Verordnung des Reichspräsidenten auf Grund des Artikels 48 Abs.
2 der Reichsverfassung, betreffend die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit
und Ordnung nötigen Maßnahmen.
Vom 24. März 1921.
Auf Grund des Artikels 48 der Reichsverfassung wird zu Wiederherstellung der öffentlichen
Sicherheit und Ordnung in der Provinz Sachsen folgendes verordnet:
§ 1
Die Artikel 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 der Verfassung des Deutschen Reichs werden vorübergehend außer Kraft
gesetzt. Es sind daher Beschränkungen der persönlichen Freiheit, das Recht der freien
Meinungsäußerung einschließlich der Pressefreiheit, des Vereins- und
Versammlungsrechts, Beschränkungen des Brief-, Post-, Telegraphen- und
Fernsprechgeheimnisses, Anordnungen zu Haussuchungen und von Beschlagnahmen sowie
Beschränkungen des Eigentums auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen
Grenzen zulässig.
§ 2
[1] Der Reichsminister des Innern ernennt einen
Regierungskommissar, der ermächtigt ist, die erforderlichen Anordnungen zur
Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Provinz Sachsen oder
Teilen dieses Gebiets zu treffen. Der Regierungskommissar untersteht
der Dienstaufsicht des Reichsministers des Innern und hat dessen Weisungen Folge zu
leisten.
[2] Wer den von dem Regierungskommissar erlassenen Anordnungen zuwiderhandelt oder
zu solcher Zuwiderhandlung auffordert oder anreizt, wird, sofern nicht die bestehenden
Gesetze eine höhere Strafe bestimmen, mit Gefängnis oder Haft oder Geldstrafe bis zu
15.000 Mark bestraft.
§ 3
[1] Alle Zivilverwaltungsbehörden des Reichs, der Länder
und der Kommunen haben, soweit ihr Verwaltungsbereich in den Bezirk fällt, dem Ersuchen
des Regierungskommissars im Rahmen ihrer Zuständigkeit Folge zu leisten.
[2] Bedarf der Regierungskommissar zur Durchführung seiner Aufgaben
militärischer Hilfe, so hat er diese beim Reichsminister des Innern zu beantragen; in
Fällen dringender Gefahr kann er das Wehrkreiskommando oder die nächste örtliche
Militärbefehlsstelle unmittelbar um Hilfe ersuchen. Die Regelung der Befehlsgewalt
innerhalb der Reichswehr wird hierdurch nicht berührt.
§ 4
[1] Gegen Anordnungen des Regierungskommissars, die im
Einzelfall auf Grund der §§ 1 oder 2 ergehen, steht
die Beschwerde an den Reichsminister des Innern offen.
[2] Gegen das Verbot regelmäßig erscheinender Druckschriften ist die
Beschwerde an einen Ausschuß zulässig. Die Mitglieder des Ausschusses und ihre
Stellvertreter wählt der Reichsrat aus seiner Mitte. Der Ausschuß entscheidet in der
Besetzung von 7 Mitgliedern, die nach eigener freier Überzeugung erkennen. Den Vorsitz im
Ausschuß führt ohne Stimmrecht der Reichsminister des Innern oder ein von ihm bestimmter
Vertreter. Die Beschwerde ist beim Reichsminister des Innern einzureichen, der sie, falls
er ihr nicht stattgibt, dem Ausschuß zur Entscheidung vorlegt.
§ 5
Auf Beschränkungen der persönliche Freiheit findet das Gesetz,
betreffend die Verhaftung und Aufenthaltsbeschränkung auf Grund des Kriegszustandes und
des Belagerungszustandes vom 4. Dezember 1916 (Reichs-Gesetzbl. S. 1329) entsprechende
Anwendung. An Stelle des Reichsmilitärgerichts tritt der auf Grund der Verordnung des
Reichspräsidenten vom 11. April 1920 (Reichs-Gesetzbl. S. 479 ff.) gebildete
Ausschuß. Der Reichsminister des Innern wird ermächtigt, für ausscheidende Mitglieder
Ersatzmänner zu ernennen. Die Vorschriften des § 4 Abs. 2 Satz 4 und 5
finden entsprechende Anwendung.
§ 6
Diese Verordnung tritt mit dem 24. März 1921 in Kraft.
Berlin, den 24. März 1921.
Der Reichspräsident
Ebert |
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Für den Reichsminister
des Innern |
Der Reichskanzler
Fehrenbach
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Der Reichswirtschaftsminister
Dr. Scholz
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