindern umgestalten. Steuereinnahmen, die sich daraus ergeben, werden für
Familienförderung und Kinderbetreuung eingesetzt werden.
Gemeinsam für die Familie
Wir wollen eine gesellschaftliche Allianz für die Familie. Alle können und müssen dabei
mithelfen.
Auch die Eltern und die Kinder. Fördern und Fordern ist für uns durchgängiges Prinzip
auch in der Familien-, Kinder- und Jugendpolitik.
Deutschland soll ein kinder- und familienfreundliches Land werden. Wir werden deshalb
bestehende und künftige gesetzliche Vorschriften auf ihre Kinder- und
Familienfreundlichkeit überprüfen. So darf z.B. in einer kinderfreundlichen Gesellschaft
Kinderlärm nicht wie andere Lärmquellen behandelt werden.
Familieneinrichtungen, Verbände und Beratungsstellen leisten wichtige Beiträge für die
Familien. Dies gilt in besonderer Weise für Familien in Notsituation. Diese
Beratungsleistung muss weiter in angemessener Weise unterstützt werden.
12. Zusammenhalt fördern - Gewalt ächten
Dieser Grundsatz muss gesellschaftlicher Konsens in unserem Land sein. Er ist zentraler
Erziehungsgrundsatz. Er muss glaubwürdig vorgelebt werden.
Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Die rechtlichen
Voraussetzungen dafür sind geschaffen, und das Leitbild einer gewaltfreien Erziehung
setzt sich immer mehr im Bewusstsein der Menschen durch.
Der Ausgleich von Interessengegensätzen setzt die Fähigkeit und die Bereitschaft zum
Dialog und zum Kompromiss voraus. Das muss gelehrt und gelernt werden. Regeln für das
Austragen von Konflikten müssen geübt werden; Fairness auch in der Kontroverse gehört
dazu.
Darstellungen realer Gewalt, viel mehr aber noch der - oft gezielt brutalen und illegalen
- virtuellen Gewalt, die als Unterhaltung und Nervenkitzel angeboten wird, dürfen nicht
ungefiltert und unmoderiert auf Kinder und junge Menschen einwirken. Gewalt darf nicht als
normaler, üblicher Mechanismus der Konfliktregelung verstanden und dargestellt werden.
Gerade in der modernen Mediengesellschaft brauchen Kinder und Jugendliche einen festen
Wertekanon, der ihnen klare Orientierung gibt. Es muss verhindert werden, dass sich junge
Menschen aus persönlichen Problemen in eine virtuelle Welt flüchten und so den Kontakt
zur Realität und zum menschlichen Mitfühlen verlieren.
Wir wollen als SPD Eltern und Erziehern helfen, die
Rolle der Gewalt in unserer Gesellschaft zurückzudrängen und unsere Kinder vor
gefährlichem Einfluss schützen. Deshalb schlagen wir vor: |
- dass die Erziehungskompetenz der Eltern weiter gestärkt wird. Institutionen wie Schule
und Kindergarten sollen die Eltern bei der Erziehung unterstützen durch eine enge
Zusammenarbeit zwischen Lehrern, Eltern und Kinder- und Jugendhilfe. Damit werden wir auch
die Eltern erreichen, die bisher weniger ansprechbar waren für Erziehungsberatung, und
die Hilfe benötigen;
- dass der Deutsche Bundestag noch in diesem Jahr eine Enquete-Kommission einsetzt, die
unter Beteiligung der Länder und Kommunen Vorschläge zur Gewaltprävention unterbreitet.
Die Kommission soll jährlich dem Deutschen Bundestag über die Ergebnisse ihrer Arbeit
berichten;
- dass die Bundesregierung eine "Allianz gegen Gewalt" ins Leben ruft und dazu
eine Gründungsinitiative bildet, an der auch Vertreter der klassischen und der neuen
Medien beteiligt sind;
- dass diese Allianz gegen Gewalt jährlich Beispiele von vorbildlichem Engagement junger
Menschen füreinander und gegen Gewalt bekannt macht und auszeichnet;
- dass in den im neuen Jugendschutzgesetz geplanten Selbstkontrolleinrichtungen die
Vertreter von Jugendschutz, Medienaufsicht und Medienanbietern gleiche und sichere
Wertmaßstäbe entwickeln und die Chance nutzen, ein für Europa einmaliges und
zukunftsweisendes System der Zusammenarbeit von staatlicher Regulierung und
gesellschaftlicher Selbstregulierung aufzubauen;
- dass man nach dem Vorbild der klassischen Medien ein gemeinsames Vorgehen von
staatlichem Jugendschutz und Internet-Anbietern initiiert, das über freiwillige
Selbstverpflichtungen und die Entwicklung von Qualitätsmaßstäben sowie neuartiger
Filtertechnologien für Kinder und Heranwachsende sichere Räume schafft;
- dass der UNESCO-Gipfel zur Informationsgesellschaft 2004 genutzt wird, um auch auf
internationaler Ebene nach Wegen zu suchen, um auf eine mit der Natur des weltweiten
Netzes verträglichen Art Missbrauch und Gewaltverherrlichung zu verhindern.
|
13. Generationen miteinander
Die Lebenschancen der Menschen stehen im Mittelpunkt des politischen Auftrags. Das gilt
für alle Lebensphasen, gerade auch für die Zeiten vor und nach dem Erwerbstätigkeit.
Die individuelle Lebenszeit wächst. Die Menschen in Deutschland leben im allgemeinen
deutlich länger als die Generationen zuvor. Der Wohlstand und unser leistungsfähiges
Gesundheitswesen tragen wesentlich dazu bei.
Im Gegensatz zur individuellen Lebenszeit ist die Lebensarbeitszeit geschrumpft und zwar
erheblich. Die Jungen treten später ins Erwerbsleben ein, die Älteren scheiden früher
aus. Diese Tendenz muss umgekehrt werden.
Aber unabhängig davon gilt: Jugend dauert länger. Und Alter dauert länger. Das
verändert unsere Gesellschaft.
Jugend braucht Chancen
Junge Menschen brauchen Chancen, Mädchen und Jungen in gleicher Weise. Sie brauchen
materielle Sicherheit und Bildungsangebote, sie brauchen emotionale Zuwendung und Ansporn.
Am Anfang steht die Familie. Sie ist die wichtigste Erfahrung für Kinder und Jugendliche.
Denn hier werden Werte gesetzt und wird Kultur gelernt, entstehen Vertrauen,
Selbstbewusstsein und Bindung. In der Familie lernen junge Menschen die gegenseitige
Verantwortung der Menschen füreinander. Wir stützen die Familie.
Betreuungsangebote für Kinder und Schüler sind wichtig für diese und für ihre
Familien. Deshalb setzen wir in unserer Politik einen Schwerpunkt in der
Ganztagsbetreuung. Diese ist bisher in Deutschland insgesamt noch unzureichend.
Die Lebensperspektiven der jungen Menschen hängen wesentlich ab von ihren
Berufsperspektiven. Bildungs- und Ausbildungsangebote müssen dem entsprechen.
Kein Jugendlicher darf von der Schule in die Arbeitslosigkeit fallen. Jeder und jede
erhalten ein Angebot für Ausbildung oder Beschäftigung.
Priorität hat die qualifizierte berufliche Bildung in Betrieben und Berufsschulen. Unsere
Bemühungen der vergangenen Jahre zeigen Wirkung. Die Zahl der Ausbildungsplätze
übersteigt insgesamt inzwischen wieder die Nachfrage. Aber es gibt noch große regionale
Unterschiede zwischen West und Ost.
Deshalb werden wir ein JUMP-Plus-Programm für Jugendliche als Beschäftigungsbrücke Ost
nach der Erstausbildung entwickeln. Hierdurch sollen 100.000 zusätzliche Arbeitsplätze
für Jugendliche u.a. in Beschäftigungsfeldern des gesellschaftlichen Bedarfs (Soziales,
Kultur etc.) im Rahmen von Infrastrukturmaßnahmen sowie durch eine Verknüpfung von
Altersteilzeit mit Jugendteilzeit geschaffen werden.
