Fünfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz.
Vom 27. September 1938.
Auf Grund des § 3 des Reichsbürgergesetzes vom 15. September 1935
(Reichsgesetzbl. I S. 1146) wird folgendes verordnet:
Artikel I
Ausscheiden der Juden aus der Rechtsanwaltschaft
§ 1
Juden ist der Beruf des
Rechtsanwalts verschlossen. Soweit Juden noch Rechtsanwälte sind,
scheiden sie nach Maßgabe der folgenden Vorschriften aus der Rechtsanwaltschaft
aus. |
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a) Im alten Reichsgebiet: |
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Die Zulassung jüdischer Rechtsanwälte ist zum
30. November 1938 zurückzunehmen. |
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b) Im Lande Österreich: |
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- Jüdische Rechtsanwälte sind spätestens bis zum 31. Dezember 1938 auf Verfügung des
Reichsministers der Justiz in der Liste der Rechtsanwälte zu löschen.
- Bei Juden, die in der Liste der Rechtsanwaltskammer in Wien eingetragen sind, kann
jedoch, wenn ihre Familie seit mindestens fünfzig Jahren im
Lande Österreich ansässig ist und wenn sie Frontkämpfer sind, von der Löschung
vorläufig abgesehen werden. Den Zeitpunkt der Löschung bestimmt in diesem Falle der
Reichsminister der Justiz.
- Bis zur Entscheidung darüber, ob eine Löschung in der Rechtsanwaltsliste erfolgt, kann
der Reichsminister der Justiz dem Rechtsanwalt die Ausübung seines Berufs vorläufig
untersagen.
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§ 2
(1) Dienstverträge, die
ein nach dieser Verordnung aus der Rechtsanwaltschaft ausscheidender Jude als
Dienstberechtigter geschlossen hatte, können von beiden Teilen unter Einhaltung
einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats auch dann gekündigt
werden, wenn gesetzlich oder vertraglich eine längere Frist bestimmt oder das
Dienstverhältnis für bestimmte Zeit eingegangen war.
(2) Die Kündigung nach Abs. 1 kann |
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a) im alten Reichsgebiet |
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nur zum 28. Februar 1939, |
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b) im Lande Österreich |
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nur für den ersten Termin erklärt werden, für den sie nach dem
Zeitpunkt erfolgen kann, an dem der frühere Rechtsanwalt oder sein Angestellter
(Dienstnehmer) von der Löschung der Rechtsanwaltsliste Kenntnis erhält. |
(3) Gesetzliche und vertragliche
Bestimmungen über eine kürzere als die im Abs. 1 vorgesehene Kündigungsfrist bleiben
unberührt. |
§ 3
(1) Wer auf Grund dieser Verordnung
aus der Rechtsanwaltschaft ausscheidet, kann ein Mietverhältnis über Räume, die er für
sich oder seine Familie gemietet hat, trotz entgegenstehender Vereinbarungen über die
Dauer des Mietvertrages oder die Kündigungsfrist mit Einhaltung der gesetzlichen
Kündigungsfrist kündigen. Das gleiche gilt für Angestellte (Dienstnehmer) eines
Rechtsanwalts, die dadurch stellungslos werden, daß der Rechtsanwalt auf Grund dieser
Verordnung aus der Rechtsanwaltschaft ausscheidet.
(2) Eine Kündigung nach Abs. 1 kann durch den Rechtsanwalt |
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a) im alten Reichsgebiet |
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nur zu dem ersten Termin erfolgen, zu dem sie nach dem 30. November 1938
zulässig ist, |
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b) im Lande Österreich |
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nur zu dem ersten Termin erfolgen, zu dem sie nach dem Zeitpunkt zulässig
ist, in dem dem Rechtsanwalt die Löschung in der Rechtsanwaltsliste mitgeteilt wird. |
(3) Der Angestellte (Dienstnehmer)
kann eine Kündigung nach Abs. 1 nur zu dem ersten Termin aussprechen, für den die
Kündigung nach Beendigung des Dienstverhältnisses zulässig ist.
