Militär-Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich.
Vom 20. Juni 1872.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen
etc.
verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrathes und
des Reichstages, was folgt:
Einleitende Bestimmungen.
§. 1.
[1] Eine Handlung, welche dieses Gesetz mit dem Tode, mit
Zuchthaus, oder mit Gefängniß oder Festungshaft von mehr als fünf Jahren bedroht, ist
ein militärisches Verbrechen.
[2] Eine Handlung, welche dieses Gesetz mit Freiheitsstrafe (§. 16)
bis zu fünf Jahren bedroht, ist ein militärisches Vergehen.
§. 2.
Diejenigen Bestimmungen, welche nach den Vorschriften des Deutschen
Strafgesetzbuches in Beziehung auf Verbrechen und Vergehen allgemein gelten, finden auf
militärische Verbrechen und Vergehen entsprechende Anwendung.
§. 3.
Strafbare Handlungen der Militärpersonen, welche nicht
militärische Verbrechen und Vergehen sind, werden nach den allgemeinen Strafgesetzen
beurtheilt.
§. 4.
[1] Unter Militärpersonen sind die Personen des
Soldatenstandes und die Militärbeamten zu verstehen, welche zum Heer oder zur Marine
gehören.
[2] Unter Heer ist das Deutsche Heer, unter Marine die Kaiserliche Marine zu
verstehen.
§. 5.
[1] Die Klasseneintheilung der Militärpersonen ergibt das diesem
Gesetze beigefügte Verzeichnis.
[2] Die Mitglieder des Sanitätskorps und des Maschinen-Ingenieurkorps unterliegen
den für andere Personen des Soldatenstandes gegebenen Vorschriften nach Maßgabe des
Militärranges.
§. 6.
Personen des Beurlaubtenstandes unterliegen den Strafvorschriften
dieses Gesetzes in der Zeit, in welcher sie sich im Dienste befinden; außerhalb dieser
Zeit finden auf sie nur diejenigen Vorschriften Anwendung, welche in diesem Gesetze
ausdrücklich auf Personen des Beurlaubtenstandes für anwendbar erklärt sind.
§. 7.
Strafbare Handlungen, welche von Militärpersonen im Auslande,
während sie dort bei den Truppen oder sonst in dienstlicher Stellung sich befinden,
begangen werden, sind ebenso zu bestrafen, als wenn diese Handlungen von ihnen im
Bundesgebiete begangen wären.
§. 8.
Militärische Verbrechen und Vergehen, welche
gegen Militärpersonen verbündeter Staaten in gemeinschaftlichen Dienstverhältnissen
begangen werden, sind, wenn Gegenseitigkeit verbürgt ist, ebenso zu bestrafen, als wenn
diese Handlungen gegen Militärpersonen des Heeres oder der Marine begangen wären.
§. 9.
Die in diesem Gesetze für strafbare Handlungen im Felde
gegebenen Vorschriften (Kriegsgesetze) gelten: |
|
1) für die Dauer des mobilen Zustandes des Heeres, der Marine oder
einzelner Theile derselben; |
|
2) für die Dauer des nach Vorschrift der Gesetze erklärten
Kriegszustandes in den davon betroffenen Gebieten; |
|
3) in Ansehung derjenigen Truppen, denen bei einem Aufruhr, einer
Meuterei, oder einem kriegerischen Unternehmen der befehligende Offizier dienstlich
bekannt gemacht hat, daß die Kriegsgesetze für sie in Kraft treten, für die Dauer
dieser Zustände; |
|
4) in Ansehung derjenigen Kriegsgefangenen, welchen der höchste an ihrem
Aufenthaltsorte befehligende Offizier dienstlich bekannt gemacht hat, daß die
Kriegsgesetze für sie in Kraft treten. |
§. 10.
Den Kriegsgesetzen unterworfen sind im Falle des §. 9 Nr. 1: |
|
1) die Personen des aktiven Dienststandes von dem Tage ihrer Mobilmachung
bis zu ihrer Demobilmachung; |
|
2) die Personen des Beurlaubtenstandes von dem Tage, zu welchem sie
einberufen sind, bis zu ihrer Entlassung. |
§. 11.
Im Sinne dieses Gesetzes ist als vor dem Feinde befindlich jede
Truppe zu betrachten, bei welcher in Gewärtigung eines Zusammentreffens mit dem Feinde
der Sicherheitsdienst gegen denselben begonnen hat.
§. 12.
Diejenigen Vorschriften dieses Gesetzes, welche die Strafe mit
Rücksicht darauf bestimmen, daß eine Handlung vor versammelter Mannschaft begangen
worden ist, finden Anwendung, wenn außer dem Vorgesetzten und dem einzelnen Betheiligten
noch mindestens drei andere zu militärischem Dienste versammelte Personen des
Soldatenstandes gegenwärtig gewesen sind.
§. 13.
[1] Wo das Gesetz die Strafe mit Rücksicht auf den Rückfall
bestimmt, tritt dieselbe ein, wenn der Thäter, nachdem er wegen eines militärischen
Verbrechens oder Vergehens durch ein Deutsches Gericht verurtheilt und bestraft worden
ist, dasselbe militärische Verbrechen oder Vergehen abermals begeht.
[2] Dieselbe Bestimmung findet Anwendung, auch wenn die frühere Strafe
nur theilweise verbüßt, oder ganz oder theilweise erlassen ist. Sie bleibt jedoch
ausgeschlossen, wenn seit der Verbüßung oder dem Erlasse der Strafe bis zur Begehung der
neuen strafbaren Handlung fünf Jahre verflossen sind.
[3] Dasselbe gilt bei wiederholtem Rückfalle.
E r s t e r T h e i l.
V o n d e r B e s t r a f u n g i m A l l g e m e i n e n.
Erster Abschnitt.
Strafen gegen Personen des Soldatenstandes.
§. 14.
Die Todesstrafe ist durch Erschießen zu vollstrecken, wenn sie
wegen eines militärischen Verbrechens, im Felde auch dann, wenn sie wegen eines nicht
militärischen Verbrechens erkannt worden ist.
§. 15.
[1] Hat eine Person des Soldatenstandes vor oder nach ihrem
Eintritte in den Dienst eine Freiheitsstrafe verwirkt, so wird diese von den
Militärbehörden vollstreckt.
[2] Ist nach den Vorschriften des Deutschen Strafgesetzbuches eine Beschäftigung
des Verurtheilten zulässig oder geboten, so findet dieselbe zu militärischen Zwecken und
unter militärischer Aufsicht statt. Die zu Gefängniß verurtheilten Unteroffiziere und
Gemeine können auch ohne Zustimmung außerhalb der Anstalt beschäftigt werden.
[3] Ist Zuchthaus verwirkt, oder wird auf Entfernung aus dem Heer oder der Marine,
oder auf Dienstentlassung, oder wird das militärische Dienstverhältniß aus einen
anderen Grunde aufgelöst, so geht die Vollstreckung der Strafe auf die bürgerlichen
Behörden über.
§. 16.
[1] Freiheitsstrafe im Sinne dieses Gesetzes ist Gefängniß,
Festungshaft oder Arrest.
[2] Die Freiheitsstrafe ist eine lebenslängliche oder eine zeitige. Der
Höchstbetrag der zeitigen Freiheitsstrafe ist funfzehn Jahre, ihr Mindestbetrag Ein Tag.
[3] Wo dieses Gesetz die Freiheitsstrafe nicht ausdrücklich als eine
lebenslängliche androht, ist dieselbe eine zeitige.
§. 17.
[1] Die Freiheitsstrafe ist, wenn ihre Dauer mehr als sechs Wochen
beträgt, Gefängniß oder Festungshaft, bei kürzerer Dauer Arrest.
[2] Ist eine angedrohte Zuchthausstrafe auf eine kürzere als einjährige Dauer zu
ermäßigen, so tritt an deren Stelle Gefängniß von gleicher Dauer.
§. 18.
Die Zeit einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen wird auf
die gesetzliche Dienstzeit im stehenden Heer oder in der Flotte nicht angerechnet.
§. 19.
Der Arrest zerfällt in Stubenarrest, gelinden Arrest, mittleren
Arrest, strengen Arrest.
§. 20.
Der Stubenarrest findet gegen Offiziere statt, der gelinde Arrest
gegen Unteroffiziere und Gemeine, der mittlere Arrest gegen Unteroffiziere ohne Portepee
und gegen Gemeine, der strenge Arrest nur gegen Gemeinde.
§. 21.
Ist in diesem Gesetze Freiheitsstrafe angedroht, so sind darunter,
je nach der Zeitdauer des Strafmaßes, Gefängniß, Festungshaft und Arrest als wahlweise
angedroht zu erachten.
§. 22.
[1] Ist in diesem Gesetze Arrest angedroht, so kann auf jede der
nach dem Militärrange des Thäters statthaften Arten des Arrestes erkannt werden.
[2] Ist in diesem Gesetze eine bestimmte Arrestart angedroht und dieselbe gegen den
Thäter nach seinem Militärrange nicht statthaft, so ist auf die nächstfolgende nach
seinem Range statthafte Arrestart zu erkennen.
[3] Strenger Arrest ist, wo das Gesetz ihn in einzelnen Fällen
ausdrücklich androht, nur gegen denjenigen zulässig, welcher wegen
militärischer Verbrechen oder Vergehen bereits mit einer Freiheitsstrafe bestraft worden
ist.
§. 23.
Der Stubenarrest wird von dem Verurtheilten in seiner Wohnung
verbüßt. Der Verurtheilte darf während der Dauer des Stubenarrestes seine Wohnung nicht
verlassen, auch Besuche nicht annehmen. Gegen Hauptleute, Rittmeister und
Subaltern-Offiziere kann durch Richterspruch die Strafvollstreckung in einem besonderen
Offizier-Arrestzimmer angeordnet werden (geschärfter Stubenarrest).
§. 24.
Der gelinde, der mittlere und der strenge Arrest werden in
Einzelhaft verbüßt. Der Höchstbetrag des strengen Arrestes ist vier Wochen.
