Ausführungsverordnung zum Gesetz über die Bildung einer vorläufigen Reichswehr.

[Vom 6. März 1919.]


§ 1

  Die Reichswehr steht unter dem Oberbefehl des Reichspräsidenten.

§ 2

  [1] Die Ausübung der Befehlsgewalt wird, vorbehaltlich der unmittelbaren Befehlserteilung durch den Reichspräsidenten, dem Reichswehrminister und innerhalb seines Kontingents dem preußischen Kriegsminister übertragen. Sie sind dem Reichspräsidenten für die Art ihrer Kommandoführung verantwortlich.
  [2] Die an die Oberste Heeresleitung zu richtenden Befehle und Anordnungen ergehen im Auftrag des Reichspräsidenten durch den Reichswehrminister und durch den der Reichsregierung als Mitglied angehörenden preußischen Kriegsminister.
  [3] Der Reichswehrminister wird ermächtigt, jederzeit im Auftrag des Reichspräsidenten alle Reichswehrverbände zu besichtigen.

§ 3

  Die Befehlsgewalt bei den höheren Verbänden, bei den Truppen, den Behörden und sonstigen Dienststellen üben die Führer aus. Sie sind ihren Vorgesetzten für ihre Tätigkeit verantwortlich. Der Reichspräsident kann jeder Kommandostelle einen Regierungsbeauftragten zur Mitwirkung bei der Lösung besonderer militär-politischer Aufgaben zuteilen, dessen Rechte und Pflichten er von Fall zu Fall bestimmt.

§ 4

  Beim Erlasse von Anordnungen, die sich auf die Fürsorge für die Truppe, auf Urlaub und Beschwerdeangelegenheiten beziehen, wirken von allen Angehörigen der betreffenden Truppe, Behörde oder sonstigen Formation gewählte Vertreter mit. Die gewählten Vertreter sind berechtigt, Beschwerden, auch solche allgemeiner Art, auf dem vorgeschriebenen Wege anzubringen und im Berufungsverfahren bis zur Entscheidung durch den Reichspräsidenten durchzuführen. Die näheren Bestimmungen über die Form dieser Vertretung, dem Umfang ihrer Tätigkeit und das Wahlverfahren erläßt der Reichswehrminister.

§ 5

  [1] Für die Ernennung, Beförderung, Versetzung und Entlassung der Offiziere bleiben in den einzelnen Kontingenten die bisherigen Stellen zuständig. Offiziere in Generalstellen werden vom Reichspräsidenten auf Vorschlag der Kriegsministerien ernannt, befördert, versetzt und entlassen.
  [2] Gewählte Führer in angegliederten Volkswehren oder ähnlichen Verbänden bedürfen der Bestätigung durch die sonst für die Ernennung zuständigen Stellen.

§ 6

  Der Eintritt in die Offizierslaufbahn steht Unteroffizieren und Mannschaften frei, die ihre Eignung hierzu durch ihre bisherige dienstliche Tätigkeit und Führung nachgewiesen haben. Sie müssen im Felde bei tadelfreier Führung mit der Waffe Dienst getan und sich mindestens ˝ Jahr als Offizierdiensttuer bewährt haben.

§ 7

  Für die Reichswehr ist vom Reichswehrminister ein besonderer Etat aufzustellen. Ihre Gliederung und Einteilung bestimmt der Reichswehrminister.

§ 8

  [1] Der Reichswehrminister wird ermächtigt, zu bestimmen, welche von den bestehenden Freiwilligenverbänden, Volkswehren usw. in die Reichswehr aufzunehmen oder ihr anzugliedern sind.
  [2] Für Freiwilligenverbände, Volkswehren usw., die nicht bis zu einem vom Reichswehrminister zu bestimmenden Zeitpunkt der Reichswehr angegliedert sind, dürfen Reichsmittel nicht mehr in Anspruch genommen werden.

§ 9

  [1] Die Freiwilligen werden durch die Generalkommandos angeworben. Jeder Korpsbezirk bildet einen in sich geschlossenen Werbebezirk.
  [2] Für die Werbungen der schon bestehenden Freiwilligentruppen trifft der Reichswehrminister Übergangsbestimmungen.

§ 10

  Offiziere, Unteroffiziere und Beamte, die in die Reichswehr übertreten, werden mit ihren bisherigen Rechten in die Reichswehr übernommen. Die Zugehörigkeit zur Reichswehr gilt als Fortsetzung ihres früheren Dienstverhältnisses.

§ 11

  Alle Angehörigen der Reichswehr werden durch ein Gelöbnis mit folgendem Wortlaut verpflichtet:
  Ich gelobe, daß ich mich als tapferer und ehrliebender Soldat verhalte, der Verteidigung des Deutschen Reichs und meines Heimatstaats zu jeder Zeit und an jedem Orte meine ganze Kraft widmen, die vom Volke eingesetzte Regierung schützen und meinen Vorgesetzten Gehorsam leisten will.

§ 12

  Alle Mannschaften sind zunächst auf sechs Monate zu verpflichten. Die Verpflichtung verlängert sich jeweils um drei Monate, wenn nicht von einem Teile mit einmonatlicher Frist gekündigt ist.

§ 13

  Die Handhabung der Disziplin und des Beschwerderechts in der Reichswehr regelt der Reichswehrminister.

§ 14

  Das bisherige Heer ist zunächst bis auf die Teile aufzulösen, die erforderlich sind, um die Abwicklung der Auflösungsarbeiten zu gewährleisten und die Ergänzung der Reichswehr an Personal und Material sicherzustellen.

§ 15

  Die näheren Ausführungsbestimmungen, insbesondere auch zur Regelung der Besoldung, Verpflegung, Bekleidung und Unterbringung, erläßt der Reichswehrminister im Einvernehmen mit dem preußischen Kriegsminister als Mitglied der Reichsregierung und dem Reichsminister der Finanzen, soweit dessen Zuständigkeit berührt wird.

§ 16

  Gegenwärtige Verordnung kommt in Bayern nach näherer Bestimmung des Bündnisvertrags vom 23. November 1870 (Bundesgesetzblatt 1871 S. 9) unter III § 5, in Württemberg nach näherer Bestimmung der Militärkonvention vom 21./25. November 1870 (Bundesgesetzblatt 1870 S. 658) zur Anwendung.


  Weimar, den 6. März 1919.

Der Reichspräsident
Ebert

Der Reichswehrminister
Noske

Reinhardt

 

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Quelle: Reichs-Gesetzblatt 1919, S. 296-298.


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Ausführungsverordnung zum Gesetz über die Bildung einer vorläufigen Reichswehr (06.03.1919), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/wr/vorl-reichswehr_vo.html, Stand: aktuelles Datum.


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Letzte Änderung: 03.01.2004
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