Publikandunt. Vom 26. Juni 1867. Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden
König von Preußen etc., thun kund und fügen hiermit im Namen des Norddeutschen Bundes
zu wissen:
Nachdem die Verfassung des Norddeutschen Bundes
von Uns, Seiner Majestät dem Könige von Sachsen, Seiner Königlichen Hoheit dem
Großherzoge von Hessen und bei Rhein, Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzoge von
Mecklenburg-Schwerin, Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzoge von
Sachsen-Weimar-Eisenach, Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzoge von
Mecklenburg-Strelitz, Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzoge von Oldenburg, Seiner
Hoheit dem Herzoge von Braunschweig und Lüneburg, Seiner Hoheit dem Herzoge von
Sachsen-Meiningen und Hildburghausen, Seiner Hoheit dem Herzoge von Sachsen-Altenburg,
Seiner Hoheit dem Herzoge zu Sachsen-Koburg und Gotha, Seiner Hoheit dem Herzoge von
Anhalt, Seiner Durchlaucht dem Fürsten zu Schwarzburg-Rudolstadt, Seiner Durchlaucht dem
Fürsten zu Schwarzburg-Sondershausen, Seiner Durchlaucht dem Fürsten zu Waldeck und
Pyrmont, Ihrer Durchlaucht der Fürstin und Seiner Durchlaucht dem Fürsten Reuß älterer
Linie, Seiner Durchlaucht dem Fürsten Reuß jüngerer Linie, Seiner Durchlaucht dem
Fürsten von Schaumburg-Lippe, Seiner Durchlaucht dem Fürsten zur Lippe, dem Senate der
freien und Hansestadt Lübeck, dem Senate der freien Hansestadt Bremen, dem Senate der
freien und Hansestadt Hamburg, mit dem zu diesen Zweck berufenen Reichstage vereinbart
worden, ist dieselbe in dem ganzen Umfange des Norddeutschen Bundesgebietes, wie folgt:
Verfassung des Norddeutschen Bundes
[vom 16. April 1867]
Seine Majestät der König von Preußen, Seine Majestät der
König von Sachsen, Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin,
Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach, Seine Königliche
Hoheit der Großherzog von Mecklenburg-Strelitz, Seine Königliche Hoheit der Großherzog
von Oldenburg, Seine Hoheit der Herzog von Braunschweig und Lüneburg, Seine Hoheit der
Herzog von Sachsen-Meiningen und Hildburghausen, Seine Hoheit der Herzog zu
Sachsen-Altenburg, Seine Hoheit der Herzog zu Sachsen-Koburg und Gotha, Seine Hoheit der
Herzog von Anhalt, Seine Durchlaucht der Fürst zu Schwarzburg-Rudolstadt, Seine
Durchlaucht der Fürst zu Schwarzburg-Sondershausen, Seine Durchlaucht der Fürst zu
Waldeck und Pyrmont, Ihre Durchlaucht die Fürstin Reuß ältere Linie, Seine Durchlaucht
der Fürst Reuß jüngere Linie, Seine Durchlaucht der Fürst von Schaumburg-Lippe, Seine
Durchlaucht der Fürst zur Lippe, der Senat der freien und Hansestadt Lübeck, der Senat
der freien Hansestadt Bremen, der Senat der freien und Hansestadt Hamburg, jeder für den
gesammten Umfang ihres Staatsgebietes, und Seine Königliche Hoheit der Großherzog von
Hessen und bei Rhein, für die nördlich vom Main belegenen Theile des Großherzogthums
Hessen, schließen einen ewigen Bund zum Schutze des Bundesgebietes und des innerhalb
desselben gültigen Rechtes, sowie zur Pflege der Wohlfahrt des Deutschen Volkes. Dieser
Bund wird den Namen des Norddeutschen führen und wird nachstehende Verfassung haben.
I.
Bundesgebiet.
A r t i k e l 1.
Das Bundesgebiet besteht aus den Staaten Preußen mit Lauenburg.
Sachsen, Mecklenburg-Schwerin, Sachsen-Weimar, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg,
Braunschweig, Sachsen-Meinigen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha, Anhalt,
Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Waldeck, Reuß ältere Linie, Reuß
jüngere Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe, Lübeck, Bremen, Hamburg und aus den nördlich
vom Main belegenen Theilen des Großherzogtums Hessen.
II.
Bundesgesetzgebung.
A r t i k e l 2.
Innerhalb dieses Bundesgebietes übt der Bund das Recht der
Gesetzgebung nach Maaßgabe des Inhalts dieser Verfassung und mit der Wirkung aus, daß
die Bundesgesetze den Landesgesetzen vorgehen. Die Bundesgesetze erhalten ihre
verbindliche Kraft durch ihre Verkündung von Bundes wegen, welche vermittelst eines
Bundesgesetzblattes geschieht. Sofern nicht in dem publizirten Gesetze ein anderer
Anfangstermin seiner verbindlichen Kraft bestimmt ist, beginnt die letztere mit dem
vierzehnten Tage nach dem Ablauf desjenigen Tages, an welchem das betreffende Stück des
Bundesgesetzblattes in Berlin ausgegeben worden ist.
A r t i k e l 3.
[1] Für den ganzen Umfang des Bundesgebietes besteht ein
gemeinsames Indigenat mit der Wirkung, daß der Angehörige (Unterthan, Staatsbürger)
eines jeden Bundesstaates in jedem andern Bundesstaate als Inländer zu behandeln und
demgemäß zum festen Wohnsitz, zum Gewerbebetriebe, zu öffentlichen Ämtern, zur
Erwerbung von Grundstücken, zur Erlangung des Staatsbürgerrechts und zum Genusse aller
sonstigen bürgerlichen Rechte unter denselben Voraussetzungen wie der Einheimische
zuzulassen, auch in Betreff der Rechtsverfolgung und des Rechtsschutzes demselben gleich
zu behandeln ist.
[2] In der Ausübung dieser Befugniß darf der Bundesangehörige weder durch die
Obrigkeit seiner Heimath, noch durch die Obrigkeit eines anderen Bundesstaates beschränkt
werden.
[3] Diejenigen Bestimmungen, welche die Armenversorgung und die Aufnahme in den
lokalen Gemeindeverband betreffen, werden durch den im ersten Absatz ausgesprochenen
Grundsatz nicht berührt.
[4] Ebenso bleiben bis auf Weiteres die Verträge in Kraft, welche zwischen den
einzelnen Bundesstaaten in Beziehung auf die Übernahme von Auszuweisenden, die
Verpflegung erkrankter und die Beerdigung verstorbener Staatsangehöriger bestehen.
[5] Hinsichtlich der Erfüllung der Militairpflicht im Verhältniß zu dem
Heimathslande wird im Wege der Bundesgesetzgebung das Nöthige geordnet werden.
[6] Dem Auslande gegenüber haben alle Bundesangehörigen gleichmäßig Anspruch
auf den Bundesschutz.
A r t i k e l 4.
