Freundchafts- und Defensiv-Allianz-Tractat zwischen dem König
von Preußen Friedrich Wilhelm III. und dem Kaiser von Rußland Alexander I.,
[einer der beiden "Allianzverträge von Teplitz"]
geschl. zu Töplitz den 9. September/28. August 1813.
Im Namen der allerheiligsten und untheilbaren Dreieinigkeit!
Seine Majestät der König von Preußen und Seine
Majestät der Kaiser aller Reußen, entschlossen, die Wirkungen Ihres
Einverständnisses auf die Zeit hinaus zu erstrecken, wo nach vollkommen
erreichtem Zwecke des gegenwärtigen Krieges Ihr wechselseitiges Interesse die
Aufrechterhaltung der durch den glücklichen Erfolg desselben herbeigeführten Ordnung
der Dinge dringend erheischen wird, haben gemeinschaftlich bestimmt, die bereits
zwischen Ihnen bestehenden glücklichen Bande der Freundschaft und der Eintracht durch
Verpflichtungen zu verstärken, welche mit denen vollkommen
übereinstimmen, so Sie, Jeder für Sich, mit Seiner Majestät dem Kaiser
von Oesterreich eingegangen sind.[1] Zu diesem Ende haben
Sie, um zu dem Allianz-Tractat d. d. Kalisch 16/28 Februar d. J. additionelle
Artikel festzusetzen, Bevollmächtigte mit Ihren Instructionen versehen, ernannt,
und zwar:
Seine Majestät der König von Preußen, den Herrn Carl August
Freiherrn von Hardenberg, Ihren Staatskanzler etc.; und Seine Majestät der
Kaiser aller Reußen, den Herrn Karl Robert Grafen von Nesselrode,
Ihren Geheimen Rath und Staatssecretär etc. - welche nach Auswechslung ihrer in guter und
gehöriger Form befundenen Vollmachten, über folgende Artikel übereingekommen sind:
Art. I. Se. Majestät der König von Preußen garantiren Sr. Maj.
dem Kaiser aller Reußen den Besitz aller Ihrer Staaten, Provinzen und Domainen. Se.
Majestät der Kaiser aller Reußen garatiren dagegen Sr. Majestät dem Könige von
Preußen den Besitz der Staaten, Provinzen und Domainen, welche der Krone Sr. Königlichen
Majestät angehören.
Art. II. In Folge dieser wechselseitigen Garantie werden die hohen
contrahirenden Theile in beständiger Uebereinstimmung an denjenigen Maaßregeln arbeiten,
die Ihnen zur Aufrechterhaltung des Friedens in Europa am zweckmäßigstens scheinen, und
im Falle, daß die Staaten der einen oder der andern Macht mit einem Einfall bedroht seyn
sollte, sich auf das wirksamste dagegen verwenden.
Art. III. Da jedoch diese gegenseitig versprochene Verwendung nicht
den gewünschten Erfolg haben könnte; so verpflichten Sich Ihre Majestäten von diesem
Augenblicke an, Sich im Falle, wenn eine oder die andere von Ihnen angegriffen werden
sollte, wechselseitig mit einem Corps von Sechszigtausend Mann zu unterstützen.
Art. IV. Diese Armee soll aus Fünfzigtausend Mann Infanterie und
Zehntausend Mann Cavallerie bestehen, und mit einem Corps Feldartillerie, mit Munition und
sämmtlichen übrigen Bedürfnissen, alles nach Verhältniß der oben stipulirten
Truppenzahl, versehen seyn. - Die Auxiliar-Armee soll spätestens in zwei Monaten nach
geschehener Aufforderung an den Gränzen der angegriffenen oder mit einem Einfalle in ihre
Besitzungen bedrohten Macht eingetroffen seyn.
Art. V. Die Auxiliar-Armee steht unter dem unmittelbaren
Commando des Oberbefehlshabers der requirirenden Macht; sie soll von ihrem eigenen General
angeführt und bei allen Militair-Operationen nach den Kriegsregeln verwendet werden.