Auch Jugendliche ohne Schulabschluss müssen eine Chance haben. Eine gezielte Förderung
von lernschwachen Jugendlichen ist für uns Ausdruck von Chancengleichheit.
Teilzertifikate auf dem Weg zu einer vollen Berufsausbildung können dabei helfen.
Mit dem Programm "Jugendarbeit ans Netz" werden wir in den nächsten vier Jahren
50.000 Jugendfreizeiteinrichtungen ans Netz bringen.
Jugend - individuell und solidarisch
Unsere Gesellschaftspolitik will die Einzelnen stärken und ihnen Optionen eröffnen.
Mehr Jugendliche als je zuvor erhalten eine gute Ausbildung. Individuelle Lebensentwürfe
werden möglich und akzeptiert. Die Mobilität erleichtert die Erfahrung des Anderen, auch
Fremden. Die Informationsvielfalt, richtig genutzt, befördert spezifische Interessen und
Zielsetzungen.
Neue Formen solidarischen Zusammenhalts und sozialer Verantwortungsbereitschaft entstehen.
In tradierten und in neuen Initiativen der Gesellschaft, die sozialen, kulturellen oder
sportlichen Aktivitäten gewidmet sind. Dem Engagement von Jugendlichen haben wir durch
den Ausbau der Freiwilligendienste Rechnung getragen. Diesen Weg werden wir weitergehen.
Wir brauchen die politische Arbeit junger Menschen im Gemeinwesen. Deshalb wollen wir
jungen Menschen mehr Möglichkeiten geben und Anreize schaffen, auch im politischen Raum
mitzuwirken und mitzuentscheiden.
Gemeinsam mit den Ländern und Kommunen streben wir ein internationales
Jugendaustauschprogramm an, durch das jeder Jugendliche in Deutschland die Möglichkeit
erhält, in seiner Schulzeit im Ausland Erfahrungen und Eindrücke zu sammeln.
Zu den Aktivposten unserer Gesellschaft zählen die Jugendverbände in ihrer ganzen
Vielfalt. Wir werden die Träger der Jugendarbeit bei ihrer Suche nach zeitgemäßen
Angeboten weiter unterstützen.
Die Chancen des längeren Lebens
In den letzten 100 Jahren hat sich die durchschnittliche Lebenserwartung verdoppelt und
sie steigt weiter. Die Geburtenrate ist jedoch seit Jahrzehnten dauerhaft niedrig.
Die Chancen dieser demographischen Entwicklung wollen wir nutzen, ihre Risiken minimieren.
Betroffen sind fast alle gesellschaftlichen Bereiche.
Die Menschen leben nicht nur länger, sie sind auch länger fit und mobil. Die Gruppe der
60-Jährigen und Älteren wird immer größer in unserer Gesellschaft.
Alterssicherung gewährleistet
Alt sein heißt in unserer Gesellschaft nicht automatisch arm sein. Insgesamt haben die
Älteren mehr als Generationen zuvor. Unsere sozialen Sicherungssysteme bewähren sich.
Und nicht Wenige haben darüber hinaus etwas ansparen können, in Form von Wohneigentum
oder als Kapital.
Das Wichtigste aber: Wir haben mit der Rentenreform einen großen Schritt getan, die
Alterssicherung langfristig zu stabilisieren. Wir haben die gesetzliche Rentenversicherung
von der Finanzierung versicherungsfremder Leistungen befreit und die Renten auf hohem
Niveau zukunftssicher gemacht. Dabei wird die jüngere Generation nicht überfordert.
Mit dem Aufbau einer kapitalgedeckten und staatlich geförderten privaten oder
betrieblichen Säule der Alterssicherung schaffen wir zusätzliche Sicherheit für ein
sorgenfreies Alter.
Für Qualifizierung ist es nie zu spät
Auch nach dem Eintritt ins Rentenalter wird die Bildung, Fortbildung und Qualifizierung
zunehmend eine Chance - unabhängig von vordergründiger beruflicher Verwendbarkeit. In
der Wissensgesellschaft wird es eine größere Integration der Älteren ins Bildungssystem
geben müssen, vermehrt aber auch Akademien, Fachschulen und Unis für Seniorinnen und
Senioren.
Gut wohnen
Der Wohlstandsgewinn der vergangenen 50 Jahre zeigt sich in wenigem deutlicher als in der
Wohnqualität. Die meisten wohnen gut. Und der Trend bei der älteren Generation geht
eindeutig dahin, im Alter eigenständig zu wohnen und zu leben. Meist in Wohnungen und in
Umgebungen, die man kennt und wo man zu Hause ist.
Und fast immer lassen sich Wohnungen relativ preiswert alten- und behindertengerecht so
einrichten, dass die Bewohner nichts an der Wohnqualität missen müssen. Im Alter gut
wohnen ist etwas, wofür die Einzelnen und die Politik viel tun können und sollten. Und
es ist volkswirtschaftlich und sozialpolitisch vernünftig.
Zusammenhalt der Gesellschaft mit aktiven Senioren
Unsere Gesellschaft braucht die neuen Ideen der Jungen, wenn sie vorwärts kommen will.
Und sich braucht die Erfahrung der Älteren, wenn sie vorhandenes Wissen umfassend nutzen
will. Es gibt viele Aufgaben in unserem Land, bei denen Erfahrung und Umsicht gebraucht
werden. Das gilt über das Erwerbsleben hinaus.
Das ehrenamtliche Engagement ist unverzichtbar und bei vielen Älteren vorbildlich. Das
freiwillige soziale Jahr wurde für junge Menschen kreiert. Aber es muss nicht auf sie
begrenzt sein.
Schutz und Hilfe für ältere Menschen
Wir haben die Weichen gestellt, damit die Menschen auch in Zukunft in Würde und
selbstbestimmt alt werden können. Die Qualität in der Pflege wurde verbessert, die
Rechte von Heimbewohnern wurden gestärkt. Wir werden die Altenhilfestrukturen auch in
Zukunft weiter entwickeln.
14. Gleichstellung der Geschlechter
Soziale Gerechtigkeit heißt auch: Chancengleichheit der Geschlechter. Die Chancen der
Frauen müssen weiter verbessert werden.
Unsere Politik zielt auf ein selbstbestimmtes, selbstverständlich partnerschaftliches
Miteinander von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen. Wir haben seit 1998 die
Chancengleichheit von Frauen und Männern ein gutes Stück vorangebracht.
Mit dem Gleichstellungsgesetz für den öffentlichen Dienst, mit dem Rechtsanspruch auf
Teilzeit, mit der Novellierung des Bundeserziehungsgeldgesetzes, mit der Gleichstellung
gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, mit dem Einstieg in eine eigenständige
Alterssicherung der Frau sowie der Neufassung des Betriebsverfassungsgesetzes und dem
Gewaltschutzgesetz haben wir wesentliche rechtliche Verbesserungen zum Abbau von
geschlechtsspezifischen Benachteiligungen geschaffen.
Diesen gleichstellungspolitischen Kurs wollen wir fortsetzen. So streben wir an, das
Berufsspektrum für Frauen zu erweitern, insbesondere in der IT-Branche und in technischen
Berufen. Bis zum Jahr 2005 wollen wir den Frauenanteil in den entsprechenden
Studiengängen auf 40 % steigern. Den Frauenanteil am wissenschaftlichen Personal an
Hochschulen und Forschungseinrichtungen wollen wir deutlich erhöhen.
Die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen und
Männern an der Erwerbsarbeit, an der Familienarbeit und in Gesellschaft und Politik
bleibt unser Ziel: |
- Die erklärte Bereitschaft der Unternehmen, die Berufschancen von Mädchen und Frauen in
der Privatwirtschaft umfassend zu verbessern und Frauen gleichberechtigten Zugang zu
Führungspositionen einzuräumen, muss bald zu positiven Ergebnissen führen. Sonst werden
wir der Chancengleichheit in der Privatwirtschaft 2003 mit gesetzlichen Regelungen zum
Durchbruch verhelfen.