Der Beaufsichtigung Seitens des
Bundes und der Gesetzgebung desselben unterliegen die nachstehenden Angelegenheiten: |
|
1) die Bestimmungen über Freizügigkeit, Heimaths- und
Niederlassungsverhältnisse, Staatsbürgerrecht, Paßwesen und Fremdenpolizei und über
den Gewerbebetrieb, einschließlich des Versicherungswesens, soweit diese Gegenstände
nicht schon durch den Artikel 3 dieser Verfassung erledigt sind,
desgleichen über die Kolonisation und die Auswanderung nach außerdeutschen Ländern;
2) die Zoll- und Handelsgesetzgebung und die für Bundeszwecke zu verwendenden Steuern;
3) die Ordnung des Maaß-, Münz- und Gewichtssystems, nebst Feststellung der Grundsätze
über die Emission von fundirtem und unfundirtem Papiergelde;
4) die allgemeinen Bestimmungen über das Bankwesen;
5) die Erfindungspatente;
6) der Schutz des geistigen Eigenthums;
7) Organisation eines gemeinsamen Schutzes des Deutschen Handels im Auslande, der
deutschen Schiffahrt und ihrer Flagge zur See und Anordnung gemeinsamer konsularischer
Vertretung, welche vom Bundes ausgestattet wird;
8) das Eisenbahnwesen und die Herstellung von Land- und Wasserstraßen im Interesse der
Landesvertheidigung und des allgemeinen Verkehrs;
9) der Flößerei- und Schiffahrtsbetrieb auf den mehrere Staaten gemeinsamen
Wasserstraßen und der Zustand der letzteren, sowie die Fluß- und sonstigen Wasserzölle;
10) das Post- und Telegraphenwesen;
11) Bestimmungen über die wechselseitige Vollstreckung von Erkenntnissen in Civilsachen
und Erledigung von Requisitionen überhaupt;
12) sowie über die Beglaubigung von öffentlichen Urkunden;
13) die gemeinsame Gesetzgebung über das Obligationenrecht, Strafrecht, Handels- und
Wechselrecht und das gerichtliche Verfahren;
14) das Militairwesen des Bundes und die Kriegsmarine;
15) Maaßregeln der Medizinal- Veterinairpolizei. |
A r t i k e l 5.
[1] Die Bundesgesetzgebung wird ausgeübt durch den Bundesrath und
den Reichstag. Die Übereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse beider Versammlungen ist zu
einem Bundesgesetze erforderlich und ausreichend.
[2] Bei Gesetzesvorschlägen über das Militairwesen und die Kriegsmarine giebt,
wenn im Bundesrathe eine Meinungsverschiedenheit stattfindet, die Stimme des Präsidiums
den Ausschlag, wenn sie sich für die Aufrechterhaltung der bestehenden Einrichtung
ausspricht.
III.
Bundesrath.
A r t i k e l 6.
Der Bundesrath besteht aus den Vertretern der Mitglieder des Bundes, unter
welchen die Stimmführung sich nach Maaßgabe der Vorschriften für das Plenum des
ehemaligen Deutschen Bundes vertheilen, so daß Preußen mit den ehemaligen Stimmen
von Hannover, Kurhessen, Holstein, Nassau und Frankfurt
führt, |
17 Stimmen |
Sachsen
...................................................................... |
4 |
Hessen
....................................................................... |
1 |
Mecklenburg-Schwerin ................................................... |
2 |
Sachsen-Weimar ........................................................... |
1 |
Mecklenburg-Strelitz
...................................................... |
1 |
Oldenburg
.................................................................... |
1 |
Braunschweig
............................................................... |
2 |
Sachsen-Meiningen ....................................................... |
1 |
Sachsen-Altenburg ........................................................ |
1 |
Sachsen-Coburg-Gotha .................................................. |
1 |
Anhalt
........................................................................ |
1 |
Schwarzburg-Rudolstadt ................................................ |
1 |
Schwarzburg-Sondershausen .......................................... |
1 |
Waldeck
...................................................................... |
1 |
Reuß ältere Linie
........................................................... |
1 |
Reuß jüngere Linie
......................................................... |
1 |
Schaumburg-Lippe ........................................................ |
1 |
Lippe
.......................................................................... |
1 |
Lübeck
........................................................................ |
1 |
Bremen
....................................................................... |
1 |
Hamburg
..................................................................... |
1 |
Summa .............. |
43. |
A r t i k e l 7.
[1] Jedes Mitglied des Bundes kann so viel Bevollmächtigte zum
Bundesrathe ernennen, wie es Stimmen hat; doch kann die Gesammtheit der zuständigen
Stimmen nur einheitlich abgegeben werden. Nicht vertretene oder nicht instruirte Stimmen
werden nicht gezählt.
[2] Jedes Bundesglied ist befugt, Vorschläge zu machen und in Vortrag zu bringen,
und das Präsidium ist verpflichtet, dieselben der Berathung zu übergeben. Die
Beschlußfassung erfolgt mit einfacher Mehrheit. Bei Stimmengleichheit giebt die
Präsidialstimme den Ausschlag.
A r t i k e l 8.
[1] Der Bundesrath bildet aus seiner Mitte dauernde
Ausschüsse |
|
1) für das Landheer und die Festungen;
2) für das Seewesen;
3) für Zoll- und Steuerwesen;
4) für Handel und Verkehr;
5) für Eisenbahnen, Post und Telegraphen;
6) für Justizwesen;
7) für Rechnungswesen. |
[2] In jedem dieser Ausschüsse werden außer dem
Präsidium mindestens zwei Bundesstaaten vertreten sein, und führt innerhalb derselben
jeder Staat nur Eine Stimme. Die Mitglieder der Ausschüsse zu 1. und 2. Werden von dem
Bundesfeldherrn ernannt, die der übrigen von dem Bundesrathe gewählt. Die
Zusammensetzung dieser Ausschüsse ist für jede Session des Bundesrathes resp. Mit jedem
Jahre zu erneuern, wobei die ausscheidenden Mitglieder wieder wählbar sind. Den
Ausschüssen werden die zu ihren Arbeiten nöthigen Beamten zur Verfügung gestellt. |
A r t i k e l 9.
Jedes Mitglied des Bundesrathes hat das Recht, im Reichstage zu
erscheinen und muß daselbst auf Verlangen jederzeit gehört werden, um die Ansichten
seiner Regierung zu vertreten, auch dann, wenn dieselben von der Majorität des
Bundesrathes nicht adoptirt worden sind. Niemand kann gleichzeitig Mitglied des
Bundesrathes und des Reichstages sein.
A r t i k e l 10.
Dem Bundespräsidium liegt es ob, den Mitgliedern des Bundesrathes
den üblichen diplomatischen Schutz zu gewähren.
IV.
Bundespräsidium.
A r t i k e l 11.
[1] Das Präsidium des Bundes steht der Krone Preußen zu, welche
in Ausübung desselben den Bund völkerrechtlich zu vertreten, im Namen des Bundes Krieg
zu erklären und Frieden zu schließen, Bündnisse und andere Verträge mit fremden
Staaten einzugehen, Gesandte zu beglaubigen und zu empfangen berechtigt ist.
[2] Insoweit die Verträge mit fremden Staaten sich auf solche Gegenstände
beziehen, welche nach Artikel 4 in den Bereich der Bundesgesetzgebung
gehören, ist zu ihrem Abschluß die Zustimmung des Bundesrathes und zu ihrer Gültigkeit
die Genehmigung des Reichstages erforderlich.
A r t i k e l 12.
Dem Präsidium steht es zu, den Bundesrath und den Reichstag zu
berufen, zu eröffnen, zu vertagen und zu schließen.
A r t i k e l 13.