§. 25.
Der mittlere Arrest wird in der Art vollstreckt, daß der
Verurtheilte eine harte Lagerstätte und als Nahrung Wasser und Brot erhält. Diese
Schärfungen kommen am vierten, achten und demnächst an jedem dritten Tage in Fortfall.
§. 26.
Der strenge Arrest wird in einer dunkelen Arrestzelle, im Uebrigen
wie der mittlere Arrest vollstreckt. Die Schärfungen kommen am vierten, achten und
demnächst an jedem dritten Tage in Fortfall.
§. 27.
Läßt der körperliche Zustand des Verurtheilten die Verbüßung
des strengen oder mittleren Arrestes nicht zu, so tritt eine gelindere Arrestart ein.
§. 28.
Die Abweichungen, welche bei Vollstreckung von Arreststrafen
dadurch bedingt werden, daß sie während eines Krieges oder auf den in Dienst gestellten
Schiffen oder anderen Fahrzeugen der Marine zu vollstrecken sind, werden durch Kaiserliche
Anordnung bestimmt.
§. 29.
Wo die allgemeinen Strafgesetze Geldstrafe und Freiheitsstrafe
wahlweise androhen, darf, wenn durch die strafbare Handlung zugleich eine militärische
Dienstpflicht verletzt worden ist, auf Geldstrafe nicht erkannt werden.
§. 30.
Die besonderen Ehrenstrafe gegen Personen des
Soldatenstandes sind: |
|
1) Entfernung aus dem Heer oder der Marine; |
|
2) gegen Offiziere: Dienstentlassung; |
|
3) gegen Unteroffiziere und Gemeine: Versetzung in die zweite Klasse des
Soldatenstandes;[1] |
|
4) gegen Unteroffiziere: Degradation. |
§. 31.
[1] Auf Entfernung aus dem Heer oder
der Marine muß gegen Unteroffiziere und Gemeine neben Zuchthaus stets, neben dem Verluste
der bürgerlichen Ehrenrechte dann erkannt werden, wenn die Dauer dieses Verlustes drei
Jahre übersteigt.
[2] Gegen Offiziere muß auf diese Entfernung erkannt werden: |
|
1) neben Zuchthaus oder dem Verluste der bürgerlichen Ehrenrechte ohne
Rücksicht auf die Dauer derselben; |
|
2) wo gegen Unteroffiziere oder Gemeine die Versetzung in die zweite
Klasse des Soldatenstandes[1] geboten ist. |
[3] Auf Entfernung aus dem Heer oder der Marine kann
erkannt werden neben Gefängniß von längerer als fünfjähriger Dauer, außerdem gegen
Offiziere, in allen Fällen, in denen gegen Unteroffiziere oder Gemeine die Versetzung in
die zweite Klasse des Soldatenstandes[1] zulässig ist. |
§. 32.
Die Entfernung aus dem Heer oder der Marine hat |
|
1) den Verlust der Dienststelle und der damit verbundenen Auszeichnungen,
sowie aller durch den Militärdienst erworbenen Ansprüche, soweit dieselben durch
Richterspruch aberkannt werden können, |
|
2) den dauernden Verlust der Orden und Ehrenzeichen, |
|
3) die Unfähigkeit zum Wiedereintritte in das Heer und in die Marine |
von Rechtswegen zur Folge. |
§. 33.
Gegen pensionirte Offiziere ist statt auf Entfernung aus dem Heer
oder der Marine auf Verlust des Offizierstitels zu erkennen. Mit diesem Verluste treten
zugleich die im §. 32 Nr. 2 und 3 bezeichneten Folgen, sowie die
Verwirkung des Rechts, die Offiziersuniform zu tragen, von Rechtswegen ein.
§. 34.
[1] Auf Dienstentlassung muß erkannt werden: |
|
1) neben Erkennung auf Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter; |
|
2) wo gegen Unteroffiziere Degradation geboten ist. |
[2] Auf Dienstentlassung kann erkannt werden: |
|
1) neben Freiheitsstrafe von längerer als einjähriger Dauer; |
|
2) wo gegen Unteroffiziere Degradation zulässig ist. |
§. 35.
Die Dienstentlassung hat den Verlust der Dienststelle und aller
durch den Dienst als Offizier erworbener Ansprüche, soweit dieselben durch Richterspruch
aberkannt werden können, ingleichen die Verwirkung des Rechts, die Offiziersuniform zu
tragen, von Rechtswegen zur Folge. Der Verlust des Diensttitels ist mit dieser Strafe
nicht verbunden.
§. 36.
Gegen pensionirte Offiziere, welche das Recht zum Tragen der Offiziersuniform
haben, ist statt auf Dienstentlassung auf Verlust dieses Rechts zu erkennen.
§. 37.
[1] Auf Versetzung in die zweite
Klasse des Soldatenstandes[1] muß erkannt werden neben dem
Verluste der bürgerlichen Ehrenrechte, wenn die Dauer dieses Verlustes nicht drei Jahre
übersteigt.
[2] Auf Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes[1]
kann erkannt werden: |
|
1) in wiederholtem Rückfalle, |
|
2) wenn die Verurtheilung wegen Diebstahls, Unterschlagung, Raubes,
Erpressung, Hehlerei, Betruges oder Urkundenfälschung erfolgt, auch wenn der Verlust der
bürgerlichen Ehrenrechte nicht eintritt. |
§. 38.
[1] Wer wegen militärischer Vergehen bereits zweimal
gerichtlich verurtheilt und bestraft worden ist, kann, wenn er zum dritten Male wegen
eines militärischen Vergehens verurtheilt wird, neben der Freiheitsstrafe in die zweite
Klasse des Soldatenstandes versetzt werden.
[2] Dasselbe kann geschehen, wenn außer einer gerichtlichen Strafe mehrmalige
Disziplinarstrafen des höchsten Grades vollstreckt worden sind und zum zweiten Male wegen
eines militärischen Vergehens eine Verurtheilung erfolgt.
[3] Die Strafschärfung bleibt jedoch ausgeschlossen, wenn seit der
zuletzt bestraften Handlung bis zur Begehung des Vergehens sechs Monate verflossen sind.
§. 39.
Die Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes[1] hat den dauernden Verlust der Orden und Ehrenzeichen von
Rechtswegen zur Folge, auch darf der zu dieser Strafe Verurtheilte die Militärkokarde
nicht tragen und Versorgungsansprüche, soweit dieselben durch Richterspruch aberkannt
werden können, nicht geltend machen.[2]
§. 40.
[1] Auf Degradation muß erkannt werden: |
|
1) neben Gefängniß von längerer als einjähriger Dauer; |
|
2) neben Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes;[1] |
|
3) neben Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter. |
[2] Auf Degradation kann erkannt werden: |
|
1) neben Gefägniß von einjähriger oder kürzerer Dauer; |
|
2) wegen wiederholten Rückfalls; |
|
3) wegen einer strafbaren Handlung der im §. 37 Absatz
2 Nr. 2 bezeichneten Art. |
§. 41.
Die Degradation hat den Rücktritt in den Stand der Gemeinen und
den Verlust der durch den Dienst als Unteroffizier erworbenen Ansprüche, soweit dieselben
durch Richterspruch aberkannt werden können, von Rechtswegen zur Folge.
§. 42.
[1]Wird gegen eine Person des Beurlaubtenstandes während der
Beurlaubung auf Zuchthaus, auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte oder auf Unfähigkeit
zur Bekleidung öffentlicher Aemter erkannt, so treten diejenigen militärischen
Ehrenstrafen, auf welche bei einer solchen Verurtheilung nach den Bestimmungen der §§. 30-40 erkannt werden muß, von Rechtswegen ein.
[2]Erfolgt die Verurtheilung einer Person des Beurlaubtenstandes während der
Beurlaubung wegen einer strafbaren Handlung der im §. 37 Absatz 2 Nr. 2
bezeichneten Art, so kann ein besonderes Verfahren des Militärgerichts zur Entscheidung
darüber angeordnet werden, ob auf Dienstentlassung oder auf Degradation zu erkennen ist.
Zweiter Abschnitt.
Strafen gegen Militärbeamte.
§. 43.
Auf Amtsverlust kann gegen Militärbeamte erkannt
werden: |
|
1) neben Freiheitsstrafe von mehr als einjähriger Dauer; |
|
2) wenn die Verurtheilung wegen einer strafbaren Handlung der in §. 37 Absatz 2 Nr. 2 bezeichneten Art erfolgt. |
§. 44.
Der Arrest findet gegen obere Militärbeamte als Stubenarrest,
gegen untere Militärbeamte als gelinder Arrest statt.
§. 45.
Die Vorschriften der §§. 14 und 15 finden
auch auf Militärbeamte Anwendung.
Dritter Abschnitt.
Versuch.
§. 46.
Wenn neben der Strafe des vollendeten Verbrechens oder Vergehens
militärische Ehrenstrafen (§. 30) zulässig oder geboten sind, so sind
dieselben neben der Versuchsstrafe zulässig.
Vierter Abschnitt.
Theilnahme.
§. 47.
Wird durch die Ausführung eines
Befehls in Dienstsachen ein Strafgesetz verletzt, so ist dafür der befehlende Vorgesetze
allein verantwortlich. Es trifft jedoch den gehorchenden Untergebenen die Strafe des
Theilnehmers: |
|
1) wenn er den ihm ertheilten Befehl überschritten hat, oder |
|
2) wenn ihm bekannt gewesen, daß der Befehl des Vorgesetzten eine
Handlung betraf, welche ein bürgerliches oder militärisches Verbrechen oder Vergehen
bezweckte. |
Fünfter Abschnitt.
Gründe, welche die Strafe ausschließen, mildern oder erhöhen.
§. 48.
Die Strafbarkeit einer Handlung oder Unterlassung ist dadurch
nicht ausgeschlossen, daß der Thäter nach seinem Gewissen oder den Vorschriften seiner
Religion sein Verhalten für geboten erachtet hat.
