Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und den Drei Mächten
["Deutschlandvertrag"]
vom 26. Mai 1952
in der Fassung vom 23. Oktober 1954
Die Bundesrepublik Deutschland,
Die Vereinigten Staaten von Amerika,
Das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland
und
Die Französische Republik
haben zur Festlegung der Grundlagen ihres neuen Verhältnisses den folgenden Vertrag
geschlossen:
Artikel 1
(1) Mit dem Inkrafttreten dieses Vertrags werden die Vereinigten
Staaten von Amerika, das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland und die
Französische Republik (in diesem Vertrag und in den Zusatzverträgen auch als "Drei
Mächte" bezeichnet) das Besatzungsregime in der Bundesrepublik beenden, das
Besatzungsstatut aufheben und die Alliierte Hohe Kommission sowie die Dienststellen der
Landeskommissare in der Bundesrepublik auflösen.
(2) Die Bundesrepublik wird demgemäß die volle Macht eines souveränen Staates
über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten haben.
Artikel 2
Im Hinblick auf die internationale Lage, die bisher die
Wiedervereinigung Deutschlands und den Abschluß eines Friedensvertrags verhindert hat,
behalten die Drei Mächte die bisher von ihnen ausgeübten oder innegehabten Rechte und
Verantwortlichkeiten in bezug auf Berlin und auf Deutschland als Ganzes einschließlich
der Wiedervereinigung Deutschlands und einer friedensvertraglichen Regelung. Die von den
Drei Mächten beibehaltenen Rechte und Verantwortlichkeiten in bezug auf die Stationierung
von Streitkräften in Deutschland und der Schutz der Sicherheit dieser Streitkräfte
bestimmen sich nach den Artikeln 4 und 5 dieses Vertrags.
Artikel 3
(1) Die Bundesrepublik wird ihre Politik in Einklang mit den
Prinzipien der Satzung der Vereinten Nationen und mit den im Statut des Europarates
aufgestellten Zielen halten.
(2) Die Bundesrepublik bekräftigt ihre Absicht, sich durch ihre Mitgliedschaft in
internationalen Organisationen, die zur Erreichung der gemeinsamen Ziele der freien Welt
beitragen, mit der Gemeinschaft der freien Nationen völlig zu verbinden. Die Drei Mächte
werden zu gegebener Zeit Anträge der Bundesrepublik unterstützen, die Mitgliedschaft in
solchen Organisationen zu erlangen.
(3) Bei Verhandlungen mit Staaten, mit denen die Bundesrepublik keine Beziehungen
unterhält, werden die Drei Mächte die Bundesrepublik in Fragen konsultieren, die deren
politische Interessen unmittelbar berühren.
(4) Auf Ersuchen der Bundesregierung werden die Drei Mächte die erforderlichen
Vorkehrungen treffen, die Interessen der Bundesrepublik in ihren Beziehungen zu anderen
Staaten und in gewissen internationalen Organisationen oder Konferenzen zu vertreten,
soweit die Bundesrepublik dazu nicht selbst in der Lage ist.
Artikel 4
(1) Bis zum Inkrafttreten der Abmachungen über den deutschen
Verteidigungsbeitrag behalten die Drei Mächte weiterhin ihre bisher ausgeübten oder
innegehabten Rechte in bezug auf die Stationierung von Streitkräften in der
Bundesrepublik. Die Aufgabe dieser Streitkräfte wird die Verteidigung der freien Welt
sein, zu der die Bundesrepublik und Berlin gehören. Vorbehaltlich der Bestimmungen des
Artikels 5 Absatz (2) dieses Vertrags bestimmen sich die Rechte und Pflichten dieser
Streitkräfte nach dem Vertrag über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte
und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland (im folgenden als
"Truppenvertrag" bezeichnet), auf den in Artikel 8 Absatz (1) dieses Vertrags
Bezug genommen ist.
(2) Die von den Drei Mächten bisher ausgeübten oder innegehabten und weiterhin
beizubehaltenden Rechte in bezug auf die Stationierung von Streitkräften in Deutschland
werden von den Bestimmungen dieses Artikels nicht berührt, soweit sie für die Ausübung
der im ersten Satz des Artikels 2 dieses Vertrags genannten Rechte erforderlich sind. Die
Bundesrepublik ist damit einverstanden, daß vom Inkrafttreten der Abmachungen über den
deutschen Verteidigungsbeitrag an Streitkräfte der gleichen Nationalität und
Effektivstärke wie zur Zeit dieses Inkrafttretens in der Bundesrepublik stationiert
werden dürfen. Im Hinblick auf die in Artikel 1 Absatz (2) dieses Vertrags umschriebene
Rechtsstellung der Bundesrepublik und im Hinblick darauf, daß die Drei Mächte gewillt
sind, ihre Rechte betreffend die Stationierung von Streitkräften in der Bundesrepublik,
soweit diese betroffen ist, nur in vollem Einvernehmen mit der Bundesrepublik auszuüben,
wird diese Frage in einem besonderen Vertrag geregelt.
