Erste Durchführungsbestimmung
zur Verordnung
über die Verleihung akademischer Grade.
Vom 8. September 1956
Auf Grund des § 18 der Verordnung vom 6. September 1956 über die Verleihung
akademischer Grade (GBl. I S. 745) wird folgendes bestimmt:
Zu § 2 der Verordnung:
§ 1
Das in der Sowjetunion oder in den volksdemokratischen Ländern an
einer Universität oder Hochschule abgelegte Abschlußexamen bzw. die Diplomprüfung gibt
dem Betreffenden die gleichen Rechte, wie das deutsche Abschlußexamen bzw. das Diplom
einer Fachrichtung.
Zu § 3 der Verordnung:
§ 2
(1) Für das Promotionsverfahren an den Fakultäten der
Universitäten und wissenschaftlichen Hochschulen, den wissenschaftlichen Hochschulen ohne
Fakultäten und an sonstigen wissenschaftlichen Einrichtungen gilt die Promotionsordnung (Anlage 1).
(2) Bis zum 31. August können Promotionsverfahren an den Fakultäten der
Universitäten und wissenschaftlichen Hochschulen, an wissenschaftlichen Hochschulen ohne
Fakultäten und an sonstigen wissenschaftlichen Einrichtungen nach den bisher geltenden
Bestimmungen durchgeführt werden.
§ 3
Der in der Sowjetunion oder in den volksdemokratrischen Ländern
erworbene Grad "Kandidat der .................... Wissenschaften" gibt dem
Inhaber die gleichen Rechte wie der deutsche Doktorgrad.
§ 4
Der Doktorgrad wird an den Universitäten oder wissenschaftlichen
Hochschulen in der Regel nach der Fakultät bezeichnet, die ihn verleiht. Die Fakultäten
der technischen Hochschulen verleihen für technische Wissenschaften einheitlich den Grad
eines Doktoringenieurs (Dr.-Ing.).
Zu § 8 der Verordnung:
§ 5
(1) Für das Habilitationsverfahren an den Fakultäten der
Universitäten und wissenschaftlichen Hochschulen, an den wissenschaftlichen Hochschulen
ohne Fakultäten sowie an sonstigen wissenschaftlichen Einrichtungen gilt die
Habilitationsordnung (Anlage 2).
(2) Bis zum 31. Dezember 1956 können Habilitationsverfahren an den Fakultäten der
Universitäten und wissenschaftlichen Hochschulen, an den wissenschaftlichen Hochschulen
ohne Fakultäten und an sonstigen wissenschaftlichen Einrichtungen nach den bisher
geltenden Bestimmungen durchgeführt werden.
§ 6
Personen, die sich nach dem 8. Mai 1945 an den Universitäten und
wissenschaftlichen Hochschulen der Deutschen Demokratischen Republik habilitiert haben,
sind berechtigt, dem bisher geführten Doktorgrad den Zusatz "habilitatus"
(habil.) anzufügen.
§ 7
Der in der Sowjetunion oder in den volksdemokratischen Ländern
erworbene akademische Grad "Doktor der .................... Wissenschaften" gibt
dem Inhaber die gleichen rechte wie der deutsche Grad eines habilitierten Doktors.
Zu § 9 Abs. 2 der Verordnung:
§ 8
Für die Anerkennung des in der Sowjetunion oder in den
volksdemokratischen Ländern erworbenen akademischen Grad "Kandidat der
.................... Wissenschaften" gilt § 3.
§ 9
Schlußbestimmung
Diese Durchführungsbestimmung tritt mit Wirkung vom 1. September 1956 in Kraft.
Berlin, den 8. September 1956
Staatssekretär für Hochschulwesen
Prof. Dr. Harig
Anlage 1
zu vorstehender Erster Durchführungsbestimmung
Promotionsordnung
§ 1
Der Grad eines Doktors wird nach ordnungsgemäßem Abschluß eines
Promotionsverfahrens durch die Fakultäten einer Universität oder wissenschaftlichen
Hochschule, durch eine wissenschaftliche Hochschule ohne Fakultäten sowie durch sonstige
wissenschaftliche Einrichtungen verliehen.