§. 49.
[1] Die Verletzung der Dienstpflicht aus Furcht vor persönlicher
Gefahr ist ebenso zu bestrafen, wie die Verletzung der Dienstpflicht aus Vorsatz.
[2] Bei strafbaren Handlungen gegen die Pflichten der militärischen Unterordnung,
sowie bei allen in Ausübung des Dienstes begangenen strafbaren Handlungen bildet die
selbstverschuldete Trunkenheit des Thäters keinen Strafmilderungsgrund.
§. 50.
Bei Bestrafung militärischer Verbrechen oder Vergehen ist die
Erkennung der angedrohten Strafe unabhängig vom Alter des Thäters.
§. 51.
Die Verfolgung eines militärischen Verbrechens oder Vergehens ist
unabhängig von dem Antrage des Verletzten oder einer anderen zum Antrage berechtigten
Person.
§. 52.
Bei Berechnung der Verjährungsfrist einer Strafverfolgung oder
Strafvollstreckung ist der Arrest der Haft gleich zu achten.
§. 53.
Wo dieses Gesetz eine erhöhte Freiheitsstrafe androht, kann
dieselbe das Doppelte der für das betreffende Verbrechen oder Vergehen angedrohten
Freiheitsstrafe erreichen; sie darf jedoch den gesetzliche zulässigen Höchstbetrag der
zu verhängenden Strafart nicht übersteigen (§§. 16, 17,
24).
§. 54.
[1] Wenn mehrere zeitige Freiheitsstrafe zusammentreffen, so ist
auf eine Gesammtstrafe nach den Vorschriften des Deutschen Strafgesetzbuches zu
erkennen. Dieselbe darf in keinem Falle den gesetzlich zulässigen Höchstbetrag der
zu verhängenden Strafart übersteigen. Ist die Gesammtstrafe wegen Zusammentreffens
militärischer Verbrechen und Vergehen mit bürgerlichen Verbrechen und Vergehen zu
erkennen, so ist der Höchstbetrag der Strafe wegen letzterer durch die Vorschriften
des Deutschen Strafgesetzbuches bestimmt.
[2] Bestehen die zusammentreffenden Freiheitsstrafen nur in Arreststrafen, so
darf auch die Gesammtstrafe nur in Arrest bestehen. Sind die
Arreststrafen ungleichartige, so gilt Ein Tag strengen Arrestes gleich zwei
Tagen mittleren Arrestes, Ein Tag mittleren Arrestes gleich zwei Tagen gelinden Arrestes.
[3] Die Verurtheilung zu einer Gesammtstrafe schließt die Verurtheilung zu
einer Ehrenstrafe nicht aus, wenn diese auch nur neben einer der verwirkten
Einzelstrafen zulässig oder geboten ist.
§. 55.
Auf erhöhte Strafe (§. 53) ist, sofern in diesem Gesetze nicht besondere Bestimmungen getroffen
sind, zu erkennen: |
|
1) gegen Vorgesetze, welche gemeinschaftlich mit Untergebenen eine
strafbare Handlung ausführen oder sich sonst an einer strafbaren Handlung Untergebener
betheiligen; |
|
2) wenn strafbare Handlungen unter Mißbrauch der Waffen oder der
dienstlichen Befugnisse oder während der Ausübung des Dienstes ausgeführt werden; |
|
3) wenn Mehrere unter Zusammenrottung oder vor einer Menschenmenge
strafbare Handlungen gemeinschaftlich ausführen. |
Z w e i t e r T h e i l.
V o n d e n e i n z e l n e n V e r b r e c h e n u n d V e
r g e h e n
u n d d e r e n B e s t r a f u n g.
Erster Titel.
Militärische Verbrechen und Vergehen der Personen des Soldatenstandes.
Erster Abschnitt.
Hochverrath, Landesverrath, Kriegsverrath.
§. 56.
Auf eine Person des Soldatenstandes, welche sich eines
Hochverraths oder eines Landesverraths schuldig macht, finden die Vorschriften des
Deutschen Strafgesetzbuches (§§. 80-93) Anwendung.
§. 57.
Wer im Felde einen Landesverrath begeht, wird wegen Kriegsverraths
mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft.
§. 58.
[1] Wegen Kriegsverraths (§. 57) wird mit dem Tode bestraft, wer mit dem Vorsatze, einer feindlichen
Macht Vorschub zu leisten oder den deutschen oder verbündeten Truppen Nachtheil
zuzufügen, |
|
1) eine der im §. 90 des Deutschen Strafgesetzbuches bezeichneten
strafbaren Handlungen begeht, |
|
2) Wege oder Telegraphenanstalten zerstört oder unbrauchbar macht, |
|
3) das Geheimniß des Postens, das Feldgeschrei oder die Losung verräth, |
|
4) vor dem Feinde Meldungen oder dienstliche Mittheilungen falsch macht,
oder richtige zu machen unterläßt, |
|
5) dem Feinde als Wegweiser zu einer militärischen Unternehmung gegen
deutsche oder verbündete Truppen dient, oder als Wegweiser kriegführende deutsche oder
verbündete Truppen irre leitet, |
|
6) vor dem Feinde, in einer Weise, welche geeignet ist, die Truppen zu
beunruhigen oder irre zu leiten, militärische Signale oder andere Zeichen gibt, zur
Flucht auffordert oder das Sammeln zerstreuter Mannschaften verhindert, |
|
7) einen Dienstbefehl ganz oder theilweise unausgeführt läßt oder
eigenmächtig abändert, |
|
8) es unternimmt, mit Personen im feindlichen Heer, in der feindlichen
Marine oder im feindlichen Lande über Dinge, welche die Kriegführung betreffen,
mündlich oder schriftlich Verkehr zu pflegen der einen solchen Verkehr zu vermitteln, |
|
9) feindliche Aufrufe oder Bekanntmachungen im Heer verbreitet, |
|
10) die pflichtgemäße Fürsorge für die Verpflegung der Truppen
unterläßt, |
|
11) feindliche Kriegsgefangene freiläßt, oder |
|
12) dem Feinde ein Signalbuch oder einen Auszug aus einem solchen
mittheilt. |
[2] In minder schweren Fällen tritt
Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliches Zuchthaus ein. |
§. 59.
Haben Mehrere einen Kriegsverrath verabredet, ohne daß es zur
Ausführung oder zu einem strafbaren Versuche desselben gekommen ist, so tritt Zuchthaus
nicht unter fünf Jahren ein.
§. 60.
Wer von dem Vorhaben eines Kriegsverraths (§§. 57
bis 59) zu einer Zeit, in welcher die Verhütung des Verbrechens
möglich ist, glaubhafte Kenntniß erhält und es unterläßt,
hiervon rechtzeitig Anzeige zu machen, ist, wenn das Verbrechen oder ein strafbarer
Versuch desselben begangen worden, mit der Strafe des Mitthäters zu belegen.
§. 61.
Straflosigkeit tritt für den an dem Vorhaben eines Kriegsverraths
Betheiligten ein, wenn er von demselben zu einer Zeit, wo die Dienstbehörde nicht schon
anderweit davon unterrichtet ist, in einer Weise Anzeige macht, daß die Verhütung des
Verbrechens möglich ist.
Zweiter Abschnitt.
Gefährdung der Kriegsmacht im Felde.
§. 62.
[1] Wer im Felde eine Dienstpflicht vorsätzlich verletzt und
dadurch bewirkt, daß die Unternehmungen des Feindes befördert werden oder den
kriegführenden deutschen oder verbündeten Truppen Gefahr oder Nachtheil bereitet wird,
ist mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Gefängniß oder Festungshaft bis zu zehn
Jahren zu bestrafen. In minder schweren Fällen, ingleichen wenn die Verletzung der
Dienstpflicht nicht vorsätzlich geschehen ist, tritt Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren
ein.
[2] Auch kann neben Gefängniß auf Versetzung in die zweite Klasse des
Soldatenstandes[1] erkannt werden.
§. 63.
[1] Mit dem Tode wird bestraft |
|
1) der Kommandant eines festen Platzes, welcher denselben dem Feinde
übergibt, ohne zuvor alle Mittel zur Vertheidigung des Platzes erschöpft zu haben; |
|
2) der Befehlshaber, welcher im Felde mit Vernachlässigung der ihm zu
Gebote stehenden Vertheidigungsmittel den ihm anvertrauten Posten verläßt oder dem
Feinde übergibt; |
|
3) der Befehlshaber, welcher auf freiem Felde kapitulirt, wenn dies das
Strecken der Waffen für die ihm untergebenen Truppen zur Folge gehabt und er nicht zuvor
Alles gethan hat, was die Pflicht von ihm erfordert; |
|
4) der Befehlshaber eines Schiffes der Marine, welcher dasselbe oder
dessen Bemannung dem Feinde übergibt, ohne zuvor zur Vermeidung dieser Uebergabe Alles
gethan zu haben, was die Pflicht von ihm erfordert. |
[2] In minder schweren Fällen der
Nummern 2 und 3 tritt Festungshaft nicht unter fünf Jahren oder lebenslängliche
Festungshaft ein. |
Dritter Abschnitt.
Unerlaubte Entfernung und Fahnenflucht.
§. 64.
Wer von seiner Truppe oder von seiner Dienststellung sich
eigenmächtig entfernt oder vorsätzlich fern bleibt, oder wer den ihm ertheilten Urlaub
eigenmächtig überschreitet, wird wegen unerlaubter Entfernung mit Freiheitsstrafe bis zu
sechs Monaten bestraft.
§. 65.
[1] Der unerlaubten Entfernung wird
gleich geachtet, wenn eine Person des Soldatenstandes im Felde es unterläßt, |
|
1) der Truppe, von welcher sie abgekommen ist, oder der nächsten Truppe
sich wieder anzuschließen, oder |
|
2) nach beendigter Kriegsgefangenschaft sich unverzüglich bei einem
Truppentheile zu melden. |
[2] Dasselbe gilt, wenn eine Person
der Marine, welche außerhalb der heimischen Gewässer von einem Schiffe abgekommen ist,
es unterläßt, sich bei demselben oder einem anderen Deutschen Kriegsschiffe oder dem
nächsten Deutschen Konsulate unverzüglich zu melden. |
§. 66.
