Entwurf der SED für eine Verfassung der Deutschen Demokratischen
Republik
[vom 14. November 1946][1]
In der Gewißheit, daß nur durch eine demokratische Volksrepublik die Einheit der
Nation, der soziale Fortschritt, die Sicherung des Friedens und die Freundschaft mit den
anderen Völkern gewährleistet ist, hat sich das deutsche Volk diese Verfassung gegeben.
A. Grundlagen der Staatsordnung
ARTIKEL 1
(1) Deutschland ist eine unteilbare demokratische Republik, gegliedert in
Länder.
(2) Die Farben der Republik sind . . .[2]
ARTIKEL 2
(1) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus, wird durch das Volk
ausgeübt und hat dem Wohle des Volkes zu dienen.
(2) Das Volk verwirklicht seinen Willen durch die Wahl der Volksvertretungen, durch
Volksentscheid, durch die Mitwirkung an Verwaltung und Rechtsprechung und durch die
umfassende Kontrolle der öffentlichen Verwaltungsorgane.[3]
ARTIKEL 3
Die Staatsgewalt wird in den Gemeindeangelegenheiten durch die
Gemeindevertretungen, in den Kreisangelegenheiten durch die Kreistage, in den
Landesangelegenheiten durch die Landtage, in den Angelegenheiten der Republik durch das
Parlament der Republik ausgeübt.[4]
ARTIKEL 4
(1) Alle Bürger, ohne Unterschied, werden entsprechend ihrer
Befähigung zum öffentlichen Dienst zugelassen.
(2) Ein Arbeitsverhältnis darf die Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte oder
öffentlicher Obliegenheiten nicht hindern.
ARTIKEL 5
Die Angestellten im öffentlichen Dienst sind Diener des Volkes.
Sie müssen sich des Vertrauens des Volkes jederzeit würdig erweisen.[5]
ARTIKEL 6
(1) Es gibt nur eine Staatsangehörigkeit der Deutschen Republik.
(2) Die Staatsangehörigen der Deutschen Republik haben in jedem Land die gleichen
Rechte und Pflichten.[6]
B. Grundrechte und Grundpflichten der Bürger
ARTIKEL 7
(1) Alle Bürger sind vor dem Gesetz gleich. Männer und Frauen
sind gleichberechtigt.
(2) Alle Bürger haben die gleichen staatsbürgerlichen Rechte, es sei denn, daß
sie ihnen wegen Begehung eines Verbrechens oder wegen ihrer nationalsozialistischen oder
militaristischen Betätigung aberkannt worden sind. Jede Bekundung nationalen oder
religiösen Hasses und jede Rassenhetze ist verboten und wird auf das strengste bestraft.
Personen, die militaristische oder nationalsozialistische Auffassungen verbreiten oder
unterstützen, sind aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen. Sie dürfen leitende
Stellungen in der Wirtschaft und im kulturellen Leben nicht bekleiden. Auch kann ihnen das
Wahlrecht entzogen werden.[7]
ARTIKEL 8
Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Eine Beeinträchtigung
oder Entziehung der persönlichen Freiheit durch ein Organ der öffentlichen Verwaltung
ist nur auf Grund von Gesetzen zulässig.[8]
ARTIKEL 9
Jeder Bürger hat das Recht, sich an einem beliebigen Ort
Deutschlands niederzulassen. Er ist berechtigt, auszuwandern.[9]
ARTIKEL 10
Jeder Bürger hat das Recht, innerhalb der Schranken der Gesetze
seine Meinung durch Wort, Schrift, Druck, Bild oder in sonstiger Weise frei zu äußern.
An der Ausübung dieses Rechts darf in kein Arbeitsverhältnis hindern und niemand darf
ihn benachteiligen, wenn er von diesem Recht Gebrauch macht.[10]
ARTIKEL 11
Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei. Die Republik
nimmt sich ihrer Pflege an und schützt sie vor allem Mißbrauch.[11]
ARTIKEL 12
Die Wohnung jedes Bürgers ist für ihn eine Freistätte und
unverletzlich. Ausnahmen sind nur auf Grund von Gesetzen zulässig.[12]
ARTIKEL 13
Das Briefgeheimnis, das Post-, Telegraphen- und
Fernsprechgeheimnis sind unverletzlich. Ausnahmen können nur durch ein Gesetz der
Republik zugelassen werden.[13]
ARTIKEL 14
(1) Alle Bürger haben das Recht, zu Zwecken, die den
Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen und die nicht der Verbreitung faschistischer oder
militaristischer Auffassungen dienen, Vereine oder Gesellschaften zu bilden.[14]
(2) Dieses Recht kann auch nicht durch Vorbeugungsmaßnahmen beschränkt
werden.
(3) Das Recht, Vereinigungen zur Förderung der Lohn- und Arbeitsbedingungen
zu bilden ist, ist für jedermann gewährleistet. Alle Abreden und Maßnahmen, welche
diese Freiheit einzuschränken oder zu behindern suchen, sind rechtswidrig und verboten.
Die anerkannten Gewerkschaften stehen unter dem Schutz der Republik.[15]
(4) Die Republik tritt für eine zwischenstaatliche Regelung der
Rechtsverhältnisse der Arbeiter und Angestellten ein, die für die gesamte arbeitende
Klasse der Menschheit ein allgemeines Mindestmaß der sozialen Rechte erstrebt.
ARTIKEL 15
Jeder Bürger hat ein Recht auf Arbeit. Es ist Aufgabe der
Republik, durch Wirtschaftslenkung jedem Bürger Arbeit und Lebensunterhalt zu sichern.
Soweit dem Bürger angemessenen Arbeitsgelegenheit nicht nachgewiesen werden kann, wird
für seinen notwendigen Unterhalt gesorgt.[16]
ARTIKEL 16
(1) Jeder Arbeitende hat das Recht auf Urlaub und Erholung, auf
Versorgung bei Krankheit und im Alter nach Maßgabe der Gesetze.