§ 2
Voraussetzung für die Zulassung zur Promotion ist der Nachweis
eines erfolgreich abgeschlossenen Universitäts- oder Hochschulstudiums bzw. eines
erfolgreich abgelegten Examens für Werktätige ohne abgeschlossenes Hochschulstudium.
§ 3
Auf den Nachweis gemäß § 2 kann nur in
besonders begründeten Ausnahmefällen (bei bereits vorliegenden wissenschaftlichen
Leistungen) mit Zustimmung des für die wissenschaftliche Institution zuständigen
Ministeriums bzw. Staatssekretariats verzichtet werden.
§ 4
Die Verleihung des Doktorgrades setzt die Erfüllung
folgender Bedingungen voraus: |
|
a) Annahme der eingereichten Dissertation,
b) Bestehen der mündlichen Prüfung,
c) erfolgreiche öffentliche Verteidigung der Dissertation. |
§ 5
Der Antrag des Bewerbers auf Zulassung zur Promotion
ist schriftlich an den Dekan der Fakultät zu richten. Dem Antrag sind beizufügen: |
- ein Lebenslauf, der insbesondere über den Bildungsgang des Bewerbers Aufschluß geben
muß;
- Schriftstücke in Urschrift oder beglaubigter Abschrift, durch die der Nachweis der
Erfüllung der im § 2 genannten Voraussetzungen erbracht wird;
- ein polizeiliches Führungszeugnis;
- eine in deutscher Sprache abgefaßte Dissertation in zweifacher Ausfertigung und
|
|
a) eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung des
Bewerbers, daß er die Dissertation selbständig verfaßt und andere Hilfsmittel nicht
benutzt hat als die, die er darin angegeben hat, sowie
b) eine Erklärung, ob und gegebenenfalls wo und wann er die gleiche oder eine andere
Dissertation bereits für eine Promotion eingereicht hat; |
- die Quittung über die nach Maßgabe der Gebührenordnung bei der Meldung fälligen
Gebühren bzw. der Nachweis der Befreiung von der Zahlung der Gebühren.
|
§ 6
Die Zulassung von Personen, die nicht Bürger der Deutschen
Demokratischen Republik sind, zur Promotion bedarf der Genehmigung des Staatssekretariats
für Hochschulwesen.
§ 7
Ausgeschlossen von der Zulassung zur Promotion sind Personen,
denen durch Strafurteil das Wahlrecht entzogen worden ist.
§ 8
Die Zurücknahme eines Antrages auf Zulassung ist so lange
statthaft, bis nicht eine ablehnende Entscheidung über die Dissertation erfolgt bzw. die
mündliche Prüfung beendet worden ist.
§ 9
(1) Die Dissertation ist die maßgebliche Grundlage der Promotion
und soll zeigen, daß der Bewerber wissenschaftlich zu arbeiten versteht und ein Thema in
einer die Wissenschaft fördernden Weise behandeln kann.
(2) Der Rat der Fakultät kann in besonderen Fällen auf die Einreichung einer
Dissertation verzichten, wenn die bereits veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten
des Bewerbers seine besondere Qualifikation auf dem Gebiet der betreffenden Wissenschaft
erkennen lassen. Der Verzicht bedarf der Zustimmung des Staatssekretariats für
Hochschulwesen im Einvernehmen mit dem für die wissenschaftliche Institution zuständigen
Ministerium.
§ 10
(1) Über den Antrag auf Zulassung
zur Promotion entscheidet der Rat der Fakultät.
(2) Für die schriftliche Begutachtung der eingereichten Dissertation bestimmt der
Rat der Fakultät zwei Professoren als Gutachter.
(3) Für die Erstattung der Gutachten ist von der Fakultät eine angemessene Frist
festzulegen, in der Regel höchstens sechs Wochen.
(4) Der Rat der Fakultät kann im Bedarfsfalle Gutachten weiterer Fachgelehrter
oder Fachleute aus der Praxis einholen. Über die Beteiligung emeritierter Hochschullehrer
ist von Fall zu Fall zu entscheiden.
(5) Die Gutachten müssen eine ausführliche Analyse der Dissertation unter Angabe
ihrer Qualitäten und Mängel enthalten.