Dauert durch Verschulden des Abwesenden die Abwesenheit länger
als sieben Tage, im Felde länger als drei Tage, so tritt Gefängniß oder Festungshaft
bis zu zwei Jahren ein.
§. 67.
Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren tritt ein,
wenn die Abwesenheit im Felde länger als sieben Tage dauert.
§. 68.
Gleiche Strafe (§. 67) trifft eine Person des
Beurlaubtenstandes, welche nach bekannt gemachter Kriegsbereitschaft oder nach
angeordneter Mobilmachung ihrer Einberufung zum Dienste oder einer öffentlichen
Aufforderung zur Stellung nicht binnen drei Tagen nach Ablauf der bestimmten Frist Folge
leistet.
§. 69.
Wer sich einer unerlaubten Entfernung (§§. 64,
65, 68) in der Absicht, sich seiner gesetzlichen oder
von ihm übernommenen Verpflichtung zum Dienste dauernd zu entziehen, schuldig macht, ist
wegen Fahnenflucht (Desertion) zu bestrafen.
§. 70.
[1] Die Fahnenflucht wird mit Gefängniß von Einem Jahre bis zu
fünf Jahren, im wiederholten Rückfalle mit Zuchthaus von fünf bis zu zehn Jahren
bestraft.
[2] Der Versuch ist strafbar.
§. 71.
Die Fahnenflucht im Felde wird mit Gefängniß von fünf bis zu
zehn Jahren bestraft; im Rückfalle tritt, wenn die frühere Fahnenflucht nicht im Felde
begangen ist, Zuchthaus nicht unter fünf Jahren und, wenn die frühere Fahnenflucht im
Felde begangen ist, Todesstrafe ein.
§. 72.
[1] Haben Mehrere eine Fahnenflucht verabredet und
gemeinschaftlich ausgeführt, so wird die an sich verwirkte Zuchthausstrafe oder
Gefängnißstrafe um die Dauer von Einem Jahre bis zu fünf Jahren erhöht.
[2] Ist die Handlung im Felde begangen, so tritt statt des Gefängnisses
Zuchthaus von gleicher Dauer, gegen den Rädelsführer und gegen den Anstifter Todesstrafe
ein.
§. 73.
[1] Die Fahnenflucht vom Posten vor dem Feinde oder aus einer
belagerten Festung wird mit dem Tode bestraft.
[2] Dieselbe Strafe trifft den Fahnenflüchtigen, welcher zum Feinde
übergeht.
§. 74.
Neben dem wegen Fahnenflucht verwirkten Gefängniß ist auf
Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes[1] zu
erkennen.
§. 75.
Stellt sich ein Fahnenflüchtiger innerhalb sechs Wochen nach
erfolgter Fahnenflucht, so kann, wenn dieselbe nicht im Felde begangen ist, die
an sich verwirkte Zuchthausstrafe oder Gefängnißstrafe bis auf die Hälfte
ermäßigt, auch kann, wenn kein Rückfall vorliegt, von der Versetzung in die
zweite Klasse des Soldatenstandes[1] abgesehen werden.
Gegen Unteroffiziere muß jedoch auf Degradation erkannt werden.
§. 76.
Die Verjährung der Strafverfolgung wegen Fahnenflucht beginnt mit
dem Tage, an welchem der Fahnenflüchtige, wenn er die Handlung nicht begangen hätte,
seine gesetzliche oder von ihm übernommene Verpflichtung zum Dienste erfüllt haben
würde.
§. 77.
Wer von dem Vorhaben einer Fahnenflucht zu einer Zeit, in welcher
deren Verhütung möglich ist, glaubhafte Kenntniß erhält und es unterläßt, hiervon
seinem Vorgesetzten rechtzeitig Anzeige zu machen, ist, wenn die Fahnenflucht begangen
worden, mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten und, wenn die Fahnenflucht im Felde
begangen worden, mit Freiheitsstrafe von Einem Jahre bis zu drei Jahren zu bestrafen.
§. 78.
[1] Wer einen Anderen zur Fahnenflucht vorsätzlich verleitet oder
die Fahnenflucht desselben vorsätzlich befördert, wird, wenn die Fahnenflucht erfolgt
ist, mit Gefängniß von sechs Monaten bis zu zwei Jahren, im Felde mit Gefängniß von
fünf bis zehn Jahren bestraft; zugleich kann auf Versetzung in die zweite Klasse des
Soldatenstandes[1] erkannt werden.
[2] Der Versuch ist strafbar.
§. 79.
Ein Gefangener, welcher sich selbst befreit, wird, wenn nicht die
härtere Strafe der Fahnenflucht verwirkt ist, mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten
bestraft.
§. 80.
[1] Ein Offizier, welcher während der Verbüßung des
Stubenarrestes eigenmächtig seine Wohnung verläßt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu
sechs Monaten bestraft; zugleich ist auf Dienstentlassung zu erkennen.
[2] Ein Offizier, welcher während der Verbüßung des Stubenarrestes dem
Verbot des §. 23 zuwider Besuche annimmt, wird mit Freiheitsstrafe
bis zu sechs Monaten bestraft; in schweren Fällen ist zugleich auf Dienstentlassung zu
erkennen.
Vierter Abschnitt.
Selbstbeschädigung und Vorschützung von Gebrechen.
§. 81.
[1] Wer sich vorsätzlich durch Selbstverstümmelung oder auf
andere Weise zur Erfüllung seiner gesetzlichen oder von ihm übernommenen Verpflichtung
zum Dienste untauglich macht oder durch einen Anderen untauglich machen läßt, wird mit
Gefängniß von Einem Jahre bis zu fünf Jahren bestraft; zugleich ist auf Versetzung in
die zweite Klasse des Soldatenstandes[1] zu erkennen.
[2] Wird durch die Handlung die Unfähigkeit zu Arbeiten für militärische Zwecke
verursacht, so ist die an sich verwirkte Gefängnißstrafe um die Dauer von drei Monaten
bis zu Einem Jahre zu erhöhen; zugleich ist auf Entfernung aus dem Heer oder der Marine
zu erkennen.
[3] Der Versuch ist strafbar.
§. 82.
Dieselben Freiheitsstrafen (§. 81) treffen
denjenigen, welcher einen Anderen auf dessen Verlangen zur Erfüllung seiner gesetzlichen
oder von ihm übernommenen Verpflichtung zum Dienste untauglich macht; zugleich kann auf
Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes[1]
erkannt werden.
§. 83.
[1] Wer in der Absicht, sich der Erfüllung seiner gesetzlichen
oder von ihm übernommenen Verpflichtung zum Dienste ganz oder theilweise zu entziehen,
ein auf Täuschung berechnetes Mittel anwendet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf
Jahren bestraft; zugleich kann auf Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes[1] erkannt werden.
[2] Dieselbe Strafvorschrift findet auf den Theilnehmer Anwendung.
Fünfter Abschnitt.
Feigheit.
§. 84.
Wer während des Gefechts aus Feigheit die Flucht ergreift und die
Kameraden durch Worte oder Zeichen zur Flucht verleitet, wird mit dem Tode bestraft.
§. 85.
[1] Mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren wird bestraft,
wer aus Feigheit |
|
1) bei dem Vormarsche zum Gefecht, während des Gefechts oder auf dem
Rückzuge von seinem Truppentheile heimlich zurückbleibt, von demselben sich wegschleicht
oder sich versteckt hält, die Flucht ergreift, seine Waffen oder Munition wegwirft oder
im Stich läßt, oder sein Pferd oder seine Waffen unbrauchbar macht, oder |
|
2) durch Vorschützung einer Verwundung oder eines Leidens, oder durch
absichtlich veranlaßte Trunkenheit sich dem Gefechte oder vor dem Feinde einer sonstigen,
mit Gefahr für seine Person verbundenen Dienstleistung zu entziehen sucht. |
[2] In minder schweren Fällen tritt
Gefängniß von Einem Jahre bis zu fünf Jahren und Versetzung in die zweite Klasse des
Soldatenstandes[1] ein. |
§. 86.
Ist in den Fällen des §. 85 durch die Feigheit
ein erheblicher Nachtheil verursacht worden, so tritt Zuchthaus nicht unter fünf Jahren,
und wenn der Tod eines Menschen verursacht worden, Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder
lebenslängliches Zuchthaus ein.
§. 87.
Wer in anderen, als den in den §§. 84 und 85 benannten Fällen aus Besorgniß vor persönlicher Gefahr eine
militärische Dienstpflicht verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren
bestraft; zugleich kann auf Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes[1] erkannt werden.
§. 88.
Hat der Thäter in den Fällen der §§. 85 und 86 nach der That hervorragende Beweise von Muth abgelegt, so kann die
Strafe unter den Mindestbetrag der angedrohten Freiheitsstrafe ermäßigt und in den
Fällen der §§. 85 und 87 von der Bestrafung
gänzlich abgesehen werden.
Sechster Abschnitt.
Strafbare Handlungen gegen die Pflichten der militärischen
Unterordnung.
§. 89.
[1] Wer im Dienste oder in Beziehung auf eine Diensthandlung die
dem Vorgesetzten schuldige Achtung verletzt, insbesondere laut Beschwerde oder gegen einen
Verweis Widerrede führt, wird mit Arrest bestraft.
[2] Wird die Achtungsverletzung unter dem Gewehr oder vor versammelter Mannschaft
begangen, oder stellt sich dieselbe als eine Drohung dar, so ist auf strengen Arrest nicht
unter vierzehn Tagen, oder auf Gefängniß oder Festungshaft bis zu drei Jahren zu
erkennen.
§. 90.
Wer auf Befragen in dienstlichen Angelegenheiten dem Vorgesetzten
wissentlich die Unwahrheit sagt, wird mit Arrest bestraft.
