Aufruf des Rates der Volksbeauftragten an das deutsche Volk.
Vom 12. November 1918.
An das deutsche Volk!
Die aus der Revolution hervorgegangene Regierung, deren politische
Leitung rein sozialistisch ist, setzt sich die Aufgabe, das sozialistische Programm zu
verwirklichen. Sie verkündet schon jetzt mit Gesetzeskraft folgendes:
- Der Belagerungszustand wird aufgehoben.
- Das Vereins- und Versammlungsrecht unterliegt keiner Beschränkung, auch nicht für
Beamte und Staatsarbeiter.
- Eine Zensur findet nicht statt. Die Theaterzensur wird aufgehoben.
- Meinungsäußerung in Wort und Schrift ist frei.
- Die Freiheit der Religionsausübung wird gewährleistet. Niemand
darf zu einer religiösen Handlung gezwungen werden.
- Für alle politischen Straftaten wird Amnestie gewährt. Die wegen solcher Straftaten
anhängigen Verfahren werden niedergeschlagen.
- Das Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst wird aufgehoben, mit Ausnahme der sich
auf die Schlichtung von Streitigkeiten beziehenden Bestimmungen.
- Die Gesindeordnungen werden außer Kraft gesetzt, ebenso die Ausnahmegesetze gegen die
Landarbeiter.
- Die bei Beginn des Krieges aufgehobenen Arbeiterschutzbestimmungen werden hiermit wieder
in Kraft gesetzt.
Weitere sozialpolitische Verordnungen werden binnen kurzem
veröffentlicht werden. Spätestens zum 1. Januar 1919 wird der achtstündige
Maximalarbeitstag in Kraft treten. Die Regierung wird alles tun, um für ausreichende
Arbeitsgelegenheiten zu sorgen. Eine Verordnung über die Unterstützung von
Erwerbslosen ist fertiggestellt. Sie verteilt die Lasten auf Reich, Staat und Gemeinde.
Auf dem Gebiete der Krankenversicherung wird die Versicherungspflicht über die bisherige
Grenze von 2500 Mark ausgedehnt werden.
Die Wohnungsnot wird durch Bereitstellung von Wohnungen bekämpft werden.
Auf die Sicherung einer geregelten Volksernährung wird hingearbeitet werden.
Die Regierung wird die geordnete Produktion aufrechterhalten, das Eigentum gegen Eingriffe
Privater sowie die Freiheit und Sicherheit der Person schützen.
Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen,
direkten, allgemeinen Wahlrecht auf Grund des porportionalen Wahlsystem für alle
mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen.
Auch für die Konstituierende Versammlung, über die nähere Bestimmung noch erfolgen
wird, gilt dieses Wahlrecht.[1]
Berlin, den 12. November 1918.[2]
Ebert Haase Scheidemann Landsberg Dittmann Barth
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