Rede der fraktionslosen Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (PDS) zur deutschen Außenpolitik und zum Irak-Krieg im Rahmen der Haushaltsdebatte des Deutschen Bundestages

vom 20. März 2003


Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Dr. Gesine Lötzsch.


Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sind in der zivilisatorischen Entwicklung um ein Jahrhundert zurückgeworfen worden. Es gilt wieder das Faustrecht und nicht das Völkerrecht. Dieser Krieg ist ein terroristischer Akt, der durch nichts zu rechtfertigen ist. Er ist durch nichts legitimiert. Wer diesen Krieg unterstützt, macht sich strafbar und schuldig.

(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

Heute Morgen haben die Fraktionsvorsitzenden nichts sagende Erklärungen zum Beginn des Krieges abgegeben. Eine Wortmeldung der PDS wurde nicht akzeptiert. Das sehen wir als einen schweren Verstoß gegen die Geschäftsordnung an. Offensichtlich hatte man Angst, mit unangenehmen Wahrheiten konfrontiert zu werden.

Wir führen die Debatte zur deutschen Außenpolitik wenige Stunden nachdem der angekündigte Angriffskrieg der US-Regierung auf den Irak begonnen hat. Ich spreche ausdrücklich von der US-Regierung, weil es Millionen Menschen in den USA gibt, die diese Politik der Bush-Administration nicht mittragen. Auch in den USA gibt es eine starke Friedensbewegung. Amerikaner demonstrieren sogar in Berlin jeden Tag gegen den Krieg.

Die Mehrheit der Bevölkerung der Bundesrepublik lehnt diesen Krieg entschieden ab. Erst am letzten Sonnabend haben wieder Hunderttausende Berlinerinnen und Berliner ihren Friedenswillen zum Ausdruck gebracht, indem sie sich an einer Lichterkette, die quer durch die Stadt ging, beteiligt haben. Ich finde, es sollte auch die einstimmige Meinung der Mitglieder des Bundestages sein - sie müssen diese auch öffentlich kundtun und nicht nur hinter vorgehaltener Hand auf den Gängen sagen -, dass dieser Krieg gegen das Völkerrecht verstößt und verbrecherisch ist.

(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

Er wird Tausenden Menschen das Leben kosten, Millionen Menschen die Gesundheit ruinieren und die Ärmsten der Armen um ihr Hab und Gut bringen.

Wenn die CDU/CSU hier im Hause immer wieder die Behauptung aufstellt, die Bundesregierung habe mit ihrer frühen Festlegung auf ein Nein zum Irakkrieg zum Ausbruch dieses Krieges beigetragen, dann ist das mehr als absurd.

(Gernot Erler [SPD]: Richtig!)

Es ist nicht meine Aufgabe, die Bundesregierung zu verteidigen, aber mit dieser Behauptung beleidigen Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, alle diejenigen, die sich mit vielfältigen Aktionen dem drohenden Krieg entgegengestellt haben.

(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

Ihre Logik, die darin besteht, dass diejenigen, die sich einem Krieg entgegenstellen, für ihn verantwortlich gemacht werden, ist einfach absurd.

Meine Damen und Herren von der rot-grünen Bundesregierung, warum betonen Sie bei jeder Gelegenheit, dass Sie Ihre Bündnisverpflichtung gegenüber den USA einhalten wollen? Ich denke, es gibt keine Bündnisverpflichtung, einen Angriffskrieg zu unterstützen. Ganz im Gegenteil: Unser Grundgesetz stellt die Vorbereitung und Unterstützung eines Angriffskrieges unter Strafe. Die Gewährung von Überflugrechten für US-Bomber, die Beteiligung von deutschen Soldaten an AWACS-Einsätzen und der Einsatz der Fuchs-Panzer in Kuwait verstoßen damit gegen die Verfassung unseres Landes.

(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich glaube, Sie haben nicht zugehört!)

Die Bundesregierung kann sich auch nicht auf NATO-Verpflichtungen berufen. Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis und kein Angriffsbündnis. Durch das Statut der NATO - genauer gesagt: durch das Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut von 1994 - lässt sich das Handeln der Bundesregierung nicht legitimieren. Wenn Sie diesen Angriffskrieg unterstützen, begehen Sie einen Verfassungsbruch.

Wir als PDS fordern Sie auf:

Erstens. Untersagen Sie den Überflug von US-Militärmaschinen über das Territorium der Bundesrepublik Deutschland!

(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

Zweitens. Ziehen Sie die Bundeswehrsoldaten ab, die an Bord von AWACS-Flugzeugen an der Zielplanung für Angriffe auf den Irak beteiligt sind!

Drittens. Holen Sie die ABC-Spürpanzer aus Kuwait zurück!

Wir fordern die sofortige Einberufung des UN-Sicherheitsrats; denn nur er kann laut UN-Charta feststellen, ob eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt.

Meine Damen und Herren, in der Debatte ist mir aufgefallen, dass über die Zeit vor dem Krieg und über die Zeit nach dem Krieg geredet wurde. Niemand hat sich aber dazu geäußert, was jetzt getan werden muss, um den Krieg zu beenden. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie jetzt alles tut, um einen aktiven Beitrag zur sofortigen Beendigung dieses Krieges zu leisten.

(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos] - Gernot Erler [SPD]: Machen wir!)

 

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Quelle: Deutscher Bundestag, 15. Wahlperiode, Stenographischer Bericht der 35. Sitzung vom 20.03.2003.


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Rede der fraktionslosen Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (PDS) zur deutschen Außenpolitik und zum Irak-Krieg im Rahmen der Haushaltsdebatte des Deutschen Bundestages (20.03.2003), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/brd/2003/rede_loetzsch_irakkrieg.html, Stand: aktuelles Datum.


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