§. 91.
[1] Wer einen Vorgesetzten oder im Dienstrange Höheren beleidigt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren und, wenn die Beleidigung im Dienste oder in
Beziehung auf eine Diensthandlung begangen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren
bestraft.
[2] Ist die Beleidigung durch Verbreitung von Schriften, Darstellungen oder
Abbildungen begangen, so ist auf Gefängniß oder Festungshaft bis zu fünf Jahren zu
erkennen.
[3] Ist die Beleidigung eine verleumderische, so tritt Gefängniß bis zu fünf
Jahren ein.
§. 92.
Ungehorsam gegen einen Befehl in Dienstsachen durch Nichtbefolgung
oder durch eigenmächtige Abänderung oder Ueberschreitung desselben wird mit Arrest
bestraft.
§. 93.
[1] Wird durch den Ungehorsam ein erheblicher Nachtheil
verursacht, so tritt strenger Arrest nicht unter vierzehn Tagen oder Gefängniß oder
Festungshaft bis zu zehn Jahren, im Felde Freiheitsstrafe nicht unter Einem Jahre oder
lebenslängliche Freiheitsstrafe.
[2] Wird durch den Ungehorsam die Gefahr eines erheblichen Nachtheils
herbeigeführt, so tritt Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, im Felde Freiheitsstrafe von
drei Monaten bis zu drei Jahren ein.
§. 94.
Wer den Gehorsam ausdrücklich verweigert oder seinen Ungehorsam
sonst durch Worte, Geberden oder andere Handlungen zu erkennen gibt, ingleichen wer den
Vorgesetzten über einen von ihm erhaltenen Dienstbefehl oder Verweis zur Rede stellt,
oder auf wiederholt erhaltenen Befehl in Dienstsachen im Ungehorsam beharrt, wird mit
strengen Arrest nicht unter vierzehn Tagen oder mit Gefängniß oder Festungshaft bis zu
drei Jahren bestraft.
§. 95.
[1] Wird eine der in dem §. 94 bezeichneten
Handlungen vor versammelter Mannschaft oder gegen den Befehl, unter das Gewehr zu treten,
oder unter dem Gewehr begangen, so tritt Gefängniß oder Festungshaft bis zu fünf
Jahren, im Felde Gefängniß oder Festungshaft nicht unter Einem Jahre ein.
[2] Ist eine solchen Handlung vor dem Feinde begangen, so tritt Freiheitsstrafe
nicht unter zehn Jahren ein. Besteht die Handlung darin, daß der Gehorsam gegen einen vor
dem Feinde ertheilten Befehl durch Wort oder That ausdrücklich verweigert wird, so tritt
Todesstrafe, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren oder
lebenslängliche Freiheitsstrafe ein.
§. 96.
[1] Wer es unternimmt, einen Vorgesetzten mittels Gewalt oder
Drohung an der Ausführung eines Dienstbefehls zu hindern oder zur Vornahme oder
Unterlassung einer Diensthandlung zu nöthigen, wird wegen Widersetzung mit
Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, im Felde mit Gefängniß nicht unter
zwei Jahren bestraft.
[2] Dieselbe Strafe tritt ein, wenn die Handlung gegen die zur Unterstützung des
Vorgesetzten befehligten oder zugezogenen Mannschaften begangen wird.
§. 97.
[1] Wer sich an einem Vorgesetzten thätlich vergreift oder einen
thätlichen Angriff gegen denselben unternimmt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei
Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe nicht unter Einem Jahre bestraft.
Wird die Handlung unter dem Gewehr oder sonst im Dienste, oder vor versammelter
Mannschaft, oder mit einer Waffe oder einem anderen gefährlichen Werkzeuge ausgeführt,
so tritt Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in minder schweren Fällen
Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren ein.
[2] Statt auf Gefängniß oder Festungshaft ist auf Zuchthaus von gleicher Dauer zu
erkennen, wenn die Thätlichkeit eine schwere Körperverletzung oder den Tod des
Vorgesetzten verursacht hat.
[3] Ist die Thätlichkeit im Felde begangen, so tritt Todesstrafe, in minder
schweren Fällen oder wenn die Thätlichkeit außer dem Dienste begangen ist,
Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliche Freiheitsstrafe ein.
[4] Neben Gefängniß und neben Festungshaft ist auf Dienstentlassung zu erkennen.
§. 98.
[1] Ist ein Untergebener dadurch, daß der Vorgesetzte ihn
vorschriftswidrig behandelt oder die Grenzen seiner Dienstgewalt überschritten hat,
gereizt und auf der Stelle zu einer der in den §§. 89 bis 97 bezeichneten strafbaren Handlungen hingerissen worden, so ist, wenn die
Handlung mit dem Tode oder mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe bedroht ist, auf
Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren zu erkennen; ist zeitige Freiheitsstrafe
angedroht, so kann die Strafe bis zur Hälfte des Mindestbetrages der angedrohten
Freiheitsstrafe, und wenn diese Hälfte mehr als Ein Jahr beträgt, bis auf die Dauer
Eines Jahres ermäßigt, gegen Offiziere auch von der Dienstentlassung abgesehen werden.
[2] Stellt sich die Handlungsweise des Vorgesetzten als eine Mißhandlung oder
sonst als herabwürdigende Behandlung des Untergebenen dar, so kann die Strafe, wo die
Hälfte des Mindestbetrages der angedrohten Strafe mehr als sechs Monate beträgt, auf die
Dauer von sechs Monaten ermäßigt werden; die Strafe darf nicht den dritten Theil des
Höchstbetrages der angedrohten Strafe übersteigen.
§. 99.
[1] Wer eine Person der Soldatenstandes zur Verweigerung des
Gehorsams, zur Widersetzung oder zu einer Thätlichkeit gegen den Vorgesetzten auffordert
oder anreizt, ist gleich dem Anstifter zu bestrafen, wenn die Aufforderung oder Anreizung
die strafbare Handlung oder einen strafbaren Versuch derselben zur Folge gehabt hat.
[2] Ist die Aufforderung oder Anreizung ohne Erfolg geblieben, so ist auf
Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, im Felde auf mittleren oder strengen Arrest oder auf
Gefängniß oder Festungshaft bis zu fünf Jahren zu erkennen. Die Strafe darf jedoch, der
Art oder dem Maße nach, keine schwerere sein, als die auf die Handlung selbst angedrohte.
§. 100.
[1] Wer mehrere Personen des Soldatenstandes auffordert oder
anreizt, gemeinschaftlich entweder dem Vorgesetzten den Gehorsam zu verweigern oder sich
ihm zu widersetzen oder eine Thätlichkeit gegen denselben zu begehen, wird ohne
Rücksicht darauf, ob ein Erfolg eingetreten ist, wegen Aufwiegelung mit Gefängniß nicht
unter fünf Jahren bestraft.
[2] Ist durch die Handlung ein erheblicher Nachtheil für den Dienst verursacht
worden, so tritt Gefängniß nicht unter zehn Jahren ein; im Felde kann auf
lebenslängliches Gefängniß erkannt werden.
§. 101.
[1] Wer unbefugt eine Versammlung von Personen des Soldatenstandes
behufs Berathung über militärische Angelegenheiten oder Einrichtungen veranstaltet, oder
zu einer gemeinsamen Vorstellung oder Beschwerde über solche Angelegenheiten oder
Einrichtungen Unterschriften sammelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren
bestraft; zugleich kann auf Dienstentlassung erkannt werden.
[2] Die an einer solchen Versammlung, Vorstellung oder Beschwerde Betheiligten
werden mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten bestraft.
§. 102.
[1] Wer es unternimmt, Mißvergnügen in Beziehung auf den Dienst
unter seinen Kameraden zu erregen, wird, wenn dies durch mündliche Aeußerungen
geschieht, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft.
[2] Ist die Handlung durch Verbreitung durch Schriften, Darstellungen oder
Abbildungen oder ist sie im Felde begangen, so ist auf mittleren oder strengen Arrest
nicht unter vierzehn Tagen oder auf Gefängniß oder Festungshaft bis zu fünf Jahren zu
erkennen.
§. 103.
[1] Verabreden Mehrere eine gemeinschaftliche Verweigerung des
Gehorsams oder eine gemeinschaftliche Widersetzung oder Thätlichkeit gegen den
Vorgesetzten, so werden dieselben wegen Meuterei bestraft. Die Strafe ist nach demjenigen
Gesetze festzusetzen, welches auf die Handlungen Anwendung findet, deren Begehung
verabredet worden ist, und zugleich um die Dauer von drei Monaten bis zu zwei Jahren zu
erhöhen.
[2] Ist in Folge der Verabredung die strafbare Handlung begangen worden, so ist die
Strafe, mit welcher die Handlung bedroht ist, nach §. 53 zu erhöhen,
wenn die hiernach zulässige Strafe höher ist, als die nach den Bestimmungen des ersten
Absatzes verwirkte Strafe.
§. 104.
Wer von einer Meuterei zu einer Zeit, in welcher die Verhütung
der verabredeten strafbaren Handlung möglich ist, glaubhafte Kenntniß erhält und es
unterläßt, hiervon rechtzeitig Anzeige zu machen, wird, wenn die verabredete strafbare
Handlung begangen worden ist, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft.
§. 105.
Straflosigkeit tritt für den an der Meuterei Betheiligten ein,
welcher von der Meuterei zu einer Zeit, wo die Dienstbehörde nicht schon anderweit davon
unterrichtet ist, in einer Weise Anzeige macht, daß die Verhütung der verabredeten
Handlung möglich ist.
§. 106.
Wenn Mehrere sich zusammenrotten und mit vereinten Kräften es
unternehmen, dem Vorgesetzten den Gehorsam zu verweigern, sich ihm zu widersetzen oder
eine Thätlichkeit gegen denselben begehen, so wird jeder, welcher an der Zusammenrottung
theilnimmt, wegen militärischen Aufruhrs mit Gefängniß nicht unter fünf Jahren, im
Felde mit Gefängniß nicht unter zehn Jahren bestraft; zugleich ist auf Versetzung in die
zweite Klasse des Soldatenstandes[1] zu erkennen.