(4) Im übrigen gelten für die Kündigung |
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a) im alten Reichsgebiet |
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die Vorschriften des § 6 des Gesetzes über die Zulassung zur
Rechtsanwaltschaft vom 7. April 1933 (Reichsgesetzbl. I S. 188), |
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b) im Lande Österreich |
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die Vorschriften des § 13 der Verordnung zur Neuordnung des
österreichischen Berufsbeamtentums vom 31. Mai 1938 (Reichsgesetzbl. I S. 607) |
sinngemäß. |
§ 4
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a) Die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten ist dem auf Grund dieser
Verordnung aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschiedenen Juden nach Maßgabe des Artikels 1
§ 8 des Gesetzes zur Verhütung von Mißbräuchen auf dem Gebiete der
Rechtsberatung vom 13. Dezember 1935 (Reichsgesetzbl. I S. 1478) untersagt.
b) Im Lande Österreich gilt bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Verhütung von
Mißbräuchen auf dem Gebiet der Rechtsberatung folgendes: |
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- Wer auf Grund dieser Verordnung in der Liste der Rechtsanwälte gelöscht ist, darf
fremde Rechtsangelegenheiten nicht mehr geschäftsmäßig besorgen; insbesondere ist
ihm die gerichtliche oder außergerichtliche Vertretung, die Rechtsberatung und die
Einziehung von Forderungen seiner Auftraggeber nicht gestattet.
- Gerichte oder sonstige Behörden dürfen dem früheren Rechtsanwalt die Verwaltung oder
Verwertung fremden Vermögens nicht übertragen. Ist ihm ein Auftrag dieser Art bereits
erteilt, so hat die Stelle, die ihn ernannt hat, den Auftrag zu widerrufen; sie hat einem
anderen Rechtsanwalt oder einer sonstigen geeigneten Person den Auftrag zu übertragen,
soweit dies zur Verhütung von Rechtsnachteilen für die Beteiligten oder aus einem
sonstigen Grunde erforderlich erscheint.
- Die Vorschriften der Nrn. 1 und 2 gelten nicht für die Wahrnehmung von eigenen
Angelegenheiten des früheren Rechtsanwalts und von Angelegenheiten seiner Ehefrau und
seiner minderjährigen Kinder, soweit nicht Rechtsanwaltszwang besteht.
- Wer den Vorschriften der Nr. 1 vorsätzlich zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe
bestraft.
- Für die Dauer einer vorläufigen Untersagung der Berufsausübung gelten die
Vorschriften der Nrn. 1 bis 4 sinngemäß.
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§ 5
Den auf Grund dieser Verordnung aus der Rechtsanwaltschaft
ausgeschiedenen Juden können, soweit sie Frontkämpfer sind, aus den Einnahmen der
jüdischen Konsulenten (§ 14) bei Bedürftigkeit und Würdigkeit
jederzeit widerrufliche Unterhaltszuschüsse gewährt werden. Nach Maßgabe der
eingehenden Beträge können unter den gleichen Voraussetzungen auch anderen auf Grund
dieser Verordnung aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschiedenen Juden, soweit sie seit dem 1.
August 1914 in der Rechtsanwaltsliste eingetragen waren, Unterhaltszuschüsse dieser Art
gewährt werden.
§ 6
(1) Frontkämpfer im Sinne dieser Verordnung ist, wer im Weltkrieg
(in der Zeit vom 1. August 1914 bis 31. Dezember 1918) auf seiten des Deutschen Reichs
oder seiner Verbündeten bei der fechtenden Truppe an einer Schlacht, einem Gefecht, einem
Stellungskampf oder einer Belagerung teilgenommen hat. Es genügt nicht, wen sich jemand,
ohne vor den Feind gekommen zu sein, während des Krieges aus dienstlichem Anlaß im
Kriegsgebiet aufgehalten hat.
(2) Der Teilnahme an den Kämpfen des Weltkriegs steht die Teilnahme an den
Kämpfen gleich, die nach ihm im Baltikum, ferner gegen die Feinde der nationalen Erhebung
und zur Erhaltung deutschen Bodens geführt worden sind.