(6) Bei Promotionen sind folgende Bewertungen möglich: |
|
vorzüglich (summa cum laude)
sehr gut (magna cum laude)
gut (cum laude)
genügend (rite)
ungenügend (non sufficit) |
§ 11
(1) Sobald die Gutachten vorliegen, wird die Dissertation zusammen
mit den Gutachten für die Mitglieder des Rates der Fakultät zur Einsichtnahme ausgelegt.
(2) Sind die Gutachten positiv, so legt der Dekan die Dissertation mit den
Gutachten der Referenten dem Rektor vor, der das Recht hat, die Annahme der Dissertation
zu beanstanden.
(3) Der Termin der mündlichen Prüfung kann vom Dekan erst festgelegt werden,
nachdem die Dissertation mit dem Vorlagevermerk des Rektors an die Fakultät
zurückgereicht ist.
(4) Der Rektor kann die sich aus Abs. 2 ergebende Aufgabe dem Prorektor für die
wissenschaftliche Aspirantur übertragen.
§ 12
(1) Sind die Gutachten negativ, so entscheidet der Rat der
Fakultät nach Anhören der beiden Gutachter über die Ablehnung der Dissertation.
(2) Für den Fall, daß ein Gutachten positiv, das andere negativ ausfällt,
bestimmt der Rat der Fakultät einen dritten Gutachter und entscheidet nach Anhören aller
drei Gutachter, ob das Verfahren weitergeführt wird.
§ 13
(1) Die mündliche Prüfung, an die gegenüber der Diplomprüfung
erhöhte Anforderungen zu stellen sind, dient dem Nachweis ausreichender Kenntnisse in
Philosophie sowie der fachlichen Allgemeinbildung. Sie erstreckt sich auf die Probleme des
vom Doktoranden gewählten Fachgebietes, auf ein mit dem Fachgebiet zusammenhängendes
Nebenfach und auf die Philosophie.
(2) Wissenschaftliche Aspiranten, die während ihrer Ausbildung die
Abschlußprüfung in Philosophie bestanden haben, sind von der Prüfung der Philosophie
befreit.
§ 14
(1) Die mündliche Prüfung wird vor einer vom Dekan zu bildenden
Kommission durchgeführt, der die Vertreter der zu prüfenden Fächer angehören.
(2) Über das zulässige Nebenfach entscheidet der Rat der Fakultät.
(3) Die Dauer der gesamten Prüfung beträgt in der Regel zwei Stunden.
(4) Für die Bewertung gelten die Bestimmungen des § 10 Abs. 6.
§ 15
Wurde die mündliche Prüfung nicht bestanden, so kann innerhalb
eines halben Jahres, frühestens nach drei Monaten, eine Wiederholung erfolgen. Eine
nochmalige Wiederholung ist ausgeschlossen.
§ 16
(1) Sind die Ergebnisse der mündlichen Prüfung ausreichend, so
gilt die Dissertation, falls kein grundsätzlicher Widerspruch von Mitgliedern des Rates
der Fakultät erhoben wurde, als zur öffentlichen Verteidigung zugelassen.
(2) Ist bei Dissertationen eine öffentliche Verteidigung aus zwingenden Gründen
nicht möglich, so kann sich der Rat der Fakultät mit Zustimmung des für die
wissenschaftliche Institution zuständigen Ministeriums für den Ausschluß der
Öffentlichkeit entscheiden.
§ 17
(1) Ist die Dissertation zur öffentlichen Verteidigung
zugelassen, so fordert der Dekan den Doktoranden auf, die Ergebnisse seiner Arbeit in Form
von Thesen oder eines kurzen Auszuges zusammenzufassen. Der Wortlaut der Thesen oder des
Auszuges ist vor der Vervielfältigung von den Gutachtern der Arbeit zu genehmigen.
(2) Die Thesen oder der Auszug sind zusammen mit der Einladung zur öffentlichen
Verteidigung an einen vom Rat der Fakultät zu bestimmenden Kreis fachlich interessierter
Personen zu versenden.
(3) Ein vollständiges Exemplar der Dissertation ist, zusammen mit den Thesen oder
dem Auszug, der Universitäts- oder Hochschulbibliothek zu übergeben, wo es bis zum Tage
der öffentlichen Verteidigung zur allgemeinen Einsichtnahme auszulegen ist.