- Junge Frauen verfügen heute über hervorragende Qualifikationen, die in der Arbeitswelt
aber noch zu wenig anerkannt werden. Wir können in Deutschland international aber nur
wettbewerbsfähig bleiben, wenn erstklassig ausgebildete und leistungsbereite Frauen ihre
Fähigkeiten auch beruflich nutzen können.
- Die Frauenerwerbsquote muss auf das Niveau vergleichbarer Industrieländer steigen. Wir
werden deshalb durch mehr Betreuungsangebote für Kinder die Chancen der Mütter zur
Erwerbstätigkeit verbessern.
- Frauen, die den Sprung in die Selbständigkeit wagen wollen, werden wir gezielt
unterstützen.
|
Die Gleichstellung der Geschlechter ist eine Querschnittsaufgabe, die bei
allen politischen Entscheidungsprozessen im Sinne des Gender Mainstreaming mit bedacht
werden muss. Die Bundesregierung wird regelmäßig mit einem Bericht über den Stand der
Gleichstellung in Deutschland informieren.
Mindestens einmal in einer Legislaturperiode wird der Bundeskanzler zusätzlich eine
"Regierungserklärung zur Lage der Gleichstellung von Männern und Frauen in
Deutschland" abgeben, um noch bestehende Defizite offen zu legen, Fortschritte
aufzuzeigen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen darzulegen.
Darüber hinaus wollen wir ein "Gender-Institut" des Bundes errichten, das die
gesellschaftliche Entwicklung beobachtet und analysiert, Fachwissen sammelt und
aufbereitet und Vorschläge für den weiteren Weg zur Chancengleichheit entwickelt.
Mit dem nationalen Aktionsplan haben wir der Gewalt gegen Frauen erfolgreich den Kampf
angesagt. Gemeinsam mit allen beteiligten Institutionen werden wir diesen Weg fortsetzen.
15. Für ein leistungsfähiges und solidarisches Gesundheitswesen
Gesundheit ist für jeden Menschen ein kostbares Gut. Deshalb ist eine erstklassige
medizinische Versorgung besonders wichtig.
Wer im Gesundheitswesen die Solidarität erhalten und die Qualität stärken will, muss zu
mutigen Reformen bereit sein. Dazu ist es unverzichtbar, die solidarische
Wettbewerbsordnung im Gesundheitswesen auszubauen und die Transparenz zu verbessern.
Daran haben wir die ersten Reformschritte orientiert: Die Gesundheitsreform 2000, der
Risikostrukturausgleich, die aktive Prävention, die Dämpfung der Arzneimittelkosten und
ganz besonders die Fallpauschalen im Krankenhaus bremsen die Kostenentwicklung und weisen
in die richtige Richtung.
Solidarität erhalten
Das Prinzip der solidarischen Ausrichtung des Gesundheitswesens bleibt richtig - die
Solidarität zwischen Gesunden und Kranken; ebenso die paritätische Finanzierung der
Krankenversicherung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
Zu den solidarischen Stärken unseres Gesundheitssystems zählen: Umfassender
Versicherungsschutz für alle, ein vom Einkommen unabhängiger Leistungsanspruch, die
strikte Orientierung am medizinisch Notwendigen, Versorgung ohne Wartelisten.
Diese Vorzüge werden wir erhalten. Deshalb lehnen wir die Aufteilung der Leistungen in
Grund- und Wahlleistungen ab. Eine Zwei-Klassen-Medizin wird es mit uns nicht geben.
Qualität sichern und stärken
Ärztliches und pflegerisches Können sowie Leistungskraft und Vielzahl medizinischer
Einrichtungen und Unternehmen sichern bisher eine gute Versorgung. Wissenschaft und
Forschung tragen wesentlich dazu bei.
Unter-, Über- oder Fehlversorgungen müssen vermieden werden. Und die Versorgung muss
finanzierbar sein. Dazu braucht das System mehr Wettbewerb im Rahmen einer solidarischen
Ordnung.
So werden wir das deutsche Gesundheitswesen
zukunftsfähig machen und seine Qualität sichern und stärken: |
- Der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung bleibt einheitlich und
gemeinsam für alle Krankenkassen und umfasst das medizinisch Notwendige. Er wird auf der
Basis gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse an den medizinischen Fortschritt
angepasst. Ausbildung und Weiterbildung der Ärztinnen und Ärzte müssen dem genügen.
- Für die wichtigsten Krankheitsbilder und insbesondere für chronische Krankheiten
werden auf der Basis allgemein anerkannter Standards Behandlungsleitlinien formuliert.
- Die Behandlungsleitlinien und die Fortschreibung des Leistungskatalogs werden von einer
öffentlichen Institution unabhängiger Sachverständiger vorbereitet. Sie sind bei der
Vertragsgestaltung zu berücksichtigen.
- Mehr Vertragsfreiheit für Ärztinnen und Ärzte, für die Krankenhäuser und sonstigen
Leistungserbringer, aber auch für die Krankenkassen.
- Die Anbieter von Gesundheitsleistungen und die Kassen sollen Einzelverträge neben den
bisherigen Kollektivverträgen abschließen können.
- Die Kassen sollen Verträge mit denjenigen Leistungsanbietern schließen können, die
ein festgelegtes Qualitätsniveau zu angemessenen Kosten garantieren. Der
Kontrahierungszwang wird entsprechend modifiziert.
- Für die Versicherten ist der Zugang zu den medizinisch notwendigen Leistungen jederzeit
wohnortnah sichergestellt.
|
Das gewährleisten die gesetzlichen Krankenversicherungen gemeinsam mit den Vereinigungen
der Ärzte und Ärztinnen (Kollektivverträge) und ergänzend mit einzelnen, ambulant
tätigen Ärztinnen und Ärzten (Einzelverträge). Wo nötig werden auch stationäre
Einrichtungen und andere Gesundheitsberufe in die Sicherstellung einbezogen.
|
- Zukünftig sollen bevorzugt Systeme der integrierten Versorgung aufgebaut und eine
bessere Abstimmung zwischen stationärem und ambulantem Bereich ermöglicht werden.
- Für die Versicherten bleibt die freie Arztwahl erhalten.
- Die Kassen können Versicherten, die sich bereit erklären, den Hausarzt als Lotsen im
System zu nutzen, besondere Tarife anbieten.
- Der Prävention messen wir größere Bedeutung bei und bauen sie zu einer
eigenständigen Säule neben der Akutbehandlung und der Rehabilitation aus. Vorrangige
Präventionsmaßnahmen sind ein nationales Herz-Kreislaufprogramm, ein Anti-Tabakprogramm
und ein Früherkennungsprogramm für Krebserkrankungen.
- Wir regeln die Versorgung mit Arzneimitteln so, dass sie auch in Zukunft hochwertig ist
und Innovationen ermöglicht.
- Die gesetzliche Krankenversicherung wird höhere Kosten für neu zugelassene
Arzneimittel nur dann erstatten, wenn durch unabhängige Sachverständige ein Zusatznutzen
bestätigt wird. Der Vertrieb und die Preisbildung für Arzneimittel werden liberalisiert
und fortentwickelt.
- Der Patientenschutz in der Medizin bekommt einen höheren Stellenwert (Information,
Beratung, Stärkung der Patientenrechte).
- Wir führen auf freiwilliger Basis den Gesundheitspass ein. Patientinnen und Patienten
wird so mehr Transparenz, mehr Leistungssicherheit und ein besserer Einblick in die
jeweiligen Behandlungen ermöglicht. Darüber hinaus schützt der Gesundheitspass vor
unnötigen Doppeluntersuchungen, vermindert unerwünschte Nebenwirkungen und stärkt die
Datensicherheit der Patienten.
|
Die Finanzierungsgrundlage der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sichern
Die hohe Qualität der medizinischen Versorgung für alle Patientinnen und Patienten muss
finanzierbar bleiben. Qualität in der Versorgung und Wettbewerb im System dienen diesem
Ziel. Wirtschaftlichkeit stabilisiert die Beitragssätze.
Die Beitragszahler können mit Recht erwarten, dass alle Effizienzreserven mobilisiert
werden. Die Behandlungskosten müssen für die Patienten transparent sein.