Der Sold der Auxiliar-Armee wird von der requirirten Macht bestritten; die
Rationen und Portionen von Lebensmitteln, Fourage u. s. w., so wie auch die Quartiere,
werden, sobald die Auxiliar-Armee ihre Gränzen überschritten, von der requirirenden
Macht, und zwar nach demselben Maaßstabe geleistet, nach dem sie ihre eigenen Truppen im
Felde und in den Quartieren unterhält oder unterhalten wird.
Art. VI. Die militairische Ordnung und Oekonomie bei der inneren Verwaltung dieser Truppen hängen einzig und allein von ihrem
eigenen Chef ab. Sie können nicht getrennt werden. Die den Feinden abgenommenen
Siegeszeichen und Beute gehören den Truppen, welche sie erobert haben.
Art. VII. In dem Falle, daß die stipulirte Hülfe für denjenigen
der hohen contrahirenden Theile, welcher angegriffen werden sollte, nicht hinreichend seyn
würde, behalten Sich Se. Maj. der König von Preußen und Se. Maj. der Kaiser aller
Reußen vor, Sich nach Erforderniß der Umstände ohne Zeitverlust über die Leistung
einer beträchtlicheren Hülfe gegenseitig einzuverstehen.
Art. VIII. Die hohen contrahirenden Theile versprechen Sich
gegenseitig, daß Sie in dem Falle, wenn einer von beiden zur Ergreifung der Waffen
genöthigt worden seyn sollte, ohne Ihren Alliirten weder Frieden noch Waffenstillstand
schließen wollen, damit dieser nicht aus Haß wegen der geleisteten Hülfe angegriffen
werden könne.
Art. IX. Die Botschafter und Gesandten der hohen contrahirenden
Theile an den auswärtigen Höfen sollen Befehl erhalten, sich durch gegenseitige
Verwendung zu unterstützen und bei allen Gelegenheiten, die das Interesse ihrer Herren
betreffen, in vollkommenem Einverständnisse zu handeln.
Art. X. Da die hohen contrahirenden Theile bei Abschließung
dieses rein defensiven Freundschafts- und Allianz-Tractats keinen andern Zweck haben, als
Sich gegenseitig Ihre Besitzungen zu garantiren und, so weit es von Ihnen abhängt, die
allgemeine Ruhe zu sichern; so wollen Sie dadurch den früheren und besonderen gleichfalls
defensiven Verpflichtungen, welche Sie mit Ihren respectiven Alliirten eingegangen
sind, nicht nur allein nicht den mindesten Abbruch thun, sondern Sie behalten Sich
noch wechselseitig die Freiheit vor, selbst künftighin andere Tractate
mit den Mächten abzuschließen, welche, weit entfernt durch ihre
Verbindung dem gegenwärtigen Tractate irgend einen Nachtheil zu bringen oder ein
Hinderniß in den Weg zu legen, demselben nur noch mehr Kraft und Wirksamkeit geben
können. Sie versprechen jedoch, keine dem gegenwärtigen Tractate
zuwiderlaufenden Verbindlichkeiten einzugehen, und wollen vielmehr, in
gemeinschaftlichem Einverständnisse, andere Höfe dazu einladen und zulassen, welche
dieselben Gesinnungen hegen.
Art. XI. Gegenwärtige nachträgliche Artikel sollen von Sr. Maj.
dem Könige von Preußen und von Sr. Maj. dem Kaiser aller Reußen ratificirt und die
Ratificationen desselben binnen möglichst kurzer Frist ausgewechselt werden.
Zur Beglaubigung haben Wir endesunterschriebene Bevollmächtigte, kraft Unserer
Vollmachten, gegenwärtige nachträgliche Artikel unterzeichnet und denselben Unser
Insiegel beidrucken lassen.
So geschehen zu Töplitz, den 9. Sept./28. Aug. im Jahre Eintausend
Achthundert und Dreizehn.
(L. S.) C. A. Frhr. v. Hardenberg.
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(L. S.) C. R. Gf. v. Nesselrode.
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