(2) Der Sonntag, die Feiertage und der 1. Mai sind Tage der Arbeitsruhe und stehen
unter dem Schutz der Gesetze.
(3) Zur Erhaltung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der arbeitenden
Bevölkerung, zum Schutze der Mutterschaft und zur Vorsorge gegen die wirtschaftlichen
Folgen von Alter, Invalidität, Arbeitslosigkeit und sonstigen Wechselfällen des Lebens
dient ein einheitliches, umfassendes Versicherungswesen auf der Grundlage der
Selbstverwaltung der Versicherten.[17]
ARTIKEL 17
(1) Die Arbeiter und Angestellten sind an der Regelung der Lohn-
und Arbeitsbedingungen sowie an der wirtschaftlichen Entwicklung der produktiven Kräfte
gleichberechtigt mit den Unternehmern beteiligt.
(2) Die Arbeiter und Angestellten nehmen diese Rechte durch Gewerkschaften und
Betriebsräte wahr.[18]
ARTIKEL 18
(1) Die Ordnung des Wirtschaftslebens muß den Grundsätzen der
sozialen Gerechtigkeit mit dem Ziel der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins
für alle entsprechen. In diesen Grenzen ist die wirtschaftliche Freiheit des einzelnen zu
sichern.
(2) Alle privaten Monopolorganisationen, wie Kartelle, Syndikate, Konzerne, Trusts
und ähnliche auf Gewinnsteigerung durch Produktions-, Preis- und Absatzregelung
gerichtete private Organisationen sind verboten und zu bekämpfen.[19]
ARTIKEL 19
(1) Die selbständigen Gewerbetreibenden und Bauern sind in der
Entfaltung ihrer privaten Initiative zu unterstützen.
(2) Die Freiheit des Handels und Gewerbes wird nach Maßgabe der Gesetze
gewährleistet.[20]
ARTIKEL 20
(1) Das Eigentum wird von der Verfassung gewährleistet. Sein
Inhalt und seine Schranken ergeben sich aus den Gesetzen.
(2) Das Erbrecht wird nach Maßgabe des bürgerlichen Rechts gewährleistet. Der
Anteil des Staates am Erbe bestimmt sich nach den Gesetzen.
(3) Die geistige Arbeit, das Recht der Urheber, der Erfinder und der Künstler
genießt den Schutz und die Fürsorge der Republik.[21]
ARTIKEL 21
(1) Eine Enteignung kann nur zum Wohle der Allgemeinheit und nur
auf gesetzlicher Grundlage vorgenommen werden. Sie erfolgt gegen angemessene
Entschädigung, soweit ein Gesetz nicht anderes bestimmt.
(2) Alle Bodenschätze und alle wirtschaftlich nutzbaren Naturkräfte sind in das
Eigentum der Republik oder der Länder zu überführen. Bis dahin untersteht ihre Nutzung
der Aufsicht der Länder und, soweit gesamtdeutsche Interessen in Frage kommen, der
Aufsicht der Republik.
(3) Private wirtschaftliche Unternehmungen, die für die Vergesellschaftung
geeignet sind, können durch Gesetz nach den für die Enteignung geltenden Bestimmungen in
Gemeineigentum überführt werden.
(4) Die Betriebe der Kriegsverbrecher und aktiven Nationalsozialisten sind ohne
Entschädigung in Gemeineigentum zu überführen. Das gleiche gilt für private
Unternehmungen, die sich in den Dienst einer aggressiven Kriegspolitik stellen.[22]
ARTIKEL 22
(1) Die Republik sorgt durch eine umfassende Wirtschaftsplanung
für eine zweckmäßige Ausnutzung aller Möglichkeiten der Wirtschaft.
(2) Durch Gesetz können wirtschaftliche Unternehmungen und Verbände auf der
Grundlage der Selbstverwaltung zusammengeschlossen werden, um die Mitwirkung aller
schaffenden Volksteile zu sichern, Arbeiter und Unternehmer an der Verwaltung zu
beteiligen und Erzeugung, Herstellung, Verteilung, Verwendung, Preisgestaltung sowie
Ein- und Ausfuhr der Wirtschaftsgüter nach gemeinwirtschaftlichen Grundsätzen zu regeln.
(3) Auf Grund eines Gesetzes kann der Republik, den Ländern, den Kreisen oder
Gemeinden durch Beteiligung an der Verwaltung oder in anderer Weise ein bestimmter
Einfluß auf Unternehmungen oder verbände gesichert werden.
(4) Die Konsumgenossenschaften, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sowie die
landwirtschaftlichen Genossenschaften und deren Vereinigungen genießen Schutz und
Förderung durch die Republik. Sie sind auf ihr Verlangen unter Berücksichtigung ihrer
Verfassung und Eigenart in die Gemeinwirtschaft einzugliedern.[23]
ARTIKEL 23
(1) Der private Großgrundbesitz, der mehr als einhundert Hektar
umfaßt, wird durch eine Bodenreform ohne Entschädigung aufgeteilt. Fideikommisse sind
aufgehoben.
(2) Den Bauern wird das Privateigentum an dem ihnen durch die Bodenreform
zugeteilten Boden gewährleistet.[24]
ARTIKEL 24
(1) Die Verteilung und Nutzung des Bodens wird überwacht, jeder
Mißbrauch verhütet.
