Manifest des Kaisers von Österreichs, Königs von Ungarn und
Böhmen Franz II. zur Begründung Kriegserklärung an Frankreich.
Vom 19. August 1813.
Die österreichische Monarchie fand sich, durch die Lage, durch
ihre vielfachen Verbindungen mit andern Mächten, durch ihre Wichtigkeit im dem
europäischen Staatenbunde, in einen großen Theil der Kriege verwickelt, die seit länger
als zwanzig Jahren Europa verheeren. Im ganzen Laufe dieser Kriege hat nur ein und immer
derselbe politische Grundsatz jeden Schritt Sr. Maj. des Kaisers geleitet. Aus angeborner
Neigung, aus Pflichtgefühl, aus Liebe zu Ihren Völkern dem Frieden zugethan, allen
Eroberungs- und Vergrößerungs-Gedanken fremd, haben Se. Maj. nie die Waffen ergriffen,
als wenn die Nothwendigkeit unmittelbarer Selbstvertheidigung, oder die von eigner
Erhaltung unzertrennliche Sorge für das Schicksal benachbarter Staaten, oder die Gefahr,
das ganze gesellschaftliche System von Europa durch gesetzlose Willkühr zertrümmert zu
sehen, dazu aufforderten. Für Gerechtigkeit und Ordnung haben Se. Maj. zu leben und zu
regieren gewünscht; für Gerechtigkeit und Ordnung allein hat Oesterreich gestritten.
Wenn in diesem oft unglücklichen Kampfe der Monarchie tiefe Wunden
geschlagen wurden, so blieb Se. Maj. wenigstens der Trost, daß das Schicksal Ihres
Reiches nicht für unnützige und leidenschaftliche Unternehmungen aufs Spiel gesetzt ward
und daß jede Ihrer Entschließungen vor Gott, vor Ihrem Volke, vor den Zeitgenossen und
der Nachwelt gerechtfertigt werden konnte.
Der Krieg von 1809 würde, ungeachtet der zweckmäßigsten Vorbereitungsanstalten,
den Staat zum Untergange geführt haben, wenn die unvergeßliche Tapferkeit der Armee und
der Geist einer treuen Vaterlandsliebe, der alle Theile der Monarchie beseelt, nicht
stärker gewesen wäre, als jedes feindselige Schicksal. Die Nationalehre und der alte
Waffenruhm wurden unter allen Widerwärtigkeiten dieses Krieges glücklich behauptet; aber
kostbare Provinzen gingen verloren; und durch die Abtretung der Küstenländer am
adriatischen Meere wurde Oesterreich aller Antheil am Seehandel, eines der wirksamsten
Beförderungsmittel seiner Landesindustrie, geraubt; ein Schlag, der noch tiefer gefühlt
worden wäre, wenn nicht zu eben dieser Zeit ein den ganzen Continent umschlingendes
verderbliches System ohnehin alle Handelswege gesperrt und fast alle Gemeinschaft
zwischen den Völkern gebrochen hätte. Der Gang und die Resultate dieses Krieges hatten
Sr. Maj. die volle Ueberzeugung bewährt, daß, bei der einleuchtenden Unmöglichkeit
unmittelbarer und gründlicher Heilung des tief zerrütteten politischen Zustandes
von Europa, die bewaffneten Rettungsversuche einzelner Staaten, anstatt der
gemeinschaftlichen Noth ein Ziel zu setzen, nur die noch übrig gebliebenen
unabhängigen Kräfte fruchtlos aufreiben, den Zerfall des Ganzen beschleunigen, und
selbst die Hoffnung auf bessere Zeiten vernichten mußten.
Von jener Ueberzeugung geleitet, erkannten Se. Majestät, welch ein wesentlicher
Vortheil es seyn würde, durch einen auf mehrere Jahre gesicherten Frieden den bis dahin
unaufhaltsamen Strom einer täglich wachsenden Uebermacht wenigstens zum Stillstande zu
bringen, Ihrer Monarchie die zur Herstellung des Finanz- und Militärwesens unentbehrliche
Ruhe, zugleich aber den benachbarten Staaten einen Zeitraum von Erholung zu verschaffen,
der, mit Klugheit und Thätigkeit benutzt, den Uebergang zu glücklichen Tagen vorbereiten
konnte. Ein Friede dieser Art war unter den damaligen gefahrvollen Umständen nur durch
einen außerordentlichen Entschluß zu erreichen. Der Kaiser fühlte es und faßte diesen
Entschluß. Für die Monarchie, für das heiligste Interesse der Menschheit, als
Schutzwehr gegen unabsehliche Uebel, als Unterpfand einer besseren Ordnung der
Dinge, gaben Se. Majestät, was Ihrem Herzen das Theuerste war, hin. In diesem über
gewöhnliche Bedenklichkeit weit erhabenen, gegen alle Mißdeutungen des
Augenblicks gewaffneten Sinne wurde ein Band geknüpft, das, nach den Drangsalen eines
ungleichen Kampfes, den schwächern und leidenden Theil durch das
Gefühl einiger Sicherheit aufrichten, den stärkern und siegreichen für
Mäßigung und Gerechtigkeit stimmen, und so von zwei Seiten zugleich der Wiederkehr eines
Gleichgewichts der Kräfte, ohne welches die Gemeinschaft der Staaten nur eine
Gemeinschaft des Elends seyn kann, den Weg bahnen sollte.