§ 18
Zeit und Ort der öffentlichen Verteidigung sind durch den Dekan
mindestens zehn Tage vorher durch öffentlichen Aushang bekanntzugeben. Die Mitglieder des
Lehrkörpers der Fakultät sind besonders einzuladen.
§ 19
(1) Die öffentliche Verteidigung der Dissertation erfolgt in
Anwesenheit des Rates der Fakultät und kann durchgeführt werden, wenn mindestens die
Hälfte der Mitglieder des Rates der Fakultät bei der öffentlichen Verteidigung anwesend
sind.
(2) Über Ausnahmeregelungen für die Mathematisch-naturwissenschaftlichen und
Philosophischen Fakultäten der Universitäten und wissenschaftlichen Hochschulen
entscheidet das Staatssekretariat für Hochschulwesen auf Vorschlag der Räte der
Fakultäten.
§ 20
(1) Zu Beginn der öffentlichen Verteidigung, bei der der Dekan
oder sein Stellvertreter den Vorsitz führt, wird der wissenschaftliche Lebenslauf des
Doktoranden verlesen. Danach hält der Doktorand einen Vortrag über die Ergebnisse seiner
Dissertation.
(2) Die Diskussion beginnt mit den Ausführungen der beiden Gutachter.
(3) Alle bei der öffentlichen Verteidigung Anwesenden haben das Recht, sich an der
Diskussion zu beteiligen. Der Doktorand ist verpflichtet, auf alle die Dissertation
betreffenden Fragen und auf die Kritik zu antworten. Der Vorsitzende ist berechtigt,
unsachgemäße Fragen abzuweisen.
§ 21
(1) Nach Beendigung der Diskussion und nach dem Schlußwort des
Doktoranden trifft der Rat der Fakultät in nichtöffentlicher Sitzung die Entscheidung
über die Bewertung der Promotionsleistungen und über die Verleihung des akademischen
Grades.
(2) Für die Bewertung gelten die Bestimmungen des § 10 Abs. 6.
(3) Die öffentliche Verteidigung schließt mit der Verkündung und Begründung der
Entscheidung des Rates der Fakultät.
§ 22
(1) Abgelehnte Dissertationen bleiben mit allen Gutachten bei der
Fakultät.
(2) Doktoranden, deren Dissertation abgelehnt wurde, können sich nach Ablauf eines
Jahres erneut bewerben.
(3) Bei einem erneuten Antrag auf Zulassung zur Promotion hat der Doktorand in
jedem Falle von dem vorhergegangenen, fehlgeschlagenen Versuch unter Angabe des
Zeitpunktes und der Fakultät sowie des Themas der abgelehnten Dissertation Mitteilung zu
machen.
§ 23
Über den Verlauf des gesamten Promotionsverfahrens ist ein vom
Dekan oder seinem Stellvertreter zu unterzeichnendes Protokoll anzufertigen und zu den
Akten zu nehmen.
§ 24
(1) Die Promotionsurkunde wird vom Dekan ausgestellt.
(2) Die Aushändigung der Promotionsurkunde erfolgt erst, nachdem die Dissertation
bei der Fakultät zur Weiterleitung an die Universitätsbibliothek entweder in neun
gebundenen, mit der Schreibmaschine geschriebenen gut lesbaren Exemplaren oder gedruckt in
150 Exemplaren eingereicht worden ist. Erscheint sie in einer der wissenschaftlichen
Zeitschriften der Deutschen Demokratischen Republik, so genügen 100 Exemplare. Die
Einreichung von Teildrucken ist nicht gestattet.
(3) Mit der Aushändigung der Promotionsurkunde erhält der Doktorand das Recht,
den akademischen Grad eines Doktors zu führen.
§ 25
(1) Die eingereichten Exemplare der Dissertation müssen ein
Titelblatt haben, auf dem die Abhandlung als Dissertation gekennzeichnet ist und die Namen
des Dekans und der Gutachter angegeben sind.
(2) Dissertationen, die im Druck veröffentlicht werden, müssen auf der Rückseite
des Titelblattes als Dissertation gekennzeichnet werden.