(2) Jedem Bürger und jeder Familie ist eine gesunde, ihrem Bedürfnissen
entsprechende Heimstätte zu sichern. Opfer des Faschismus, Kriegsbeschädigte und
Umsiedler sind dabei besonders zu berücksichtigen.[25]
ARTIKEL 25
Die Familie steht unter dem besonderen Schutz der Verfassung. Die
Ehe beruht auf der Gleichberechtigung der beiden Geschlechter.[26]
ARTIKEL 26
(1) Die Frau ist auf allen Gebieten des staatlichen,
wirtschaftlichen, gesellschaftlichen Lebens dem Manne gleichgestellt. Alle gesetzlichen
Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, sind aufgehoben.
(2) Für gleiche Arbeit hat die Frau das Recht auf gleiche Entlohnung wie der Mann.
Die Frau genießt besonderen Schutz im Arbeitsverhältnis.
(3) Die Mutterschaft hat Anspruch auf Schutz und Fürsorge der Republik.
(4) Die außereheliche Mutter steht der ehelichen Mutter gleich.
(5) Die Tatsache der außerehelichen Geburt darf dem Kinde nicht zum Nachteil
gereichen. Ihm sind die gleichen Bedingungen für die leibliche, geistige und
gesellschaftliche Entwicklung zu schaffen wie dem ehelichen Kinde.[27]
ARTIKEL 27
(1) Jeder Bürger hat das gleiche Recht auf Bildung. Sie wird ihm
durch öffentliche Einrichtungen gewährleistet.
(2) Für die Bildung der Jugend und ihre schulische Erziehung sorgen öffentliche
Anstalten. Bei ihrer Erziehung wirken Republik, Länder und Gemeinden zusammen.
(3) Die öffentliche Erziehung erfolgt durch eine für Knaben und Mädchen gleiche,
organisch gegliederte Einheitsschule mit demokratischem Schulsystem auf der Grundlage der
allgemeinen Schulpflicht.[28]
ARTIKEL 28
(1) Die allgemeine Schulpflicht wird durch die Grundschule
erfüllt.
(2) Nach Beendigung der Grundschule erfolgt die systematische Weiterbildung in der
Berufs- oder Fachschule, in der Oberschule und in anderen Bildungseinrichtungen.
(3) Der Besuch der Berufsschule ist Pflicht aller Jugendlichen, mindestens bis zum
vollendeten achtzehnten Lebensjahre, wenn sie keine andere öffentliche Schule besuchen.
Die Berufsschule dient der fachlichen Weiterbildung der Schüler. Die Oberschule
vermittelt Wissen und entwickelt Fähigkeiten, die den Besuch der Hochschule ermöglichen.
(4) Den Angehörigen aller Schichten des Volkes ist die Möglichkeit zu geben, auch
ohne Unterbrechung ihrer Berufstätigkeit die zum Studium an einer Hochschule
erforderlichen Kenntnisse an Abend- und Volkshochschulen zu erwerben.[29]
ARTIKEL 29
(1) Die Schule soll jedem, abhängig von der sozialen und
wirtschaftlichen Lage der Eltern und des Religionsbekenntnisses, die seinen Fähigkeiten
und Anlagen entsprechende vollwertige Ausbildung geben.
(2) Der Unterricht und die Lernmittel der Grundschulen und Berufsschulen sind
unentgeltlich. Minderbemittelten wird die weitere Bildung in der Oberschule und Hochschule
durch Schulgeldbefreiung, durch Stipendien, Beihilfen und andere Maßnahmen ermöglicht.[30]
ARTIKEL 30
(1) Die Schulen sollen die Jugend zu selbständig denkenden und
verantwortungsbewußt handelnden Menschen erziehen, die fähig und bereit sind, sich in
das Leben der Gemeinschaft einzuordnen.
(2) Als Mittlerin der Kultur hat die Schule die Aufgabe, die Jugend im
Geiste des friedlichen und freundschaftlichen Zusammenlebens der Völker und einer echten
Demokratie zu wahrer Humanität zu erziehen.[31]
ARTIKEL 31
(1) Die Jugend hat das Recht auf Arbeit und Erholung, gesichert
durch entsprechende Gesetze und Maßnahmen der Republik.
(2) Für gleiche Arbeit hat der Jugendliche das Recht auf gleichen Entlohnung wie
der Erwachsene.
(3) Die Jugend hat das Recht auf Freude und Frohsinn. Ihr werden die
Kulturstätten und Kulturgüter zugänglich gemacht.
(4) Die Jugend wird gegen Ausbeutung sowie gegen sittliche, geistige und
körperliche Verwahrlosung geschützt.
(5) Zwangserziehung kann nur nach Maßgabe der Gesetze angeordnet werden.[32]
ARTIKEL 32
Die religiöse Unterweisung ist Angelegenheit der
Religionsgemeinschaften. Die Wünsche der Schulleitungen sowie der Elternschaft für die
Durchführung sind zu berücksichtigen. Das Nähere wird durch Gesetz geregelt.[33]
ARTIKEL 33
(1) Glaubens- und Gewissensfreiheit und die ungestörte
Religionsausübung stehen unter dem Schutz der Republik.
(2) Der Mißbrauch der Kirche oder des Glaubens für politische Zwecke ist
verboten.[34]
ARTIKEL 34
(1) Private oder staatsbürgerliche Rechte und Pflichten werden
durch die Religionsausübung weder bedingt noch beschränkt.
(2) Die Ausübung privater oder staatsbürgerlicher Rechte oder die Zulassung zum
öffentlichen Dienst sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemand ist
verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Die Verwaltungsorgane haben nur
insoweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft zu fragen, als
davon Rechte oder Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische
Erhebung dies erfordert.
(3) Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur
Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesformel
gezwungen werden.[35]
ARTIKEL 35
(1) Es besteht keine Staatskirche.
(2) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgemeinschaften wird gewährleistet.
(3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten
selbständig nach Maßgabe der für alle geltenden Gesetze. Sie verleiht ihre Ämter ohne
Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde. Die Religionsgesellschaften sind
Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie es bisher waren. Anderen
Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch
ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen
sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem
Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.
