Rede des Abgeordneten Lothar Mark (SPD) zur deutschen
Außenpolitik und zum Irak-Krieg im Rahmen der Haushaltsdebatte des Deutschen Bundestages
vom 20. März 2003
Lothar Mark (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Kollege Frankenhauser hat mit Recht darauf
hingewiesen, dass wir Haushaltsberatungen haben, dass es aber unabdingbar war, sich mit
der Außenpolitik und der aktuellen Situation zu beschäftigen. Wenn man die Debatte hier
verfolgt hat, dann fällt es einem sehr schwer, nun direkt zu den Zahlen und den
Entwicklungen überzugehen. Aber es sind viele Punkte angesprochen worden, die einfach
nicht unwidersprochen stehen bleiben können.
Herr Dr. Hoyer hat unter anderem den Hinweis
gegeben, der immer wieder kommt, es seien zwar Fortschritte durch die Inspektoren erzielt
worden, diese seien aber nur durch den militärischen Druck möglich gewesen. Das ist
richtig. Aber müssen es 300 000 Mann sein, die den Druck ausüben, sodass im Grunde
genommen keine Umkehrmöglichkeit mehr besteht? Diese Frage ist nicht beantwortet worden;
sie ist aber sehr wichtig.
Zum anderen muss darauf hingewiesen werden - das haben einige getan -, dass der
amerikanische Präsident seinen Forderungskatalog gegenüber Saddam Hussein permanent
verändert hat. Je nachdem wie die Situation und das Empfinden in der
Weltöffentlichkeit oder im Sicherheitsrat waren, wurden die Ziele umformuliert, um
dann die Möglichkeit zu haben, den Kriegswunsch umzusetzen.
Wenn Sie, Herr Dr. Hoyer, sagen, dass die deutsche
Außenpolitik nicht integrativ genug sei, dann muss dem widersprochen werden, weil dazu
genügend Willige vorhanden sein müssen, die dies wirklich wollen. Einer allein kann das
nicht bewältigen. Ich denke, dass unser Außenminister und unser Bundeskanzler in diesem
Bereich unendlich viel Ehrenwertes und Aufopferungsvolles geleistet haben.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Ich kann also nicht feststellen, dass die deutsche Außenpolitik in irgendeiner Weise
versagt habe, weder nach innen, von der Bundesregierung her gesehen, noch nach außen in
Richtung internationale Einrichtungen.
(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Jetzt haben Sie aber Ihr koalitionspolitisches Fleißkärtchen
abgehakt!)
Ich möchte Michael Bothe, den Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht,
erwähnen. Er sagte, dass die Bush-Administration derzeit offensichtlich
eine hegemoniale Weltordnung anstrebe. Wer die Diskussionen und die Äußerungen des
US-Präsidenten verfolgt hat, wird dies bestätigen können. So sagte
er in seiner Erklärung, in der er das 48stündige Ultimatum stellte, dass der
UN-Sicherheitsrat seiner Verantwortung nicht gerecht geworden sei und die USA deswegen
ihrem Gerechtigkeitssinn folgen müssten.
Ich hatte ursprünglich vorgesehen, mit zwei Zitaten von Cicero über den Haushalt zu
beginnen. Ich lasse das, obwohl sie genau gepasst hätten. Die Zeit läuft mir allerdings
davon.
Ich möchte unter anderem darauf hinweisen, dass aufgrund des kollektiven
Vergessenssyndroms der CDU/ CSU immer wieder geleugnet wird, dass wir uns in einer
Schulden- und Zinssituation befinden, die entscheidend dafür verantwortlich ist, dass wir
in vielen Bereichen in unserem Haushalt nicht alles umsetzen können, was wir umsetzen
möchten. Hinzu kommt, dass bis 1998 nicht gespart wurde und heute die Verantwortung
dafür nicht anerkannt wird. CDU/CSU und FDP haben während der Haushaltsberatungen über
den Einzelplan des Auswärtigen Amtes im Haushaltsausschuss massive Erhöhungsanträge
gestellt, die zeigen, dass die Problematik nach wie vor nicht verinnerlicht wurde.