(3) Der Druck von Dissertationen bedarf der Zustimmung des Dekans.
(4) Für die Druckgenehmigung gelten die gesetzlichen Bestimmungen.
§ 26
(1) Ausgenommen von der Verpflichtung zur Ablieferung der
Exemplare gemäß § 24 Abs. 2 sind nur solche Personen, denen im
Hinblick auf bereits veröffentlichte Arbeiten die Einreichung einer besonderen
Dissertation erlassen worden ist.
(2) Die bereits veröffentlichten Arbeiten gemäß Abs.1 sind der Fakultät zur
Weiterleitung an die Universitäts- und Hochschulbibliothek in je einem Exemplar zu
übergeben.
§ 27
Über alle Dissertationen sind Autorreferate in den Universitäts-
oder Hochschulzeitschriften oder in einer Fachzeitschrift zu veröffentlichen.
§ 28
Verfahrensfragen, die sich im Zusammenhang mit dieser
Promotionsordnung ergeben, regelt der Rat der jeweiligen Fakultät.
§ 29
Im Promotionsverfahren an wissenschaftlichen Hochschulen ohne
Fakultäten nimmt der Rektor die sich aus dieser Promotionsordnung ergebenden Funktion des
Dekans, der Senat diejenigen des Rates der Fakultät wahr. Für sonstige wissenschaftliche
Einrichtungen werden hierüber mit Zustimmung des Staatssekretariat für Hochschulwesen
jeweils besondere Regelungen getroffen.
§ 30
Als Ausdruck der hohen Ehrung für besondere Verdienste um den
wissenschaftlichen Fortschritt können die Fakultäten der Universitäten und
wissenschaftlichen Hochschulen nach Anhören des Senats, die Senate der wissenschaftlichen
Hochschulen ohne Fakultäten sowie sonstige wissenschaftliche Einrichtungen hervorragenden
deutschen und ausländischen Persönlichkeiten den akademischen Grad eines Doktors
ehrenhalber verleihen. Die Verleihung bedarf der Zustimmung des Staatssekretariat für
Hochschulwesen im Einvernehmen mit dem für die wissenschaftliche Institution zuständigen
Ministerium.
§ 31
(1) Diese Promotionsordnung tritt mit Wirkung vom 1. September
1956 in Kraft.
(2) Bis zum 31. August 1957 können Promotionsverfahren nach den bisher geltenden
Bestimmungen durchgeführt werden.
Anlage 2
zu vorstehender Erster Durchführungsbestimmung
Habilitationsordnung
§ 1
Der Grad eines habilitierten Doktors wird nach ordnungsgemäßem
Abschluß eines Habilitationsverfahrens durch die Fakultät einer Universität oder
wissenschaftlichen Hochschule, durch eine wissenschaftliche Hochschule ohne Fakultäten
sowie durch sonstige wissenschaftliche Einrichtungen verliehen.
§ 2
Voraussetzungen für die Zulassung zur Habilitation sind der
Besitz des Doktorgrades sowie eine in der Regel mindestens dreijährige wissenschaftliche
Tätigkeit zwischen Promotion und Meldung zur Habilitation.
§ 3
Die Verleihung des Grades eines habilitierten Doktors
setzt die Erfüllung folgender Bedingungen voraus: |
|
a) Annahme der Habilitationsschrift,
b) Bestehen des Kolloquiums,
c) erfolgreicher öffentlicher Probevortrag und Verteidigung der Habilitationsschrift. |
§ 4
(1) Die Verleihung des Grades eines habilitierten Doktors
berechtigt, dem bisher geführten Doktorgrad den Zusatz "habilitatus" (habil.)
anzufügen.
(2) An Personen, die in der Sowjetunion oder in den volksdemokratischen Ländern
den akademischen Grad eines "Kandidaten der . . . . . . . . . . Wissenschaften"
erworben und sich in der Deutschen Demokratischen Republik habilitiert haben, wird der
Grad eines Dr. habil. verliehen.
§ 5
Es ist zulässig, auf Grund der Habilitation die Fachbezeichnung
des bisher innegehabten Doktorgrades zu verändern oder dem bisherigen Doktorgrad einen
weiteren Grad mit dem Zusatz "habil." anzufügen.