§. 107.
Die Rädelsführer und Anstifter eines militärischen Aufruhrs,
sowie diejenigen Anführer, welche eine Gewaltthätigkeit gegen den Vorgesetzten begehen,
werden mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren oder mit lebenslänglichem Zuchthaus, wenn
der Aufruhr im Felde begangen wird, mit dem Tode bestraft.
§. 108.
Wird der militärische Aufruhr vor dem Feinde begangen, so tritt
gegen sämmtliche Betheiligte die Todesstrafe ein.
§. 109.
[1] Die an einem militärischen Aufruhr Betheiligten, welche zur
Ordnung zurückkehren, bevor es zu einer Gewaltthätigkeit gegen den Vorgesetzten
gekommen, werden mit Gefängniß oder Festungshaft bis zu zwei Jahren bestraft, wenn sie
nicht Anstifter oder Rädelsführer sind.
[2] Ist in einem solchen Falle die Rückkehr zur Ordnung von allen an dem Aufruhr
Betheiligten erfolgt, so ist gegen Anstifter und Rädelsführer auf Gefängniß oder
Festungshaft von zwei bis fünf Jahren zu erkennen.
§. 110.
Dem Anstifter eines militärischen Aufruhrs gleich zu
bestrafen ist derjenige an dem Aufruhr Betheiligte, welcher |
|
1) persönlich von dem Vorgesetzten zum Gehorsam aufgefordert, diesen
durch Wort oder That ausdrücklich verweigert, |
|
2) durch Mißbrauch militärischer Signale oder durch Aufruhrzeichen den
Aufruhr befördert, oder |
|
3) unter den Anführern den höchsten Dienstrang einnimmt. |
§. 111.
[1] Wer gegen eine militärische Wache die ihr schuldige Achtung
verletzt oder sich einer Beleidigung, eines Ungehorsams, einer Widersetzung oder einer
Thätlichkeit schuldig macht, wird ebenso bestraft, als wenn er die Handlung gegen einen
Vorgesetzten begangen hätte.
[2] Als militärische Wache, im Sinne dieses Gesetzes, sind anzusehen alle zum
Wacht- oder militärischen Sicherheitsdienste befehligten Personen des Soldatenstandes,
mit Einschluß der Feldgendarmen und des Personals der Stabswache der Marine, welche in
Ausübung dieses Dienstes begriffen und als solche äußerlich erkennbar sind.
§. 112.
[1] Wer einen Vorgesetzten oder einem im Offiziersrange Höheren
aus dienstlicher Veranlassung zum Zweikampfe herausfordert, wird mit Freiheitsstrafe nicht
unter Einem Jahre, und, wenn der Zweikampf vollzogen wird, mit Freiheitsstrafe nicht unter
drei Jahren bestraft; zugleich ist auf Dienstentlassung zu erkennen.
[2] Gleiche Strafen treffen den Vorgesetzten, welcher die Herausforderung annimmt
oder den Zweikampf vollzieht.
§. 113.
Eine Person der Beurlaubtenstandes wird, auch während sie sich
nicht im Dienste befindet, nach den Vorschriften dieses Abschnitts bestraft, wenn sie dem
§. 101 zuwiderhandelt oder eine andere der in diesem Abschnitte
vorgesehenen strafbaren Handlungen im dienstlichen Verkehr mit dem Vorgesetzten oder in
der Militäruniform begeht, oder wenn sie sich des Ungehorsams oder der Widersetzung gegen
eine rechtmäßigen Befehl in dienstlichen Angelegenheiten schuldig macht.
Siebenter Abschnitt.
Mißbrauch der Dienstgewalt.
§. 114.
[1] Wer seine Dienstgewalt über einen Untergebenen zu Befehlen
oder Forderungen, die in keiner Beziehung zum Dienste stehen, oder zu Privatzwecken
mißbraucht, ingleichen wer von dem Untergebenen Geschenke fordert, von ihm, ohne
Vorwissen des gemeinschaftlichen Vorgesetzten, Geld borgt oder Geschenke annimmt,
oder den Untergebenen sonst durch seine dienstliche Stellung veranlaßt, gegen ihn
Verbindlichkeiten einzugehen, die demselben nachtheilig sind oder auf das
gegenseitige Dienstverhältniß von nachtheiligem Einflusse sein können, wird mit
Gefängniß oder Festungshaft bis zu zwei Jahren, in minder schweren Fällen mit
Arrest bestraft.
[2] In schweren Fällen, insbesondere im Rückfalle, kann zugleich auf
Dienstentlassung oder Degradation erkannt werden.
§. 115.
Wer durch Mißbrauch seiner Dienstgewalt oder seiner dienstlichen
Stellung einen Untergebenen zu einer von demselben begangenen, mit Strafe bedrohten
Handlung vorsätzlich bestimmt hat, wird als Thäter oder als Anstifter mit erhöhter
Strafe belegt.
§. 116.
Wer es unternimmt, durch Mißbrauch seiner Dienstgewalt oder
seiner dienstlichen Stellung einen Untergebenen zur Begehung einer mit Strafe bedrohten
Handlung zu bestimmen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu Einem Jahre bestraft.
§. 117.
Ein Vorgesetzter, welcher einen oder mehrere Untergebene mit
Androhung nachtheiliger Folgen oder durch andere widerrechtliche Mittel von dem Führen
oder Verfolgen von Beschwerden abzuhalten sucht, oder eine an ihn vorschriftsmäßig
gelangte Beschwerde, zu deren Weiterbeförderung oder Untersuchung er verpflichtet ist,
unterdrückt oder zu unterdrücken versucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren
bestraft; zugleich kann auf Dienstentlassung oder Degradation erkannt werden.
§. 118.
Wer vorsätzlich seine Strafbefugnis überschreitet, insbesondere
wer wissentlich unverdiente oder unerlaubte Strafen verhängt, wird mit Gefängniß bis zu
fünf Jahren bestraft; zugleich kann Dienstentlassung erkannt werden.
§. 119.
[1] Wer vorsätzlich einen gesetzwidrigen Einfluß auf die
Rechtspflege ausübt, wird mit Gefängniß bis zu fünf Jahren bestraft; zugleich kann auf
Dienstentlassung oder Degradation erkannt werden.
[2] In minder schweren Fällen ist auf Festungshaft bis zu fünf Jahren zu
erkennen.
§. 120.
Wer unbefugt eine Handlung vornimmt, die nur kraft einer
Befehlsbefugniß oder Strafgewalt vorgenommen werden darf, wird mit Freiheitsstrafe bis zu
Einem Jahre bestraft.
§. 121.
[1] Wer einen Untergebenen beleidigt oder einer
vorschriftswidrigen Behandlung desselben sich schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis
zu zwei Jahren bestraft.
[2] Ist die Beleidigung einer verleumderische, so tritt Gefängniß bis zu fünf
Jahren ein.
§. 122.
[1] Wer vorsätzlich einen Untergebenen stößt oder schlägt,
oder auf andere Weise körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit
Gefängniß oder Festungshaft bis zu drei Jahren bestraft; in minder schweren Fällen kann
die Strafe bis auf Eine Woche Arrest ermäßigt werden.
[2] Auch kann, im wiederholten Rückfalle muß neben Gefängniß oder Festungshaft,
auf Dienstentlassung oder Degradation erkannt werden.
§. 123.
[1] Ist durch die Handlung einer schwere Körperverletzung des
Untergebenen verursacht worden, so tritt Zuchthaus bis zu fünf Jahren, in minder schweren
Fällen Gefängniß oder Festungshaft von sechs Monaten bis zu fünf Jahren ein.
[2] War die schwere Körperverletzung beabsichtigt und eingetreten, so ist auf
Zuchthaus von zwei bis zu zehn Jahren zu erkennen.
[3] Ist durch die Körperverletzung (§. 122) der Tod des
Untergebenen verursacht worden, so tritt Zuchthaus nicht unter drei Jahren, in minder
schweren Fällen Gefängniß oder Festungshaft nicht unter Einem Jahr.
§. 124.
[1] Diejenigen Handlungen, welche der Vorgesetzte begeht, um einen
thätlichen Angriff des Untergebenen abzuwehren, oder um seinen Befehlen im Fall der
äußersten Noth und dringendsten Gefahr Gehorsam zu verschaffen, sind nicht als
Mißbrauch der Dienstgewalt anzusehen.
[2] Dies gilt namentlich für den Fall, wenn ein Offizier in Ermangelung anderer
Mittel, den durchaus nothwendigen Gehorsam zu erhalten, sich in der Lage befunden hat,
gegen den thätlich sich ihm widersetzenden Untergebenen von der Waffe Gebrauch zu machen.
§. 125.
[1] Eine militärische Wache, welche eine der in den §§. 114
bis 116, 118 bis 123 bezeichnete
Handlung begeht, wird ebenso bestraft, als wenn ein Vorgesetzter diese Handlungen begangen
hätte. Ist die Handlung gegen eine solche Person begangen, die außer dem
Dienstverhältnisse der Wache deren Vorgesetzter ist, so tritt erhöhte Strafe ein.
[2] Die in dem §. 124 enthaltene Vorschrift findet auch hier
Anwendung.
§. 126.
Eine Person der Beurlaubtenstandes wird, auch während sie sich
nicht im Dienste befindet, nach den Vorschriften dieses Abschnittes bestraft, wenn sie
eine der in demselben vorgesehenen strafbaren Handlungen im dienstlichen Verkehre mit dem
Untergebenen oder in der Militäruniform begeht.
Achter Abschnitt.
Widerrechtliche Handlungen im Felde gegen Personen oder Eigenthum.
§. 127.