Die Berufung des Bundesrathes und des Reichstages findet
alljährlich statt, und kann der Bundesrath zur Vorbereitung der Arbeiten ohne den
Reichstag, letzterer aber nicht ohne den Bundesrath berufen werden.
A r t i k e l 14.
Die Berufung des Bundesrathes muß erfolgen, sobald sie von einem
Drittel der Stimmenzahl verlangt wird.
A r t i k e l 15.
[1] Der Vorsitz im Bundesrathe und die Leitung der Geschäfte
steht dem Bundeskanzler zu, welcher vom Präsidium zu ernennen ist.
[2] Derselbe kann sich durch jedes andere Mitglied des Bundesrathes vermöge
schriftlicher Substitution vertreten lassen.
A r t i k e l 16.
Das Präsidium hat die erforderlichen Vorlagen nach Maaßgabe der
Beschlüsse des Bundesrathes an den Reichstag zu bringen, wo sie durch Mitglieder des
Bundesrathes oder durch besondere von letzterem zu ernennenden Kommissaren vertreten
werden.
A r t i k e l 17.
Dem Präsidium steht die Ausfertigung und Verkündung der
Bundesgesetze und die Überwachung der Ausführung derselben zu. Die Anordnungen und
Verfügungen des Bundespräsidiums werden im Namen des Bundes erlassen und bedürfen zu
ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Bundeskanzlers, welcher dadurch die
Verantwortlichkeit übernimmt.
A r t i k e l 18.
Das Präsidium ernennt die Bundesbeamten, hat dieselben für den
Bund zu vereidigen und erforderlichen Falles ihre Entlassung zu verfügen.
A r t i k e l 19.
[1] Wenn Bundesglieder ihre
verfassungsmäßigen Bundespflichten nicht erfüllen, so können sie dazu im Wege der
Exekution angehalten werden. Diese Exekution ist |
|
a) in Betreff militairischer Leistungen, wenn Gefahr im Verzuge, von dem
Bundesfeldherrn anzuordnen und zu vollziehen,
b) in allen anderen Fällen aber von dem Bundesrathe zu beschließen und von dem
Bundesfeldherrn zu vollstrecken. |
[2] Die Exekution kann bis zur
Sequestration des betreffenden Landes und seiner Regierungsgewalt ausgedehnt werden. In
den unter a. bezeichneten Fällen ist dem Bundesrathe von Anordnung der Exekution, unter
Darlegung der Beweggründe, ungesäumt Kenntniß zu geben. |
V.
Reichstag.
A r t i k e l 20.
Der Reichstag geht aus allgemeinen und direkten Wahlen mit
geheimer Abstimmung hervor, welche bis zum Erlaß eines Reichswahlgesetzes nach Maaßgabe
des Gesetzes zu erfolgen haben, auf Grund dessen der erste Reichstag des Norddeutschen
Bundes gewählt worden ist.
A r t i k e l 21.
[1] Beamte bedürfen keines Urlaubs zum Eintritt in den Reichstag.
[2] Wenn ein Mitglied des Reichstages in dem Bunde oder einem Bundesstaat ein
besoldetes Staatsamt annimmt oder im Bundes- oder Staatsdienste in ein Amt eintritt, mit
welchem ein höherer Rang oder ein höheres Gehalt verbunden ist, so verliert es Sitz und
Stimme in dem Reichstag und kann seine Stelle in demselben nur durch neue Wahl wieder
erlangen.
A r t i k e l 22.
[1] Die Verhandlungen des Reichstages sind öffentlich.
[2] Wahrheitsgetreue Berichte über Verhandlungen in den öffentlichen Sitzungen
des Reichstages bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei.
A r t i k e l 23.
Der Reichstag hat das Recht, innerhalb der Kompetenz des Bundes
Gesetze vorzuschlagen und an ihn gerichtete Petitionen dem Bundesrathe resp. Bundeskanzler
zu überweisen.
A r t i k e l 24.
Die Legislaturperiode des Reichstages dauert drei Jahre. Zur
Auflösung des Reichstages während derselben ist ein Beschluß des Bundesrathes unter
Zustimmung des Präsidiums erforderlich.
A r t i k e l 25.
Im Falle der Auflösung des Reichstages müssen innerhalb eines
Zeitraumes von 60 Tagen nach derselben die Wähler und innerhalb eines Zeitraumes von 90
Tagen nach der Auflösung der Reichstag versammelt werden.
A r t i k e l 26.
Ohne Zustimmung des Reichstages darf die Vertagung desselben die
Frist von 30 Tagen nicht übersteigen und während derselben Session nicht wiederholt
werden.
A r t i k e l 27.
Der Reichstag prüft die Legitimation seiner Mitglieder und
entscheidet darüber. Er regelt seinen Geschäftsgang und seine Disziplin durch eine
Geschäftsordnung und erwählt seinen Präsidenten, seine Vizepräsidenten und
Schriftführer.
A r t i k e l 28.
Der Reichstag beschließt mit absoluter Stimmenmehrheit. Zur
Gültigkeit der Beschlußfassung ist die Anwesenheit der Mehrheit der gesetzlichen Anzahl
der Mitglieder erforderlich.
A r t i k e l 29.
Die Mitglieder des Reichstages sind die Vertreter des gesammten
Volkes und an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden.
A r t i k e l 30.
Kein Mitglied des Reichstages darf zu irgend einer Zeit wegen
seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufes gethanen Äußerungen
gerichtlich oder disziplinarisch verfolgt oder sonst außerhalb der Verhandlung zur
Verantwortung gezogen werden.
A r t i k e l 31.
[1] Ohne Genehmigung des Reichstages kann keine Mitglied desselben
während der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Untersuchung
gezogen oder verhaftet werden, außer wenn es bei Ausübung der That oder im Laufe des
nächstfolgenden Tages ergriffen wird.
[2] Gleiche Genehmigung ist bei einer Verhaftung wegen Schulden erforderlich.
[3] Auf Verlangen des Reichstages wird jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied
desselben und jede Untersuchungs- oder Civilhaft für die Dauer der Sitzungsperiode
aufgehoben.
A r t i k e l 32.
Die Mitglieder des Reichstages dürfen als solche keine Besoldung
oder Entschädigung beziehen.
VI.
Zoll- und Handelswesen.
A r t i k e l 33.
[1] Der Bund bildet ein Zoll- und Handelsgebiet, umgeben von
gemeinschaftlicher Zollgrenze. Ausgeschlossen bleiben die wegen ihrer Lage zur
Einschließung in die Zollgrenze nicht geeigneten einzelnen Gebietstheile.
[2] Alle Gegenstände, welche im freien Verkehr eines Bundesstaates befindlich
sind, können in jeden anderen Bundesstaat eingeführt und dürfen in letzterem einer
Abgabe nur insoweit unterworfen werden, als daselbst gleichartige inländische Erzeugnisse
einer inneren Steuer unterliegen.
A r t i k e l 34.
Die Hansestädte Lübeck, Bremen und Hamburg mit einem dem Zweck
entsprechenden Bezirke ihres oder des umliegenden Gebietes bleiben als Freihäfen
außerhalb der gemeinsamen Zollgrenze, bis sie ihren Einschluß in dieselbe beantragen.
A r t i k e l 35.