§ 6
Der Antrag des Bewerbers auf Zulassung zur Habilitation ist beim
Dekan der Fakultät einzureichen.
Dem Antrag sind beizufügen: |
- ein Lebenslauf;
- die Promotionsurkunde;
- gegebenenfalls Zeugnisse über weitere abgelegte wissenschaftliche Prüfungen;
- eine Erklärung über etwaige frühere Habilitationsversuche sowie eine solche über die
wissenschaftliche Tätigkeit gemäß § 2;
- die wissenschaftlichen Veröffentlichungen nebst einem Verzeichnis derselben;
- eine Habilitationsschrift in dreifacher Ausfertigung mit einer Versicherung, daß der
Bewerber dieses selbständig verfaßt hat.
|
§ 7
Die Zulassung von Personen, die nicht Bürger der Deutschen
Demokratischen Republik sind, bedarf der Genehmigung des Staatssekretariats für
Hochschulwesen.
§ 8
Ausgeschlossen von der Zulassung zur Habilitation sind Personen,
denen durch Strafurteil das Wahlrecht entzogen worden ist.
§ 9
Die Zurücknahme eines Antrages auf Zulassung ist so lange
statthaft, bis nicht durch eine ablehnende Entscheidung über die Habilitationsschrift das
Habilitationsverfahren beendet worden ist.
§ 10
Die Habilitationsschrift soll das Ergebnis einer selbständigen
Forschungsarbeit von wissenschaftlicher Bedeutung auf dem Gebiet darstellen, für das sich
der Bewerber habilitieren will. Sie soll zeigen, daß der Bewerber in der Lage ist,
selbständig Probleme zu stellen und erfolgreich zu bearbeiten.
§ 11
Der Rat der Fakultät kann in besonderen Fällen auf die
Einreichung einer Habilitationsschrift verzichten, wenn die bereits veröffentlichten
wissenschaftlichen Arbeiten des Bewerbers seine besondere Qualifikation auf dem Gebiet der
betreffenden Wissenschaft erkennen lassen. Der Verzicht bedarf der Zustimmung des
Staatssekretariats für Hochschulwesen im Einvernehmen mit dem für die wissenschaftliche
Institution zuständigen Ministerium.
§ 12
(1) Über den Antrag auf Zulassung zur Habilitation entscheidet
der Rat der Fakultät.
(2) Für die schriftliche Begutachtung der eingereichten Habilitationsschrift
bestimmt der Rat der Fakultät in der Regel drei, mindestens jedoch zwei Fachvertreter als
Gutachter.
(3) Für die Erstattung der Gutachten ist vom Rat der Fakultät eine angemessene
Frist festzulegen, in der Regel höchstens acht Wochen.
(4) Der Rat der Fakultät kann im Bedarfsfalle Gutachten weiterer namhafter
Fachgelehrter einholen. Über die Beteiligung emeritierter Hochschullehrer wird von Fall
zu Fall entschieden.
(5) Die Gutachten müssen eine ausführliche Analyse der Habilitationsschrift unter
Angabe ihrer Mängel und Qualitäten enthalten sowie begründete Schlußfolgerungen, ob
die Habilitationsschrift den Anforderungen entspricht oder nicht.
§ 13
(1) Sobald die Gutachten vorliegen, wird die Habilitationsschrift
zusammen mit den Gutachten für die Mitglieder des Rates der Fakultät zur Einsichtnahme
ausgelegt. Die Habilitationsschrift soll von sämtlichen Mitgliedern des Rates der
Fakultät eingesehen werden.
(2) Sind sämtliche Gutachten positiv, so erfolgt in einer Sitzung des Rates der
Fakultät eine eingehende Beratung über die Habilitationsschrift. Erhebt sich kein
grundsätzlicher Widerspruch, so legt der Dekan die Habilitationsschrift mit den Gutachten
der Referenten dem Rektor vor, der das Recht hat, die Annahme der Habilitationsschrift zu
beanstanden.
(3) Der Termin für das Kolloquium kann vom Dekan erst festgelegt werden, nachdem
die Habilitationsschrift mit dem Vorlagevermerk des Rektors an die Fakultät
zurückgereicht ist.
