Kundgebung der Reichsregierung an das deutsche Volk!

Vom 2. August 1934.


  Reichspräsident, Generalfeldmarschall von Hindenburg ist am 2. August 1934, früh 9 Uhr, in die Ewigkeit eingegangen.

  Zwanzig Jahre nach Ausbruch des Weltkrieges hat sich der große Soldat zur großen Armee begeben.

  Das ganze deutsche Volk vernimmt die Trauerbotschaft des Heimgangs unseres toten Generalfeldmarschalls mit tiefer Ehrfurcht und schmerzerfüllter Ergriffenheit. Tagelang richteten sich die Herzen von 67 Millionen Deutschen ein letztes Mal auf, in der bangen Hoffnung, daß es der unverwüstlich erscheinenden Geisteskraft des Reichspräsidenten noch einmal gelingen werde, die unerbittliche Natur, die sich anschickte, ihr Recht geltend zu machen, Widerstand zu leisten. Die Hoffnung war vergebens. Hindenburg ist tot.

  Damit hat das deutsche Volk seinen ehrwürdigsten Repräsentanten verloren. In tiefer Ehrfurcht und Dankbarkeit gedenkt es in dieser Stunde der fast unabmeßbaren Verdienste, die der Generalfeldmarschall und Reichspräsidenten sich um den Frieden, die Ehre und das Glück der deutschen Nation erworben hat.

  Wie ein monumentales Denkmal aus ferner Vergangenheit großer deutscher Tradition ragte er in unsere Zeit hinein.

  In ihm verkörperten sich noch die Erinnerungen an die leidvollen und blutigen Kämpfe, die das deutsche Volk um seine staatspolitische Einigung durchfechten mußte. Er stand noch als junger Vertreter seines Regiments im Spiegelsaal von Versailles, als das Kaiserreich proklamiert wurde. Er hat diesem Reich in langen Friedensjahrzehnten als pflichtgetreuer Soldat sein Leben und seine Kraft zur Verfügung gestellt. Schon schien es, als ob dieses arbeitsreiche menschliche Dasein in einem gesegneten Lebensabend seinen Abschluß finden würde, da brach über Deutschland der Weltkrieg herein. Als Hindenburg, in schwerster Stunde der Nation berufen, das Kommando der ostpreußischen Armeen übernahm, sah das deutsche Volk in banger Sorge nach dem uralten Ordensland. Durch die Rettung Ostpreußens von Invasion und Überflutung durch fremde Truppen wurde er zum ersten Male zum Vater des Vaterlandes.

  Vier Jahre lang war er dann für unser Volk und die Welt die Verkörperung deutschen Soldatentums und preußischer Pflichterfüllung. Mit seinem Namen verknüpfen sich die unvergänglichen Siege, die die deutschen Armeen an allen Fronten des großen Krieges an ihre Fahnen heften konnten.

  Im November 1918, als über Deutschland Verrat, Chaos und Verzweiflung hereinbrachen, blieb er der ruhende Pol in der Erscheinungen Flut. In einer herben und männlichen Pflichtauffassung, die schon vom Schimmer einer fast mythischen Verklärung umgeben war, stellte er sich schwersten Schicksalsstunden dem deutschen Volke wiederum zur Verfügung und führte die Armeen in die Heimat zurück. In diesen Wochen und Monaten wuchs er zum Symbol deutscher Pflichterfüllung empor.

  Wiederum vergönnte das Schicksal es ihm nicht, in Ruhe und wohlverdienter Abgeschiedenheit vom öffentlichen Leben seine Jahre zu beschließen. Noch einmal erging der Ruf des Volkes an den fast Achtzigjährigen, und der pflichtgewohnte Soldat des großen Krieges versagte sich auch diesem Rufe nicht. Zweimal wurde er zum Präsidenten des Deutschen Reichs gewählt. In all den Wirren der Nachkriegsjahre stand er immerdar über der Parteien Haß und Gunst. Wenn alles wankte, blieb er fest. Wenn jede Ordnung und jeder innere Zusammenhalt zu schwinden oder zu zerbrechen drohte, an ihn klammerten sich dann die letzten Hoffnungen eines verzweifelten Volkes. Er stellte seinen glanzumstrahlten großen Namen zur Verfügung, wenn es galt, die deutsche Nation nach innen oder nach außen würdig zu vertreten und ihre Lebensrechte der Welt gegenüber zu verteidigen. Hindenburg wurde im Frieden das, was er im Kriege gewesen war: der nationale Mythos des deutschen Volkes.