Der Bund ausschließlich hat die Gesetzgebung über das gesammte
Zollwesen, über die Besteuerung des Verbrauches von einheimischen Zucker, Branntwein,
Salz, Bier und Taback, sowie über die Maaßregeln, welche in den Zollausschlüssen zur
Sicherung der gemeinsamen Zollgrenze erforderlich sind.
A r t i k e l 36.
[1] Die Erhebung und Verwaltung der Zölle und Verbrauchssteuern
(Art. 35) bleibt jedem Bundesstaate, soweit derselbe sie bisher
ausgeübt hat, innerhalb seines Gebietes überlassen.
[2] Das Bundespräsidium überwacht die Einhaltung des gesetzlichen Verfahrens
durch Bundesbeamte, welche es den Zoll- oder Steuerämtern und den Direktivbehörden der
einzelnen Staaten, nach Vernehmung des Ausschusses des Bundesrathes für Zoll- und
Steuerwesen, beiordnet.
A r t i k e l 37.
[1] Der Bundesrath beschließt: |
|
1) über die dem Reichstage vorzulegenden oder von demselben angenommenen
unter die Bestimmung des Art. 35 fallenden gesetzlichen Anordnungen
einschließlich der Handels- und Schiffahrtsverträge;
2) über die zur Ausführung der gemeinschaftlichen Gesetzgebung (Art. 35)
dienenden Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen;
3) über Mängel, welche bei der Ausführung der gemeinschaftlichen Gesetzgebung (Art. 35) hervortreten;
4) über die von seinen Rechnungsbehörden ihm vorgelegte Feststellung der in die
Bundeskasse fließenden Abgaben (Art. 39). |
[2] Jeder über die Gegenstände zu
1. bis 3. von einem Bundesstaate oder über die Gegenstände zu 4. von einem
kontrolirenden Beamten bei dem Bundesrathe gestellte Antrag unterliegt der
gemeinschaftlichen Beschlußnahme. Im Falle der Meinungsverschiedenheiten giebt die Stimme
des Präsidiums bei den zu 1. und 2. bezeichneten alsdann den Ausschlag, wenn sie sich
für Aufrechterhaltung der bestehenden Vorschrift oder Einrichtung ausspricht; in allen
übrigen Fällen entscheidet die Mehrheit der Stimmen nach dem in Artikel 6
dieser Verfassung festgestellten Stimmverhältniß. |
A r t i k e l 38.
[1] Der Ertrag der Zölle und der in
Art. 35 bezeichneten Verbrauchsabgaben fließt in die Bundeskasse.
[2] Dieser Ertrag besteht aus der gesammten von den Zöllen und Verbrauchsabgaben
aufgekommenen Einnahme nach Abzug: |
|
1) der auf Gesetzen oder allgemeinen Verwaltungsvorschriften
beruhenden Steuer-Vergütungen und Ermäßigungen;
2) der Erhebungs- und Verwaltungskosten, und zwar: |
|
|
a) bei den Zöllen und der Steuer von inländischem Zucker, soweit diese
Kosten nach den Verabredungen unter den Mitgliedern des Deutschen Zoll- und Handelsvereins
der Gemeinschaft aufgerechnet werden konnten;
b) bei der Steuer von inländischem Salze - sobald solche, sowie ein Zoll von
ausländischem Salze unter Aufhebung des Salzmonopols eingeführt sein wird - mit dem
Betrage der auf Salzwerken erwachsenden Erhebungs- und Aufsichtskosten;
c) bei den übrigen Steuern mit funfzehn Prozent der Gesammteinnahme. |
[3] Die außerhalb der
gemeinschaftlichen Zollgrenze liegenden Gebiete tragen zu den Bundesausgaben durch Zahlung
eines Aversums bei. |
A r t i k e l 39.
[1] Die von den Erhebungsbehörden der Bundesstaaten nach Ablauf
eines jeden Vierteljahres aufzustellenden Quartalsextrakte und die nach dem Jahres- und
Bücherschlusse aufzustellenden Finalabschlüsse über die im Laufe des Vierteljahres
beziehungsweise während des Rechnungsjahres fällig gewordenen Einnahmen an Zöllen und
Verbrauchsabgaben werden von den Direktivbehörden der Bundesstaaten, nach vorangegangener
Prüfung, in Hauptübersichten zusammengestellt und diese an den Ausschuß des
Bundesrathes für das Rechnungswesen übersandt.
[2] Der Letztere stellt auf Grund dieser Übersichten von drei zu drei Monaten den
von der Kasse jedes Bundesstaates der Bundeskasse schuldigen Betrag vorläufig fest und
setzt von dieser Feststellung den Bundesrath und die Bundesstaaten in Kenntniß, legt auch
alljährlich die schließliche Feststellung jener Beträge mit seinen Bemerkungen dem
Bundesrathe zur Beschlußnahme vor.
A r t i k e l 40.
[1] Die Bestimmungen in dem Zollvereinigungsvertrage vom 16. Mai
1865, in dem Vertrage über die gleiche Besteuerung innerer Erzeugnisse vom 28. Juni 1864,
in dem Vertrage über den Verkehr mit Taback und Wein von demselben Tage und im Artikel 2
des Zoll- und Anschlußvertrages vom 11. Juli 1864, desgleichen in den Thüringischen
Vereinsverträgen bleiben zwischen den bei diesen Verträgen betheiligten Bundesstaaten in
Kraft, soweit sie nicht durch die Vorschriften der gegenwärtigen Verfassung abgeändert
sind und so lange sie nicht auf dem im Artikel 37 vorgezeichneten Wege
abgeändert werden.
[2] Mit diesen Beschränkungen finden die Bestimmungen des
Zollvereinigungs-Vertrages vom 16. Mai 1865 auch auf diejenigen Bundesstaaten und
Gebietstheile Anwendung, welche dem Deutschen Zoll- und Handelsvereine zur Zeit nicht
angehören.
VII.
Eisenbahnwesen.
A r t i k e l 41.
[1] Eisenbahnen, welche im Interesse der Vertheidigung des
Bundesgebietes oder im Interesse des gemeinsamen Verkehrs für nothwendig erachtet werden,
können kraft eines Bundesgesetzes auch gegen die Widerspruch der Bundesglieder, deren
Gebiet die Eisenbahnen durchschneiden, unbeschadet der Landeshoheitsrechte, für Rechnung
des Bundes angelegt oder an Privatunternehmer zur Ausführung konzessionirt und mit dem
Expropriationsrechte ausgestattet werden.
[2] Jede bestehende Eisenbahnverwaltung ist verpflichtet, sich den Anschluß
neuangelegter Eisenbahnen auf Kosten der letzteren gefallen zu lassen.
[3] Die gesetzlichen Bestimmungen, welche bestehenden Eisenbahn-Unternehmungen ein
Widerspruchsrecht gegen die Anlegung von Parallel- oder Konkurrenzbahnen einräumen,
werden, unbeschadet bereits erworbener Rechte, für das ganze Bundesgebiet hierdurch
aufgehoben. Ein solches Widerspruchsrecht kann auch in den künftig zu ertheilenden
Konzessionen nicht weiter verliehen werden.
A r t i k e l 42.
Die Bundesregierungen verpflichten sich, die im Bundesgebiet
gelegenen Eisenbahnen im Interesse des allgemeinen Verkehrs wie ein einheitliches Netz
verwalten und zu diesem Behuf auch die neu herzustellenden Bahnen nach einheitlichen
Normen anlegen und ausrüsten zu lassen.