Es ist schon auf unseren Umgang mit den globalen Minderausgaben im Auswärtigen Amt
eingegangen worden. Ich möchte das nicht wiederholen, sondern darauf hinweisen, dass wir
in den nächsten Debatten sehr wohl darüber sprechen müssen, welchen Stellenwert das
Auswärtige Amt für uns hat; denn es wird zum Beispiel vonseiten der FDP immer wieder
versucht, Zwietracht zwischen Entwicklungsministerium und Auswärtigem Amt zu säen. Wir
bekennen uns ganz klar zu ihrer Aufgabenteilung und sind mit den Leistungen der beiden
Ministerien, der Ministerin und des Ministers sehr zufrieden.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Wir müssen aber auch darauf aufmerksam machen, dass wir in einigen Bereichen des
Auswärtigen Amtes verstärkte Anstrengungen unternehmen müssen, da existenzielle
Fragestellungen für die Zukunft Deutschlands anliegen. Wir müssen uns verstärkt um das
Auslandsschulwesen, den Stipendienfonds, die auswärtige Kulturpolitik, Messen und
Außenhandelskammern, aber auch um die ganz normale diplomatische Vertretung vor Ort
kümmern.
Ich denke aber auch an humanitäre Hilfe, Krisenprävention und Demokratie- und
Ausstattungshilfe. Nach meinem Dafürhalten sind das rentierliche Investitionen. Ich
möchte hierzu die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, zitieren:
Die Menschenrechtsverletzungen von heute sind die Kriege von morgen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es wäre angebracht, auch einige strategische Überlegungen zum Haushalt des Auswärtigen
Amtes anzustellen. Das kann ich hier jetzt nicht mehr tun.
(Michael Glos [CDU/CSU]: Ein Glück!)
Ich werde aber versuchen, die Diskussion darüber im Haushaltsausschuss anzustoßen.
Ich stimme den Ausführungen bezüglich des Auswärtigen Amtes und der Vertretung des
Bundes im Ausland von Herrn Frankenhauser
zu. Gleichzeitig möchte ich darauf hinweisen, dass wir im Bezug auf die Struktur
verstärkt darüber nachdenken müssen, dass ein Zuschussempfänger nur einem Ministerium
zugeordnet werden sollte, sodass und wir nicht gezwungen sind, in mehreren Haushalten
nachzuschauen. Ich denke, dass die Flexibilisierung und die Budgetierung die Effizienz im
Haushalt des Auswärtigen Amtes weiter steigern werden.
Angesichts der neuen Herausforderungen, denen sich Deutschland nach dem Ende des Kalten
Krieges und vor dem Hintergrund des zunehmenden Staatenzerfalls innerhalb und außerhalb
Europas gegenübersah, hat die Bundesregierung im Jahr 2000 ein Gesamtkonzept zur zivilen
Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung erstellt und dieses den
Vereinten Nationen zur Kenntnis gegeben.
Wir sind fest in den Vereinten Nationen verankert, respektieren und erkennen aus voller
Überzeugung die Vorgaben und Ergebnisse an, die dort erzielt werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aus diesem Grund trägt Deutschland einen wesentlichen Teil - fast ein Zehntel - zum
Gesamthaushalt der Vereinten Nationen bei.
Wir sind nicht nur in diesem Sektor engagiert, sondern auch im Europarat, bei der OSZE und
- das betone ich ausdrücklich - beim Internationalen Strafgerichtshof mit seiner
generalpräventiven Wirkung. Deutschland trägt auch von dessen Haushalt fast 20 Prozent.
Im Namen meiner Fraktion gratuliere ich sehr herzlich Hans-Peter Kaul, der vor wenigen
Tagen als deutscher Richter vereidigt wurde.
Der Internationale Strafgerichtshof beruht auf dem Römischen Statut von 1998, das
inzwischen von 87 Vertragsparteien voll anerkannt und ratifiziert wurde. Wir wünschen
uns, dass auch die Vereinigten Staaten ihren Boykott und Widerstand gegen den
Internationalen Strafgerichtshof aufgeben und ihn voll anerkennen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Denn dies könnte für die internationale Wertegemeinschaft einen riesigen Sprung nach
vorne bedeuten.
Für den Stabilitätspakt für Südosteuropa und Afghanistan haben wir in unserer
Regierungszeit sehr viel getan. Wir haben die entsprechenden Mittel zur Verfügung
gestellt und damit einen deutlichen Beitrag zur Finanzierung des Antiterrorpakets
geleistet. Diese Mittel sind in die humanitäre Hilfe, das Minenräumen und in die
Krisenprävention geflossen.