Artikel II
Löschung der Juden in den Listen der Rechtsanwaltsanwärter und der Verteidiger im Lande
Österreich
§ 7
(1) Juden werden in den Listen der Rechtsanwaltsanwärter und der
Verteidiger in Strafsachen nicht mehr eingetragen. Soweit Juden in diesen Listen noch
eingetragen sind, werden sie spätestens bis zum 31. Dezember 1938 auf Verfügung des
Reichsministers der Justiz gelöscht.
(2) Die Vorschriften des Artikels 1 § 1
Buchstabe b Nr. 3, §§ 2 bis 4 dieser Verordnung gelten
sinngemäß.
Artikel III
Rechtliche Beratung und Vertretung von Juden
§ 8
Zur rechtlichen Beratung und Vertretung von Juden erläßt die Justizverwaltung
jüdische Konsulenten zu.
§ 9
(1) Jüdische Konsulenten werden nur zugelassen, wenn ein
Bedürfnis besteht.
(2) Die Zulassung erfolgt auf Widerruf. Zum Zwecke der Stellvertretung eines
zugelassenen jüdischen Konsulenten kann die Zulassung auch auf Zeit erfolgen.
(3) Die jüdischen Konsulenten und ihre Stellvertreter sollen, soweit
angängig, aus der Zahl der nach § 1 dieser Verordnung aus der
Rechtsanwaltschaft ausscheidenden Juden entnommen werden; Frontkämpfer sind nach
Möglichkeit bevorzugt zu berücksichtigen.
§ 10
Jüdische Konsulenten dürfen nur Rechtsangelegenheiten von Juden
sowie von jüdischen Gewerbebetrieben, jüdischen Vereinen, Stiftungen, Anstalten und
sonstigen jüdischen Unternehmen geschäftsmäßig besorgen; insbesondere dürfen sie nur
für diese die rechtliche Beratung, die gerichtliche und außergerichtliche
Vertretung sowie die Einziehung von Forderungen übernehmen.
§ 11
(1) Den jüdischen Konsulenten wird ein bestimmter Ort für ihre
berufliche Niederlassung zugewiesen. Die Unterhaltung von Zweigniederlassungen,
auswärtigen Sprechtagen oder ähnlichen ständigen Einrichtungen an einem anderen Ort
erfolgt nach näherer Bestimmung der Justizverwaltung.
(2) Soweit die jüdischen Konsulenten Rechtsangelegenheiten besorgen dürfen,
können sie in einem von der Justizverwaltung zu bestimmenden Bezirk vor allen Gerichten
und Verwaltungsbehörden sowie vor allen diesen übergeordneten Gerichten und Behörden
auftreten und als Bevollmächtigte - auch gegenüber den Gegnern ihrer Auftraggeber -
tätig werden. Dies gilt auch insoweit, als Rechtsanwälte in einem Verfahren nur tätig
werden dürfen, wenn sie bei dem Gericht, vor dem das Verfahren schwebt, zugelassen sind;
soweit sonstige einschränkende Vorschriften bestehen, gelten diese sinngemäß.
(3) Im übrigen unterliegt die Berufstätigkeit der jüdischen Konsulenten keinen
örtlichen Beschränkungen.
§ 12
Jüdische Konsulenten können im Armenrecht, als Notvertreter
(entsprechend § 38 der Reichs-Rechtsanwaltsordnung) oder als Pflichtverteidiger
beigeordnet werden. Soweit verfahrensrechtliche Vorschriften insbesondere § 91 Abs. 2, §
104 Abs. 2, §§ 135, 198, 212a der Reichs-Zivilprozeßordnung für Rechtsanwälte
Vereinfachungen und sonstige Besonderheiten vorsehen, gelten sie für jüdische
Konsulenten sinngemäß.
§ 13
Die jüdischen Konsulenten unterstehen der Aufsicht der Justizverwaltung.
§ 14
(1) Von ihren Auftraggebern erheben die jüdischen Konsulenten im
eigenen Namen, jedoch für Rechnung einer vom Reichsminister der Justiz zu bestimmenden
Ausgleichsstelle Gebühren und Auslagen nach Maßgabe der für Rechtsanwälte geltenden
reichs- und landesrechtlichen Vorschriften. Von dem kostenpflichtigen Gegner des
jüdischen Auftraggebers sind diese Beträge in gleicher Weise wie die Kosten eines
Rechtsanwalts zu erstatten.