(4) Die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften sind berechtigt,
von ihren Mitgliedern auf Grund der staatlichen Steuerlisten nach Maßgabe der
allgemeinen Bestimmungen Steuern zu erheben.
(5) Den Religionsgesellschaften werden Vereinigungen gleichgestellt, die sich die
gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen.[36]
ARTIKEL 36
Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden
öffentlichen Leistungen an die Religionsgesellschaften werden durch Gesetz abgelöst.[37]
ARTIKEL 37
Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge in
Krankenhäusern, Strafanstalten oder anderen öffentlichen Anstalten besteht, sind die
Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zugelassen. Niemand darf zur
Teilnahme an solchen Handlungen gezwungen werden.[38]
ARTIKEL 38
Wer aus einer Religionsgemeinschaft öffentlichen Rechtes mit
bürgerlicher Wirkung austreten will, hat den Austritt bei Gericht zu erklären oder als
Einzelerklärung in öffentlich beglaubigter Form einzureichen.[39]
ARTIKEL 39
Die Entscheidung über die Zugehörigkeit von Kindern zu einer
Religionsgesellschaft steht bis zu deren vollendetem vierzehnten Lebensjahr den
Erziehungsberechtigten zu. Von da ab entscheidet das Kind selbst über seine
Zugehörigkeit zu einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft.[40]
C. Das Parlament der Republik
ARTIKEL 40
(1) Das Parlament ist das höchstes Organ der Republik.
(2) Die Gesetzgebung der Republik obliegt ausschließlich dem Parlament. In seiner
Hand liegt die oberste Kontrolle über alle Regierungsmaßnahmen, Staatshandlungen, über
die gesamte Verwaltung und Rechtsprechung.
(3) Das Parlament wählt die Regierung der Republik. Die Regierung in ihrer
Gesamtheit und jeder einzelne Minister bedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des
Parlaments.[41]
ARTIKEL 41
(1) Das Parlament besteht aus den vom Volk gewählten
Abgeordneten.
(2) Die Abgeordneten werden durch allgemeine, gleiche, geheime und unmittelbare
Wahl nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes auf die Dauer von drei Jahren
gewählt.
(3) Die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes. Sie sind nur ihrem Gewissen
unterworfen und an Aufträge nicht gebunden.[42]
ARTIKEL 42
(1) Wahlberechtigt sind alle Bürger, die das 18. Lebensjahr vollendet haben.
(2) Wählbar sind alle wahlberechtigten Bürger, die das 21. Lebensjahr vollendet
haben.
(3) Auf je . . . Einwohner entfällt ein Abgeordneter.
(4) Das Nähere bestimmt ein Wahlgesetz.[43]
ARTIKEL 43
(1) Wahlvorschläge können nur von zugelassenen Parteien und
zugelassenen Organisationen eingereicht werden.
(2) Wahlfreiheit und Wahlgeheimnis sind gewährleistet.[44]
ARTIKEL 44
(1) Die Wahl findet an einem Sonntag oder einem gesetzlichen
Feiertag statt.
(2) Das Parlament versammelt sich am Sitz der Regierung.
(3) Zur ersten Tagung nach jeder Neuwahl tritt das Parlament am 30. Tage nach der
Wahl zusammen, falls es nicht vom bisherigen Präsidium früher einberufen wird.[45]
ARTIKEL 45
(1) Das Parlament prüft das Recht der Mitgliedschaft und
entscheidet über die Gültigkeit der Wahlen.
(2) Das Parlament beschließt den Schluß der Tagung und den Tag des
Wiederzusammentritts.
(3) Im übrigen versammelt sich das Parlament in jedem Jahre am ersten Mittwoch des
November. Das Präsidium muß das Parlament berufen, wenn die Regierung oder mindestens
ein Fünftel der Abgeordneten es verlangt.[46]
ARTIKEL 46
(1) Die Verhandlungen des Parlaments und seiner Ausschüsse sind öffentlich.
Ein Ausschluß der Öffentlichkeit findet im Parlament auf Verlangen von zwei Dritteln der
anwesenden Abgeordneten, in den Ausschüssen ist die Mehrheit der Mitglieder des
Ausschusses statt.[47]
(2) Die Entwürfe der Gesetze und des Haushaltsplanes sind vor der ersten Lesung
allgemeine zugänglich zu machen.
ARTIKEL 47
(1) Das Parlament wählt bei seinem Zusammentritt ein Präsidium.
Das Präsidium besteht aus dem Präsidenten, seinen Stellvertretern und den Beisitzern.
Jede Partei hat Anspruch darauf, in dem Präsidium entsprechend der Zahl ihrer
Abgeordneten vertreten zu sein.
(2) Der Präsident führt die Geschäfte des Präsidiums.
(3) Der erste Stellvertreter des Präsidenten kann mit der Führung der
Geschäfte des Parlaments beauftragt werden.
(4) Die Beschlüsse der Präsidiums werden mit Stimmenmehrheit gefaßt. Das
Präsidium ist beschlußfähig, wenn mindestens die Hälfte seiner Mitglieder anwesend
ist.
(5) Das Präsidium führt seine Geschäfte fort bis zum Zusammentritt des
neuen Parlaments.[48]
ARTIKEL 48
Das Präsidium beruft das Parlament, es beraumt den Termin für Neuwahlen an.[49]
ARTIKEL 49
Das Präsidium entscheidet bei Verfassungsstreitigkeiten zwischen
der Republik und den Ländern oder bei Verfassungsstreitigkeiten zwischen den einzelnen
Ländern.[50]
ARTIKEL 50
Der Präsident erfüllt zugleich die folgenden Obliegenheiten
eines Staatsoberhauptes: |
- Er verpflichtet die von dem Parlament gewählten Mitglieder der Regierung;
- er vertritt die Republik völkerrechtlich, beglaubigt und empfängt die Gesandten;
- er unterzeichnet im Namen der Republik die vom Parlament beschlossenen Staatsverträge
mit auswärtigen Mächten;
- er fertigt die verfassungsmäßig zustandegekommenen Gesetze aus und verkündet sie.[51]
|
ARTIKEL 51
(1) Das Parlament gibt sich bei seinem Zusammentritt eine
Geschäftsordnung. Es faßt die Beschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit, soweit nicht in
dieser Verfassung ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist.
