Bericht des französischen Außenministers Herzog Bassano an den
Kaiser von Frankreich und König von Italien Napoleon bezüglich der Kriegserklärung
Preußens an Frankreich.
Vom 1. April 1813.[1]
Sire! Die Tage von Jena und Friedland hatten den Umfang der
preußischen Monarchie Ew. Majestät zur Verfügung gestellt. Gewichtige Gründe riethen
an, die Früchte des Sieges zu behalten, oder auf den Thron Preußens einen Fürsten zu
setzen, dessen Interessen denen Frankreichs nicht entgegen wären, der von Frankreich
nichts zu reclamiren haben könnte, und der vor allem sich nicht durch jenen unsteten
Geist leiten ließe, der seit einem Jahrhunderte die Politik des Hauses Brandenburg
charakterisirt. Allein der Kaiser von Rußland erbot sich zu Tilsit,
England den Krieg zu erklären und zum Schließen des Festlandes gegen den Handel Englands
mitzuwirken, damit diese Macht zum Verlangen des Friedens gezwungen werde, wofern
der König von Preußen wieder in seinen Rang unter den Souverainen eingesetzt würde.
Jene Aussicht übte über Ew. Majestät eine Versuchung, der Sie
nicht widerstehen konnten; Sie überließen sich der Hoffnung, die Ruhe der Welt wieder
hergestellt und den Handel Frankreichs endlich jenes Glanzes genießen zu sehen, den ihm
der Reichthum unseres Volkes und die Industrie seiner Völker sichert. Sie opferten so
großen Interessen die Berechnungen mißtrauender Politik, und bei Ihrer zweiten
Zusammenkunft mit dem Kaiser Alexander willigten Sie ein, den König von Preußen zu
empfangen, dessen Gegenwart Sie in gerechtem Unwillen hatten vermeiden wollen. Es war
überdieß die allgemeine Annahme, der König von Preußen sey wieder seinen Willen zum
Kriege hingezogen worden. Ew. Majestät hofften, daß die gemachte Erfahrung ihn für
immer vor gefährlichen Verführungen und verhängnißvollen Täuschungen bewahren würde;
und endlich wollten Ew. Majestät, denen Großmuth Bedürfniß ist, Sich gern überreden,
daß die von Ihnen hier geübte Großmuth nie in Vergessenheit gerathen werde.
Die preußische Monarchie wurde wieder aufgerichtet, das Haus Brandenburg fuhr fort
zu regieren. Ew. Majestät mußten dasselbe von den Gränzen des Rheins
entfernen, und ihm das Protectorat der Küsten entreißen. Sie schufen das Königreich
Westphalen, und stipulirten, daß Danzig, Glogau, Cüstrin, Stettin, bis zum Frieden mit
England, in Ihren Händen blieben. Sie wünschten, daß die Zurückgabe dieser wichtigen
Plätze in den Unterhandlungen mit England einen Gegenstand der Entschädigung für unsere
Seebesitzungen abgeben möchte. Der König von Preußen war nicht in dem
Fall, sich über die Geschenke, die er von der Großmuth Ew. Majestät empfing, und deren
Bedeutenheit sich über seine Erwartungen erhob, in Discussionen einzulassen.
Die den preußischen Gebieten auferlegten Kriegscontributionen waren als billige und
nothwendige Entschädigungen aufbehalten für die Kosten des ungerechten Krieges, den
Preußen entzündet hatte. Die Armeen Ew. Maj. sollten das dem König von Preußen
abgetretene Gebiet erst nach völliger Entrichtung dieser Contributionen
räumen. Indessen, Sire, willigten Ew. Maj. vermöge der zu Berlin am 5.
Nov. 1808 in Folge der Conferenzen von Erfurth geschlossenen Convention
darein, Preußen einen Theil seiner Schuld zu erlassen, sowie die französischen Truppen
aus dem Lande wegzuziehen, bevor noch die Zahlungen alle geleistet
wären. Frankreichs Allianz mir Rußland schien Preußens Treue
verbürgen zu sollen; Ew. Maj. wollten Sich darauf verlassen. Allein die diesem Cabinet
zur Gewohnheit gewordene Schwäche und Unschlüssigkeit konnten von einem Augenblicke zum
andern dieses Vertrauen täuschen.