(2) Den jüdischen Konsulenten verbleibt als Vergütung für ihre Berufstätigkeit
und als Entschädigung für Kanzleiunkosten - neben der Erstattung der notwendigen baren
Aufwendungen für Reisen u. dgl. - ein Anteil an den aus ihrer Berufstätigkeit
anfallenden Gebühren.
(3) Aus den der Ausgleichsstelle zufließenden Beträgen werden die nach § 5 dieser Verordnung zu leistenden Unterhaltszuschüsse gezahlt.
(4) Nähere Bestimmungen können durch allgemeine Verwaltungsanordnungen getroffen
werden.
Artikel IV
Schluß- und Übergangsvorschriften
§ 15
(1) Wird in einer bürgerlichen Rechtssache der Rechtsanwalt einer
Partei durch eine auf Grund dieser Verordnung getroffene Maßnahme unfähig, die
Vertretung der Partei fortzuführen, so werden auch Verfahren, in denen eine Vertretung
durch Rechtsanwälte nicht geboten ist, unterbrochen.
(2) Eine Unterbrechung des Verfahrens tritt jedoch nicht ein, wenn der Rechtsanwalt
gleichzeitig mit seinem Ausscheiden aus der Rechtsanwaltschaft als jüdischer Konsulent
zugelassen wird und als solcher seinen Auftraggeber weiterhin vertreten darf.
§ 16
Einer Partei, die in einer bürgerlichen Rechtssache oder in einer
Strafsache einen Termin (eine Tagsatzung) oder eine befristete Prozeßhandlung versäumt,
ist auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch die
auf Grund dieser Verordnung getroffenen Maßnahmen am rechtzeitigen Erscheinen zu dem
Termin (der Tagsatzung) oder an der rechtzeitigen Vornahme der Prozeßhandlung verhindert
worden ist.
§ 17
(1) Tritt in der Besorgung einer Rechtsangelegenheit wegen des
Ausscheidens eines Juden aus der Rechtsanwaltschaft auf Grund dieser Verordnung ein
Wechsel des Vertreters ein, so ist der kostenpflichtige Gegner des Auftraggebers des
bisherigen jüdischen Rechtsanwalts zur Erstattung der durch den Vertreterwechsel
entstehenden Mehrkosten nicht verpflichtet.
(2) Übernimmt ein jüdischer Konsulent eine bisher von einem jüdischen
Rechtsanwalt besorgte Rechtsangelegenheit, so hat er seinem Auftraggeber die dem
jüdischen Rechtsanwalt geschuldeten Gebühren gutzubringen. Der jüdische Konsulent und
der frühere jüdische Rechtsanwalt haben im Wege gütlicher Vereinbarung einen Ausgleich
über die dem jüdischen Rechtsanwalt angefallenen Gebühren herbeizuführen, wenn dies
nach dem Umfang der von beiden in der Rechtssache geleisteten Arbeit der Billigkeit
entspricht. Kommt eine Einigung nicht zustande, so kann auf Antrag eines Beteiligten über
den Ausgleich im Verwaltungswege entschieden werden.
§ 18
Für ein Verfahren, das gegen einen Juden vor einem anwaltlichen
Ehrengericht in dem Zeitpunkt anhängig ist, zu dem er nach dieser Verordnung aus der
Anwaltschaft ausscheidet, gelten die Bestimmungen des § 2 der Verordnung zur Ergänzung
der Vorschriften über das ehrengerichtliche Verfahren gegen Rechtsanwälte vom 31. August
1937 (Reichsgesetzbl. I S. 919) sinngemäß.
§ 19
Der Reichsminister der Justiz wird ermächtigt, die zur
Durchführung und Ergänzung dieser Verordnung erforderlichen Rechts- und
Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Soweit der Reichsminister der Finanzen beteiligt ist,
ergehen sie im Einvernehmen mit diesem.
Berlin, den 27. September 1938.
Der Führer und Reichskanzler
Adolf Hitler
Der Reichsminister der Justiz
Dr. Gürtner
Der Reichsminister des Innern
Frick
Der Stellvertreter des Führers
R. Heß
Der Reichsminister der Finanzen |
In Vertretung |
Reinhardt
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