Es ist mehrfach darauf hingewiesen worden, dass die für humanitäre Hilfe in den Haushalt
eingestellten Mittel in Höhe von 40 Millionen Euro nach der derzeitigen
Entwicklung nicht ausreichen werden und dass wir erwägen, sie in der nächsten
Sitzungswoche um 40 Millionen Euro zu erhöhen, um die humanitäre Hilfe, die jetzt
sehr wahrscheinlich in einem größeren Ausmaß notwendig wird, zu gewährleisten.
Für die humanitäre Minenräumung sind eigentlich wesentlich mehr Mittel notwendig, weil
in vielen Regionen der Welt ein sehr großer Bedarf besteht. Aber wir müssen uns auch in
diesen Bereichen nach den Möglichkeiten unseres Haushalts richten. Ich denke, dass wir
uns als drittgrößter Geldgeber in diesem Sektor international durchaus sehen lassen
können.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die Demokratisierungs- und Ausstattungshilfe ist bereits angesprochen worden. Wir haben
sie um 2,5 Millionen Euro erhöht, damit auch dem
Kofi-Annan-Friedenszentrum in Ghana die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden
können.
Auch die sowjetischen Massenvernichtungswaffen sind schon genannt worden. Ich meine, dass
wir im Hinblick auf ihre Beseitigung ebenfalls einen sehr wichtigen internationalen
Beitrag leisten.
Die Deutsche Welle hat beim Aufbau in Afghanistan eine besondere Aufgabe übernommen und
leistet eine ausgezeichnete Arbeit.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Dr. Werner Hoyer [FDP])
Wir werden die Programmarbeit der Deutschen Welle für Afghanistan mit weiteren 1,2
Millionen Euro sichern.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir sind auch sehr erfreut darüber, dass die Deutsche Welle in Zukunft verstärkt mit dem
Goethe-Institut Inter Nationes kooperieren wird.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Werner Hoyer [FDP])
In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass wir mit dem
deutsch-französischen Kulturinstitut in Moskau neue Wege einschlagen, die in der
Kooperation zwischen GIIN und dem spanischen Instituto Cervantes sowie dem British Council
fortgeführt werden. Damit wird die europäische Kulturarbeit auf internationaler Ebene
verstärkt.
(Beifall bei der SPD)
Die Fusionsrendite beim Goethe-Institut Inter Nationes wurde schon angesprochen. Ich will
nicht weiter darauf eingehen; aber es ist sicherlich notwendig, Planungssicherheit für
die Zukunft zu erreichen, um auch die Bereitschaft zu einem kulturpolitischen Dialog zu
intensivieren und verstärkt vor Ort agieren zu können, wo es erforderlich ist.
Notwendig ist auch das Programm "Dialog mit dem Islam". Dieses Programm wird
insbesondere vom Goethe-Institut Inter Nationes, vom DAAD und von verschiedenen nicht
staatlichen Organisationen vermittelt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Im Kampf gegen den Terror gelte es, Misstrauen, Vorurteile und Feindseligkeiten abzubauen,
Schwarz-Weiß-Malerei zu vermeiden und deutlich zu machen, dass es nicht um einen Kampf
der Kulturen gehe, so Gunter Mulack, Islambeauftragter des Auswärtigen Amtes, kürzlich
gegenüber dem Ausschuss für Kultur und Medien.
Ich möchte ferner darauf hinweisen, dass die Bedeutung der Auslandsschulen von uns
anerkannt und zunehmen wird. Deswegen haben wir den entsprechenden Ansatz um 5 Millionen
Euro erhöht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Bei den Stipendien und beim Wissenschaftleraustausch müssen wir in nächster Zeit aber
noch einiges tun. Wir haben auch noch in anderen Bereichen geringfügige Veränderungen
erreicht, die ich aber im Einzelnen nicht mehr aufzählen möchte. Ich bin jedenfalls
davon überzeugt - das haben die Diskussionen gezeigt -, dass das Auswärtige Amt sehr
aufgeschlossen ist und erkennt, in welchen Bereichen noch Hilfe notwendig ist.
Abschließend ein herzliches Dankeschön an die Berichterstatter. Während der Beratungen
im Haushaltsausschuss und bei den Berichterstattergesprächen herrschten ein sehr gutes
Klima und große Offenheit. Dem Auswärtigen Amt möchte ich eine
vorzügliche kooperative und konstruktive Zusammenarbeit bescheinigen. Dem
Bundeskanzler und dem Außenminister sage ich Danke für ihren
unermüdlichen und unerschütterlichen Einsatz für den Frieden und für
Deutschlands Ansehen in der Welt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
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