Begeht eine Person des Soldatenstandes im Felde einen Diebstahl,
eine Unterschlagung, eine Körperverletzung oder ein Verbrechen oder Vergehen wider die
Sittlichkeit, so ist die Verfolgung der strafbaren Handlung unabhängig von dem Antrage
des Verletzten oder einer anderen zum Antrage berechtigten Person.
§. 128.
[1] Wer im Felde, um Beute zu machen, sich von der Truppe
eigenmächtig entfernt, oder Sachen, welche an sich dem Beuterecht unterworfen sind,
eigenmächtig zur Beute macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft;
zugleich kann auf Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes[1] erkannt werden.
[2] Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher rechtmäßig von ihm erbeutetes
Gut, das er abzuliefern verpflichtet ist, sich rechtswidrig zueignet.
§. 129.
Der Plünderung macht sich schuldig,
wer im Felde unter Benutzung des Kriegsschreckens oder unter Mißbrauch seiner
militärischen Ueberlegenheit |
|
1) in der Absicht rechtswidriger Zueignung eine Sache der Landeseinwohner
offen wegnimmt oder denselben abnöthigt, oder |
|
2) unbefugt Kriegsschatzungen oder Zwangslieferungen erhebt oder das Maß
der von ihm vorzunehmenden Requisitionen überschreitet, wenn dies des eigenen Vortheils
wegen geschieht. |
§. 130.
Als eine Plünderung ist es nicht anzusehen, wenn die Aneignung
nur auf Lebensmittel, Heilmittel, Bekleidungsgegenstände, Feuerungsmittel, Fourrage oder
Transportmittel sich erstreckt und nicht außer Verhältniß zu dem vorhandenen
Bedürfnisse steht.
§. 131.
Die Plünderung wird mit Gefängniß bis zu fünf Jahren und mit
Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes[1]
bestraft.
§. 132.
Boshafte oder muthwillige Verheerung oder Verwüstung fremder
Sachen im Felde wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, in schweren Fällen der
Plünderung gleich bestraft.
§. 133.
[1] Wird die Plünderung oder eine ihr gleich zu bestrafende
Handlung unter Gewaltthätigkeit gegen eine Person begangen, so ist auf Zuchthaus bis zu
zehn Jahren zu erkennen. Ist durch die Gewaltthätigkeit eine schwere Körperverletzung
verursacht worden, so tritt Zuchthaus nicht unter zehn Jahren ein und, wenn der Tod eines
Menschen verursacht worden ist, Todesstrafe, in minder schweren Fällen lebenslängliches
Zuchthaus ein.
[2] In gleicher Weise werden die Rädelsführer bestraft, wenn die That von
Mehreren begangen wird. Diejenigen, welche sich an einer solchen That beteiligen, ohne
selbst eine Gewaltthätigkeit gegen eine Person zu begehen, trifft Gefängniß bis zu zehn
Jahren; zugleich ist auf Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes[1] zu erkennen.
§. 134.
Wer im Felde in der Absicht rechtswidriger Zueignung einem auf dem
Kampfplatze gebliebenen Angehörigen der deutschen oder verbündeten Truppen eine Sache
abnimmt, oder einem Kranken oder Verwundeten auf dem Kampfplatze, auf dem Marsche, auf dem
Transporte oder im Lazaret, oder einem seinem Schutze anvertrauten Kriegsgefangenen eine
Sache wegnimmt oder abnöthigt, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren, in minder schweren
Fällen mit Gefängniß bis zu fünf Jahren und Versetzung in die zweite Klasse des
Soldatenstandes[1] bestraft; zugleich kann auf Verlust der
bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
§. 135.
[1] Wer im Felde als Nachzügler Bedrückungen gegen die
Landeseinwohner begeht, wird wegen Marodirens mit Gefängniß von sechs Monaten bis zu
fünf Jahren bestraft; zugleich kann auf Versetzung in die zweite Klasse des
Soldatenstandes[1] erkannt werden.
[2] Wird die Handlung von Mehreren begangen, die sich zur fortgesetzten Bedrückung
der Landeseinwohner verbunden haben, oder artet dieselbe in eine Plünderung oder in eine
derselben gleich zu bestrafenden Handlung aus, so tritt gegen jeden Betheiligten Zuchthaus
bis zu zehn Jahren ein.
§. 136.
Wird eine nach den §§. 129 bis 133
und 135 strafbare Handlung gegen einen Deutschen oder einen
Angehörigen eines verbündeten Staates begangen, so ist auf erhöhte Strafe und, wenn in
den allgemeinen Strafgesetzen eine härtere Strafe angedroht ist, auf diese letztere zu
erkennen.
Neunter Abschnitt.
Andere widerrechtliche Handlungen gegen das Eigenthum.
§. 137.
Wer vorsätzlich und rechtswidrig einen Dienstgegenstand
beschädigt, zerstört oder preisgibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren
bestraft; in besonders schweren Fällen kann zugleich auf Versetzung in die zweite Klasse
des Soldatenstandes[1] erkannt werden.
§. 138.
[1] Wer bei Ausübung des Dienstes oder unter Verletzung eines
militärischen Dienstverhältnisses sich eines Diebstahls oder einer Unterschlagung an
Sachen schuldig macht, welche ihm vermöge des Dienstes oder jenes Verhältnisses
zugänglich oder anvertraut sind, wird mit mittlerem oder strengen Arrest nicht unter
vierzehn Tagen oder mit Gefängniß bis zu fünf Jahren bestraft; zugleich kann auf
Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Gleiche Strafe trifft denjenigen,
welcher einen Diebstahl oder eine Unterschlagung gegen einen Vorgesetzten oder einen
Kameraden, gegen seinen Quartierwirth oder eine zu dessen Hausstand gehörige Person
begeht.
[2] Ist die Handlung ein Verbrechen im Sinne der allgemeinen Strafgesetze, so ist
auf die in diesen Gesetzen angedrohte Strafe zu erkennen.
Zehnter Abschnitt.
Verletzung von Dienstpflichten bei Ausführung besonderer Dienstverrichtungen.
§. 139.
Wer vorsätzlich unrichtige Dienstatteste ausstellt oder Rapporte,
dienstliche Meldungen oder dienstliche Berichte unrichtig abstattet, oder solche
wissentlich weiter befördert, wird mit Gefängniß von sechs Monaten bis zu drei Jahren
und mit Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes[1]
bestraft. In minder schweren Fällen tritt mittlere oder strenger Arrest oder Gefängniß
oder Festungshaft bis zu sechs Monaten ein.
§. 140.
Wer für eine Handlung, die eine Verletzung einer Dienstpflicht
enthält, Geschenke oder andere Vortheile annimmt, fordert oder sich versprechen läßt,
wird wegen Bestechung mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren
Fällen tritt Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren ein; auch kann neben dem Gefängniß auf
Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes[1]
erkannt werden.
§. 141.
[1] Wer als Befehlshaber einer militärischen Wache, eines
Kommandos oder einer Abtheilung, oder wer als Schildwache oder als Posten in schuldhafter
Weise sich außer Stand setzt, den ihm obliegenden Dienst zu versehen, oder eigenmächtig
seinen Posten verläßt oder sonst den ihm in Bezug auf jenen Dienst ertheilten
Vorschriften entgegenhandelt, wird mit mittlerem oder strengem Arrest nicht unter vierzehn
Tagen, im Felde mit mittlerem oder strengem Arrest nicht unter drei Wochen oder mit
Gefängniß oder Festungshaft bis zu zwei Jahren Zuchthaus bestraft.
[2] Wird durch die Pflichtverletzung ein Nachtheil verursacht, so tritt Gefägniß
oder Festungshaft bis zu drei Jahren, im Felde Gefängniß oder Festungshaft nicht unter
drei Jahren, und wenn dieselbe vor dem Feinde begangen ist, Todesstrafe, in minder
schweren Fällen Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliche
Freiheitsstrafe ein.
[3] Wird durch die Pflichtverletzung im Felde die Gefahr eines erheblichen
Nachtheils herbeigeführt, so tritt Freiheitsstrafe nicht unter Einem Jahre, und wenn die
Pflichtverletzung vor dem Feinde begangen ist, Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren
ein.
§. 142.
Wer durch Fahrlässigkeit in der Wahrnehmung seines Dienstes eine
erhebliche Beschädigung eines Schiffes oder dessen Zubehör herbeiführt, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft; in schwereren Fällen kann zugleich auf
Dienstentlassung erkannt werden.
§. 143.
Wer als Befehlshaber einer militärischen Wache, eines Kommandos
oder einer Abtheilung, oder wer als Schildwache oder als Posten eine strafbare Handlung
wissentlich begehen läßt, welche er verhindern konnte und zu verhindern dienstlich
verpflichtet war, wird ebenso bestraft, als ob die Handlung von ihm selbst begangen wäre.
§. 144.
[1] Wer einen Gefangenen, dessen Beaufsichtigung, Begleitung oder
Bewachung ihm anvertraut ist, vorsätzlich entweichen läßt, oder dessen Befreiung
vorsätzlich bewirkt oder befördert, ingleichen wer eine von seinem Vorgesetzten ihm
befohlene oder eine ihm dienstlich obliegende Verhaftung vorsätzlich nicht zur
Ausführung bringt, wird mit mittlerem oder strengem Arrest nicht unter vierzehn Tagen
oder mit Gefängniß oder Festungshaft bis zu fünf Jahren bestraft; auch kann neben
Gefängniß auf Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes[1]
erkannt werden.
[2] Ist die Entweichung des Gefangenen nur durch Fahrlässigkeit befördert oder
erleichtert worden, oder ist die Verhaftung nur aus Fahrlässigkeit unterblieben, so tritt
Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten ein.
§. 145.
Eine Person des Soldatenstandes, welche bei einem ihr
übertragenen Geschäfte der Heeres- oder Marineverwaltung eine Handlung begeht, welche im
Sinne der allgemeinen Strafgesetze ein Verbrechen oder Vergehen im Amte darstellt, ist
nach den in jenen Gesetzen für Beamte gegebenen Bestimmungen zu bestrafen.
Elfter Abschnitt.