Der Kaiser war zu solchen Erwartungen um so mehr berechtigt, als zur Zeit der
Stiftung dieses Bandes der Kaiser Napoleon den Punct in seiner Laufbahn erreicht hatte, wo
Befestigung des Erworbenen wünschenswürdiger wird, als rastloses Streben nach neuem
Besitz. Jede weitere Ausdehnung Seiner längst alles gerechte Maaß übersteigenden
Herrschaft war, nicht nur für Frankreich, das unter der Last seiner Eroberungen zu
Boden sank, sondern selbst für sein wohlverstandenes persönliches Interesse, mit
sichtbarer Gefahr verknüpft. Was diese Herrschaft an Umfang gewann, mußte sie nothwendig
an Sicherheit verlieren. Das Gebäude seiner Größe erhielt durch die Familienverbindung
mit dem ältesten Kaiserhause der Christenheit in den Augen der französischen Nation und
der Welt einen solchen Zuwachs an Festigkeit und Vollendung, daß unruhige
Vergrößerungspläne es forthin nur entkräften und erschüttern konnten. Was Frankreich,
was Europa, was so viel gedrückte und verzweifelte Nationen vom Himmel erflehten, schrieb
dem mit Ruhm und Sieg gekrönten Beherrscher eine gesunde Politik als Gesetz seiner
Selbsterhaltung vor. Es war erlaubt, zu glauben, daß so viel vereinigte Motive über den
Reiz eines einzigen triumphiren würden. Wenn diese frohen Hoffnungen unerfüllt blieben,
so kann Oesterreich kein Vorwurf darüber treffen. Nach vieljähriger vergeblicher
Anstrengung und unermeßlichen Aufopferungen aller Art, gab es Beweggründe genug zu dem
Versuch, durch Vertrauen und Hingebung Gutes zu wirken, wo Ströme von Blut bisher nur
Verderben auf Verderben gehäuft hatte. Seine Majestät werden es wenigstens nie bereuen,
diesen Weg betreten zu haben.
Das Jahr 1810 war noch nicht verflossen, der Krieg wüthete in Spanien noch fort,
die deutschen Völker hatten kaum Zeit gehabt, nach den Verwüstungen der beiden vorigen
Kriege den ersten freien Athemzug zu thun, als der Kaiser Napoleon in einer unglücklichen
Stunde beschloß, einen ansehnlichen Bezirk des nördlichen Deutschlands mit der Masse von
Ländern, die den Namen des französischen Reiches führte, zu vereinigen und die alten
freien Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck ihrer politischen, bald nachher auch ihrer
commerciellen Existenz, und ihrer letzten Subsistenzmittel, zu berauben. Dieser
gewaltthätige Schritt geschah ohne einen auch nur scheinbaren Rechtsgrund, mit Verachtung
aller schonenden Formen, ohne vorhergehende Ankündigung oder Rücksprache mit irgend
einem Cabinet, und dem willkührlichen und nichtigen Vorwande, daß der Krieg mit England
ihn gebiete. Zugleich wurde jenes grausame System, welches auf Kosten der
Unabhängigkeit, der Wohlfahrt, der Rechte und der Würde, des öffentlichen und
Privateigenthums aller Staaten des Continents den Welthandel zu Grunde richten
sollte, mit unerbittlicher Strenge verfolgt, in der eitlen Erwartung, ein Resultat zu
erzwingen, das, wenn es nicht glücklicherweise unerreichbar gewesen wäre, Europa auf
lange Zeiten hinaus in Armuth, Ohnmacht und Barbarei gestürzt haben würde. Der
Beschluß, welcher eine neue französische Herrschaft,
unter dem Titel einer zweiunddreißigsten Militärdivision, an den
deutschen Seeküsten errichtete, war an und für sich beunruhigend genug für alle
benachbarten Staaten; er wurde es noch mehr als unverkennbare Vorbedeutung künftiger
größerer Gefahr. Durch diesen Beschluß sah man das in Frankreich selbst aufgestellte,
zwar früher schon übertretene, doch immer noch als bestehend proclamirte System der
sogenannten natürlichen Gränzpuncte des französischen Reiches, ohne alle weitere
Rechtfertigung oder Erklärung, über den Haufen geworfen, und sogar die eigenen
Schöpfungen des Kaisers mit beispielloser Willkühr vernichtet. Weder die Fürsten des
Rheinbundes, noch das Königreich Westphalen, noch irgend ein großes oder kleines Gebiet
auf dem Weg dieser furchtbaren Usurpation, wurde geschont. Die Gränze lief, dem Anschein
nach von blinder Laune gezeichnet, ohne Regel noch Plan, ohne Rücksicht auf alte oder
neue Verhältnisse quer über Länder und Ströme hin, schnitt die mittleren und
südlichen deutschen Staaten von aller Verbindung mit der Nordsee ab, überschritt die
Elbe, riß Dänemark und Deutschland voneinander, nahm selbst die Ostsee in Anspruch,
schien der Linie der fortdauernd besetzten preußischen Oberfestungen entgegen zu eilen.