Aus Gründen der Beitragsgerechtigkeit und der demografisch bedingten Veränderungen ist
es nötig, den Kreis der gesetzlich Versicherten zu verbreitern. Deshalb wird die
Versicherungspflichtgrenze für neue Mitglieder der GKV angepasst. Bei der
Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Krankenversicherung gibt es keine
Änderungen.
Wirtschaftsfaktor Gesundheitswesen
Das Gesundheitswesen in Deutschland ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, der zu
Wohlstand und Beschäftigung erheblich beiträgt. Auch deshalb werden wir Bemühungen um
Spitzenleistungen in der medizinischen Forschung und in der Versorgung unterstützen. Die
alters- und geschlechtsspezifischen Erfordernisse sind dabei besonders zu
berücksichtigen.
Angemessene Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Gesundheitswesen, insbesondere im
unmittelbaren Dienst an Kranken, sind ein beachtlicher Wert an sich, aber auch
Voraussetzung für hohe Versorgungsqualität. Unzumutbare Belastungen müssen abgebaut,
die geltenden Normen des Arbeitszeitrechts umgesetzt werden.
Pflege
Die Pflegeversicherung bleibt ein wesentlicher Zweig der Sozialversicherungen.
Wir werden die Leistungen der Pflege entsprechend der Notwendigkeit einer älter werdenden
Gesellschaft gezielt fortentwickeln. Es geht um Qualität und um eine bedarfsgerechte
Versorgungsinfrastruktur, ambulant und stationär.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Familienlastenausgleich in der
Pflegeversicherung wird umgesetzt.
Wir gestalten die Schnittstellen zwischen Krankenversicherung, Pflegeversicherung,
zwischen Pflege und Rehabilitation, aber auch die Rolle der Pflege in der integrierten
Versorgung im Interesse der Pflegebedürftigen neu. Hierzu gehört auch die Schaffung
zielgerichteter Übergänge von der Krankenhausbehandlung in die häusliche Pflege.
Unsere besondere Sorge gilt der Pflege demenziell Erkrankter. Ihnen und den pflegenden
Angehörigen müssen weitere Verbesserungen zuteil werden.
Bei all dem ist wichtig, die Rechte der Pflegebedürftigen zu stärken und ihre
Bedürfnisse zum Maßstab moderner Pflege zu machen.
16. Verbraucherschutz
Wir nehmen Verbraucherinteressen ernst. Mit der Einrichtung des Ministeriums für
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft haben wir Konsequenzen aus den
Versäumnissen und Krisen der Vergangenheit gezogen: die Zuständigkeiten wurden
gebündelt, Kontrollen verstärkt und die Information der Verbraucher verbessert. Nachdem
wir die Rechte der Verbraucher im Wirtschafts- und Zivil-, Wettbewerbs- und
Verfahrensrecht umfassend gestärkt haben, stärken wir mit dem
Verbraucherinformationsgesetz jetzt auch die Informationsrechte der Verbraucher. Die
Behörden können rechtzeitig auf Verstöße gegen verbraucherschützende Vorschriften
öffentlich hinweisen.
Wir wollen die Weichen vom reparierenden zum vorsorgenden Verbraucherschutz stellen und
Chancengleichheit zwischen Verbrauchern und Anbietern erreichen. Leitgedanken sind das
Vorsorgeprinzip und die Verantwortung des Anbieters.
Deshalb werden wir den Verbraucherschutz zur Querschnittsaufgabe der Bundesregierung
machen.
Gesetze und Vorhaben der Bundesregierung müssen in jedem Fall frühzeitig die
Konsequenzen für die VerbraucherInnen darstellen und die Auswirkungen abwägen.
Der Anspruch auf Verbraucherschutz gilt für alle Lebensbereiche. Die Verbraucherinnen und
Verbraucher sollen darauf vertrauen können, nur gesunde und hochwertige Nahrungsmittel zu
bekommen. Wir wollen eine konsequente Qualitäts- und Herkunftssicherung. Diese entwickeln
wir zusammen mit allen Beteiligten in der Lebensmittelkette vom landwirtschaftlichen
Betrieb bis hin zur Ladentheke. Verstöße gegen Kennzeichnungsvorschriften oder gegen
Richtlinien für Öko-Produkte werden mit Strafen belegt.
Verbraucherschutz umfasst weit mehr als nur Lebensmittelsicherheit. Er betrifft eine
Vielzahl von Konsum- und Lebensbereichen - angefangen von grundlegenden Fragen wie
Preisangaben und Allgemeinen Geschäftsbedingungen über die Sicherheit und den Schutz vor
schädlichen Chemikalien bei Konsumgütern wie Möbeln; Spielzeug oder bei Arzneimitteln
bis hin zu unterschiedlichsten Dienstleistungen wie Banken und Versicherungen, Reisen,
Energieversorgung, Online-Handel, Gesundheitsangeboten, der Insolvenzschutz für private
Bauherren und die private Altersvorsorge.
Wir wollen die Rechte der Verbraucher stärken: |
- als Versicherungsnehmer: Die Informationspflichten der Versicherungsunternehmen und
ihrer Makler werden ausgebaut. Im Streitfall muss die Versicherung nachweisen, ihrer
Informationspflicht ( z.B. über Deckungslücken oder Haftungsausschlüsse) nachgekommen
zu sein.
- bei Finanzdienstleistungen: Es werden Mindeststandards für vertragliche Vereinbarungen,
Produktinformationen und die Konkurssicherung von Versicherungsansprüchen entwickelt und
gesetzlich vorgegeben. Der Anlegerschutz für Privatanleger wird verbessert.
Vermögensverwalter werden für durch ihre Tätigkeit den Kunden entstandenen Schäden
schadensersatzpflichtig.
- als private Bauherren: Der Schutz vor Pleiten der Bauunternehmen oder irreführenden
Leistungsbeschreibungen. Bauunternehmen werden gesetzlich verpflichtet, private Bauherren
für den Fall der Insolvenz finanziell zu sichern und zu gewährleisten, dass Bauvorhaben
fertiggestellt oder festgestellte Mängel durch Drittunternehmen zu beseitigen sind.
- als Patienten im Gesundheitswesen: Die Bundesregierung wird einen
Patientenschutzbeauftragten einsetzen, der Ansprechpartner für alle Patienten ist, durch
einen jährlichen Patientenschutzbericht Öffentlichkeit für die Probleme von Patienten
schafft, Modellprojekte vorantreibt und den Problemen der Patienten politisch Gehör
verschafft.
|
Unverzichtbar ist darüber hinaus eine unabhängige
Verbraucheraufklärung. Dazu wollen wir die Verbraucherorganisationen stärken.
Wir wollen es dem einzelnen Verbraucher außerdem erleichtern, seine Rechte durchzusetzen.
Dazu ist zu überprüfen, ob die heutigen Verbandsklagebefugnisse ausreichend sind. Mit
dem Ausbau von verbraucherfreundlichen Beschwerdesystemen wollen wir daher den Weg für
schnelle und faire Verfahren in der außergerichtlichen Streitschlichtungen ebnen.
Den Verbrauchern wollen wir bei irreführender Werbung und falschen Versprechen ein
Vertragsauflösungsrecht einräumen.
Im Falle wettbewerbswidrigen Verhaltens sollen Verbraucher Anspruch auf individuellen
Schadensersatz erhalten.
Wir werden außerdem dafür sorgen, dass aus unlauterer Werbung entstandene Gewinne
abgeschöpft werden.
17. Innere Sicherheit
Sicherheit: Ein Bürgerrecht
Sicherheit vor Gewalt und Willkür ist die Grundlage einer jeden freiheitlichen
Gesellschaft.
Der Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor Verbrechen, Gewalt und Extremismus ist eine
zentrale Aufgabe unseres Rechtsstaats. Nur wer entschlossen gegen Kriminalität und ihre
Ursachen vorgeht, kann Freiheit und Demokratie garantieren. Für uns Sozialdemokraten ist
auch Sicherheit ein Bürgerrecht.