A r t i k e l 43.
Es sollen demgemäß in thunlichster Beschleunigung
übereinstimmende Betriebseinrichtungen getroffen, insbesondere gleiche
Bahnpolizei-Reglements eingeführt werden. Der Bund hat dafür Sorge zu tragen, daß die
Eisenbahnverwaltungen die Bahnen jederzeit in einem, die nöthige Sicherheit gewährenden
baulichen Zustande erhalten und dieselben mit Betriebsmaterial so auszurüsten, wie das
Verkehrsbedürfnis es erheischt.
A r t i k e l 44.
Die Eisenbahnverwaltungen sind verpflichtet, die für den
durchgehenden Verkehr und zur Herstellung ineinander greifender Fahrpläne nöthigen
Personenzüge mit entsprechender Geschwindigkeit, desgleichen die zur Bewältigung des
Güterverkehrs nöthigen Güterzüge einzuführen, auch direkte Expeditionen im Personen-
und Güterverkehr, unter Gestattung des Überganges der Transportmittel von einer Bahn auf
eine andere, gegen die übliche Vergütung einzurichten.
A r t i k e l 45.
Dem Bundes steht die Kontrole über das Tarifwesen zu.
Derselbe wird namentlich dahin wirken: |
|
1) daß baldigst auf den Eisenbahnen im Gebiete des Bundes
übereinstimmende Betriebsreglements eingeführt werden;
2) daß die möglichste Gleichmäßigkeit und Herabsetzung der Tarife erzielt,
insbesondere daß bei größeren Entfernungen für den Transport von Kohlen, Koaks, Holz,
Erzen, Steinen, Salz, Roheisen, Düngungsmitteln und ähnlichen Gegenständen ein dem
Bedürfniß der Landwirthschaft und Industrie entsprechender Tarif, und zwar zunächst
thunlichst der Ein-Pfennig-Tarif eingeführt werde. |
A r t i k e l 46.
Bei eintretenden Nothständen, insbesondere bei ungewöhnlicher
Teuerung der Lebensmittel, sind die Eisenbahnverwaltungen verpflichtet, für den Transport
namentlich von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten und Kartoffeln, zeitweise einen dem
Bedürfniß entsprechenden, von dem Bundespräsidium auf Vorschlag des betreffenden
Bundesraths-Ausschusses festzustellenden, niedrigen Spezialtarif einzuführen, welcher
jedoch nicht unter den niedrigsten auf der betreffenden Bahn für Rohprodukte geltenden
Satz herabgehen darf.
A r t i k e l 47.
Den Anforderungen der Bundesbehörden in Betreff der Benutzung der
Eisenbahnen zum Zweck der Vertheidigung des Bundesgebietes haben sämmtliche
Eisenbahnverwaltungen unweigerlich Folge zu leisten. Insbesondere ist das Militär und
alles Kriegsmaterial zu gleichen ermäßigten Sätzen zu befördern.
VIII.
Post- und Telegraphenwesen.
A r t i k e l 48.
[1] Das Post- und Telegraphenwesen werden für das gesammte Gebiet
des Norddeutschen Bundes als einheitliche Staatsverkehrs-Anstalten eingerichtet und
verwaltet.
[2] Die im Artikel 4 vorgesehene Gesetzgebung des Bundes in Post-
und Telegraphen-Angelegenheiten erstreckt sich nicht auf diejenigen Gegenstände, deren
Regelung nach den gegenwärtig in der Preußischen Post- und Telegraphenverwaltung
maaßgebenden Grundsätzen der reglementarischen Festsetzung oder administrativen
Anordnung überlassen ist.
A r t i k e l 49.
Die Einnahmen des Post- und Telegraphenwesens sind für den ganzen
Bund gemeinschaftlich. Die Ausgaben werden aus den gemeinschaftlichen Einnahmen
bestritten. Die Überschüsse fließen in die Bundeskasse (Abschnitt XII).
A r t i k e l 50.
[1] Dem Bundespräsidium gehört die obere Leitung der Post- und
Telegraphenverwaltung an. Dasselbe hat die Pflicht und das Recht, dafür zu sorgen, daß
Einheit in der Organisation der Verwaltung und im Betriebe des Dienstes, sowie in der
Qualifikation der Beamten hergestellt und erhalten wird.
[2] Das Präsidium hat für den Erlaß der reglementarischen Festsetzungen und
allgemeinen administrativen Anordnungen, sowie für die ausschließliche Wahrnehmung der
Beziehungen zu anderen Deutschen und außerdeutschen Post- und Telegraphenverwaltungen
Sorge zu tragen.
[3] Sämmtliche Beamte der Post- und Telegraphenverwaltung sind verpflichtet, den
Anordnungen des Bundespräsidiums Folge zu leisten. Diese Verpflichtung ist in den
Diensteid aufzunehmen.
[4] Die Anstellung der bei den Verwaltungsbehörden der Post und Telegraphie in den
verschiedenen Bezirken erforderlichen oberen Beamten (z. B. Direktoren, Räthe,
Ober-Inspektoren), ferner die Anstellung der zur Wahrnehmung des Aufsichts- usw. Dienstes
in den einzelnen Bezirken als Organe der erwähnten Behörden fungirenden Post- und
Telegraphenbeamten (z. B. Inspektoren, Kontroleure) geht für das ganze Gebiet des
Norddeutschen Bundes von dem Präsidium aus, welchem diese Beamten den Diensteid leisten.
Den einzelnen Landesregierungen wird von den in Rede stehenden Ernennungen, soweit
dieselben ihre Gebiete betreffen, Behufs der landesherrlichen Bestätigung und Publikation
rechtzeitig Mittheilung gemacht werden.
[5] Die anderen bei den Verwaltungsbehörden der Post und Telegraphie
erforderlichen Beamten, sowie alle für den lokalen und technischen Bereich bestimmten,
mithin bei den eigentlichen Betriebsstellen fungirenden Beamten u.s.w. werden von den
betreffenden Landesregierungen angestellt.
[6] Wo eine selbstständige Landes-Post- respektive Telegraphen-Verwaltung nicht
besteht, entscheiden die Bestimmungen der besonderen Verträge.
A r t i k e l 51.
[1] Zur Beseitigung der Zersplitterung des Post- und
Telegraphenwesens in den Hansestädten wird die Verwaltung und der Betrieb der
verschiedenen dort befindlichen Post- und Telegraphen-Anstalten nach näherer Anordnung
des Bundespräsidiums, welches den Senaten Gelegenheit zur Äußerung ihrer hierauf
bezüglichen Wünsche geben wird, vereinigt. Hinsichtlich der dort befindlichen Deutschen
Anstalten ist eine Vereinigung sofort auszuführen.
[2] Mit den außerdeutschen Regierungen, welche in den Hansestädten noch
Postrechte besitzen oder ausüben, werden die zu dem vorstehenden Zweck nöthigen
Vereinbarungen getroffen werden.
A r t i k e l 52.
[1] Bei Überweisung des Überschusses der Postverwaltung für
allgemeine Bundeszwecke (Artikel 49) soll, in Betracht der bisherigen
Verschiedenheit der von den Landes-Postverwaltungen der einzelnen Gebiete erzielten
Rein-Einnahmen, zum Zwecke einer entsprechenden Ausgleichung während der unten
festgesetzten Übergangszeit folgendes Verfahren beobachtet werden.