Und doch trug die ganze Occupation, so gewaltsam sie auch in alle Rechte und Besitzungen,
in alle geopgraphische, politische und militärische Demarcationen, eingriff, so wenig das
Gepräge eines vollendeten und geschlossenen Gebietes, daß man gezwungen war, sie nur als
Einleitung zu noch größeren Gewaltschritten zu betrachten, durch welche die Hälfte von
Deutschland eine französische Provinz und der Kaiser Napoleon wirklicher Oberherr des
Continents werden sollte. Am nächsten mußte sich durch diese unnatürliche Ausdehnung
des französischen Gebietes Rußland und Preußen gefährdet fühlen. Die preußische
Monarchie, von allen Seiten eingeschlossen, keiner freien Bewegung mehr mächtig, jedes
Mittels neue Kräfte zu sammeln beraubt, schien sich ihrer gänzlichen Auflösung mit
starken Schritten zu nähern. Rußland, durch die eigenmächtige Verwandlung der im
Tilsiter Frieden frei erklärten Stadt Danzig in einen französischen Waffenplatz, und
eines großen Theils von Polen in eine französische Provinz, auf seiner Westgränze schon
hinreichend beunruhigt, sah in dem Vorrücken der französischen Macht längs der
Seeküste und in den neuen Fesseln, die Preußen bereitet wurden, eine dringende Gefahr
für seine deutschen und polnischen Besitzungen. Von diesem Augenblick an war der Bruch
zwischen Frankreich und Rußland so gut als entschieden.
Nicht ohne große und gerechte Besorgniß sah Oesterreich diese neuen Wetterwolken
aufsteigen. Der Schauplatz der Feindseligkeiten mußte in jedem Falle seine Provinzen
berühren, deren Vertheidigungszustand, da die nothwendige Reform des Finanzwesens die
Wiederherstellung der Militärmittel gehemmt hatte, höchst unvollkommen war. Aus einem
höheren Standpuncte betrachtet, erschien der Kampf, der Rußland bevorstand, in einem
äußerst bedenklichen Lichte, da er unter eben so ungünstigen Conjuncturen, eben dem
Mangel an Mitwirkung anderer Mächte, eben dem Mißverhältniß der wechselseitigen
Streitkräfte, folglich eben so hoffnungslos als alle frühern von
ähnlicher Art begann. Se. Maj. der Kaiser boten Alles, was freundschaftliche Vermittlung
von einer und der andern Seite vermochte, auf, um den Ausbruch des Sturmes zu hindern.
Daß der Zeitpunct so nahe war, wo das Mißlingen dieser wohlgemeinten Schritte dem Kaiser
Napoleon weit verderblicher werden sollte, als seinen Gegnern, konnte damals kein
menschlicher Scharfsinn voraussehen. So war es im Rath der Weltregierung beschlossen.
Als die Eröffnung des Krieges nicht mehr zweifelhaft war, mußten Se. Majestät
auf Maaßregeln denken, wie sich in einer so gespannten und gefährlichen Lage eigene
Sicherheit mit pflichtmäßiger Rücksicht auf das wesentliche Interesse benachbarter
Staaten vereinigen ließ. Das System einer wehrlosen Unthätigkeit, die einzige Art von
Neutralität, die der Kaiser Napoleon, seinen Erklärungen zufolge, gestattet hätte, war
nach allen gesunden Staatsgrundsätzen unzulässig und am Ende nur ein ohnmächtiger
Versuch, der schweren Aufgabe, die gelöst werden sollte, auszuweichen. Eine Macht von
Oesterreichs Gewicht durfte der Theilnahme an den Angelegenheiten von Europa unter keiner
Bedingung entsagen, noch sich in eine Lage versetzen, wo sie, gleich unwirksam für
Frieden und Krieg, ihre Stimme und ihren Einfluß in allen großen Berathschlagungen
verloren hätte, ohne irgend eine Gewährleistung für die Sicherheit der eigenen Gränze
zu gewinnen. Sich gegen Frankreich zum Kriege zu rüsten, wäre ein unter den obwaltenden
Umständen eben so sehr mit der Billigkeit als mit der Klugheit streitender Schritt
gewesen: Der Kaiser Napoleon hatte Sr. Majestät keinen persönlichen Anlaß zu
feindlichen Handlungen gegeben, und die Aussicht, durch geschickte Benutzung der einmal
gestifteten freundschaftlichen Verhältnisse, durch vertrauliche Vorstellungen und
mildernde Rathschläge manchen wohlthätigen Zweck zu erreichen, war noch nicht alle
Hoffnung verschwunden. In Bezug auf das unmittelbare Staatsinteresse aber hätte ein
solcher Entschluß zu unausbleiblichen Folge gehabt, daß die österreichischen Länder
der erste und vornehmste Schauplatz eines Krieges geworden wären, der bei der offenbaren
Unzulänglichkeit ihrer Vertheidigungsmittel die Monarchie in kurzer Zeit zu Boden werfen
mußte. In dieser peinlichen Lage blieb Sr. Majestät kein anderer Ausweg als der, auf der
Seite Frankreichs den Kampfplatz zu betreten.
Für Frankreich, im eigentlichen Sinne des Worts, Parthey zu ergreifen, hätte
nicht nur mit den Pflichten und Grundsätzen des Kaisers, sondern selbst mit den
wiederholten Erklärungen seines Cabinets, welches diesen Krieg ohne allen Rückhalt
gemißbilligt hatte, im Widerspruch gestanden. Se. Majestät gingen bei der Unterzeichnung
des Tractats vom 14. März 1812 von zwei bestimmten Gesichtspunkten aus. Der nächste war,
wie selbst die Worte des Tractats bezeugen, sich keines Mittels zu begeben, wodurch
früher oder später auf den Frieden gewirkt werden konnte; der andere, von innen und
außen eine Stellung zu gewinnen, die, im Fall der Unmöglichkeit des Friedens, oder wenn
der Lauf des Krieges entscheidende Maaßregeln nothwendig machen sollte, Oesterreich in
den Stand setzte, mit Unabhängigkeit zu handeln und in jeder gegebenen Voraussetzung so
zu Werke zu gehen, wie eine gerechte und weise Politik es vorschreiben würde. Aus diesem
Grunde ward nur ein genau bestimmter und verhältnißmäßig geringer Theil der Armee zur
Mitwirkung bei Kriegsoperationen verheißen; die übrigen bereits vorhandenen, oder noch
zu bildenden Streitkräfte blieben außer aller Gemeinschaft mit diesem Kriege. Durch eine
Art von stillschweigender Uebereinkunft wurde selbst das Gebiet der Monarchie von allen
kriegführenden Mächten als neutral behandelt. Der wahre Sinn und Zweck des von Sr.