Preußens Betragen in den ersten auf den Frieden von Tilsit folgenden Jahren wurde
von Gesinnungen geleitet, die von jenen der Dankbarkeit sehr verschieden waren. Weit
entfernt, die eingegangenen Verbindlichkeiten zu erfüllen, schien Dasselbe nur auf
Gelegenheit zu lauern und auf Veränderungen der Dinge zu warten, die ihm
erlaubten, sich ihnen zu entziehen. Man sah im Jahr 1809 ganze Regimenter, dem Einfluß
nachgebend, den geheime und aufrührerische Gesellschaften übten, zu den Fahnen der
Feinde Ew. Majestät übergehen. Keine Regierung hat in ihren Annalen einen
solchen Scandal aufzuweisen. Als im Jahr 1811 eine sichtbare Veränderung in den
Dispositionen Rußlands den Ausbruch eines neuen Krieges im Norden besorgen
ließ, verstand Preußen wohl, daß es sein Schicksal hier lediglich von seiner
Vorsicht abhänge, daß es, dem Gang der Ereignisse den Lauf lassend, das Ergreifen einer
Parthey nicht mehr in seiner Gewalt haben werde, diese Wahl daher thun müsse,
so lange sie ihm noch freistehe. Und Preußen bat Ew. Majestät um die Gunst der Aufnahme
in Ihre Allianz. Diese Frage stellte sich in ihrer ganzen Wichtigkeit dar. Es schien der
Klugheit und der richtigen Politik angemessen, Vortheil zu ziehen von
den Beschwerden, zu denen Preußen durch sein immer schwankendes Benehmen Grund
gegeben, und, sollte ein Krieg mit Rußland ausbrechen, auch Preußen den Krieg zu
erklären, um keine zweideutige Macht im Rücken zu haben. Preußen ließ es indessen an
Sollicitationen und Bitten nicht fehlen. Die Schritte, welche Preußen damals in
Petersburg that, als es noch Zeit war, auf Rußlands Entscheidungen Einfluß zu üben,
trugen ein solches Gepräge von Offenheit und waren so ganz im Sinne von
Frankreichs Interessen geschehen, daß Ew. Majestät davon betroffen waren. Ihre
Bedenklichkeiten hörten auf; Preußen wurde in die Allianz aufgenommen und dadurch noch
einmal gerettet. Als Ew. Majestät Sich nach Dresden begaben, besuchte Sie dort der
König von Preußen; mündlich wiederholte er dort die Versicherung unverletzlicher
Anhänglichkeit an das von ihm angenommene System.
So lange Ew. Majestät Herr waren über die Ereignisse und Sie waren es, so
lange als Genie und Muth sie zu bemeistern im Stande waren blieb Preußen treu, und
das preußische Corps that seine Schuldigkeit; sobald aber die französische Armee einen
Glückswechsel erfuhr, war bei dem Berliner Cabinet jede Rücksicht vorüber. Der Abfall
des Generals York rief die Feinde in die Staaten des Königs von Preußen, und zwang
unsere Truppen, die Weichselgegend zu räumen und sich auf die Oder zurückzuziehen.
Preußen erbot sich nun, um seine Absichten zu verbergen, ein neues Contingent
aufzustellen. Es hatte damals in Schlesien diesseits der Oder eine hinlänglich Anzahl
völlig ausgerüsteter Truppen, und eine Cavalerie, die gegen die schwärmenden leichten
Truppen des Feindes gar gute Dienste hätte leisten können. Allein
Preußen war entschlossen, das gegebenen Wort zu brechen. Unvermuthet verließ
der König Potsdam, verließ seine Residenz, wo er durch die Oder gedeckt war, um sich in
eine offene Stadt zu begeben und dem Feind geradezu entgegen zu kommen. Kaum war er zu
Breslau angelangt, als General Bülow, der einige tausend Mann an den unteren Oder
commandirte, dem verrätherischen Beispiele des Generals York folgte und den leichten
russischen Truppen seine Cantonnirungen öffnete, ihren Uebergang über die Oder
erleichterte. Die frisch geworbenen preußischen Krieger zeigten diesen Truppen den
Weg, so daß sie bis vor die Thore Berlins drangen und dort kleine Gefechte
lieferten.
Das preußische Cabinet hatte die Maske weggeworfen. Der König rief durch drei
aufeinanderfolgende Befehle[2] sein Volk zu den
Waffen: zuerst die jungen Leute von Familie, die begütert genug waren, um sich selbst zu
equipiren und auszustatten; dann die ganze Jugend von 17 bis 24 Jahren; endlich die
Männer die solches Alter überschritten hatten. Dieser Aufruf war eine Appelation an
Leidenschaften, die Preußen, bei dem Verlangen nach einer Allianz und so lange es ihr
treu geblieben, zu unterdrücken das Bedürfniß gefühlt hatte. Der Staatskanzler
versammelte die Koryphäen jener Partheygänger, deren
aufrührerischer Fanatismus Umsturz der bürgerlichen Ordnung und Zerstörung der Throne
predigt. Mit Ostentation sandte man preußische Officiere ins russische Hauptquartier; zu
Breslau aber folgte ein russischer Agent dem andern. Endlich, am 1. März,
vollendete die preußische Regierung, vermöge eines förmlichen Tractats mit Rußland,
dasjenige, was der General York begonnen hatte. Die Minister des Königs
kündigten am 17. März zu Breslau und am 27. zu Paris officiell an, daß ihr Heer
gemeinschaftliche Sache mit dem Feinde mache. So hat denn Preußen Ew.
Majestät den Krieg erklärt, zum Dank für den Tractat von Tilsit, der den König wieder
auf den Thron erhoben, und für den Tractat von Paris, der ihn zur Allianz zugelassen
hatte.
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