Deutschland ist mittlerweile eines der sichersten Länder der Welt. Die Kriminalität
sinkt und gleichzeitig steigt die Aufklärungsrate. Das ist vor allem ein Verdienst
unserer Polizei, die engagierte Arbeit leistet und für deren aufgabengerechte Ausstattung
immer wieder neu gesorgt werden muss.
Bei der Bekämpfung der Alltagskriminalität gibt es deutliche Erfolge. Sie wirken sich
positiv auf das Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger aus. Die Zahl der
Wohnungseinbrüche ist ebenso rückläufig wie die der Auto- und Taschendiebstähle.
Raubdelikte und Morde werden weniger. Die organisierte Kriminalität bekämpfen wir
erfolgreich durch erhöhten und effizienten Personaleinsatz und modernste Technik.
Die Bürgerinnen und Bürger können sich darauf verlassen, dass für uns Sozialdemokraten
Innere Sicherheit eine Sicherheit für alle ist - und nicht nur für die, die sich private
Sicherheit finanziell leisten können.
Vorbeugen ist der beste Schutz
Durch präventive Maßnahmen können Verbrechen bereits im Vorfeld wirkungsvoll verhindert
werden.
Wie versprochen, haben wir im Jahr 2001 erstmalig einen periodischen Sicherheitsbericht
erstellt. Er erfasst das gesamte Spektrum der Kriminalität und bezieht die Arbeit von
Polizei, Justiz und Strafvollzug umfassend ein. Er zeigt: Weiterführende präventive
Maßnahmen ermöglichen eine effektivere Verbrechensbekämpfung. Repression ist notwendig.
Aber Repression allein genügt nicht.
Dies gilt ganz besonders, wenn es darum geht, das Abgleiten von Kindern und Jugendlichen
in die Kriminalität zu verhindern. Hier sind die verantwortlichen Eltern besonders
gefordert. Wo sie zum Eingreifen nicht bereit oder in der Lage sind, müssen die zum
Handeln berufenen staatlichen Institutionen eingreifen.
Aber auch hier gilt: Bei strafbarem Verhalten ist eine rasche Reaktion von Polizei und
Justiz, aber auch der Kinder- und Jugendhilfe gefragt. Wegsehen hilft nicht.
Verantwortlich handeln heißt eingreifen. Auch rechtzeitige Repression hat präventive
Wirkung.
Wir bekämpfen Korruption
Korruption ist ein Krebsübel, auch in entwickelten Industrieländern. Wir bekämpfen sie
auch in unserem Rechtsstaat mit Konsequenzen. Die Legitimität demokratischer
Gesellschaften und die Glaubwürdigkeit ihrer Politiker können nur gewahrt werden, wenn
politische und administrative Entscheidungen nicht käuflich sind.
Die Möglichkeiten des Strafrechts zur Bekämpfung von Korruption sind begrenzt: Auch hier
gebührt der Prävention Vorrang. Wir ergreifen deshalb alle notwendigen Maßnahmen,
Korruption auf allen Ebenen wirkungsvoll zu bekämpfen.
Organisationsstrukturen und Entscheidungsprozesse müssen transparent sein. Dies kann z.
B. durch die Berücksichtigung des Vier-Augen-Prinzips bei der Auftragsvergabe, durch eine
personale Trennung von Leistungsausschreibung und Zuschlagserteilung, durch das
Rotationsprinzip bei den öffentlichen Auftraggebern und in den Entscheidungsstellen,
durch einen befristeten Ausschluss von der Korruption überführter Firmen oder durch die
Einrichtung eines zentralen Korruptionsregisters erreicht werden. Harte Strafen für
Korruption sind unverzichtbar. Die Wirtschaftsverbände und Institutionen sind ebenfalls
gefordert, dem Unwesen der aktiven Bestechung zu Leibe zu rücken, z. B. mit einem
Ehrenkodex für das Unternehmensmanagement.
Sichere Wege - sichere Städte
Unser Konzept "Sichere Kommune" sorgt für mehr Sicherheit im unmittelbaren
Wohn- und Lebensumfeld. Das private Sicherheitsgewerbe ist an manchen Orten ergänzend
nötig. Wir wollen aber, dass nur qualifiziertes Personal tätig werden darf. Deshalb
haben wir erstmals eine Rechtsgrundlage für das private Sicherheitsgewerbe geschaffen.
Der offene Einsatz von Videokameras an Kriminalitätsbrennpunkten trägt dazu bei, dass
die Vorbeugung verstärkt, die Zahl der Verbrechen reduziert, die Aufklärung und das
Sicherheitsgefühl verbessert werden. Im Rahmen ihrer Verantwortung hat die
Bundesregierung u.a. für Bahnhöfe neue gesetzliche Grundlagen geschaffen.
Wir wollen - mit den Ländern - die Videokameraüberwachung verantwortbar einsetzen. Dabei
werden datenschutzrechtliche Belange beachtet.
Zur Bekämpfung der Drogenkriminalität haben wir neue Wege eingeschlagen. Wir schützen
unsere Kinder vor den Versuchungen der Droge, vor unverantwortlichen Drogenhändlern und
vor Verwahrlosung und Beschaffungskriminalität.
Unsere Drogenpolitik steht heute auf vier Säulen: Weitgefächertes Präventionssystem,
Hilfe für Süchtige, Überlebenshilfen, konsequentes Vorgehen gegen Drogendealer und die
hinter ihnen stehenden internationalen kriminellen Kartelle.
Das hat sich bewährt: Im vergangenen Jahr sank die Zahl der Rauschgifttodesfälle
deutschlandweit erstmals seit 1997 um etwa 9,6 %.
Wir haben das Waffenrecht modernisiert und bekämpfen so den Missbrauch von Waffen. Waffen
dürfen nur in die Hände absolut zuverlässiger Personen.
Unsere Kinder schützen
Die Verbrechen gefährlicher Sexualstraftäter haben Kindern das Leben gekostet und
bringen unermessliches Leid über ihre Familien. Wir müssen eine möglichst optimalen
Schutz vor derartigen Verbrechen gewährleisten.
Eine wirksame Rückfallprophylaxe und bessere Prävention stehen deshalb im Zentrum
unseres resozialisierenden Straf- und Maßregelvollzugs.
Um Kinder wirksamer zu schützen, haben wir den Anwendungsbereich der Sicherungsverwahrung
rechtsstaatlich erweitert und damit die Gefahr verringert, die von
Wiederholungsstraftätern ausgeht. Sicherheit geht vor, daran halten wir fest.
Den Missbrauch des Internets für Straftaten, insbesondere auch zur Nutzung von
Kinderpornographie, und erst recht ihre Herstellung bekämpfen wir mit den gebotenen
rechtsstaatlichen Mitteln.
Darüber hinaus werden wir bei schweren Delikten Nutzen und Risiken einer Erweiterung
sowohl der Überwachung der Telekommunikation als auch der Eintragungsvoraussetzungen für
die DNA-Analyse-Datei des Bundeskriminalamtes überprüfen.
International kooperieren
Wir haben die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesgrenzschutz (BGS) und den Länderpolizeien
verbessert. Auch die internationale Kooperation des BGS mit Italien, Frankreich, Polen und
vielen anderen europäischen Staaten wurde intensiviert.
Die polizeiliche Zusammenarbeit mit den Bundesländern und unseren europäischen Nachbarn
wird gefestigt. Gegen die organisierte Kriminalität wird unnachsichtig vorgegangen.
Dem dienen auch der Aufbau von Ermittlungsteams, eines Expertenteams gegen Terrorismus,
einer europäischen Grenzpolizei und die Bekämpfung illegaler Finanzströme.
Wir machen ernst mit dem Gedanken grenzüberschreitender Zusammenarbeit, weil auch das
Verbrechen keine Grenzen kennt.
Dabei kommt gerade auch der internationalen Kooperation von Staatsanwaltschaften und
Gerichtsbarkeit in Europa und darüber hinaus eine wachsende Bedeutung zu. Durch die
Modernisierung von Recht und Justiz erhöhen wir zugleich die Qualität der
internationalen Zusammenarbeit und die Bedeutung der rechtsstaatlichen Grundsätze.