(4) Der Rektor kann die sich aus Abs. 2 ergebende Aufgabe dem Prorektor für die
wissenschaftliche Aspirantur übertragen.
§ 14
(1) Ist ein Gutachten negativ, so bestimmt der Rat der Fakultät
einen weiteren Gutachter und entscheidet nach Anhören sämtlicher Gutachter, ob das
Verfahren weitergeführt wird.
(2) Sind sämtliche Gutachten negativ, so entscheidet der Rat der Fakultät über
die Ablehnung der Habilitationsschrift.
§ 15
(1) Ist die Habilitationsschrift angenommen, so fordert der Dekan
den Habilitanten auf, die Ergebnisse seiner Arbeit in Form von Thesen oder eines kurzen
Auszuges zusammenzufassen. Der Wortlaut der Thesen oder des Auszuges ist vor der
Vervielfältigung von den Gutachtern der Arbeit zu genehmigen.
(2) Die Thesen oder der Auszug sind zusammen mit der Einladung zum Kolloquium an
alle Mitglieder des Rates der Fakultät zu versenden.
(3) Ein vollständiges Exemplar der Habilitationsschrift zusammen mit den Thesen
oder dem Auszug ist der Universitäts- oder Hochschulbibliothek zu übergeben, wo es bis
zum Abschluß des Habilitationsverfahrens zur allgemeinen Einsichtnahme auszulegen ist.
§ 16
Gleichzeitig mit der Einreichung der Thesen oder des Auszuges
schlägt der Habilitant drei Themen für den Probevortrag zum Nachweis seiner
Lehrbefähigung vor, die von der Habilitationsschrift abweichende Themen behandeln
müssen.
§ 17
(1) Das Kolloquium erfolgt vor dem Rat der Fakultät und kann nur
durchgeführt werden, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder des Rates der Fakultät
anwesend sind.
(2) Nach dem Abschluß des Kolloquiums sind die Leistungen des Habilitanten im
Kolloquium mit "bestanden" oder "nicht bestanden" zu bewerten.
(3) Gleichzeitig wählt der Rat der Fakultät aus den drei Themenvorschlägen des
Habilitanten eines dieser Themen für den öffentlichen Probevortrag aus und legt den
Termin fest.
§ 18
(1) Zeit und Ort des öffentlichen Probevortrages und der
Verteidigung der Habilitationsschrift sind durch den Dekan mindestens 10 Tage vorher durch
öffentlichen Aushang bekanntzugeben.
(2) Die Thesen oder der Auszug sind zusammen mit der Einladung zum öffentlichen
Probevortrag und zur Verteidigung der Habilitationsschrift an einen vom Rat der Fakultät
zu bestimmenden Kreis fachlich interessierter Personen zu versenden.
(3) Ist bei einer Habilitation eine öffentliche Verteidigung aus zwingenden
Gründen nicht möglich, so kann der Rat der Fakultät mit Zustimmung des für die
wissenschaftliche Institution zuständigen Ministeriums auf die öffentliche Verteidigung
der Habilitationsschrift verzichten.
§ 19
Der öffentliche Probevortrag und die Verteidigung der
Habilitationsschrift erfolgt in Anwesenheit des Rates der Fakultät und kann durchgeführt
werden, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder des Rates der Fakultät anwesend sind.
§ 20
(1) Während des öffentlichen Probevortrages und der Verteidigung
der Habilitationsschrift führt der Dekan oder sein Stellvertreter den Vorsitz. Zu Beginn
gibt ein Mitglied des Rates der Fakultät einen Bericht über den wissenschaftlichen
Werdegang und die Arbeiten des Habilitanten. Danach hält der Habilitant den Probevortrag.
(2) An den Probevortrag schließt sich eine Aussprache an. Der Habilitant ist
verpflichtet, auf alle den Probevortrag und die Habilitationsschrift betreffende Fragen
und auf die Kritik zu antworten. Der Vorsitzende ist berechtigt, unsachgemäße Fragen
abzuweisen.
§ 21
(1) Nach Beendigung der Aussprache und nach dem Schlußwort des
Habiltanten trifft der Rat der Fakultät in nichtöffentlicher Sitzung die Entscheidung
über die Bewertung der Habilitationsleistungen und über die Verleihung des akademischen
Grades.
