Verordnung über die vorläufige Regelung der Gerichtsverfassung
im Saarland.
Vom 22. Februar 1935.
Auf Grund des Gesetzes über die
vorläufige Verwaltung des Saarlandes vom 30. Januar 1935 (Reichsgesetzbl. I S. 66)
wird folgendes verordnet:
A r t i k e l I
§ 1
Die Gerichte im Saarland sprechen Recht im Namen des Deutschen Volkes.
A r t i k e l II
§ 2
(1) Oberlandesgericht für das Saarland ist das Oberlandesgericht
Köln.
(2) Das Oberlandesgericht übernimmt in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten,
Strafsachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Untersuchung,
Verhandlung und Entscheidung in dem Umfang, in dem bisher die Zuständigkeit des Obersten
Gerichtshofs in Saarlouis begründet war. Ausgenommen sind Revisionen gegen Urteile des
Schwurgerichts; insoweit ist das Reichsgericht zur Entscheidung über die Revision
zuständig.
(3) Zur Erledigung der dem Oberlandesgericht nach den Absätzen 1 und 2 obliegenden
Aufgaben werden Senate in Saarlouis eingerichtet. Die Zahl der Senate bestimmt der
Reichsminister der Justiz.
§ 3
(1) Die Senate entscheiden in der Besetzung von drei Mitgliedern
einschließlich des Vorsitzenden.
(2) Aus der Zahl der zu den Senaten gehörigen Richter wird nach den Vorschriften
des Gerichtsverfassungsgesetzes ein besonderes Präsidium gebildet. Den Vorsitz führt der
Präsident des Oberlandesgerichtes Köln.
§ 4
(1) Rechtsmittel, die bei dem Oberlandesgericht einzulegen sind,
können nur bei den Senaten in Saarlouis eingelegt werden.
(2) Der Lauf der Fristen zur Einlegung von Rechtsmitteln bei den Senaten wird,
beginnend mit dem 1. März 1935, bis zum Ablauf des 14. März 1935 gehemmt. Der noch
übrige Teil der Fristen beginnt mit dem 15. März 1935 zu laufen.
(3) Vom Obersten Gerichtshof gesetzte richterliche Fristen, die am 1. März 1935
noch laufen, fallen fort.
§ 5
Gegen die Entscheidungen der Senate ist kein Rechtsmittel zulässig.
A r t i k e l III
§ 6
Das Präsidium bei dem Landgericht in Saarbrücken ist nach den
Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes bis zum 31. März 1935 neu zu bilden.
A r t i k e l IV
§ 7
(1) Die Justizbeamten im Saarland unterstehen bis auf weiteres den
für die preußischen Beamten geltenden Vorschriften. Die Zuständigkeit zur Ernennung und
Entlassung der Beamten richtet sich jedoch nach den für die unmittelbaren Reichsbeamten
geltenden Bestimmungen.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 finden auf die Notare entsprechende Anwendung,
die Vorschrift des Absatzes 1 Satz 1 jedoch mit der Maßgabe, daß für die Notare mit dem
Amtssitz in den Amtsgerichtsbezirken Homburg, St. Ingbert und Blieskastel die Bestimmungen
für die bayerischen Notare gelten. Notare deutscher Staatsangehörigkeit, die im Saarland
seit dem 26. Februar 1920 ernannt worden sind, gelten als von den zuständigen deutschen
Stellen ernannt.
(3) Beamte, die vor dem 1. März 1935 die durch das Landesgesetz bestimmte
Altersgrenze überschritten haben, treten mit dem 1. April 1935 in den Ruhestand.
§ 8
Als Dienststrafgericht des ersten Rechtszuges ist die
Dienststrafkammer bei dem Oberlandesgericht in Köln zuständig. Dienststrafgericht des
zweiten Rechtszuges ist der Dienststrafsenat beim Kammergericht in Berlin. Das
Dienststrafverfahren richtet sich, auch für die Notare mit dem Amtssitz in den
Amtsgerichtsbezirken Homburg, St. Ingbert und Blieskastel, nach den in Preußen geltenden
Vorschriften.
A r t i k e l V
§ 9
(1) Die am 1. März 1935 im Reiche geltenden Vorschriften über
die Rechtsanwälte treten im Saarland in Kraft.
(2) Bei den Senaten kann als Rechtsanwalt zugelassen werden, wer bei einem anderen
Gericht im Saarland als Rechtsanwalt zugelassen ist.
(3) Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft bei einem Gericht im Saarland kann
Personen versagt werden, die zwischen dem 1. Januar 1919 und dem 1. März 1935 zu keiner
Zeit einen Wohnsitz im Saarland gehabt haben.
(4) Die bisher beim Obersten Gerichtshof in Saarlouis zugelassenen Rechtsanwälte
sind bei den Senaten in Saarlouis zugelassen. Die Zulassung als Rechtsanwalt bei dem
Oberlandesgericht in Köln erstreckt sich nicht auf diese Senate.
§ 10
Die bei einem Gericht im Saarland zugelassenen Rechtsanwälte, die
noch deutsche Justizbeamte sind, scheiden mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung aus dem
Beamtenverhältnis aus.
A r t i k e l VI
§ 11
(1) Anhängige Verfahren gehen in der Lage, in der sie sich
befinden, auf die nach den Vorschriften dieser Verordnung zuständige Stelle über.
(2) Für Angelegenheiten, bei denen sich die Zuständigkeit nach einem bei dem
Obersten Gerichtshof in Saarlouis anhängig gewesenen Verfahren bestimmt (Wiederaufnahme
des Verfahrens, Streitwertfestsetzung, Erteilung von Ausfertigungen usw.), ist das
Oberlandesgericht in Köln zuständig. Die Vorschrift des § 4 Abs. 1
gilt entsprechend.
A r t i k e l VII
§ 12
Die weiteren Anordnungen auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung
für das Saarland trifft der Reichsminister der Justiz. Er ist auch ermächtigt, im
Einvernehmen mit dem Reichsminister der Finanzen mit Wirkung vom 1. März 1935 ab die zur
Einrichtung der Senate in Saarlouis erforderlichen Stellen bei dem Oberlandesgericht in Köln zu schaffen.
A r t i k e l VIII
§ 13
Diese Verordnung tritt mit dem auf die Verkündung folgenden Tage,
im Saarland mit dem 1. März 1935 in Kraft.
Berlin, den 22. Februar 1935.
Der Reichsminister der Justiz
Dr. Gürtner
Der Reichsminister des Innern
Frick
Der Reichsminister der Finanzen
Graf Schwerin von Krosigk
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