(2) Es ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder anwesend
sind.[52]
ARTIKEL 52
(1) Das Parlament bestellt für die Zeit außerhalb der Tagungen
und nach Beendigung einer Wahlperiode oder der Auflösung des Parlaments bis zum
Zusammentritt des neuen Parlaments einen ständigen Ausschuß zur Wahrnehmung der Rechte
der Volksvertretung.
(2) Das Parlament bestellt ferner einen ständigen Ausschuß für auswärtige
Angelegenheiten, der auch außerhalb der Tagungen des Parlaments und nach Beendigung der
Wahlperiode oder der Auflösung bis zum Zusammentritt des neuen Parlaments tätig werden
kann. Die Sitzungen dieses Ausschusses sind nicht öffentlich. Der Ausschuß kann mit
Zweidrittelmehrheit die Öffentlichkeit beschließen.
(3) Diese Ausschüsse haben die Rechte von Untersuchungsausschüssen.[53]
ARTIKEL 53
Das Parlament, das Präsidium und jeder Ausschuß des Parlaments
können die Anwesenheit jedes Ministers zum Zwecke der Erteilung von Auskünften
verlangen. Die Minister und die von ihnen bestellten Beauftragten haben zu den Sitzungen
des Parlaments und seiner Ausschüsse jederzeit Zutritt.[54]
ARTIKEL 54
(1) Das Parlament hat das Recht und auf Antrag von einem Fünftel
der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen.
Diese Ausschüsse erheben die Beweise, die sie oder die Antragsteller für erforderlich
halten.
(2) Die Gerichte und die Verwaltungsorgane sind verpflichtet, dem Ersuchen
dieser Ausschüsse um Beweiserhebung nachzukommen und ihre Akten auf Verlangen vorzulegen.
(3) Für die Beweiserhebung der Ausschüsse gelten die Vorschriften der
Strafprozeßordnung entsprechend.[55]
ARTIKEL 55
Das Parlament stellt die Grundsätze für die Verwaltung der
Staatsangelegenheiten auf. Es genehmigt den Haushalt in Einnahmen und Ausgaben.
Staatsverträge bedürfen seiner Genehmigung.[56]
ARTIKEL 56
Wahrheitsgetreue Berichte über öffentliche Sitzungen des
Parlaments oder seiner Ausschüsse bleiben von jeder Verantwortung frei.[57]
ARTIKEL 57
(1) Abgeordnete des Parlaments oder der Landtage bedürfen zur
Ausübung ihrer Tätigkeit keines Urlaubs.
(2) Gehalt oder Lohn sind weiterzuzahlen.[58]
ARTIKEL 58
(1) Die Abgeordneten des Parlaments und der Landtage erhalten eine
Aufwandsentschädigung.
(2) Ein Verzicht auf die Aufwandsentschädigung ist unzulässig.
(3) Der Anspruch auf Aufwandsentschädigung ist nicht übertragbar und nicht
pfändbar.[59]
ARTIKEL 59
Die Abgeordneten des Parlaments haben das Recht zur freien Fahrt
auf sämtlichen öffentlichen deutschen Verkehrsmitteln.[60]
ARTIKEL 60
Kein Abgeordneter des Parlaments oder eines Landtages darf zu
irgendeiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seiner
Abgeordnetentätigkeit getanen Äußerungen gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder
sonst außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden.[61]
ARTIKEL 61
Kein Abgeordneter des Parlaments oder eines Landtages kann
während der Sitzungsperiode wegen einer strafbaren Handlung in Untersuchung gezogen oder
verhaftet oder anderweitig in seiner persönlichen Freiheit beeinträchtigt werden, es sei
denn, daß er bei Ausübung der Tat festgenommen wird oder das Parlament mit
Zweidrittelmehrheit seine Zustimmung erteilt. Die Vorschriften des Artikels 7
Abs. 2 bleiben unberührt. Jedes Strafverfahren gegen einen Abgeordneten des Parlaments
oder eines Landtages und jede Haft oder sonstige Beschränkung seiner persönlichen
Freiheit wird auf Verlangen des Hauses für die Dauer der Sitzungsperiode aufgehoben.[62]
ARTIKEL 62
Die Angeordneten des Parlaments und der Landtage sind
berechtigt, über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete Tatsachen
anvertraut haben oder über diese Tatsachen selbst das Zeugnis zu verweigern. Auch
wegen der Beschlagnahme von Schriftstücken stehen sie den Personen gleich, die ein
gesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht haben. Eine Untersuchung oder Beschlagnahme in
den Räumen des Parlaments oder der Landtage darf nur mit Zustimmung des Präsidiums
vorgenommen werden.[63]
ARTIKEL 63
(1) Das Parlament kann vor Ablauf der Wahlperiode
aufgelöst werden |
|
a) durch eigenen Beschluß,
b) durch Volksentscheid. |
(2) Die Auflösung des Parlaments
durch eigenen Beschluß bedarf der Zustimmung von mehr als der Hälfte der Mitglieder.[64] |
ARTIKEL 64
Spätestens am 60. Tage nach dem Ablauf der Wahlperiode oder am
45. Tage nach der Auflösung des Parlaments haben Neuwahl stattzufinden.[65]
D. Regierung der Republik
ARTIKEL 65
Die Regierung besteht aus dem Ministerpräsidenten und den Ministern.[66]
ARTIKEL 66
(1) Das Parlament wählt in seiner ersten Sitzung den Ministerpräsidenten.