Dem Terrorismus den Boden entziehen
Der 11. September hat in erschreckender Weise gezeigt, dass der Schutz der Bürgerinnen
und Bürger ein neues und umfassendes Sicherheitsmanagement erfordert. Deshalb haben wir
sofort und umfassend reagiert.
Der Sicherheitsbereich wurde im Jahr 2002 um über 350 Millionen Euro und 2.320
zusätzliche Kräfte aufgestockt.
Die Kontrollen an Grenzen, Flughäfen und sicherheitsempfindlichen Einrichtungen wurden
verstärkt. In den Flugzeugen reisen seit dem 24. September 2001 bei Bedarf bewaffnete
Beamte mit. Pässe und Personalausweise erhalten neue Sicherheitsmerkmale und werden so
noch fälschungssicherer. Außerdem werden wir die. Aufnahme biometrischer Merkmale
gesetzlich regeln - unter strikter Berücksichtigung der Belange des Datenschutzes.
Das Sicherheitsmanagement nach den Anschlägen in den USA und angesichts der neuen Gefahr
des Bioterrorismus hat den Ausbau des Zivilschutzes und der Notfallkoordinierung
erforderlich gemacht.
Informationsfluss und die Koordinierung zwischen Bund und Ländern wurden erheblich
verbessert. Logistik und Ausstattung der Katastrophenschutzeinrichtung auch. Neu
eingerichtet wurden öffentliche Warnsysteme über die modernen Medien und eine
Zentralstelle für bioterroristische Gefahren beim Robert-Koch-Institut in Berlin.
Informationen zu schwerwiegenden Straftaten aus ganz Europa werden zusammengeführt und
zentral ausgewertet. Die Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaften und der Justiz haben zur
Wirksamkeit der Bekämpfung deutlich beigetragen.
Hilfe für Opfer verbessern
Mit dem Gewaltschutzgesetz und dem Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung haben
wir erfolgreich die Weichen zur Bekämpfung von Gewalt gestellt. Wir haben auch die Rechte
für die Opfer von Straftaten entscheidend verbessert. Sie können zukünftig im
Strafprozess ihre immateriellen und finanziellen Interessen verstärkt einbringen.
Täter sollen in größerem Maße als bislang bereits im Strafprozess zum Schadenersatz
verurteilt werden können. Opfer müssen dann dazu keinen eigenen Prozess mehr führen;
sie sollen mit ihrer Entschädigung künftig nicht mehr zurückstehen müssen, bis der
Täter die Geldstrafe bezahlt hat.
Durch eine Reform der Strafprozessordnung werden wir die Verfahren modernisieren und
beschleunigen. Opfer als Zeugen werden besser als bisher vor unnötigen Belastungen
geschützt. Wir wollen den verstärkten Einsatz von Bild- und Tonaufnahmen. So werden
quälende Mehrfachvernehmungen vermieden. Im Zuge der Verbesserung des Sanktionensystems
stellen wir sicher, dass endlich genügend Geld (10 % der Geldstrafe) für Organisationen
zur Verfügung gestellt wird, die sich in besonderer Weise um Hilfe für die Opfer
kümmern.
Datenschutz und IT-Sicherheit gewährleisten
Die Sicherheit in offenen Datennetzen wie dem Internet und die Weiterentwicklung des
Datenschutzes sind Grundlage für die Gewährleistung moderner Bürgerrechte in der
Informationsgesellschaft. IT-Sicherheit und Datenschutz sind gleichzeitig eine wichtige
Voraussetzung für eCommerce und eGovernment. Wir werden deshalb die informationelle
Selbstbestimmung und das Recht auf Zugang zu Informationen sicherstellen. Wir setzen
verstärkt auf die Entwicklung sicherer Software (Opensource- Lösungen). Wir wollen
Vertrauen schaffen. Dafür haben wir gemeinsam mit den Anbietern eine Vielzahl von
Maßnahmen zur Verbesserung der Internetsicherheit umgesetzt und europaweit die modernsten
rechtlichen Grundlagen für Anbieter und Verbraucher geschaffen. Wir haben den Aufbau
einer nationalen Infrastruktur von sogenannten "Computernotfallteams" (CERT)
begonnen. Als nächstes werden wir eine CERT-Infrastruktur schaffen, die auch den
Bürgerinnen und Bürgern unmittelbar zur Verfügung steht. Damit sie die neuen
Dienstleistungen im Internet sicher nutzen können.
18. Zuwanderung
Deutschland ist ein weltoffenes und ausländerfreundliches Land. Von insgesamt 7,3 Mio.
Ausländern lebten mehr als die Hälfte bereits seit 10 Jahren und länger bei uns. Etwa
zwei Drittel der hier lebenden ausländischen Kinder und Jugendlichen sind in Deutschland
geboren. Das zeigt: Zur sozialdemokratischen Integrationspolitik, die auf Verständigung
und Toleranz baut, gibt es keine Alternative.
Integration braucht Bereitschaft
Eine erfolgreiche Integration braucht den Erfolgswillen beider Seiten. Sie braucht die
Zustimmung der Deutschen und sie setzt bei den Zuwanderern den ernsthaften Willen zur
Integration in die deutsche Gesellschaft voraus.
Wir sind gegen jede Verfestigung kultureller Parallelgesellschaften. Dazu hat das neue
Staatsangehörigkeitsrecht aus dem Jahre 2000 einen wichtigen Beitrag geleistet.
In der Vergangenheit war Zuwanderung nicht durch hinreichende Integration begleitet. Wir
verstärken nun die staatlichen Anstrengungen und werben um bürgerschaftliches
Engagement. Wir wollen verpflichtende staatliche Integrationsangebote und - kurse für
Neuzuwanderer. Und Anreize für bereits hier lebende Migrantinnen und Migranten. Der Bund
wird sich an den Kosten beteiligen.
Zuwanderung steuern und begrenzen
Im globalen Wettbewerb um die besten Köpfe geht es nicht um das "ob" von
Zuwanderung, sondern darum, wie sie im Interesse Deutschlands gesteuert werden kann. Eine
vernünftige Arbeitsmigration begrenzt die Zuwanderung daher auf das volkswirtschaftlich
sinnvolle und am Arbeitsmarkt notwendige, ohne die Aufnahmefähigkeit des Landes zu
überfordern. Die Green-Card-Regelung hat sich bewährt. Wir stellen aber sicher, dass
auch weiterhin nur solche Arbeitsplätze durch Arbeitsmigranten besetzt werden, für die
sich keine inländischen Interessenten finden lassen.
Unser Zuwanderungsgesetz garantiert das.
Asylrecht schützen - Missbrauch verhindern
Wir stehen uneingeschränkt zum Grundrecht auf Asyl, das wir auch als kulturelle
Errungenschaft und moralische Verpflichtung der deutschen Nachkriegsdemokratie begreifen.
Wer auf Rettung angewiesen ist, soll sie erfahren.
Asylmissbrauch werden wir hingegen nicht tolerieren. Unser neues Zuwanderungsgesetz gibt uns die nötigen Mittel an die
Hand, besser und schneller dagegen vorzugehen. Wir werden sie ausschöpfen, auch damit wir
die Kraft haben, den wirklich Verfolgten effektiven Schutz geben zu können.
Ein einheitliches europäisches Asylrecht schaffen
Auf europäischer Ebene werden wir uns darüber hinaus für eine gerechtere
Lastenverteilung und ein einheitliches Asylrecht einsetzen, so dass die Mitgliedstaaten
gleichmäßiger belastet werden. Gleichzeitig werden wir uns in den Krisenregionen
engagieren, um den Menschen in ihrer Heimat eine Perspektive zu eröffnen und zu
verhindern, dass Menschen verfolgt und vertrieben werden.
19. Moderner Staat
Verlässlicher Partner
Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von ihrer Verwaltung zu recht, dass ihre
Angelegenheiten schnell und unkompliziert erledigt werden.
In unserer Regierungszeit haben wir mit dem Programm "Moderner Staat - Moderne
Verwaltung" den Wandel des hoheitlichen Staates zu einem kundenorientierten
Dienstleistungsunternehmen eingeleitet.