Sonstige Handlungen gegen die militärische Ordnung.
§. 146.
Wer ohne Erlaubniß die Wache oder bei einem Kommando oder auf dem
Marsche seinen Platz verläßt, wird mit Arrest bestraft; im Felde tritt mittlerer oder
strenger Arrest oder Gefängniß oder Festungshaft bis zu sechs Monaten ein.
§. 147.
Wer die ihm obliegende Beaufsichtigung seiner Untergebenen in
schuldhafter Weise verabsäumt, oder wer die ihm obliegende Meldung oder
Verfolgung strafbarer Handlungen seiner Untergebenen vorsätzlich unterläßt, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten bestraft; gegen Offiziere kann
zugleich auf Dienstentlassung erkannt werden.
§. 148.
Wer durch unvorsichtige Behandlung von Waffen oder Munition einen
Menschen körperlich verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren und, wenn der
Tod eines Menschen verursacht worden ist, mit Gefängniß oder Festungshaft bis zu fünf
Jahren bestraft.
§. 149.
Wer rechtswidrig von seiner Waffe Gebrauch macht, oder einen
Untergebenen zum rechtswidrigen Waffengebrauche auffordert, wird vorbehaltlich der
verwirkten höheren Strafe mit Gefängniß oder Festungshaft bis zu Einem Jahre bestraft.
§. 150.
[1] Wer ohne die erforderliche dienstliche Genehmigung sich
verheirathet, wird mit Festungshaft bis zu drei Monaten bestraft; zugleich kann auf
Dienstentlassung erkannt werden.
[2] Auf die Rechtsgültigkeit der geschlossenen Ehe ist der Mangel der dienstlichen
Genehmigung ohne Einfluß.
§. 151.
Wer im Dienste oder, nachdem er zum Dienste befehligt worden, sich
durch Trunkenheit zur Ausführung seiner Dienstverrichtung untauglich macht, wird mit
mittlerem oder strengen Arrest oder mit Gefängniß oder Festungshaft bis zu Einem Jahre
bestraft; zugleich kann auf Dienstentlassung erkannt werden.
§. 152.
[1] Wer wider besseres Wissen eine auf unwahre Behauptungen gestützte
Beschwerde anbringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu Einem Jahre bestraft.
[2] Wer wiederholt und leichtfertig auf unwahre Behauptungen gestützte Beschwerden
oder wer eine Beschwerde unter Abweichung von dem vorgeschriebenen Dienstwege einbringt,
wird mit Arrest bestraft.
Zweiter Titel.
Militärische Verbrechen und Vergehen der Militärbeamten.
§. 153.
Ein Militärbeamter, welcher sich im Felde einer der in dem ersten bis dritten, dem sechsten
und achten Abschnitt des ersten Titels bezeichneten
strafbaren Handlungen schuldig macht, wird nach den daselbst für Personen des
Soldatenstandes gegebenen Bestimmungen bestraft; statt auf Versetzung in die zweite Klasse
des Soldatenstandes ist auf Amtsverlust zu erkennen.
§. 154.
Andere Pflichtverletzungen der Militärbeamten sind nach den allgemeinen, für Beamte
geltende Vorschriften zu beurtheilen.
Dritter Titel.
Strafbestimmungen für Personen, welche den Militärgesetzen nur in
Kriegszeiten unterworfen sind.
§. 155.
Während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Krieges
sind alle Personen, welche sich in irgend einem Dienst- oder Vertragsverhältnisse bei dem
kriegführenden Heere befinden, oder sonst sich bei demselben aufhalten oder ihm folgen,
den Strafvorschriften dieses Gesetzes, insbesondere den Kriegsgesetzen unterworfen.
§. 156.
Neben einer jeden Freiheitsstrafe, welche gegen eine Person
verhängt wird, die sich zu den Truppen in einem Dienst- oder Vertragsverhältnisse
befindet, kann zugleich auf Aufhebung dieses Verhältnisses erkannt werden.
§. 157.
[1] Ausländische Offiziere, welche zu dem kriegführenden Heere zugelassen
sind, werden, wenn der Kaiser nicht etwa besondere Bestimmungen getroffen hat, nach den
für Deutsche Offiziere geltenden Vorschriften beurtheilt.
[2] Auf das Gefolge solcher Offiziere findet die Vorschrift des §. 155
Anwendung.
§. 158.
Auf strafbare Handlungen eines Kriegsgefangenen finden nach
Maßgabe seines Militärranges die Vorschriften dieses Gesetzes entsprechende Anwendung.
§. 159.
[1] Ein Kriegsgefangener, welcher unter Bruch des gegebenen
Ehrenwortes entweicht, oder, auf Ehrenwort entlassen, die gegebene Zusage bricht, wird mit
dem Tode bestraft.
[2] Dieselbe Strafe trifft denjenigen, welcher den Bedingungen, unter denen er aus
der Kriegsgefangenschaft entlassen, vor Beendigung des Krieges entgegen handelt.
§. 160.
Ein Ausländer oder Deutscher, welcher während eines gegen das
Deutsche Reich ausgebrochenen Krieges auf dem Kriegsschauplatze sich einer der in den
§§. 57 bis 59 und 134
vorgesehenen Handlungen schuldig macht, ist nach den in diesem Paragraphen gegebenen
Bestimmungen zu bestrafen.
§. 161.
Ein Ausländer oder Deutscher, welcher in einem von Deutschen
Truppen besetzten ausländischen Gebiete gegen Deutsche Truppen oder Angehörige derselben
oder gegen eine auf Anordnung des Kaisers eingesetzte Behörde eine nach den Gesetzen des
Deutschen Reiches strafbare Handlung begeht, ist ebenso zu bestrafen, als wenn diese
Handlung von ihm im Bundesgebiete begangen wäre.
Vierter Titel.
Zusatzbestimmungen für die Marine.
§. 162.
Von den in diesem Gesetze den
Verhältnissen des Heeres entlehnten Ausdrücken sind für die Marine als gleichbedeutend
zu betrachten: |
|
Heer als gleichbedeutend mit Marine oder Flotte; |
|
Truppe als gleichbedeutend mit Schiff; |
|
Befehlshaber einer militärischen Wache als gleichbedeutend mit Offizier
der Wache; |
|
Militärische Kokarde als gleichbedeutend mit dem entsprechenden Abzeichen
in der Marine; |
|
Stubenarrest als gleichbedeutend mit Kammerarrest; |
|
Wohnung als gleichbedeutend mit Kammer. |
§. 163.
Unter Schiff im Sinne dieses Gesetzes ist jedes Fahrzeug der
Marine zu verstehen, auf welchem ein militärischer Befehlshaber nebst Besatzung
eingeschifft ist.
§. 164.
[1] Als mobiler Zustand gilt in der Marine der Kriegszustand eines
Schiffes. Als im Kriegszustand befindlich ist jedes Schiff der Marine zu betrachten,
welches außerhalb der heimischen Gewässer allein fährt.
[2] Für die am Lande befindlichen Militärpersonen der Marine tritt im Sinne
dieses Gesetzes die Mobilmachung unter denselben Voraussetzungen ein, wie für die
Militärpersonen des Heeres.
§. 165.
Als vor dem Feinde befindlich zu betrachten ist ein Schiff, so
lange in Gewärtigung eines Zusammentreffens mit dem Feinde ein oder mehrere Geschütze
des Schiffes scharf geladen sind.
§. 166.
[1] Außer dem Militärpersonen sind die Angestellten des Schiffes den
Militärstrafgesetzen unterworfen.
[2] Andere am Borde des Schiffes dienstlich eingeschiffte Personen unterliegen den
Kriegsgesetzen, so lange das Schiff sich im Kriegszustande befindet.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem
Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Schloß Babelsberg, den 20. Juni 1872.[3]
|
(L. S.) Wilhelm.
Fürst v. Bismarck. |
Anlage.
Verzeichnis
der
zum Deutschen Heer und zur Kaiserlichen Marine gehörenden
Militärpersonen.
Die zum Deutschen Heer und zur Kaiserlichen Marine gehörenden
Militärpersonen bestehen aus Personen des Soldatenstandes und aus Militärbeamten.
A. Personen des Soldatenstandes sind:
I. D i e O f f i z i e r e
Die Offiziere zerfallen in vier Hauptklassen: |
im Heer: |
in der Marine: |
1) Generalität, |
1) Flaggofiziere oder Admirale, |
2) Stabsoffiziere, |
2) Stabsoffiziere, |
3) Hauptleute und Rittmeister, |
3) Kapitänleutnants |
4) Subalternoffiziere
(Premier- und Sekond-Leutenants) |
4) Subalternoffiziere
(Leutenants und Unterleutenants zur See). |
II. U n t e r o f f i z i e r e
sind eingetheilt im Heer und in der Marine in |
|
1) solche, welche das Offizier-Portepee tragen (Portepee-Unteroffiziere), |
|
2) solche, welche das Offizier-Portepee nicht tragen (Unteroffiziere ohne
Portepee). |
III. D i e G e m e i n e n
mit Einschluß der Obergefreiten und Gefreiten.
IV. D i e M i t g l i e d e r d e s S a n i t ä t s -
K o r p s, sowie
V. D i e M i t g l i e d e r d e s M a s c h i n
e n - I n g e n i e u r - K o r p s
gehören nach Maßgabe ihres Militärranges zu den unter Nr. I., II. und III.
aufgeführten Kategorien.
B. Militärbeamte
sind alle im Heer und in der Marine für das Bedürfniß des Heeres oder
der Marine dauernd oder auf Zeit angestellten, nicht zum Soldatenstandes gehörenden und
unter dem Kriegsminister oder Chef der Admiralität als Verwaltungschef stehenden Beamten,
welche einen Militärrang haben. Es macht dabei keinen Unterschied, ob sie einen Diensteid
geleistet haben oder nicht.
Militärbeamte, die im Offiziersrange stehen, sind obere Militärbeamte, alle anderen
Militärbeamten sind Militärbeamte.
|