Artikel 5
(1) Für die in der Bundesrepublik
stationierten Streitkräfte gelten bis zum Inkrafttreten der Abmachungen über den
deutschen Verteidigungsbeitrag die folgenden Bestimmungen: |
|
a) Die Drei Mächte werden die Bundesregierung in allen die Stationierung
dieser Streitkräfte betreffenden Fragen konsultieren, soweit es die militärische Lage
erlaubt. Die Bundesrepublik wird nach Maßgabe dieses Vertrags und der Zusatzverträge im
Rahmen ihres Grundgesetzes mitwirken, um diesen Streitkräften ihre Aufgabe zu
erleichtern.
b) Die Drei Mächte werden nur nach vorheriger Einwilligung der Bundesrepublik Truppen
eines Staates, der zur Zeit keine Kontingente stellt, als Teil ihrer Streitkräfte im
Bundesgebiet stationieren. Jedoch dürfen solche Kontingente im Falle eines Angriffs oder
unmittelbar drohenden Angriffs ohne Einwilligung der Bundesrepublik in das Bundesgebiet
gebracht werden, dürfen dagegen nach Beseitigung der Gefahr nur mit Einwilligung der
Bundesrepublik dort verbleiben. |
(2) Die von den Drei Mächten bisher
innegehabten oder ausgeübten Rechte in bezug auf den Schutz der Sicherheit von in der
Bundesrepublik stationierten Streitkräften, die zeitweilig von den Drei Mächten
beibehalten werden, erlöschen, sobald die zuständigen deutschen Behörden entsprechende
Vollmachten durch die deutsche Gesetzgebung erhalten haben und dadurch in Stand gesetzt
sind, wirksame Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit dieser Streitkräfte zu treffen,
einschließlich der Fähigkeit, einer ernstlichen Störung der öffentlichen Sicherheit
und Ordnung zu begegnen. Soweit diese Rechte weiterhin ausgeübt werden können, werden
sie nur nach Konsultation mit der Bundesregierung ausgeübt werden, soweit die
militärische Lage eine solche Konsultation nicht ausschließt, und wenn die
Bundesregierung darin übereinstimmt, daß die Umstände die Ausübung derartiger Rechte
erfordern. Im übrigen bestimmt sich der Schutz der Sicherheit dieser Streitkräfte nach
den Vorschriften des Truppenvertrags oder den Vorschriften des Vertrags, welcher den
Truppenvertrag ersetzt, und nach deutschem Recht, soweit nicht in einem anwendbaren
Vertrag etwas anderes bestimmt ist. |
Artikel 6
(1) Die Drei Mächte werden die Bundesrepublik hinsichtlich der
Ausübung ihrer Rechte in bezug auf Berlin konsultieren.
(2) Die Bundesrepublik ihrerseits wird mit den Drei Mächten zusammenwirken, um es
ihnen zu erleichtern, ihren Verantwortlichkeiten in bezug auf Berlin zu genügen.
Artikel 7
(1) Die Unterzeichnerstaaten sind darüber einig, daß ein
wesentliches Ziel ihrer gemeinsamen Politik eine zwischen Deutschland und seinen
ehemaligen Gegnern frei vereinbarte friedensvertragliche Regelung für ganz Deutschland
ist, welche die Grundlage für einen dauerhaften Frieden bilden soll. Sie sind weiterhin
darüber einig, daß die endgültige Festlegung der Grenzen Deutschlands bis zu dieser
Regelung aufgeschoben werden muß.
(2) Bis zum Abschluß der friedensvertraglichen Regelung werden die
Unterzeichnerstaaten zusammenwirken, um mit friedlichen Mitteln ihr gemeinsames Ziel zu
verwirklichen: Ein wiedervereinigtes Deutschland, das eine freiheitlich-demokratische
Verfassung, ähnlich wie die Bundesrepublik, besitzt und das in die europäische
Gemeinschaft integriert ist.
(3) (gestrichen)
(4) Die Drei Mächte werden die Bundesrepublik in allen Angelegenheiten
konsultieren, welche die Ausübung ihrer Rechte in bezug auf Deutschland als Ganzes
berühren.