[2] Aus den Postüberschüssen, welche in den einzelnen Postbezirken während der
fünf Jahre 1861 bis 1865 aufgekommen sind, wird ein durchschnittlicher Jahresüberschuß
berechnet, und der Antheil, welcher jeder einzelne Postbezirk an dem für das gesammte
Gebiet des Norddeutschen Bundes sich darnach herausstellenden Postüberschuß gehabt hat,
nach Prozenten festgestellt.
[3] Nach Maaßgabe des auf diese Weise festgestellten Verhältnisses werden aus den
im Bunde aufkommenden Postüberschüssen während der nächsten acht Jahre den einzelnen
Staaten, die sich für dieselben ergebenden Quoten auf ihre sonstigen Beiträge zu
Bundeszwecken zu Gute gerechnet.
[4] Nach Ablauf der acht Jahre hört jene Unterscheidung auf, und fließen die
Postüberschüsse in ungetheilter Aufrechnung nach dem Artikel 49
enthaltenen Grundsatz der Bundeskasse zu.
[5] Von den während der vorgedachten acht Jahre für die Hansestädte sich
herausstellenden Quoten des Postüberschusses wird alljährlich vorweg die Hälfte dem
Bundespräsidium zur Disposition gestellt zu dem Zwecke, daraus zunächst die Kosten für
die Herstellung normaler Posteinrichtungen in den Hansestädten zu bestreiten.
IX.
Marine und Schiffahrt.
A r t i k e l 53.
[1] Die Bundeskriegsmarine ist eine einheitliche unter
Preußischem Oberbefehl. Die Organisation und Zusammensetzung derselben liegt Seiner
Majestät dem Könige von Preußen ob, welcher die Offiziere und Beamten der Marine
ernennt, und für welchen dieselben nebst den Mannschaften eidlich in Pflicht zu nehmen
sind.
[2] Der Kieler Hafen und der Jadehafen sind Bundes-Kriegshäfen.
[3] Der zur Gründung und Erhaltung der Kriegsflotte und der damit
zusammenhängenden Anstalten erforderliche Aufwand wird aus der Bundeskasse bestritten.
[4] Die gesammte seemännische Bevölkerung des Bundes, einschließlich des
Maschinenpersonals und der Schiffshandwerker, ist vom Dienste im Landheere befreit,
dagegen zum Dienste in der Bundesmarine verpflichtet.
[5] Die Vertheilung des Ersatzbedarfes findet nach Maaßgabe der vorhandenen
seemännischen Bevölkerung statt, und die hiernach von jedem Staate gestellte Quote kommt
auf die Gestellung zum Landheere in Abrechnung.
A r t i k e l 54.
[1] Die Kauffahrteischiffe aller Bundesstaaten bilden eine
einheitliche Handelsmarine.
[2] Der Bund hat das Verfahren zur Ermittlung der Ladungsfähigkeit der Seeschiffe
zu bestimmen, die Ausstellung der Meßbriefe, sowie der Schiffscertifikate zu regeln und
die Bedingungen festzustellen, von welchen die Erlaubniß zur Führung eines Seeschiffes
abhängig ist.
[3] In den Seehäfen und auf allen natürlichen und künstlichen Wasserstraßen der
einzelnen Bundesstaaten werden die Kauffahrteischiffe sämmtlicher Bundesstaaten
gleichmäßig zugelassen und behandelt. Die Abgaben, welche in den Seehäfen von den
Seeschiffen oder deren Ladungen für die Benutzung der Schiffahrtsanstalten erhoben
werden, dürfen die Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung dieser Anstalten
erforderlichen Kosten nicht übersteigen.
[4] Auf allen natürlichen Wasserstraßen dürfen Abgaben nur für die Benutzung
besonderer Anstalten, die zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind, erhoben werden.
Diese Abgaben, sowie die Abgaben für die Befahrung solcher künstlichen Wasserstraßen,
welche Staatseigenthum sind, dürfen die zur Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung
der Anstalten und Anlagen erforderlichen Kosten nicht übersteigen. Auf die Flößerei
finden diese Bestimmungen insoweit Anwendung, als dieselbe auf schiffbaren Wasserstraßen
betrieben wird.
[5] Auf fremde Schiffe oder deren Ladungen andere oder höhere Abgaben zu legen,
als von den Schiffen der Bundesstaaten oder deren Ladungen zu entrichten sind, steht
keinem Einzelstaat, sondern nur dem Bundes zu.
A r t i k e l 55.
Die Flagge der Kriegs- und Handelsmarine ist schwarz-weiß-roth.
X.
Konsulatwesen.
A r t i k e l 56.
[1] Das gesammte Norddeutsche Konsulatswesen steht unter der
Aufsicht des Bundespräsidiums, welches die Konsuln, nach Vernehmung des Ausschusses des
Bundesrathes für Handel und Verkehr, anstellt.
[2] In dem Amtsbezirk des Bundeskonsuln, dürfen neue Landeskonsulate nicht
errichtet werden. Die Bundeskonsuln üben für die in ihrem Bezirk nicht vertretenen
Bundesstaaten die Funktionen eines Landeskonsuls aus. Die sämmtlichen bestehenden
Landeskonsulate werden aufgehoben, sobald die Organisation der Bundeskonsulate dergestalt
vollendet ist, daß die Vertretung der Einzelinteressen aller Bundesstaaten als durch die
Bundeskonsulate gesichert von dem Bundesrathe anerkannt wird.
XI.
Bundeskriegswesen.
A r t i k e l 57.
Jeder Norddeutsche ist wehrpflichtig und kann sich in Ausübung
dieser Pflicht nicht vertreten lassen.
A r t i k e l 58.
Die Kosten und Lasten des gesammten Kriegswesens des Bundes sind
von allen Bundesstaaten und ihren Angehörigen gleichmäßig zu tragen, so daß weder
Bevorzugungen, noch Prägravationen einzelner Staaten oder Klassen grundsätzlich
zulässig sind. Wo die gleiche Vertheilung der Lasten sich in natura nicht
herstellen läßt, ohne die öffentliche Wohlfahrt zu schädigen, ist die Ausgleichung
nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit im Wege der Gesetzgebung festzustellen.
A r t i k e l 59.
[1] Jeder wehrfähige Norddeutsche gehört sieben Jahre lang, in
der Regel vom vollendeten 20. bis zum beginnenden 28. Lebensjahre, dem stehenden Heere -
und zwar die ersten drei Jahre bei den Fahnen, die letzten vier Jahre in der Reserve - und
die folgenden fünf Lebensjahre der Landwehr an. In denjenigen Bundesstaaten, in denen
bisher eine längere als zwölfjährige Gesammtdienstzeit gesetzlich war, findet die
allmälige Herabsetzung der Verpflichtung nur in dem Maaße statt, als dies die Rücksicht
auf die Kriegsbereitschaft des Bundesheeres zuläßt.
[2] In Bezug auf die Auswanderung der Reservisten sollen lediglich diejenigen
Bestimmungen maaßgebend sein, welche für die Auswanderung der Landwehrmänner gelten.
A r t i k e l 60.
Die Friedens-Präsenzstärke des Bundesheeres wird bis zum 31.