(2) Der öffentliche Probevortrag und die Verteidigung der Habilitationsschrift
schließt mit der Verkündung und Begründung der Entscheidung des Rates der Fakultät.
§ 22
(1) Abgelehnte Habilitationsschriften bleiben mit allen Gutachten
bei der Fakultät.
(2) Habilitanden, deren Habilitation abgelehnt wurde, können sich nach Ablauf
eines Jahres erneut bewerben.
(3) Bei einem erneuten Antrag auf Zulassung zur Habilitation hat der Habilitand in
jedem Falle von dem vorhergegangenen Versuch unter Angabe des Zeitpunktes und der
Fakultät sowie des Themas der abgelehnten Habilitationsschrift Mitteilung zu machen.
§ 23
Über den Verlauf des gesamten Habilitationsverfahrens ist ein vom
Dekan oder seinem Stellvertreter zu unterzeichnendes Protokoll anzufertigen und zu den
Akten zu nehmen.
§ 24
(1) Die Habilitationsurkunde wird vom Dekan ausgestellt.
(2) Die Aushändigung der Habilitationsurkunde erfolgt erst, nachdem die
Habilitationsschrift bei der Fakultät zur Weiterleitung an die Universitätsbibliothek
entweder in neun gebundenen, mit der Schreibmaschine geschriebenen gut lesbaren Exemplaren
oder gedruckt in 150 Exemplaren eingereicht worden ist. Erscheint die Arbeit in einer
Zeitschrift, so sind ebenfalls 150 Exemplare einzureichen. Erscheint sie in einer der
wissenschaftlichen Zeitschriften der Deutschen Demokratischen Republik, genügen 100
Exemplare. Die Einreichung von Teildrucken ist nicht gestattet.
(3) Mit der Aushändigung der Habilitationsurkunde erhält der Habilitand das
Recht, den akademischen Grad eines habilitierten Doktors zu führen.
§ 25
(1) Die eingereichten Exemplare der Habilitationsschrift müssen
ein Titelblatt haben, auf dem die Abhandlung als Habilitationsschrift gekennzeichnet ist
und die Namen des Dekans und der Gutachter angegeben sind.
(2) Habilitationsschriften, die im Druck veröffentlicht werden, müssen auf der
Rückseite des Titelblattes als Habilitationsschrift gekennzeichnet werden.
(3) Der Druck von Habilitationsschriften bedarf der Zustimmung des Dekans.
(4) Für die Druckgenehmigung gelten die gesetzlichen Bestimmungen.
§ 26
(1) Ausgenommen von der Verpflichtung zur Ablieferung der
Exemplare gemäß § 24 Abs. 2 sind nur solche Personen, denen im
Hinblick auf bereits veröffentlichte Arbeiten die Einreichung einer besonderen
Habilitationsschrift erlassen worden ist.
(2) Die bereits veröffentlichten Arbeiten gemäß Abs.1 sind der Fakultät zur
Weiterleitung an die Universitäts- und Hochschulbibliothek in je einem Exemplar zu
übergeben.
§ 27
Über alle Habilitationsschrift sind Autorreferate in den
Universitäts- oder Hochschulzeitschriften bzw. in einer Fachzeitschrift zu
veröffentlichen.
§ 28
Verfahrensfragen, die sich im Zusammenhang mit dieser
Habilitationsordnung ergeben, regelt der Rat der jeweiligen Fakultät.
§ 29
Im Habilitationsverfahren an wissenschaftlichen Hochschulen ohne
Fakultäten nimmt der Rektor die sich aus dieser Habilitationsordnung ergebenden Funktion
des Dekans, der Senat diejenigen des Rates der Fakultät wahr. Für sonstige
wissenschaftliche Einrichtungen werden hierüber mit Zustimmung des Staatssekretariat für
Hochschulwesen jeweils besondere Regelungen getroffen.
§ 30
(1) Diese Habilitationsordnung tritt mit Wirkung vom 1. September
1956 in Kraft.
(2) Bis zum 31. Dezember 1956 können Habilitationsverfahren an den Universitäten
und wissenschaftlichen Hochschulen nach den bisher geltenden Bestimmungen durchgeführt
werden.
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