So wird unser Leitbild vom "aktivierenden Staat" zur Wirklichkeit. Den
eingeschlagenen Weg setzen wir fort: Bürokratieabbau, modernes Management, Wettbewerb
zwischen den Behörden, größere Eigenverantwortung, betriebswirtschaftliche Kosten- und
Leistungsrechnung, effizienter Personaleinsatz. Damit die Bürgerinnen und Bürger den
Staat an ihrer Seite und nicht vor ihrer Nase haben.
Mit erfolgreicher Public Private Partnership - wie der Initiative "Schulen ans
Netz" - wird der aktivierende Staat zu einem Partner in einer lebendigen
Zivilgesellschaft. Daran werden wir anknüpfen. Es gibt eine Vielzahl von Aufgaben, die
wir zusammen mit privaten Unternehmen und gesellschaftlichen Akteuren besser und vielfach
kostengünstiger erledigen können.
Verwaltung geht online
Mit der eGovernment-Initiative BundOnline wollen wir bis 2005 alle 376 internetfähigen
Dienstleistungen der Bundesverwaltung online zur Verfügung stellen.
Schon heute stellt die Bundesregierung die wichtigsten Gesetze und Verordnungen kostenlos
ins Netz. Mit dem größten eGovernment-Projekt in Europa reduzieren wir die Kosten der
staatlichen Bürokratie um 400 Millionen Euro jährlich. Der Bund wird so zum
Schrittmacher auf dem Weg in die Informationsgesellschaft und erhöht die Transparenz
beispielsweise bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen.
Dienstrecht
Unsere moderne Dienstleistungsverwaltung braucht ein modernes Dienstrecht. Leistung und
Kreativität müssen sich stärker lohnen.
Aus diesem Grund werden wir die Leistungsbezahlung und ein modernes Personalmanagement in
der Verwaltung weiter ausbauen.
Klare Zuständigkeiten
Der deutsche Föderalismus hat sich bewährt - auch im Zuge einer fortschreitenden
europäischen Integration. Aber Bürgernähe, Demokratie und eine moderne Verwaltung
brauchen klare Regelung der Verantwortung. Das wird in den nächsten vier Jahren eine
wichtige Aufgabe sein. Gemeinschaftsaufgaben und Mischfinanzierungen werden wir Zug um Zug
entflechten, damit die Verantwortlichkeiten für Entscheidungen transparenter werden und
die Eigenverantwortung dominiert.
Modernes Recht - moderne Justiz
Wir haben im Bereich der Rechtspolitik den quälenden Reformstau aufgelöst. Das Gebot
unserer Verfassung zur Stärkung der Rechte Schwächerer haben wir sowohl im Bereich des
Mietrechts wie auch beim Schutz der Kreativen und Urheber gesichert.
Wir haben den Schutz gegen häusliche Gewalt erhöht.
Durch das neue Haftungsrecht haben wir nicht nur Arzneimittelopfer und Unfallopfer besser
gestellt. Mit der Modernisierung unseres Rechts, insbesondere auch der Juristenausbildung
sichern wir Recht und Justiz den Platz, den sie in unserem Gemeinwesen innehaben.
Durch die Modernisierung unseres Schuldrechts und anderer wichtiger Rechtsbereiche sind
wir wieder zu Schrittmachern der Schaffung eines europäischen Zivilrechts geworden. Diese
wichtige Politik setzen wir fort.
20. Politik für ein demokratisches Land mit offener Kultur und freien Medien
Demokratie bestimmt politische Partizipation
Demokratie braucht Parteinahme. Mitentscheiden, mitgestalten und mitverantworten: Darauf
ist Demokratie angewiesen. Die aktive Teilnahme an Wahlen gehört dazu.
Politik ist keine Garantie für Frieden, soziale Gerechtigkeit und Sicherheit, aber sie
bietet die Chance dazu. Deshalb brauchen wir starke demokratische Parteien.
Wir wollen aber ebenso mehr unmittelbare Beteiligungsrechte für Bürgerinnen und Bürger
auch auf der Bundesebene. Die repräsentative Demokratie bleibt in ihrer Verantwortung.
Aber das Grundgesetz soll zukünftig auch eine
breitere Bürgerbeteiligung ermöglichen, ergänzend zu den Parlamentswahlen:
Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid sollen auf der Grundlage sinnvoller
Quoren auch auf der Bundesebene möglich sein.
Attraktives Ehrenamt
Ein demokratischer Staat braucht bürgerschaftliches Engagement. Etwa 22 Millionen
Menschen sind in Deutschland in Vereinen und Verbänden, Kirchen und
Religionsgemeinschaften, Initiativen und Projekten aktiv. Sie setzen ihre Zeit und oft
auch privates Geld ein für freiwillig übernommenen Aufgaben. Ohne sie wäre unsere
Gesellschaft weniger menschlich. Ihr Einsatz ist unverzichtbar und unbezahlbar. Er ist
Ausdruck einer vitalen Bürgergesellschaft.
Zum Zeichen unserer Anerkennung wird das Ehrenamt mit einer erhöhten
Übungsleiterpauschale von 150 Euro monatlich unterstützt. Wir haben sie auch auf
Betreuerinnen und Betreuer ausgeweitet und ihre Anwendung entbürokratisiert.
Mit dem neuen Stiftungsrecht haben wir auch das ehrenamtliche Engagement attraktiver
gemacht. Wir begrüßen die Vorschläge der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages,
die junge Generation für ehrenamtliches Engagement zu gewinnen.
Wir wollen ein gesellschaftliches Klima, in dem bürgerschaftliches Engagement allgemein
anerkannt ist. Und in dem ein solches Engagement sich auch in der beruflichen Vita als
förderlich erweist. Soziale Kompetenz muss auch ein Einstellungs- und
Beförderungskriterium für das berufliche Fortkommen sein.
Unternehmen, die das ehrenamtliche Engagement ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
fördern, verdienen gesellschaftliche Anerkennung.
Wer in den Reihen von Freiwilligendiensten arbeitet, verdient nicht nur unseren Respekt,
sondern auch Anerkennung und Unterstützung. Wir werden die Entwicklung einer bundesweiten
Plattform unterstützen, die das bürgerschaftliche Engagement verbreitern hilft.
Anderssein akzeptieren
Wir leben in einer pluralistischen Gesellschaft. Fundamente einer solchen Gesellschaft
sind gegenseitige Anerkennung und gegenseitiger Respekt.
Als Partei der Gerechtigkeit hat sich die SPD immer gegen Ausgrenzung und Ausbeutung
gestellt. Wir stellen uns auch gegen die, die Angst gegen Menschen anderer Herkunft
schüren. Ein friedliches Miteinander setzt voraus, dass die Vielzahl der Kulturen in
Deutschland als gleichwertig anerkannt wird.
Der Geist unserer Verfassung ist geprägt von Toleranz und Achtung der Menschenwürde. Wer
in Deutschland lebt, muss diese Verfassung achten und die Gesetze einhalten, mit allen
Rechten und Pflichten.
Rechte der Minderheiten stärken
Die Förderung und der Schutz der autochtonen (alteingesessenen) Minderheiten und
Volksgruppen der Dänen, Friesen, Sorben und der Sinti und Roma ist uns politische
Verpflichtung. Wir werden weiterhin im Rahmen langfristiger politischer Programme und in
Abstimmung mit den betroffenen Bundesländern konkrete Projekte unterstützen. Die
bestehenden Gremien der Minderheiten und Volksgruppen bei der Bundesregierung wollen wir
stärken und zusammen mit den Vertretern des Deutschen Bundestages auch durch direkte
Ansprechpartner für die Vertreter der Minderheiten und Volksgruppen koordinieren.
Modernes Staatsangehörigkeitsrecht
Mit dem von uns geschaffenen Staatsbürgerrecht ist die gesellschaftliche Realität
anerkannt. Die Integration der Zuwanderer und Zuwanderinnen ist leichter möglich.
