Gesetz über die Entwaffnung der Bevölkerung.
Vom 7. August 1920.
Der Reichstag hat das folgende Gesetz beschlossen, das mit Zustimmung des
Reichsrats hiermit verkündet wird:
§ 1
[1] Alle Militärwaffen sind bis zu einem von dem
Reichskommissar für die Entwaffnung (§ 7) festzusetzenden Zeitpunkt an
die von ihm zu bestimmenden Stellen abzuliefern. Der Reichskommissar kann bestimmen, daß
zunächst nur eine Anmeldung der Militärwaffen zu erfolgen hat.
[2] Von der Ablieferung der Waffen ist nur die Reichswehr und die zur
Ausübung ihres Berufs mit Waffen versehene Beamtenschaft befreit.
[3] Wer nach Ablauf der Ablieferungsfrist in den Besitz von Militärwaffen gelangt,
hat dies innerhalb drei Tagen der für die Ablieferung zuständigen Stelle unter Angabe
der Art und Zahl anzumelden.
[4] Die für Militärwaffen gegebenen Vorschriften finden auch auf wesentliche
fertige oder vorgearbeitete Teile sowie auf Munition von Militärwaffen Anwendung.
Veränderte Militärwaffen gelten als Militärwaffen dann, wenn
wesentliche Teile von Militärwaffen an ihnen vorhanden sind. Nähere Bestimmungen
hierüber trifft der Reichskommissar für die Entwaffnung.
§ 2
Der Reichskommissar bestimmt, welche Waffen als Militärwaffen anzusehen sind.
§ 3
Für die Ablieferung rechtmäßig erworbener Waffen ist Entschädigung zu
leisten.
§ 4
Alle Personen, welche die in ihrem Gewahrsam befindlichen
Militärwaffen innerhalb der vom Reichskommissar festgesetzten Frist abliefern, oder
welche die gemäß § 1 Abs. 2 erforderliche Anmeldung innerhalb dieser
Frist erstatten, wird Straffreiheit wegen unbefugter Aneignung sowie wegen Zuwiderhandlung
gegen die über Anmeldung oder Ablieferung von Waffen und Munition bisher erlassenen
Vorschriften gewährt. Soweit Straffreiheit gewährt wird, werden die verhängten Strafen
nicht vollstreckt, die anhängigen Verfahren eingestellt und neue nicht eingeleitet.
§ 5
[1] Die Herstellung von Militärwaffen und der Handel mit ihnen
ist verboten.
[2] Ausnahmen auf Grund des Artikel 168 des Friedensvertrags werden auf Antrag durch den Reichskommissar
genehmigt.
§ 6
[1] Wer von Waffen- oder
Munitionslagern, für die eine Ablieferungspflicht besteht, Kenntnis hat oder erhält, hat
unverzüglich eine der vom Reichskommissar für die Ablieferung bestimmten
Stellen Anzeige zu erstatten.
[2] Als Waffenlager gelten: |
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a) bei Geschützen, Minenwerfern, Flammenwerfern, Maschinengewehren oder
Maschinenpistolen insgesamt 1 Stück,
b) bei Gewehren oder Karabinern des Modells 1888/98, bei Handgranaten oder Gewehrgranaten
insgesamt 10 Stück. |
[3] Als Munitionslager gelten: |
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a) bei Geschütz- und Minenwerfermunition 20 Schuß,
b) bei Handwaffenmunition 500 Patronen. |
§ 7
[1] Der Reichskommissar für die Entwaffnung der Zivilbevölkerung
wird vom Reichspräsidenten ernannt. Er untersteht der Reichsregierung und hat seinen Sitz
in Berlin.
[2] Der Reichskommissar kann für einzelne Länder oder sonstige Teile des
Reichsgebiets in Benehmen mit den Landesregierungen besondere Landes- (Bezirks-)
Kommissare und Stellvertreter für diese bestellen und ihnen bestimmte Befugnisse zur
Durchführung übertragen, ohne daß hierdurch seine Verantwortlichkeit berührt wird.
§ 8
[1] Dem Reichskommissar wird ein vom Reichstag gewählter Beirat
von 15 Personen beigegeben.
[2] Die vorherige Zustimmung des Beirats ist zu grundlegenden
Ausführungsbestimmungen einzuholen. Soweit solche in dringenden Fällen untunlich ist,
hat der Reichskommissar selbständig erlassene grundlegende Ausführungsbestimmungen dem
Beirat zur Genehmigung vorzulegen.
§ 9
[1] Zum Zwecke der Durchführung der Entwaffnung kann der
Reichskommissar im Rahmen der Gesetze alle ihm notwendig erscheinenden Anordnungen
treffen.
[2] Er ist auch berechtigt, Durchsuchungen und Beschlagnahmen außerhalb der durch
die Strafprozeßordnung gezogenen Grenzen anzuordnen sowie eine Kontrolle des Verkehrs der
Eisenbahn, der Schiffahrt, der Post, der Kraftwagen und sonstigen Fuhrwerke sowie des
Luftverkehrs anzuordnen und die zur Durchführung erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
§ 10
[1] Der Reichskommissar kann zur Durchführung seiner Aufgaben die
Sicherheitspolizei anfordern und ihr Anweisungen erteilen.