Majestät gewählten Systems konnte weder Frankreich, noch Rußland, noch irgend einem
einsichtsvollen Beobachter der Weltbegebenheiten entgehen.
Der Feldzug von 1812 bewies an einem denkwürdigen Beispiel, wie ein mit
Riesenstreitkräften ausgestattetes Unternehmen in den Händen eines Feldherrn vom ersten
Range scheitern kann, wenn er, im Gefühl großer militärischer Talente, den Schranken
der Natur und den Vorschriften der Weisheit Trotz zu bieten gedenkt. Ein Blendwerk der
Ruhmbegierde zog den Kaiser Napoleon in die Tiefen des russischen Reichs; und eine falsche
politische Ansicht verleitete ihn zu glauben, daß er in Moskau den Frieden vorschreiben,
die russische Macht auf eine halbes Jahrhundert lähmen, dann siegreich zurückkehren
würde. Als die erhabene Standhaftigkeit des Kaisers von Rußland, die ruhmvollen
Thaten seiner Krieger, und die unerschütterte Treue seiner Völker diesem Traum ein Ende
gemacht, war es zu spät, ihn ungestraft zu bereuen. Die ganze französische Armee
wurde zerstreut und vernichtet; in weniger als vier Monaten sah man den Schauplatz des
Krieges vom Dniepr und der Dwina an die Oder und Elbe versetzt. Dieser schnelle und
außerordentliche Glückswechsel war der Vorbote einer wichtigen Revolution in den
gesammten politischen Verhältnissen von Europa. Die Verbindung
zwischen Rußland, Großbritannien und Schweden bot allen
umliegenden Staaten einen neuen Vereinigungspunct dar. Preußen, längst
rühmlich vertraut mit dem Entschlusse, das Aeußerste zu wagen, selbst die Gefahr des
unmittelbaren politischen Todes einem langsamen Verschmachten unter auszehrenden
Bedrückungen vorzuziehen, ergriff den günstigen Augenblick und warf sich den
Verbündeten in die Arme. Viele größere und kleinere Fürsten Deutschlands waren bereit,
ein Gleiches zu thun. Allenthalben eilten die ungeduldigen Wünsche der Völker dem
regelmäßigen Gange ihrer Regierungen zuvor. Von allen Seiten schlug der Drang nach
Unabhängigkeit unter eigenen Gesetzen, das Gefühl gekränkter Nationalehre, die
Erbitterung gegen schwer mißbrauchte fremde Obergewalt, in helle Flammen auf.
Se. Majestät der Kaiser, zu einsichtsvoll, um diese Wendung der Dinge nicht als
eine natürliche und nothwendige Folge einer vorhergegangenen gewaltsamen Ueberspannung,
und zu gerecht, um sie mit Unwillen zu betrachten, hatten Ihr Augenmerk einzig darauf
gerichtet, wie sie durch reiflich überdachte und glücklich combinirte Maaßregeln für
das wahre und bleibende Interesse des europäischen Gemeinwesens benutzt werden könnte.
Schon seit dem Anfange des Decembermonats waren von Seiten des österreichischen Cabinets
bedeutende Schritte gethan worden, um den Kaiser Napoleon durch Gründe, die seiner
eigenen Wohlfahrt eben so nahe lagen, als dem Interesse der Welt, für eine gerechte und
friedliche Politik zu stimmen. Diese Schritte wurden von Zeit zu Zeit erneuert und
verstärkt. Man schmeichelte sich, daß der Eindruck des vorjährigen Unglücks, der
Gedanke an die fruchtlose Hinopferung einer ungeheuern Armee, die zum Ersatz dieses
Verlustes erforderlichen harten Zwangsmaaßregeln aller Art, der tiefe Widerwille der
französischen Nation und aller in ihr Schicksal verflochtenen Länder gegen den Krieg,
der, ohne Aussicht auf künftige Schadloshaltung, ihr Inneres erschöpfte und zerriß;
daß endlich selbst ein kaltblütiges Nachdenken über die Ungewißheit des Ausganges
dieser neuen höchst bedenklichen Krisis den Kaiser bewegen könnte, den
Vorstellungen Oesterreichs Gehör zu geben. Der Ton, in welchem diese an ihn gerichtet
wurden, war den Umständen sorgfältig angepaßt; so ernst als die Größe des Zwecks, so
schonend als der Wunsch eines günstigen Erfolges und die obwaltenden freundschaftlichen
Verhältnisse es forderten. Daß Eröffnungen, die aus lauterer Quelle geflossen waren,
bestimmt verworfen werden sollten, ließ sich freilich nicht erwarten. Die Art aber, wie
man sie aufnahm, und mehr noch der scharfe Contrast zwischen den Gesinnungen, welche
Oesterreich nährte, und dem ganzen Verfahren des Kaisers Napoleon zur Zeit jener
mißlungenen Friedensversuche, schlug schon früh die besten Friedenshoffnungen nieder.