(2) Es bestätigt die von diesem vorgeschlagenen Minister.[67]
ARTIKEL 67
(1) Ein Minister, dem das Vertrauen entzogen wird, muß
zurücktreten.
(2) Der Beschluß der Entziehung des Vertrauens ist nur wirksam, wenn ihm
mindestens die Hälfte der Abgeordneten zustimmt, aus denen zur Zeit der Abstimmung die
Volksvertretung besteht.
(3) Der Antrag auf Herbeiführung eines solchen Beschlusses muß von mindestens
dreißig Abgeordneten unterzeichnet sein.
(4) Über den Antrag darf frühestens am zweiten Tage nach seiner Verhandlung
abgestimmt werden. Der Antrag muß binnen einer Woche nach seiner Einbringung erledigt
werden.[68]
ARTIKEL 68
(1) Der Ministerpräsident bestimmt die Richtlinien der
Regierungspolitik nach Maßgabe der vom Parlament aufgestellten Grundsätze. Er ist dafür
dem Parlament verantwortlich. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Minister den ihm
anvertrauten Geschäftszweig selbständig und unter eigener Verantwortung gegenüber dem
Parlament.[69]
(2) Die Regierung der Republik übt das Begnadigungsrecht in allen politischen
Strafsachen und bei Urteilen von Gerichten der Republik aus.[70]
ARTIKEL 69
(1) Der Ministerpräsident führt den Vorsitz in der Regierung und leitet ihre
Geschäfte.[71]
(2) Er ernennt die der Regierung der Republik unterstellten öffentlichen
Angestellten.
ARTIKEL 70
(1) Die Regierung faßt ihre Beschlüsse mit Stimmenmehrheit.
(2) Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.[72]
ARTIKEL 71
Die Minister haben der Regierung alle Gesetzesentwürfe, ferner
Angelegenheiten, für welche Verfassung oder Gesetz dieses vorschreiben, sowie
Meinungsverschiedenheiten über Fragen, die den Geschäftsbereich mehrerer Minister
berühren, zur Beratung und Beschlußfassung zu unterbreiten.[73]
ARTIKEL 72
Die Minister leisten beim Amtsantritt den Eid, daß sie ihre
Geschäfte unparteiisch zum Wohle des Volkes und getreu der Verfassung und den Gesetzen
führen werden.[74]
ARTIKEL 73
Die Minister haben Anspruch auf Besoldung nach Maßgabe eines besonderen
Gesetzes.
ARTIKEL 74
Gesetze werden beschlossen: |
|
a) vom Parlament,
b) vom Volke, unmittelbar durch Volksentscheid.[75] |
ARTIKEL 75
(1) Die Republik hat die Gesetzgebung über: |
- Die Beziehungen zum Ausland, die Staatsangehörigkeit, die Freizügigkeit, die Ein- und
Auswanderung, die Auslieferung, das Paß- und Fremdenwesen.
- Das Währungs- und Münzwesen, die Devisenbewirtschaftung, das Zollwesen, die Einheit
des Zoll- und Handelsgebietes und die Freizügigkeit des Warenverkehrs, das Maß- und
Gewichtswesen, das Bank- und Börsenwesen, das private Versicherungswesen.
- Die Eisenbahnen, den Verkehr mit Kraftfahrzeugen zu Lande, zu Wasser und in der Luft,
das Land- und Wasserstraßenwesen, die Schiffahrt, die Hochsee- und Küstenfischerei.
- Das Post- und Fernmeldewesen, den Rundfunk.
- Die Landwirtschaft, die Industrie, das Handwerk, den Handel, den Bergbau, das Gewerbe
sowie ihre Stellung und Vertretung in der Volkswirtschaft, die öffentlich-rechtlichen
Berufsvertretungen, das Vereinigungsrecht, das Betriebsräterecht.
- Die Wirtschaftsplanung, die Erzeugung, Herstellung, Verteilung und Preisgestaltung
wirtschaftlicher Güter, das Enteignungsrecht, die Vergesellschaftung von Naturschätzen
und von wirtschaftlichen Unternehmungen, die Bodenreform, die Auflösung der Monopole und
Kartelle.
- Das Bodenrecht, das Siedlungs- und Heimstättenwesen, das Wohnungswesen, die
Bevölkerungsverteilung.
- Das Bürgerliche Recht, das Wirtschaftsrecht, das Arbeitsrecht, das Steuerrecht, das
Strafrecht, das Gerichtsverfahren einschließlich Strafvollzug, den Schutz der
öffentlichen Ordnung und Sicherheit.
- Die Sozialversicherung, die Sozialfürsorge, den Schutz der Arbeitskraft, die
Arbeitslenkung und Arbeitsvermittlung.
- Die Bevölkerungspolitik, das Gesundheitswesen, die Mutterschafts-, Säuglings-, Kinder-
und Jugendfürsorge, die Fürsorge für die Opfer des Faschismus, für die
Kriegsbeschädigten und für die Umsiedler.
- Das Presse-, Vereins- und Versammlungswesen, das Recht der Theater und
Lichtspielhäuser.
- Das Schulwesen einschließlich Hochschulwesen und Bibliothekswesen.
- Das Recht der Religionsgesellschaften.
|
(2) Soweit die Republik von ihrem
Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch macht, behalten die Länder das Recht der Gesetzgebung.[76] |
ARTIKEL 76
Die Republik hat die Gesetzgebung über das öffentliche
Finanzwesens (Finanzausgleich, Kredit- und Haushaltswirtschaft). Dabei hat sie auf die
Erhaltung der Lebensfähigkeit der Länder und Gemeinden Rücksicht zu nehmen.[77]
ARTIKEL 77
(1) Soweit die Republik von ihrem Gesetzgebungsrecht Gebrauch
gemacht hat, treten widersprechende Bestimmungen des Rechtes der Länder außer Kraft.