Dezember 1871 auf Ein Prozent der Bevölkerung von 1867 normirt, und wird pro rata
derselben von den einzelnen Bundesstaaten gestellt. Für die spätere Zeit wird die
Friedens-Präsenzstärke des Heeres im Wege der Bundesgesetzgebung gestgestellt.
A r t i k e l 61.
[1] Nach Publikation dieser Verfassung ist in dem ganzen
Bundesgebiete die gesammte Preußische Militairgesetzgebung ungesäumt einzuführen,
sowohl die Gesetze selbst, als die zu ihrer Ausführung, Erläuterungen oder Ergänzungen
erlassenen Reglements, Instruktionen und Reskripte, namentlich also das
Militair-Strafgesetzbuch vom 3. April 1845, die Militair-Strafgerichtsordnung vom 3. April
1845, die Verordnung über die Ehrengerichte vom 20. Juli 1843, die Bestimmungen über
Aushebung, Dienstzeit, Servis- und Verpflegungswesen, Einquartierung, Ersatz von
Flurbeschädigungen, Mobilmachung u.s.w. für Krieg und Frieden. Die
Militair-Kirchenordnung ist jedoch ausgeschlossen.
[2] Nach gleichmäßiger Durchführung der Bundeskriegs-Organisation wird das
Bundespräsidium ein umfassendes Bundes-Militairgesetz dem Reichstage und dem Bundesrathe
zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung vorlegen.
A r t i k e l 62.
[1] Zur Bestreitung des Aufwandes für das gesammte Bundesheer und
die zu demselben gehörigen Einrichtungen sind bis zum 31. Dezember 1871 dem
Bundesfeldherrn jährlich sovielmal 225 Thaler, in Worten zweihundert fünf und zwanzig
Thaler, als die Kopfzahl der Friedensstärke des Heeres nach Artikel 60
beträgt, zur Verfügung zu stellen. Vergl. Abschnitt XII.
[2] Die Zahlung dieser Beträge beginnt mit dem ersten des Monats nach Publikation
der Bundesverfassung.
[3] Nach dem 31. Dezember 1871 müssen diese Beträge von den einzelnen Staaten des
Bundes zur Bundeskasse fortgezahlt werden. Zur Berechnung derselben wird die im Artikel 60 interimistisch festgestellte Friedens-Präsenzstärke so lange
festgehalten, bis sie durch ein Bundesgesetz abgeändert ist.
[4] Die Verausgabung dieser Summe für das gesammte Bundesheer und dessen
Einrichtungen wird durch das Etatsgesetz festgestellt.
[5] Bei der Feststellung des Militair-Ausgabe-Etats wird die auf Grundlage dieser
Verfassung gesetzlich feststehende Organisation des Bundesheeres zu gelegt.
A r t i k e l 63.
[1] Die gesammte Landmacht des Bundes wird ein einheitliches Heer
bilden, welches in Krieg und Frieden unter dem Befehle Seiner Majestät des Königs von
Preußen als Bundesfeldherrn steht.
[2] Die Regimenter etc. führen fortlaufende Nummern durch die ganze Bundes-Armee.
Für die Bekleidung sind die Grundfarben und der Schnitt der Königlich Preußischen Armee
maaßgebend. Dem betreffenden Kontingentsherrn bleibt es überlassen, die äußeren
Abzeichen (Kokarden etc.) zu bestimmen.
[3] Der Bundesfeldherr hat die Pflicht und das Recht, dafür Sorge zu tragen, daß
innerhalb des Bundesheeres alle Truppentheile vollzählig und kriegstüchtig vorhanden
sind und daß Einheit in der Organisation und Formation, in Bewaffnung und Kommando, in
der Ausbildung der Mannschaften, sowie in der Qualifikation der Offiziere hergestellt und
erhalten wird. Zu diesem Behufe ist der Bundesfeldherr berechtigt, sich jederzeit durch
Inspektionen von der Verfassung der einzelnen Kontingente zu überzeugen und die
Abstellung der dabei vorgefundenen Mängel anzuordnen.
[4] Der Bundesfeldherr bestimmt den Präsenzstand, die Gliederung und Eintheilung
der Kontingente der Bundesarmee, sowie die Organisation der Landwehr, und hat das Recht,
innerhalb des Bundesgebietes die Garnisonen zu bestimmen, sowie die kriegsbereite
Aufstellung eines jeden Theils der Bundesarmee anzuordnen.
[5] Behufs Erhaltung der unentbehrlichen Einheit in der Administration,
Verpflegung, Bewaffnung und Ausrüstung aller Truppentheile des Bundesheeres sind die
bezüglichen künftig ergehenden Anordnungen für die Preußische Armee den Kommandeuren
der übrigen Bundeskontingente, durch den Artikel 8 Nr. 1 bezeichneten
Ausschuß für das Landheer und die Festungen, zur Nachachtung in geeigneter Weise
mitzutheilen.
A r t i k e l 64.
[1] Alle Bundestruppen sind verpflichtet, den Befehlen des
Bundesfeldherrn unbedingte Folge zu leisten. Diese Verpflichtung ist in den Fahneneid
aufzunehmen.
[2] Der Höchstkommandirende eine Kontingents, sowie alle Offiziere, welche Truppen
mehr als eines Kontingents befehligen, und alle Festungskommandanten werden von dem
Bundesfeldherrn ernannt. Die von demselben ernannten Offiziere leisten ihm den Fahneneid.
Bei Generalen und den Generalstellungen versehenden Offizieren innerhalb des
Bundeskontingents ist die Ernennung von der jedesmaligen Zustimmung des Bundesfeldherrn
abhängig zu machen.
[3] Der Bundesfeldherr ist berechtigt, Behufs Versetzungen mit oder ohne
Beförderung für die von Ihm im Bundesdienste, sei es im Preußischen Heere, oder in
anderen Kontingenten zu besetzenden Stellen aus den Offizieren aller Kontingente des
Bundesheeres zu wählen.
A r t i k e l 65.
Das Recht, Festungen innerhalb des Bundesgebietes anzulegen, steht
dem Bundesfeldherrn zu, welcher die Bewilligung der dazu erforderlichen Mittel, soweit das
Ordinarium sie nicht gewährt, nach Abschnitt XII beantragt.
A r t i k e l 66.
[1] Wo nicht besondere Konventionen ein Anderes bestimmen,
ernennen die Bundesfürsten, beziehentlich die Senate die Offiziere ihrer Kontingente, mit
der Einschränkung des Artikels 64. Sie sind Chefs aller ihren Gebieten
angehörenden Truppentheile und genießen die damit verbundenen Ehren. Sie haben
namentlich das Recht der Inspizirung zu jeder Zeit und erhalten, außer den regelmäßigen
Rapporten und Meldungen über vorkommende Veränderungen, Behufs der nöthigen
landesherrlichen Publikation, rechtzeitige Mittheilung von den die betreffenden
Truppentheile berührenden Avancements und Ernennungen.
[2] Auch steht ihnen das Recht zu, zu polizeilichen Zwecken nicht blos ihre eigenen
Truppen zu verwenden, sondern auch alle anderen Truppentheile der Bundesarmee, welche in
ihren Ländergebieten dislocirt sind, zu requiriren.
A r t i k e l 67.
Ersparnisse an dem Militairetat fallen unter keinen Umständen
einer einzelnen Regierung, sondern jederzeit der Bundeskasse zu.