Anstatt durch eine gemäßigte Sprache wenigstens den Blick in die Zukunft zu erheitern
und die allgemeine Verzweiflung zu besänftigen, wurde vor den höchsten Autoritäten in
Frankreich bei jeder Veranlassung feierlich angekündigt, daß der Kaiser auf keinen
Friedensvertrag hören würde, der die Integrität des französischen Reiches im
französischen Sinne des Wortes verletzen, order irgend eine der ihm willkührlich
einverleibten Provinzen in Anspruch nehmen möchte. Zu gleicher Zeit wurde selbst von
solchen eventuellen Bedingungen, die diese eigenmächtig aufgestellte Gränzlinie nicht
einmal zu treffen schien, bald mit drohender Unmuth, bald mit bitterer Verachtung
gesprochen; gleich als hätte man nicht vernehmlich genug andeuten können, wie fest der
Kaiser Napoleon entschlossen sey, der Ruhe der Welt auch nicht ein einziges namhaftes
Opfer zu bringen. Diese feindseligen Manifeste hatten für Oesterreich noch die besondere
Kränkung zur Folge, daß sie selbst die Aufforderungen zum Frieden, die dieses Cabinet,
mit Vorwissen und scheinbarer Beistimmung Frankreichs, an andere Höfe gelangen ließ, in
ein falsches und höchst unvortheilhaftes Licht stellten. Die wider Frankreich
verbündeten Souveraine setzten den österreichischen Unterhandlungs- und
Vermittlungs-Anträgen, statt aller Antworten, die öffentlichen Erklärungen des
französischen Kaisers entgegen. Als Se. Majestät im Monat März einen Gesandten nach
London geschickt hatten, um England zur Theilnahme an einer Friedensunterhandlung
einzuladen, erwiederte das brittische Ministerium, es könne nicht glauben, daß
Oesterreich noch Friedenshoffnungen Raum gebe, da der Kaiser Napoleon in der Zwischenzeit
Gesinnungen offenbart habe, die nur zur Verewigung des Krieges führen müßten, eine
Aeußerung, die Sr. Majestät um so schmerzhafter seyn mußte, je gerechter und
gegründeter sie war. Nichtsdestoweniger fuhr Oesterreich fort, dem Kaiser von Frankreich
die dringende Nothwendigkeit des Friedens immer bestimmter und stärker ans Herz zu
legen; bei jedem seiner Schritte von dem Grundsatze geleitet, daß, da das Gleichgewicht
und die Ordnung in Europa durch die gränzenlose Uebermacht Frankreichs waren gestört
worden, ohne Beschränkung dieser Uebermacht kein wahrer Friede gedacht werden könne.
Zur gleichen Zeit ergriffen Se. Majestät alle zur Verstärkung und Concentrirung
Ihrer Armee erforderlichen Maaßregeln. Der Kaiser fühlte, daß Oesterreich zum Kriege
gerüstet seyn müßte, wenn seine Friedensvermittlung nicht ganz ohnmächtig werden
sollte. Ueberdieß hatten Se. Maj. sich schon längst nicht verborgen, daß der Fall einer
unmittelbaren Theilnahme am Kriege von Ihren Berechnungen nicht ausgeschlossen seyn
dürfte. Der bisherige Zustand der Dinge konnte nicht fortdauern; von dieser Ueberzeugung
war der Kaiser durchdrungen, sie war die Triebfeder seiner sämmtlichen Schritte. Schlug
jeder Versuch, zum Frieden zu gelangen, schon in erster Instanz fehl, so mußte jene
Ueberzeugung nur noch lebendiger werden. Das Resultat ergab sich von selbst. Auf einem von
beiden Wegen, durch Unterhandlungen oder durch Waffengewalt, mußte man zu einem andern
Zustande gelangen. Der Kaiser Napoleon hatte die Kriegsrüstungen Oesterreichs nicht nur
vorausgesehen, sondern selbst als nothwendig anerkannt, und bei mehr als einer Gelegenheit
ausdrücklich gebilligt. Er hatte Gründe genug, um zu glauben, daß Se. Maj. der Kaiser
in einem für das Schicksal der Welt so entscheidenden Zeitpuncte alle persönlichen und
vorübergehenden Rücksichten bei Seite setzen, nur das bleibende Wohl der
österreichischen Monarchie und der sie umgebenden Staaten zu Rathe ziehen, und nichts
beschließen würde, als was diese höchsten Motive Ihm zur Pflicht machten. Das
österreichische Cabinet hatte sich nie so geäußert, daß seinen Absichten eine andere
vernünftige Deutung gegeben werden konnte. Nichtsdestoweniger wurde von
Seiten Frankreichs nicht bloß anerkannt, daß die österreichische Vermittlung nur eine
bewaffnete seyn könne, sondern mehr als einmal erklärt, wie bei den eingetretenen
Umständen Oesterreich sich nicht mehr auf eine Nebenrolle beschränken könne, sondern
mit großen Kräften auf dem Schauplatz erscheinen, und als selbsthandelnde
Hauptmacht einen Ausschlag geben müsse. Was auch sonst die französische Regierung von
Oesterreich hoffen oder besorgen mochte, in jenem Geständniß lag die vorläufige
Rechtfertigung des ganzen von Sr. Majestät dem Kaiser beschlossenen und
durchgeführten Ganges.