(2) Bestehen Meinungsverschiedenheiten darüber, ob eine landesrechtliche
Vorschrift mit dem Recht der Republik vereinbar ist, so entscheidet auf Antrag der
Regierung des Landes oder Regierung der Republik das Präsidium des Parlaments.[78]
ARTIKEL 78
(1) Die Gesetzentwürfe werden von der Regierung oder aus der Mitte des
Parlaments eingebracht.
(2) Über Gesetzentwürfe finden mindestens zwei Lesungen statt.[79]
ARTIKEL 79
(1) Der Präsident des Parlaments hat die verfassungsmäßig
zustandegekommenen Gesetze auszufertigen und binnen vierzehn Tagen im Verkündigungsblatt
der Republik zu veröffentlichen.
(2) Gesetze treten, soweit sie nichts anderes bestimmen, am Tage nach der
Verkündung in Kraft.[80]
ARTIKEL 80
Die Verkündung ist um einen Monate auszusetzen, wenn es ein
Drittel der Mitglieder des Palements es verlangt. Das Gesetz ist nach Ablauf dieser Frist
zu verkünden, falls nicht ein Volksbegehren auf Volksentscheid gegen den Erlaß des
Gesetzes durchgeführt ist.[81]
ARTIKEL 81
(1) Ein Volksentscheid ist herbeizuführen, wenn ein Zehntel der
Stimmberechtigten oder wenn zugelassene Parteien oder Massenorganisationen, die glaubhaft
machen, daß sie ein Fünftel aller Stimmberechtigten umfassen, dies beantragen
(Volksbegehren).
(2) Dem Volksbegehren ist ein Gesetzentwurf zugrunde zu legen. Er ist von der
Regierung unter Darlegung ihrer Stellungnahme dem Parlament zu unterbreiten.
(3) Der Volksentscheid findet nicht statt, wenn das begehrte Gesetz im
Parlament in einer Fassung angenommen wird, mit der die Antragsteller oder ihre
Vertretungen einverstanden sind.
(4) Über den Haushaltsplan, über die Abgabengesetze und die
Besoldungsordnungen findet kein Volksentscheid statt.
(5) Das dem Volksentscheid unterbreitete Gesetz ist angenommen, wenn die
Mehrheit der Abstimmenden zugestimmt hat.
(6) Das Verfahren beim Volksbegehren und Volksentscheid regelt ein
besonderes Gesetz.[82]
ARTIKEL 82
(1) Die Verfassung kann im Wege der Gesetzgebung geändert werden.
(2) Beschlüsse des Parlaments auf Änderung der Verfassung kommen nur zustande,
wenn zwei Drittel der Abgeordneten des Parlaments anwesend sind und wenn wenigstens zwei
Drittel der anwesenden Abgeordneten zustimmen.
(3) Soll durch Volksentscheid eine Verfassungsänderung beschlossen werden, so ist
die Zustimmung der Mehrheit der Stimmberechtigten erforderlich.[83]
ARTIKEL 83
Die Veräußerung von Grundbesitz und Produktionsstätten, die
sich im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, bedarf der Zustimmung zuständigen
Volksvertretung (Parlament der Republik, Landtag, Kreistag, Gemeindevertretung). Diese
Zustimmung kann nur mit zwei Drittel der gesetzlichen Mitgliederzahl erteilt werden.[84]
ARTIKEL 84
Amnestien sind in Gesetzesform zu beschließen und zu verkünden.[85]
ARTIKEL 85
(1) Die Bestimmungen dieser Verfassung sind unmittelbar geltendes
Recht.
(2) Die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts gelten als bindende
Bestandteile des Rechts der deutschen Republik, auch wenn sie nicht ausdrücklich durch
Gesetz angeordnet sind.
(3) Ordnungsgemäß verkündete Gesetze sind für den Richter bindend und von ihm
auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin nicht zu überprüfen.[86]
ARTIKEL 86
Die Gesetze der Republik werden durch die Länder, Kreise und
Gemeinden ausgeführt, soweit nicht durch Gesetz anders bestimmt wird.[87]
ARTIKEL 87
(1) Die Regierung der Republik übt die Aufsicht in den
Angelegenheiten aus, in denen der Republik das Recht der Gesetzgebung zusteht.
(2) Soweit die Gesetze der Republik nicht von den Verwaltungen der Republik
ausgeführt werden, kann die Regierung der Republik allgemeine Anweisungen erlassen. Sie
ist ermächtigt, zur Überwachung der Ausführung dieser Gesetze zu den ausführenden
Verwaltungen Beauftragte zu entsenden.
(3) Die Landesregierungen sind verpflichtet, auf Ersuchen der Republik Mängel, die
bei der Ausführung der Gesetze der Republik hervorgetreten sind, zu beseitigen. Bei
Meinungsverschiedenheiten entscheidet auf Antrag der Regierung der Republik oder der
Regierung des Landes das Präsidium des Parlaments.[88]
E. Rechtspflege
ARTIKEL 88
Die Rechtsprechung wird nach Maßgabe der Gesetze durch Berufs-
und Laienrichter im Sinne sozialer Gerechtigkeit ausgeübt.[89]
ARTIKEL 89
Die Republik trägt durch den Ausbau der juristischen
Bildungsstätten dafür Sorge, daß Angehörige aller Schichten des Volkes die
Möglichkeit gegeben wird, die Fähigkeit zum Richteramt zu erlangen.[90]
ARTIKEL 90
(1) Laienrichter sind auf allen Gebieten und in allen Instanzen
der Gerichte hinzuzuziehen.