  Am 30. Januar 1933 schloß er für die junge nationalsozialistische Bewegung die Tore des Reichs auf. In gläubigem Vertrauen auf die unbesiegbare Lebenskraft seines Volkes legte er die Verantwortung in die Hand der deutschen Jugend und schlug damit die Brücke vom gestern zum Morgen. Mit einer Treue ohnegleichen hat er seitdem zum jungen Deutschland gestanden und gegenüber allen Bedrohungen seine schützende und segnende Hand über dem neuen Reich gehalten. Es war vielleicht das höchste Glück seines betagten Lebensabends, nun zu wissen, daß das Schicksal der Nation in sicherer Hut lag und das Reich so fest gegründet war, daß es allen Stürmen und Anfeindungen trotzen konnte.

  In ihm verkörperte sich die tiefe Versöhnung, die am 30. Januar 1933 zwischen dem Deutschland von Gestern und dem von Morgen stattgefunden hatte. Sein durch die vielen Jahre innerer Zerrissenheit unüberhörbar hindurchdringender Ruf nach Einigkeit ging in wunderbarste Erfüllung: die Klassen und Stände schlossen sich im Zeichen des Nationalsozialismus zusammen und wurden in einer festen, unerschütterlichen Volksgemeinschaft vereint.

  Dem deutschen Volke aber schien es so, als sei Hindenburg aus der Reihe der Lebenden nicht mehr herauszudenken. Unfaßbar war uns allen der Gedanke, daß er einmal von uns gehen könnte.

  Was unvorstellbar war, ist nun doch bittere Wirklichkeit geworden: Hindenburg lebt nicht mehr. Der getreue Ekkehard des deutschen Volkes ist von uns gegangen. Der Nation aber bleibt die dankbare und gesegnete Erinnerung an eine große, monumentale, über die Zeit weit hinausragende soldatische und staatsmännische Persönlichkeit und das edle, unübertroffene Beispiel einer herben, männlich-heroischen Pflichtauffassung, die sich im Dienste am Vaterland verzehrte.

  In Ehrfurcht und Erschütterung beugt die Nation ihr Haupt vor diesem großen Toten. Seine nimmermünde Sorge um das Reich soll von jetzt an unsere Sorge sein. Seinen Kampf um des deutschen Volkes Freiheit, Glück und Frieden aber übernehmen wir als Verpflichtung und Vermächtnis.

  Ein reiches, volles, von Arbeit und Segen gekröntes Leben ist damit zu Ende gegangen. Das Größte, was von einem Menschen gesagt werden kann, auf ihn trifft es zu: er hat durch seinen Heimgang die Welt ärmer gemacht.

  Das deutsche Volk wird das hehre Andenken seines Lebens und Wirkens in dem Schrein seines dankerfüllten Herzens verschließen. Der Ruhm seiner Taten im Krieg und Frieden wird von Enkel zu Enkel bis in die fernsten Geschlechter weitergetragen werden. Wir aber wollen uns glücklich preisen, den großen, alten Mann noch mitten unter uns gesehen zu haben, der eingegangen ist in unsere Geschichte als: "Generalfeldmarschall von Hindenburg!"


  Berlin, den 2. August 1934.[1]

Die Reichsregierung

 

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Anmerkung:
[1] Dies Proklamation der Reichsregierung wurde am 2. August 1934 verkündet.


Quelle: Reichsgesetzblatt 1934 I, S. 753-755.


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Kundgebung der Reichsregierung an das deutsche Volk! (02.08.1934), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/ns/1934/an-das-deutsche-volk_prkl.html, Stand: aktuelles Datum.


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Letzte Änderung: 03.06.2004
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