Bis auf diesen Punct hatten die Verhältnisse sich entwickelt, als der Kaiser
Napoleon Paris verließ, um den Fortschritten der allirten Armeen Einhalt zu thun. Dem
Heldenmuth der russischen und preußischen Truppen in den blutigen Gefechten des Monats
Mai haben selbst ihre Feinde gehuldigt. Das gleichwohl der Ausgang dieser ersten Periode
des Feldzugs nicht günstiger für sie war, hatte theils in der Ueberzahl der
französischen Kriegsmacht und in dem von aller Welt anerkannten militärischen Genie des
Anführers derselben, theils in den politischen Combinationen, welche den verbündeten
Souverains bei ihrer ganzen Unternehmung zur Richtschnur dienten, seinen Grund. Sie
handelten in der richtig berechneten Voraussetzung, daß eine Sache, wie die für welche
sie stritten, unmöglich lange bloß die ihrige bleiben könne, daß früher oder später,
im Glück oder im Unglück, jeder noch nicht ganz seine Selbstständigkeit entkleidete
Staat in ihren Bund treten, jede unabhängig gebliebene Armee auf ihrer Seite stehen
müsse. Sie ließen daher der Tapferkeit ihrer Truppen nur so weit, als der Augenblick es
gebot, freien Schwung, und sparten einen ansehnlichen Theil ihrer Kräfte für einen
Zeitraum auf, wo sie mit ausgedehnteren Mitteln nach größeren Erfolgen streben zu
können hofften. Aus gleichen Gründen und um die weitere Entwicklung der Begebenheiten
abwarten zu können, gingen sie einen Waffenstillstand ein.
Inzwischen hatte durch den Rückzug der Alliirten der Krieg für den Augenblick
eine Gestalt genommen, die dem Kaiser täglich fühlbarer machte, wie unmöglich es seyn
würde, beim weiteren Fortgange desselben ein unthätiger Zuschauer zu bleiben. Vor allem
war das Schicksal der preußischen Monarchie ein Punct, der Sr. Maj. Aufmerksamkeit
lebhaft beschäftigte. Der Kaiser hielt die Wiederherstellung der preußischen Macht für
den ersten Schritt zur Widerherstellung des politischen Systems von Europa; die Gefahr, in
welcher sie jetzt schwebte, sah er ganz wie seine eigene an. Der Kaiser Napoleon hatte dem
österreichischen Hofe bereits zu Anfang des Aprilmonats eröffnen lassen, daß er die
Auflösung der preußischen Monarchie als eine natürliche Folge ihrer Abtrünnigkeit von
Frankreich und der weiteren Fortsetzung des Krieges betrachte, und daß es nur jetzt von
Oesterreich abhängen würde, ob es die wichtigste und schönste ihrer Provinzen mit
seinen Staaten vereinigen wolle; eine Eröffnung, die deutlich genug bewies, daß kein
Mittel unversucht bleiben müsse, um Preußen zu retten. Wenn dieser große Zweck durch
einen billigen Frieden nicht zu erreichen war, so mußten Rußland und Preußen durch eine
kräftige Mitwirkung unterstützt werden. Von diesem natürlichen Gesichtspuncte aus,
über welchen selbst Frankreich sich nicht leicht mehr täuschen konnte, setzten Se.
Majestät Ihre Rüstungen mit unermüdlicher Thätigkeit fort. Sie verließen in den
ersten Tagen des Junimonats Ihre Residenz und begaben Sich in die Nähe des
Kriegsschauplatzes, um theils an den Unterhandlungen für den Frieden, der nach wie vor
das höchste Ziel Ihrer Wünsche blieb, wenn sich irgend eine Aussicht dazu neigte,
wirksamer zu arbeiten, theils die Vorbereitungen zum Kriege, wenn Oesterreich keine andere
Wahl bleiben sollte, mit größerem Nachdruck leiten zu können.
Nicht lange zuvor hatte der Kaiser Napoleon ankündigen lassen: "Er habe einen
Friedenscongreß zu Prag in Vorschlag gebracht, wo Bevollmächtigte von Frankreich, den
vereinigten Staaten von Nordamerika, Dänemark, dem Könige von Spanien und sämmtlichen
alliirten Fürsten, und von der andern Seite Bevollmächtigte von England, Rußland,
Preußen, den spanischen Insurgenten und den übrigen Alliirten dieser kriegführenden
Masse erscheinen, und die Grundlagen eines langen Friedens festsetzen sollten."
