Vertrag
zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
["Moskauer Vertrag"
Vom 12. August 1970][1]
Die Hohen Vertragschließenden Parteien
IN DEM BESTREBEN, zur Festigung des Friedens und der Sicherheit in Europa und
in der Welt beizutragen,
IN DER ÜBERZEUGUNG, daß die friedliche Zusammenarbeit zwischen den Staaten auf
der Grundlage der Ziele und Grundsätze der Charta
der Vereinten Nationen den sehnlichen Wünschen der Völker und den allgemeinen
Interessen des internationalen Friedens entspricht,
IN WÜRDIGUNG der Tatsache, daß die früher von ihnen verwirklichten
vereinbarten Maßnahmen, insbesondere der Abschluß des Abkommens vom 13. September 1955
über die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen, günstige Bedingungen für neue
wichtige Schritte zur Weiterentwicklung und Festigung ihrer gegenseitigen Beziehungen
geschaffen haben,
IN DEM WUNSCHE, in vertraglicher Form ihrer Entschlossenheit zur Verbesserung und
Erweiterung der Zusammenarbeit zwischen ihnen Ausdruck zu verleihen, einschließlich der
wirtschaftlichen Beziehungen sowie der wissenschaftlichen, technischen und kulturellen
Verbindungen, im Interesse beider Staaten,
SIND wie folgt übereingekommen:
Artikel 1
Die Bundesrepublik Deutschland und die Union der Sozialistischen
Sowjetrepubliken betrachten es als wichtiges Ziel ihrer Politik, den internationalen
Frieden aufrechtzuerhalten und die Entspannung zu erreichen.
Sie bekunden ihr Bestreben, die Normalisierung der Lage in Europa und die Entwicklung
friedlicher Beziehungen zwischen allen europäischen Staaten zu fördern und gehen
dabei von der in diesem Raum bestehenden wirklichen Lage aus.
Artikel 2
Die Bundesrepublik Deutschland und die Union der Sozialistischen
Sowjetrepubliken werden sich in ihren gegenseitigen Beziehungen sowie in Fragen der
Gewährleistung der europäischen und der internationalen Sicherheit von den Zielen
und Grundsätzen, die in der Charta der
Vereinten Nationen niedergelegt sind, leiten lassen. Demgemäß werden sie ihre
Streitfragen ausschließlich mit friedlichen Mitteln lösen und übernehmen die
Verpflichtung, sich in Fragen, die die Sicherheit in Europa und die
internationale Sicherheit berühren, sowie in ihren gegenseitigen Beziehungen gemäß
Artikel 2 der Charta der Vereinten Nationen der Drohung mit
Gewalt oder der Anwendung von Gewalt zu enthalten.
Artikel 3
In Übereinstimmung mit den vorstehenden Zielen und Prinzipien
stimmen die Bundesrepublik Deutschland und die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
in der Erkenntnis überein, daß der Friede in Europa nur erhalten werden kann,
wenn niemand die gegenwärtigen Grenzen antastet.
Sie verpflichten sich, die territoriale Integrität aller Staaten in Europa in
ihren heutigen Grenzen uneingeschränkt zu achten;
sie erklären, daß sie keine Gebietsansprüche gegen irgend jemand haben und
solche in Zukunft auch nicht erheben werden;
sie betrachten heute und künftig die Grenzen aller Staaten in Europa als
unverletzlich, wie sie am Tage der Unterzeichnung dieses Vertrages verlaufen,
einschließlich der Oder-Neiße-Linie, die die Westgrenze der Volksrepublik
Polen bildet, und der Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
Deutschen Demokratischen Republik.
Artikel 4
Dieser Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken berührt nicht die von
ihnen früher abgeschlossenen zweiseitigen und mehrseitigen Verträge und Vereinbarungen.
Artikel 5
Dieser Vertrag bedarf der Ratifikation und tritt am Tage des Austausches der
Ratifikationsurkunden in Kraft, der in Bonn stattfinden soll.[2]
GESCHEHEN ZU MOSKAU am 12. August 1970 in zwei Urschriften, jede in deutscher
und russischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist.
Für die Bundesrepublik Deutschland
Willy Brandt
Walter Scheel
Für die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
A. Kossygin
A. Gromyko
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