A r t i k e l 68.
Der Bundesfeldherr kann, wenn die öffentliche Sicherheit in dem
Bundesgebiete bedroht ist, einen jeden Theil desselben in Kriegszustand erklären. Bis zum
Erlaß eines die Voraussetzungen, die Form der Verkündigung und die Wirkungen einer
solchen Erklärung regelnden Bundesgesetzes gelten dafür die Vorschriften des
Preußischen Gesetzes vom 4. Juni 1851 (Gesetz-Samml. für 1851 S. 451. ff.).
XII.
Bundesfinanzen.
A r t i k e l 69.
Alle Einnahmen und Ausgabe des Bundes müssen für jedes Jahr
veranschlagt und auf den Bundeshaushaltsetat gebracht werden. Letzterer wird vor Beginn
des Etatsjahres nach folgenden Grundsätzen durch ein Gesetz festgestellt.
A r t i k e l 70.
Zur Bestreitung aller gemeinschaftlichen Ausgaben dienen zunächst
die etwaigen Überschüsse der Vorjahre, sowie die aus den Zöllen, den gemeinschaftlichen
Verbrauchssteuern und aus dem Post- und Telegraphenwesen fließenden gemeinschaftlichen
Einnahmen. Insoweit dieselben durch diese Einnahmen nicht gedeckt werden, sind sie, so
lange Bundessteuern nicht eingeführt sind, durch Beiträge der einzelnen Bundesstaaten
nach Maaßgabe ihrer Bevölkerung aufzubringen, welche bis zur Höhe des budgetmäßigen
Betrages durch das Präsidium ausgeschrieben werden.
A r t i k e l 71.
[1] Die gemeinschaftlichen Ausgaben werden in der Regel für ein
Jahr bewilligt, können jedoch in besonderen Fällen auch für eine längere Dauer
bewilligt werden.
[2] Während der im Artikel 60 normirten Übergangszeit ist der
nach Titeln geordnete Etat über die Ausgaben für das Bundesheer dem Bundesrathe und dem
Reichstage nur zur Kenntnißnahme und zur Erinnerung vorzulegen.
A r t i k e l 72.
Über die Verwendung aller Einnahmen des Bundes ist von dem
Präsidium dem Bundesrathe und dem Reichstage zur Entlastung jährlich Rechnung zu legen.
A r t i k e l 73.
In Fällen eines außerordentlichen Bedürfnisses können im Wege
der Bundesgesetzgebung die Aufnahme einer Anleihe, sowie die Übernahme einer Garantie zu
Lasten des Bundes erfolgen.
XIII.
Schlichtung von Streitigkeiten und Strafbestimmungen.
A r t i k e l 74.
Jedes Unternehmen gegen die Existenz, die Integrität, die
Sicherheit oder die Verfassung des Norddeutschen Bundes, endlich die Beleidigung des
Bundesrathes, des Reichstages, eines Mitgliedes des Bundesrathes oder des Reichstages,
einer Behörde oder eines öffentlichen Beamten des Bundes, während dieselben in der
Ausübung ihres Berufes begriffen sind oder in Beziehung auf ihren Beruf, durch Wort,
Schrift, Druck, Zeichen, bildliche oder andere Darstellung, werden in den einzelnen
Bundesstaaten beurtheilt und bestraft nach Maaßgabe der in den letzteren bestehenden oder
künftig in Wirksamkeit tretenden Gesetze, nach welchen eine gleiche gegen den einzelnen
Bundesstaat, seine Verfassung, seine Kammern oder Stände, seine Kammern- oder
Ständemitglieder, seine Behörden und Beamten begangene Handlung zu richten wäre.
A r t i k e l 75.
[1] Für diejenigen in Art. 74 bezeichneten
Unternehmungen gegen den Norddeutschen Bund, welche, wenn gegen einen der einzelnen
Bundesstaaten gerichtet, als Hochverrath oder Landesverrath zu qualifiziren wären, ist
das gemeinschaftliche Ober-Appellationsgericht der drei freien und Hansestädte in Lübeck
die zuständige Spruchbehörde in erster und letzter Instanz.
[2] Die näheren Bestimmungen über die Zuständigkeit und das Verfahren des
Ober-Appellationsgerichts erfolgen im Wege der Bundesgesetzgebung. Bis zum Erlasse eines
Bundesgesetzes bewendet es bei der seitherigen Zuständigkeit der Gerichte in den
einzelnen Bundesstaaten und den auf das Verfahren dieser Gerichte sich beziehenden
Bestimmungen.
A r t i k e l 76.
[1] Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Bundesstaaten,
sofern dieselben nicht privatrechtlicher Natur und daher von den kompetenten
Gerichtsbehörden zu entscheiden sind, werden auf Anrufen des einen Theils von dem
Bundesrathe erledigt.
[2] Verfassungsstreitigkeiten in solchen Bundesstaaten, in deren Verfassungen nicht
eine Behörde zur Entscheidung solcher Streitigkeiten bestimmt ist, hat auf Anrufen eines
Theiles der Bundesrath gütlich auszugleichen oder, wenn das nicht gelingt, im Wege der
Bundesgesetzgebung zu Erledigung zu bringen.
A r t i k e l 77.
Wenn in einem Bundesstaate der Fall der Justizverweigerung
eintritt, und auf gesetzlichen Wegen ausreichende Hülfe nicht erlangt werden kann, so
liegt dem Bundesrathe ob, erwiesene, nach der Verfassung und den bestehenden Gesetzen des
betreffenden Bundesstaates zu beurtheilende Beschwerden über verweigerte oder gehemmte
Rechtspflege anzunehmen, und darauf die gerichtliche Hülfe bei der Bundesregierung, die
zu der Beschwerde Anlaß gegeben hat, zu bewirken.
XIV.
Allgemeine Bestimmung.
A r t i k e l 78.
Veränderungen der Verfassung erfolgen im Wege der Gesetzgebung,
jedoch ist zu denselben im Bundesrathe eine Mehrheit von zwei Dritteln der vertretenen
Stimmen erforderlich.
XV.
Verhältniß zu den Süddeutschen Staaten.
A r t i k e l 79.
[1] Die Beziehungen des Bundes zu den Süddeutschen Staaten
werdensofort nach Feststellung der Verfassung des Norddeutschen Bundes, durch besondere
dem Reichstage zur Genehmigung vorzulegende Verträge, geregelt werden.
[2] Der Eintritt der Süddeutschen Staaten oder eines derselben in den Bund erfolgt
auf den Vorschlag des Bundespräsidiums im Wege der Bundesgesetzgebung.
unter dem 25. Juni d. J. verkündet worden und hat am 1. Juli d. J. die Gesetzeskraft
erlangt.
Indem Wir dies hiermit zur öffentlichen Kenntniß bringen, übernehmen Wir die Uns
durch die Verfassung des Norddeutschen Bundes übertragenen Rechte, Befugnisse und
Pflichten für Uns und Unsere Nachfolger in der Krone Preußen.
Wir befehlen, dieses Publikandum durch das Bundesgesetzblatt der Norddeutschen
Bundes zu veröffentlichen.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem
Königlichen Insiegel.
Gegeben Bad Ems, den 26. Juni 1867.
(L. S.) Wilhelm.
Gr. v. Bismarck - Schönhausen.
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