Eindeutige Kriterien für die Erlangung deutscher Staatsbürgerschaft sind nun gesetzlich
festgelegt. Die Einbürgerung der hier Geborenen wurde wesentlich erleichtert. Wir haben
den Anspruch einer aufgeklärten Demokratie eingelöst und unser Land in die moderne
europäische Wirklichkeit geführt.
Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften
Mit unserem Gesetz über die Lebenspartnerschaften haben wir die Anerkennung von Menschen
mit gleichgeschlechtlicher Orientierung in unserer Gesellschaft endlich durchgesetzt.
Heute ist Rechtssicherheit für alle gegeben, die in einer gleichgeschlechtlichen
Partnerschaft füreinander mit Rechten und Pflichten einstehen wollen.
Gegen Rassismus
Wir haben dem Rassismus den Kampf angesagt. Und wir streben das Verbot
rechtsextremistischer Organisationen an, die mit ihren Parolen und ihren Taten Intoleranz
verbreiten.
Wir begrüßen die breite Unterstützung - gerade von Jugendlichen und ihren Verbänden -
im Vorgehen gegen Rassismus und Extremismus und fördern sie mit entsprechenden
Programmen.
Kultur - offen und fürs ganze Land
Kultur ist ein unverzichtbares gesellschaftliches Gut. Sie trägt dazu bei, unserer
Gesellschaft ein humanes Gesicht zu geben. Mit dem Regierungswechsel von 1998 entstand
eine neue Offenheit von Politik und Kultur.
Wir haben uns zur kulturpolitischen Verantwortung des Bundes bekannt. Das bereichert
unseren Kulturföderalismus und bewahrt unser vielfältiges nationales Kulturerbe.
Die Einrichtung eines Ausschusses für Kultur und Medien im Deutschen Bundestag und die
Berufung eines Staatsministers im Kanzleramt haben zu einer verstärkten Förderung
kultureller Einrichtungen beigetragen, nicht zuletzt in den neuen Ländern und in der
Hauptstadt.
Mit dem "Denkmal für die ermordeten Juden Europas" an symbolischer Stelle
mitten in Berlin setzen wir ein Zeichen für eine Kultur des Erinnerns.
Die Verbesserung der Lage vieler Kulturschaffender durch eine Novellierung der
Künstlersozialversicherung und die Reform des Urhebervertragsrechts war uns ein wichtiges
Anliegen.
Die Neukonzeption der auswärtigen Kulturpolitik als dritte Säule unserer Außenpolitik
hat unsere Aktionsplattform für den Dialog der Kulturen und die kritische Begleitung des
Globalisierungsprozesses erweitert. Das gilt auch für die Neustrukturierung der Deutschen
Welle und die konzeptionelle Weiterentwicklung der Goethe-Institute.
Durch eine Reform des Stiftungssteuerrechts haben wir für Mäzene und Stifter neue
Möglichkeiten der Förderung von Kunst und Kultur eröffnet. Die neu geschaffene
Bundeskulturstiftung ist Ausdruck kultureller Weltoffenheit, die sich zur Bewahrung des
nationalen kulturellen Erbes bekennt. Das schließt die europäische Dimension mit ein.
Denn ein wirtschaftlich und politisch geeintes Europa wäre ein Torso ohne kulturelle
Identifikation. Eine der Demokratie verhaftete Zivilgesellschaft setzt historisches
Bewusstsein, aber auch Offenheit für Neues, die Pflege kultureller Traditionen und
gleichzeitig die Bereitschaft zu Veränderung voraus.
Es ist gelungen, die Buchpreisbindung zu verteidigen. Neue Akzente in der Filmförderung
sollen den deutschen Film auf dem internationalen Markt stärken.
Wir sind uns bewusst, dass gerade die Populärkultur eine wichtige Ausdrucksform und
Themengeberin für eine breite Bevölkerungsgruppe ist. Deshalb werden wir den bereits
begonnenen intensiven Dialog zwischen der SPD-geführten Bundesregierung und Künstlern
aus dem Pop-Bereich fortsetzen und ausbauen.
Selbstbewusst und weltoffen
Der Anfang ist gemacht. Aber es ist noch manches zu tun. Wir werten die Politik für
Kultur weiter auf.
Dazu vertiefen wir auch den Dialog zwischen Bund und Ländern.
Und wir kümmern uns um die Rolle der Kultur in der europäischen Dimension. Sie muss
kulturell begründetes nationales Bewusstsein mit europäischen Identität verbinden.
Minderheiten müssen sich verstärkt in der Kunst und in der Alltagskultur wiederfinden
können. Das stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Medienvielfalt
Medien werden immer vielfältiger. Wir begrüßen das als eine große Chance für
Information, Bildung, Kultur, Wissenschaft und Unterhaltung.
Wir bejahen den Wettbewerb von öffentlich-rechtlichen und privaten Veranstaltern als
Bereicherung einer sich ausweitenden Medienlandschaft. Beide sind feste Standbeine der
Medien- und der Kulturwirtschaft. Den neuen Herausforderungen globaler und digitalisierter
Medien wollen wir mit einer modernen Informations- und Kommunikationsordnung begegnen.
ARD und ZDF als öffentlich-rechtliche Anbieter müssen teilhaben können an neuen
Entwicklungen und Marktchancen. Sie sind unverzichtbar für unsere demokratische Kultur
und Meinungsbildung. Mit dem Kulturkanal ARTE, dem Ereigniskanal Phoenix, dem Kinderkanal
und 3Sat werden von der öffentlich-rechtlichen Senderfamilie Minderheiteninteressen
abgedeckt.
Wir stehen uneingeschränkt zur Pressefreiheit und dem Grundprinzip der Unabhängigkeit
der Medien. Freiheit der Medien verträgt sich nicht mit Monopolen. Wir werden die
Entwicklung aufmerksam beobachten und nötigenfalls sicherstellen, dass wirtschaftliche
Macht nicht in marktbeherrschende Medienmacht und erst recht nicht in politische Macht
umschlagen darf. Auch nicht von außen! Daher brauchen wir europäisches Handeln zur
Sicherung von Meinungsvielfalt und Pluralismus, und deshalb fordern wir den Konvent auf,
die Staatsferne als europaweit geltendes Prinzip festzuschreiben.
Der Umgang mit einer Vielzahl und Vielfalt der Medien im Zeitalter der Digitalisierung
muss erlernt werden. Die Vermittlung von Medienkompetenz ist eine Herausforderung für
Politik und Bildungseinrichtungen vom Kindergarten bis zur Erwachsenenbildung. Auch in den
Familien und in der Arbeitswelt will die verantwortliche Nutzung von Internet und einer
wachsenden Zahl von Medienkanälen geübt sein.
Der Weg in die Informations- und Wissensgesellschaft muss begleitet sein von einem offenen
und öffentlichen Diskurs über die Chancen und Risiken dieser Entwicklung. Ziel ist es,
in der Vielfalt von Informationen Orientierung zu vermitteln, zu gewinnen und zu behalten.
SPD: POLITIK DER MITTE - POLITIK FÜRS LAND
Das Ziel der SPD für die Bundestagswahl am 22. September 2002 ist eindeutig:
Gerhard Schröder soll Kanzler bleiben.
Die SPD-Fraktion soll stärkste Fraktion im Deutschen Bundestag bleiben:
Damit wir die guten politischen Schritte der Jahre seit 1998 mit sicherer Mehrheit
fortführen können. Solide und mit dem Mut zu Neuem.
Damit es nicht rückwärts geht in Deutschland.
Die Koalition mit Bündnis 90/Die Grünen hat sich bewährt. Wenn das Wahlergebnis es
erlaubt, setzen wir sie fort. Eine direkte oder indirekte Form der
Regierungszusammenarbeit mit der PDS wird es für uns auf der Bundesebene nicht geben.
Mit den politischen Mitbewerbern werden wir uns im Wahlkampf deutlich aber fair
auseinandersetzen. Der Disput um den richtigen Weg ist Teil der Demokratie.
Unser Weg ist klar:
ERNEUERUNG UND ZUSAMMENHALT!
WIR IN DEUTSCHLAND!
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