Artikel 8
(1) |
a) Die Unterzeichnerstaaten haben die folgenden
Zusatzverträge geschlossen: |
|
|
Vertrag über die Rechte und Pflichten ausländischer
Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland;
Finanzvertrag;
Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen. |
|
b) Der Vertrag über die Rechte und Pflichten
ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland und
das am 26. Mai 1952 in Bonn unterzeichnete Abkommen über die steuerliche Behandlung der
Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der durch das Protokoll vom 26. Juli 1952
abgeänderten Fassung bleiben bis zum Inkrafttreten neuer Vereinbarungen über die Rechte
und Pflichten der Streitkräfte der Drei Mächte und sonstiger Staaten, die Truppen auf
dem Gebiet der Bundesrepublik unterhalten, in Kraft. Die neuen Vereinbarungen werden auf
der Grundlage des in London am 19. Juni 1951 zwischen den Parteien des Nordatlantikpakts
über den Status ihrer Streitkräfte unterzeichneten Abkommens getroffen, ergänzt durch
diejenigen Bestimmungen, die im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse in bezug auf die
in der Bundesrepublik stationierten Streitkräfte erforderlich sind.
c) Der Finanzvertrag bleibt bis zum Inkrafttreten neuer Vereinbarungen in Kraft, über die
gemäß Artikel 4 Absatz (4) jenes Vertrags mit anderen Mitgliedstaaten der
Nordatlantikpakt-Organisation verhandelt wird, die Truppen im Bundesgebiet stationiert
haben. |
(2) Während der in
Artikel 6 Absatz (4) des Ersten Teils des Vertrags zur Regelung aus Krieg und Besatzung
entstandener Fragen vorgesehenen Übergangszeit bleiben die in jenem Absatz erwähnten
Rechte der drei Unterzeichnerstaaten erhalten. |
Artikel 9
(1) Es wird ein Schiedsgericht errichtet werden, das gemäß den
Bestimmungen der beigefügten Satzung tätig werden wird.
(2) Das Schiedsgericht ist ausschließlich zuständig für alle Streitigkeiten, die
sich zwischen der Bundesrepublik und den Drei Mächten aus den Bestimmungen dieses
Vertrags oder der beigefügten Satzung oder eines der Zusatzverträge ergeben und welche
die Parteien nicht durch Verhandlungen oder auf eine andere zwischen allen
Unterzeichnerstaaten vereinbarte Weise beizulegen vermögen, soweit sich nicht aus Absatz
(3) dieses Artikels oder aus der beigefügten Satzung oder aus den Zusatzverträgen etwas
anderes ergibt.
(3) Streitigkeiten, welche die in Artikel 2, den ersten beiden Sätzen des Absatzes
(1) des Artikels 4, dem ersten Satz des Absatzes (2) des Artikels 4 und den ersten beiden
Sätzen des Absatzes (2) des Artikels 5 angeführten Rechte der Drei Mächte oder
Maßnahmen auf Grund der Rechte berühren, unterliegen nicht der Gerichtsbarkeit des
Schiedsgerichtes oder eines anderen Gerichtes.
Artikel 10
Die Unterzeichnerstaaten
überprüfen die Bestimmungen dieses Vertrags und der Zusatzverträge: |
|
a) auf Ersuchen eines von ihnen im Falle der Wiedervereinigung
Deutschlands oder einer unter Beteiligung oder mit Zustimmung der Staaten, die Mitglieder
dieses Vertrags sind, erzielten internationalen Verständigung über Maßnahmen zur
Herbeiführung der Wiedervereinigung Deutschlands oder der Bildung einer europäischen
Föderation, oder
b) in jeder Lage, die nach Auffassung aller Unterzeichnerstaaten aus einer Änderung
grundlegenden Charakters in den zur Zeit des Inkrafttretens des Vertrags bestehenden
Verhältnissen entstanden ist.
In beiden Fällen werden sie in gegenseitigem Einvernehmen diesen Vertrag und die
Zusatzverträge in dem Umfang ändern, der durch die grundlegende Änderung der Lage
erforderlich oder ratsam geworden ist. |
Artikel 11
(1) (gestrichen)
(2) (gestrichen)
(3) Dieser Vertrag und die Zusatzverträge werden in den Archiven der Regierung der
Bundesrepublik Deutschland hinterlegt; diese wird jedem Unterzeichnerstaat beglaubigte
Ausfertigungen übermitteln und jeden Unterzeichnerstaat vom Zeitpunkt des Inkrafttretens
dieses Vertrags und der Zusatzverträge in Kenntnis setzen.
[...]
|