An wen diese Vorschläge gerichtet, auf welchem Wege, in welcher diplomatischen
Form, durch wessen Organ sie geschehen seyn konnten, war dem österreichischen Cabinet,
welches bloß durch die öffentlichen Blätter zur Kenntniß desselben gelangte, völlig
unbekannt. Wie übrigens ein solches Project auch nur eingeleitet, wie aus der Vereinigung
so ungleichartiger Elemente, ohne irgend eine einstimmig anerkannte Grundlage, ohne irgend
eine planmäßig geordnete Vorarbeit, eine Friedensunterhandlung erwachsen sollte, ließ
sich so wenig fassen, daß es erlaubt war, den ganzen Vorschlag weit eher
für ein Spiel der Phantasie, als für die ernstlich gemeinte Aufforderung zu einer
großen politischen Maaßregel, zu halten. Mit den Schwierigkeiten eines allgemeinen
Friedens vollkommen vertraut, hatte Oesterreich lange darüber gedacht, ob diesem fernen
und mühsam zu erreichenden Ziele nicht allmählig und schrittweise näher gerückt werden
könne, und in diesem Sinne sowohl gegen Frankreich als gegen Rußland und Preußen die
Idee eines Continentalfriedens geäußert. Nicht als ob der österreichische Hof die
Nothwendigkeit und den überwiegenden Werth eines von allen großen Mächten
gemeinschaftlich verhandelten und abgeschlossenen Frieden, ohne welchen
für Europa weder Sicherheit noch Wohlfahrt zu hoffen ist, auch nur einen Augenblick
verkannt, oder gemeint hätte, der Continent könnte bestehen, wenn man je aufhörte, die
Trennung von England als ein tödtliches Uebel zu betrachten! Die Unterhandlungen,
die Oesterreich vorschlug, nachdem durch Frankreichs abschreckende Erklärung fast jede
Hoffnung auf Theilnahme Englands an einem gemeinschaftlichen Friedensversuch vereitelt
worden war, sollten nur als wesentlicher Bestandtheil einer bevorstehenden größeren
Unterhandlung dienen, Präliminar-Artikel zum künftigen Haupttractat liefern, durch einen
langen Continental-Waffenstillstand einer ausgedehnteren und gründlicheren Verhandlung
den Weg bahnen. Wäre der Standpunct, von welchem Oesterreich ausging, ein anderer
gewesen, so würden sicherlich Rußland und Preußen, durch
die bestimmtesten Verträge an England gebunden, sich nie entschlossen haben, den
Einladungen des österreichischen Cabinets Gehör zu geben. Nachdem der russische und
preußische Hof, von einem für Se. Maj. den Kaiser höchst schmeichelhaften Vertrauen
geleitet, sich bereit erklärt hatten, einem Friedenskongreß unter österreichischer
Vermittlung die Hand zu bieten, kam es darauf an, der förmlichen Beistimmung des Kaisers
Napoleon gewiß zu werden, und von dieser Seite die Maaßregeln zu verabreden, die
unmittelbar zur Friedensunterhandlung führen sollten. In dieser Absicht entschlossen sich
Se. Majestät, Ihren Minister der auswärtigen Angelegenheiten in den letzten Tagen des
Junimonats nach Dresden zu schicken. Das Resultat dieser Sendung war eine am 30. Juni
abgeschlossene Convention, durch welche die von Sr. Maj. dem Kaiser angebotene Vermittlung
zum Behuf eines allgemeinen, und im Fall kein solcher zu Stande kommen könnte, eines
vorläufigen Continental-Friedens vom Kaiser Napoleon angenommen wurde. Die Stadt Prag
wurde zum Congreßort und der 5. Juni zum Tage der Eröffnung bestimmt. Um die für
die Unterhandlung erforderliche Zeit zu gewinnen, war in derselben Convention festgesetzt,
daß der Kaiser Napoleon den mit Rußland und Preußen bis zum 20. Juli bestehenden
Waffenstillstand vor dem 10. August nicht aufkündigen würde; und Se. Maj. der Kaiser
übernahm es, den russischen und preußischen Hof zu einer gleichen gegenseitigen
Erklärung zu vermögen. Die in Dresden verhandelten Puncte wurden hierauf diesen beiden
Höfen mitgetheilt. Obgleich die Verlängerung des Waffenstillstandes mit manchen
Bedenklichkeiten und manchen wesentlichen Inconvenienzen für sie verknüpft war, überwog
doch alle Einwürfe der Wunsch, Sr. Maj. dem Kaiser einen neuen Beweis Ihres Vertrauens zu
geben und zugleich vor der Welt zu beurkunden, daß Sie keine Aussicht zum Frieden, wie
schwach und beschränkt sie auch seyn möchte, vernachlässigen, keinen Versuch, der den
Weg dazu bahnen könnte, von Sich ablehnen wollten. Die Convention vom 30. Juni erlitt
keine Abänderung als die, daß der Termin der Eröffnung des Congresses, weil die letzten
Verabredungen so schnell nicht hatten beendigt werden können, bis zum 12. Juli
hinausgerückt wurde.
In der Zwischenzeit hatten Seine Majestät, da Sie die Hoffnung, den Leiden der
Menschheit und den Zerrüttungen der politischen Welt durch eine allgemeinen Frieden ein
gründliches Ende zu bereiten, noch immer nicht aufgeben konnten, auch einen neuen Schritt
bei der brittischen Regierung beschlossen. Der Kaiser Napoleon hatte dieß Vorhaben nicht
nur mit anscheinendem Beifall aufgenommen, sondern sich selbst erboten, zur Abkürzung der
Sache den deßhalb nach England abzusendenden Personen, die Reise durch Frankreich zu
gestatten. Als es zur Ausführung kommen sollte, fanden sich unerwartete Schwierigkeiten
vor; die Ertheilung der Pässe wurde von einem Termine zum andern, unter unerheblichen
Vorwänden, aufgehoben, zuletzt gänzlich verweigert. Dieser Vorgang lieferte einen neuen
und bedeutenden Grund zu großen und gerechten Zweifeln gegen die Aufrichtigkeit der von
dem Kaiser Napoleon mehr als einmal öffentlich ausgestellten Versicherungen seiner
Geneigtheit zum Frieden, zumal da man nach mehreren seiner Aeußerungen gerade damals
hatte glauben muessen, daß der Seefriede Ihm vorzüglich am Herzen liege.
Unterdessen hatten Ihre Majestäten der Kaiser von Rußland und der König von
Preußen Ihre Bevollmächtigten zum Friedenscongreß ernannt und mit sehr bestimmten
Instructionen versehen; und diese Bevollmächtigten trafen, sowie der von Sr. Majestät
mit dem Vermittlungsgeschäft beauftragte Minister, am 12. Juli zu Prag ein. Die
Unterhandlungen, wenn sie nicht frühzeitig eine Wendung nahmen, die ein erwünschtes Ziel
mit Zuversicht voraussehen ließ, konnten nicht über den 10. August hinaus fortdauern.