[2] Eine Anforderung der Sicherheitspolizei über den Bezirk eines Landes oder
einer preußischen Provinz hinaus darf nur im Benehmen mit der Landesregierung erfolgen.
[3] Wo die polizeilichen Maßnahmen zur Durchführung der Waffenablieferung nicht
ausreichen, hat die Reichswehr dem Reichskommissar auf Ersuchen bei Durchführung seiner
Aufgaben Hilfe zu leisten. Die Verwendung der Reichswehr bedarf der Zustimmung der
Reichsregierung. Die Befehlsverhältnisse der Reichswehr bleiben dadurch unberührt.
[4] Sämtliche übrigen Behörden des Reichs, der Länder und der
öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltungskörper mit Ausnahme der Gerichte haben innerhalb
ihrer Zuständigkeit den Anordnungen des Reichskommissars, welche sich auf die Erfassung
der Militärwaffen beziehen, unbedingt Folge zu leisten. Von Anordnungen, die an
nachgeordnete Behörden der Länder ergehen, ist den vorgesetzten Dienststellen dieser
Behörden Mitteilung zu machen.
[5] Die Gerichte haben innerhalb ihrer Zuständigkeit dem Reichskommissar
Rechtshilfe zu leisten. Die Vorschriften des 13. Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes
finden entsprechende Anwendung.
§ 11
Der Reichskommissar ist ferner befugt, Bestimmungen über
Quartierleistungen und Naturalleistungen für die Sicherheitspolizei und andere von ihm
herangezogene Hilfskräfte zu erlassen sowie Belohnungen für Mitteilungen, welche der
Erfassung von Militärwaffen förderlich sind, und Entschädigungen für abgelieferte
Waffen zu bewilligen.
§ 12
Der Reichskommissar hat das Recht, innerhalb der im § 1 festgesetzten Frist die Abgabe eidesstattlicher Versicherungen über
Waffenschiebungen oder über den Besitz und Verbleib von Waffenlagern allgemein oder im
Einzelfalle bei den von ihm bezeichnenden Behörden zu verlangen.
§ 13
[1] Mit Gefängnis nicht unter drei Monaten und mit Geldstrafe bis
zu dreihunderttausend Mark wird bestraft, |
- wer nach Ablauf der gemäß § 1 dieses Gesetzes festzusetzenden Frist
Militärwaffen unbefugt in Gewahrsam hat oder der ihm gemäß § 1
obliegenden Anmeldefrist nicht nachgekommen ist.
Als Inhaber des Gewahrsams gilt auch der in dessen Wohnung, Gebäude, auf dessen Grund und
Boden oder Schiff sich Militärwaffen mit seinem Wissen befinden,
- wer den vom Reichskommissar oder den Landes- (Bezirks-) Kommissaren auf Grund dieses
Gesetzes erlassenen Anordnungen zuwiderhandelt,
- wer seiner gemäß § 6 bestehenden Anzeigepflicht nicht nachkommt,
- wer nach Inkrafttreten dieses Gesetzes ohne Genehmigung des Reichskommissars
Militärwaffen herstellt, anbietet, feilhält, veräußert, erwirbt oder ihre
Veräußerung und ihren Erwerb vermittelt,
- wer öffentlich vor einer Menschenmenge oder wer durch Verbreitung oder öffentlichen
Anschlag oder öffentliche Schaustellung von Schriften oder anderen Darstellungen zum
Ungehorsam gegen dieses Gesetz oder die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Anordnungen
des Reichskommissars auffordert.
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[2] Sind mildernde Umstände vorhanden, so ist
die Strafe Gefängnis bis zu einem Jahre oder Geldstrafe bis zu zehntausend Mark.
[3] In schweren Fällen ist statt Gefängnis auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren zu
erkennen.
Ist die Tat nachweislich begangen, damit die Waffen zu Gewalttätigkeiten gegen Personen
oder Sachen verwendet werden, so tritt statt Gefängnisstrafe Zuchthausstrafe bis zu zehn
Jahren, bei mildernden Umständen Gefängnisstrafe nicht unter drei Monaten ein. |
§ 14
Militärwaffen, welche nicht innerhalb der festgesetzten Frist
angemeldet oder abgeliefert werden, sind vom Reichskommissar oder den von ihm bestimmten
Stellen ohne Entschädigung als dem Reiche verfallen zu erklären.
§ 15
Sämtliche Kosten des Entwaffnungsverfahrens sowie die
Aufwendungen für die auf Grund dieses Gesetzes zu zahlenden Entschädigungen und
Belohnungen trägt das Reich.
§ 16
Der Reichsminister der Finanzen wird ermächtigt, dem
Reichskommissar einen Kredit von vorläufig 200 Millionen Mark zur Verfügung zu stellen.
§ 17
Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündung in Kraft[1] und mit dem 1. März 1921 außer Kraft.
Berlin, den 7. August 1920.
Der Reichspräsident
Ebert
Der Reichsminister des Innern
Koch
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