(2) Die Laienrichter werden von den demokratischen Organisationen vorgeschlagen und
von den zuständigen Volksvertretungen gewählt.[91]
ARTIKEL 91
Die Richter sind in ihrer Rechtsprechung unabhängig und nur dem Gesetz
unterworfen.[92]
ARTIKEL 92
Der Präsident und die Mitglieder des höchsten Gerichts der
Republik sowie der höchste Staatsanwalt der Republik und seine Vertreter werden vom
Parlament gewählt.[93]
ARTIKEL 93
(1) Ausnahmegerichte sind unstatthaft, niemand darf seinem
gesetzlichen Richter entzogen werden.
(2) Sondergerichte sind nur kraft gesetzlicher Bestimmung zulässig.[94]
ARTIKEL 94
Dem Schutze der Bürger gegen widerrechtliche Anordnungen und
Verfügungen der Verwaltung dient die Verwaltungsgerichtsbarkeit.[95]
ARTIKEL 95
Die Gerichte verhandeln öffentlich. Ist die Staatssicherheit oder
die Sittlichkeit gefährdet, so kann das Gericht die Öffentlichkeit ausschließen.[96]
F. Verwaltung
ARTIKEL 96
(1) Deutschland bildet ein einheitliches Zoll- und Handelsgebiet,
umgeben von einer gemeinschaftlichen Zollgrenze.
(2) Fremde Staaten oder Gebietsteile können durch Staatsverträge oder
Übereinkommen dem deutschen Zollgebiet angeschlossen werden.
(3) Aus dem deutschen Zollgebiet können durch Gesetz Teile ausgeschlossen werden.
Für Freihäfen kann der Aussch[l]uß nur durch ein verfassungsänderndes Gesetz
aufgehoben werden.
(4) Alle Waren, die sich im freien Verkehr im deutschen Zollgebiet befinden,
dürfen innerhalb des Zollgebietes über die Grenzen der deutschen Länder und Gemeinden
frei ein-, aus- und durchgeführt werden.[97]
ARTIKEL 97
Abgaben und Steuern dürfen nur auf Grund gesetzlicher Anordnung erhoben werden.[98]
ARTIKEL 98
(1) Die Einnahmen und Ausgaben der Republik müssen für jedes
Rechnungsjahr veranschlagt und in den Haushaltsplan eingestellt werden.
(2) Der Haushaltsplan wird vor Beginn des Rechnungsjahres durch ein Gesetz
festgestellt.[99]
ARTIKEL 99
Über die Einnahmen der Republik und ihre Verwendung legt der
Finanzminister zur Entlastung der Regierung Rechnung dem Parlament ab.[100]
ARTIKEL 100
Im Wege des Kredits dürfen Geldmittel nur bei außerordentlichem
Bedarf und in der Regel nur für Ausgaben zu werbenden Zwecken und auf Grund eines
Gesetzes beschafft werden.[101]
ARTIKEL 101
(1) Vermögens-, Einkommens- und Verbrauchssteuern sind in den
Gesetzen in einem angemessenen Verhältnis zueinander zu halten und nach sozialen
Gesichtspunkten zu staffeln.
(2) Durch eine starke Staffelung der Erbschaftssteuer soll die Bildung
volksschädlicher Vermögenshäufung verhindert werden.[102]
ARTIKEL 102
Die Zölle und die durch Gesetz der Republik geregelten Steuern werden von der
Republik verwaltet.[103]
ARTIKEL 103
Das Post-, Fernmelde- und Rundfunkwesen sowie das Eisenbahnwesen
werden von der Republik verwaltet.[104]
ARTIKEL 104
Land- und Wasserstraßen von überörtlicher Bedeutung stehen in der Verwaltung
der Republik.[105]
G. Länder, Kreise und Gemeinden
ARTIKEL 105
(1) Jedes Land muß eine demokratische Ordnung haben.
(2) Der Landtag muß in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl nach
den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts gewählt werden.
(3) Die Landesregierung bedarf des Vertrauens des Landtages.
(4) Die für den staatlichen Aufbau der Republik geltenden demokratischen
Grundsätze sind auch für die Verwaltung der Länder maßgebend.[106]
ARTIKEL 106
(1) Die Republik schafft eine Gemeindeordnung und eine
Kreisordnung.
(2) Die Gemeinden und Kreise haben Vertretungen, die nach den allgemeinen
demokratischen Grundsätzen für die Wahl zum Parlament der Republik gewählt werden.
(3) Vom Wahlrecht zu den Gemeinde- und Kreisvertretungen darf kein Bürger
ausgeschlossen werden, der drei Monate in der Gemeinde oder dem Kreise ansässig ist,
sofern nicht ein anderer Ausschließungsgrund vorliegt.
(4) Die Verwaltungen der Kreise und Gemeinden bedürfen zu ihrer Amtsführung des
Vertrauens ihrer Volksvertretungen.[107]
ARTIKEL 107
Besondere Aufgabe der Gemeinden und Kreise ist es,
gesellschaftliche Einrichtungen zur Befriedigung allgemeiner Bedürfnisse und zur Hebung
der Lebenshaltung, insbesondere der werktätigen Bevölkerung, zu unterhalten. Sie haben
die breitesten Schichten des Volkes an den öffentlichen Angelegenheiten zu beteiligen.[108]
ARTIKEL 108
Die Aufsicht über die Gemeinden und Kreise beschränkt sich auf
die Verhinderung von Gesetzwidrigkeiten und die Wahrung demokratischer
Verwaltungsgrundsätze.[109]
ARTIKEL 109
Den Ländern können von der Republik, den Gemeinden und
Kreisen können von der Republik und den Ländern Aufgaben durch Gesetz übertragen
werden.[110]
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