Bis zu diesem Termine war durch Oesterreichs Vermittlung der Waffenstillstand verlängert;
die politische und militärische Lage der Mächte, die Stellungen und Bedürfnisse der
Armeen, der Zustand der Länder, welche sie besetzt hatten, den sehnliche Wunsch der
verbündeten Souverains, einer quälenden Ungewißheit ein Ende zu machen, gestatteten
keine weitere Verlängerung. Der Kaiser Napoleon war mit allen diesen Umständen bekannt.
Er wußte, daß die Dauer der Unterhandlung durch die des Waffenstillstandes nothwendig
bestimmt war. Ueberdieß konnte der Kaiser Napoleon sich nicht leicht verbergen, wie sehr
eine glückliche Abkürzung und ein froher Ausgang des bevorstehenden Geschäfts von
Seinen Entschließungen abhing. Mit wahrem Kummer mußten daher Se. Maj. der Kaiser gar
bald inne werden, daß von französischer Seite nicht nur kein ernsthafter Schritt zur
Beschleunigung des großen Werks geschah, sondern vielmehr ganz so verfahren wurde, als
hätte man die Verzögerung der Unterhandlungen und die Vereitlung eines günstigen
Erfolges bestimmt zur Absicht gehabt. Ein französischer Minister befand sich zwar am Ort
des Congresses, doch ohne Auftrag, irgend etwas zu unternehmen, bis der erste
Bevollmächtigte erschienen seyn würde. Die Ankunft dieses ersten Bevollmächtigten wurde
von einem Tage zum andern vergeblich erwartet. Erst am 21. Juli erfuhr man, daß ein beim
Abschluß der Waffenstillstands-Verlängerung zwischen den französischen und
russisch-preußischen Commissarien vorgefallener Anstand, ein Hinderniß von sehr
unterordnetem Belange, das auf den Friedenscongreß keinen Einfluß haben konnte, und das
durch österreichische Vermittlung leicht und schnell hätte gehoben werden können, jene
befremdende Verspätung erklären und rechtfertigen sollte. Als auch dieser Vorwand
beseitigt war, langte endlich der erste französische Bevollmächtigte den 28. Juli,
sechzehn Tage nach dem zur Eröffnung des Congresses bestimmten Termine, in Prag an.
Gleich in den ersten Tagen nach der Ankunft dieses Ministers blieb über das Schicksal des
Congresses kaum ein Zweifel mehr übrig. Die Form, in welcher die Vollmachten übergeben
und die wechselseitigen Erklärungen eingeleitet werden sollten, ein Punct, der früher
bereits von allen Seiten zur Sprache gekommen war, wurde der Gegenstand einer Discussion,
an welcher alle Bemühungen des vermittelnden Ministers scheiterten. Die offenbare
Unzulänglichkeit der den französischen Bevollmächtigten ertheilten Instructionen
führte ein Stillstand von mehreren Tagen herbei. Nicht eher als am 6. August
überreichten diese Bevollmächtigten eine neue Erklärung, durch welche die obwaltende
Schwierigkeit in Rücksicht der Form nicht gehoben, die Unterhandlung ihrem wesentlichen
Zwecke um keinen Schritt näher gebracht wurde. Unter einem fruchtlosen Notenwechsel über
jene vorläufigen Fragen gelangte man an den 10. August. Die russischen und preußischen
Bevollmächtigten konnten diesen Termin nicht überschreiten; der Congreß war beendigt;
und der Entschluß, den Oesterreich zu fassen hatte, war durch den Gang des Congresses und
durch die jetzt ganz vollendete Ueberzeugung von der Unmöglichkeit des Friedens, durch
den längst nicht mehr zweifelhaften Standpunct, aus welchem Se. Majestät die große
Streifrage betrachtete, durch die Grundsätze und Absichten der Alliirten, in welchen der
Kaiser die Seinigen erkannte, endlich durch die bestimmtesten früheren Erklärungen, die
keinem Mißverständniß Raum ließen, zum Voraus entschieden.
Nicht ohne tiefe Betrübniß, und allein durch das Bewußtseyn getröstet, daß
alle Mittel, die Erneuerung des Kampfes zu vermeiden, erschöpft worden sind, sieht der
Kaiser sich zu diesem Schritte gezwungen. Se. Maj. haben drei Jahre lang mit
unermüdlicher Beharrlichkeit darnach gestrebt, die Grundlage der Moeglichkeit eines
wahren und dauerhaften Friedens für Oesterreich und für Europa auf milden und
versöhnenden Wegen zu gewinnen. Diese Bemühungen sind vereitelt; kein Hülfsmittel,
keine Zuflucht mehr, als bei den Waffen. Der Kaiser ergreift sie ohne persönliche
Erbitterung, aus schmerzhafter Nothwendigkeit, aus unwiderstehlich gebietender Pflicht,
aus Gründen, welche jeder treue Bürger Seines Staates, welche die Welt, welche der
Kaiser Napoleon selbst in einer Stunde der Ruhe und Gerechtigkeit erkennen und billigen
wird. Die Rechtfertigung dieses Krieges ist in dem Herzen jedes Oesterreichers, jedes
Europäers, unter wessen Herrschaft er auch lebe, mit so großen und leserlichen Zügen
geschrieben, daß keine Kunst zu Hülfe genommen werden darf, um sie geltend zu machen.
Die Nation und die Armee werden das Ihrige thun. Ein durch gemeinschaftliche Noth und
gemeinschaftliches Interesse gestifteter Bund mit allen für ihre Unabhängigkeit
bewaffneten Mächten wird unsern Anstrengungen ihr volles Gewicht geben. Der Ausgang wird,
unter dem Beistande des Himmels, die gerechten Erwartungen aller Freunde der Ordnung und
des Friedens erfüllen.
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