Anordnung über die Regelung der Arbeitszeit gewerblicher
Arbeiter.
Vom 23. November 1918.
Auf Grund des Erlasses
des Rates der Volksbeauftragten über die Errichtung des Reichsamts für die
wirtschaftliche Demobilmachung (Demobilmachungsamts) vom 12. November 1918
(Reichs-Gesetzbl. S. 1304) ergeht hiermit folgende Anordnung über die Regelung der
Arbeitszeit gewerblicher Arbeiter:
I
Die Regelung umfaßt die gewerblichen Arbeiter in allen
gewerblichen Betrieben einschließlich des Bergbaus, in den Betrieben des Reichs, des
Staates, der Gemeinden und Gemeindeverbände, auch wenn sie zur Gewinnerzielung betrieben
werden, sowie in landwirtschaftlichen Nebenbetrieben gewerblicher Art.
II
Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit einschließlich der Pausen
darf die Dauer von acht Stunden nicht überschreiten. Wenn in Abweichung hiervon durch
Vereinbarung eine Verkürzung der Arbeitszeit an Vorabenden der Sonn- und Festtage
herbeigeführt wird, kann der Ausfall der Arbeitsstunden an diesen Tagen auf die übrigen
Werktage verteilt werden.
III
Für die in Verkehrsgewerben, einschließlich der Eisenbahn-,
Post- und Telegraphenverwaltung erforderlichen, durch die Zeitverhältnisse bedingten,
allgemeinen Ausnahmen von vorstehenden Vorschriften sind alsbald Vereinbarungen zwischen
Betriebsleitungen und den Arbeitnehmerverbänden zu treffen. Sollten die
Vereinbarungen nicht innerhalb zweier Wochen zustandekommen, bleiben weitere Anordnungen
vorbehalten.
IV
In Betrieben, deren Natur eine Unterbrechung nicht gestattet oder
bei denen eine ununterbrochene Sonntagsarbeit zur Zeit im öffentlichen Interesse nötig
ist, dürfen zur Herbeiführung eines regelmäßigen wöchentlichen Schichtwechsels
männliche Arbeiter über sechzehn Jahre innerhalb eines Zeitraums von drei Wochen einmal
zu einer Arbeit von höchstens sechzehnstündiger Dauer einschließlich der Pausen
herangezogen werden, sofern ihnen in diesen drei Wochen zweimal eine ununterbrochene
Ruhezeit von je vierundzwanzig Stunden gewährt wird.
V
Abweichend von den allgemein gültigen Vorschriften der
Gewerbeordnung dürfen Arbeiterinnen über sechzehn Jahre in zwei-
oder mehrschichtigen Betrieben bis zehn Uhr abends beschäftigt werden, wenn ihnen nach
Beendigung der Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhepause von mindestens sechzehn Stunden
gewährt wird. In diesen Fällen kann an Stelle der einstündigen Mittagspause eine
halbstündige Pause treten, die auf die Dauer der Arbeitszeit anzurechnen ist.
VI
Die vorstehenden Bestimmungen finden keine Anwendung auf
vorübergehende Arbeiten, welche in Notfällen unverzüglich vorgenommen werden müssen.
VII
[1] In Betrieben, deren Natur eine Unterbrechung nicht
gestattet, oder deren unbeschränkte Aufrechterhaltung im öffentlichen Interesse nötig
ist, kann eine von den vorstehenden Bestimmungen abweichende Regelung durch den
zuständigen Gewerbeaufsichtsbeamten, bei bergbaulichen Betrieben durch den
Bergrevierbeamten widerruflich genehmigt werden, wenn die erforderliche Zahl geeigneter
Arbeitskräfte nicht zur Verfügung steht. Hierzu sind ein Antrag des Arbeitgebers
und, soweit nicht Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden
getroffen sind, die Zustimmungserklärung des Arbeitsausschusses oder, wenn ein solcher
nicht besteht, der Arbeiterschaft des Betriebs notwendig. Werden für die
bezeichneten Betriebe weitergehende Vereinbarungen über Ausnahmen von den
Beschäftigungsbeschränkungen gewerblicher Arbeiter durch Verträge von Arbeitgeber- und
Arbeitnehmerverbänden getroffen, so sind die Gewerbeaufsichts- bezw.
Bergrevierbeamten befugt, entsprechend den Verträgen weitere Ausnahmen von den
Arbeiterschutzbestimmungen widerruflich zu genehmigen. Die genannten Beamten haben nach
Erteilung der Genehmigung die für den Betrieb zuständigen
Arbeitervermittlungsstellen sofort auf den Mangel an Arbeitskräften in dem betreffenden
Betriebe hinzuweisen. Die erteilten Genehmigungen sind dem zuständigen
Demobilmachungskommissar mitzuteilen.
[2] Dieser ist befugt, die genannten Beamten zum Widerruf ihrer Genehmigungen
zu veranlassen.
VIII
Beginn und Ende der Arbeitszeiten und Pausen sind, sofern
keine tarifliche Regelung erfolgt, vom Arbeitgeber im Einverständnisse mit dem
Arbeiterausschuß oder, wenn ein solcher nicht besteht, mit der Arbeiterschaft des
Betriebs entsprechend den vorstehenden Bestimmungen festzulegen und durch Aushang in den
Betrieben zu veröffentlichen.
IX
Die Aufsicht über die Ausführung der vorstehenden
Bestimmungen wird den Gewerbeaufsichts- bezw. Bergrevierbeamten übertragen. Zu diesem
Zwecke sind sie befugt, mit den Arbeiterausschüssen im Beisein des Arbeitgebers oder mit
beiden Teilen allein zu verhandeln, und zu diesem Zwecke die Arbeiterausschüsse
einzuberufen.
X
[1] Mit Geldstrafe bis zu zweitausend Mark, im
Unvermögensfalle mit Gefängnis bis zu sechs Monaten wird bestraft, wer den vorstehenden
Bestimmungen oder den auf Grund derselben erlassenen Anordnungen zuwiderhandelt.
[2] War der Täter zur Zeit der Begehung der Straftat bereits wegen
Zuwiderhandlung nach Absatz 1 bestraft, so tritt, falls die Straftat vorsätzlich begangen
wurde, Geldstrafe von einhundert bis dreitausend Mark oder Gefängnis bis zu sechs Monaten
ein.
XI
Im übrigen finden die in Reichs- und Landesgesetzen und die
auf Grund dieser Gesetze erlassenen Vorschriften im bisherigen Umfange soweit Anwendung,
als sie nicht den vorstehenden Bestimmungen zuwiderlaufen.
XII
Diese Anordnung tritt mit dem Tage ihrer Verkündung in Kraft.[1]
Berlin, den 23. November 1918.
Reichsamt für die wirtschaftliche Demobilmachung
Koeth[2]
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