Interview mit dem stellvertretenden PDS-Vorsitzenden Peter Porsch
über die PDS und den Umgang mit dem Terror
"Strafen mittels Diplomatie"
Vom 1. Oktober 2001
Peter Porsch ist stellvertretender PDS-Vorsitzender und Fraktionschef
der Partei im sächsischen Landtag. Vor einigen Monaten hat er mit einer umstrittenen,
differenzierenden Einordnung zum Mauerbau Aufsehen erregt. Andreas Geldner hat sich mit
ihm über die Positionen der PDS zur Terrorbekämpfung unterhalten.
Auch nach den Terroranschlägen in den USA sträubt sich die PDS gegen alle deutschen
Militäreinsätze etwa auf dem Balkan. Ist die PDS radikalpazifistisch?
In der PDS ist die Erkenntnis, dass Krieg und Gewalt in dieser Welt noch nie mehr Probleme
gelöst haben, als sie geschaffen haben, weit verbreitet. Mittlerweile ist das auch ein
Identifikationsmerkmal. Ob das schon radikalpazifistisch ist, weiß ich nicht.
Ihr Berliner Spitzenkandidat Gregor Gysi konnte sich nach den Anschlägen durchaus
vorstellen, dass auch militärische Mittel zur Abwehr des Terrors eingesetzt werden
können.
Es hat dazu in der Tat Diskussionen gegeben. Um diese Frage möchte ich mich gar nicht
herumdrücken. In einer Situation, wo Dinge passiert sind, die man so noch nie erlebt hat,
ist es völlig klar, dass neue Debatten entstehen, wie man damit fertig wird - und wie man
zum Beispiel der Täter habhaft wird. Es kann ja nicht sein, dass nach dem Tod von 6000
Menschen die Welt zur Tagesordnung übergeht und sagt: Wenn wir die Täter nicht
erwischen, haben wir Pech gehabt. Aber Gregor Gysi hat in dieser Frage keine kriegerischen
Töne geäußert.
Wie soll man denn ganz konkret diese Leute fassen?
Man muss sich bemühen die Terroristen zu fassen, ohne Unschuldige dabei in Gefahr zu
bringen.
Können Sie das ein bisschen genauer sagen?
Das ist eine Aufgabe für die internationale Gemeinschaft, die das mit allen Mitteln tun
muss, die ihr zur Verfügung stehen. Das bedeutet diplomatischen Druck, das sind aber auch
polizeiliche Mittel auf internationaler Ebene. Das bedeutet, diejenigen zu überzeugen,
die möglicherweise den Tätern Schutz gewähren, dass ihr Verhalten nicht rechtens ist.
Und die Taliban sind zu überzeugen?
Das wird schwierig werden. Aber wenn Sie genau hinschauen, wird die Sache von den Taliban
auch nicht mehr so ganz ohne Skrupel behandelt. Ein eindeutiges Votum der internationalen
Gemeinschaft übt auch Druck auf die Taliban aus. Übrigens sind nach dem ersten -
möglicherweise verständlichen - Kriegsgeschrei selbst in den USA leisere Töne zu
hören. US-Außenminister Colin Powell hat sich mit seinem Kurs gegen die Hurrakrieger
wohl durchgesetzt. Das all dies nicht so einfach ist, wie einen Ladendieb zu fangen, ist
mir auch klar.
Wie stehen Sie eigentlich zu dem Versuch, mit kleinen Eliteeinheiten die Terroristen in
Afghanistan ausfindig zu machen?
Mit der augenblicklichen Situation gibt es kaum Erfahrungen. Ich sage ja nicht, dass ich
alle Weisheit der Welt gepachtet habe. Schuldige für einen solchen Anschlag müssen
bestraft werden. Wenn ihr Umfeld nicht mitspielt, muss man sich die Frage stellen, wie man
sie der gerechten Strafe zuführt. Aber dass dies mit Kommandoeinsätzen möglich ist,
bezweifle ich. Ich denke, hier müssen die Vereinten Nationen eine wichtige Rolle spielen.
Hier muss es einen internationalen Konsens darüber geben, dass man so etwas nicht dulden
kann. Zunächst einmal müssten noch die diplomatischen Möglichkeiten ausgelotet werden.
Wenn ich höre, dass schon seit zwei Wochen möglicherweise US-Soldaten in Afghanistan
sind, dann habe ich nicht den Eindruck, dass man wirklich ausprobiert hat, ob es
vielleicht auch anders geht.
Haben die USA für das Feindbild, das ihnen gegenüber in den islamischen Staaten
entstanden ist, eine gewisse Verantwortung?
Das ganze Problem hat schon mit der Situation in der Welt insgesamt zu tun. Ich weigere
mich aber, so wie das einige tun, dafür das Bild von Saat und Ernte zu gebrauchen. Ich
finde das falsch. In gewisser Weise waren die Türme des World Trade Center ein Symbol der
Globalisierung. Eine Politik der Globalisierung, die dazu führt, dass sich Armut global
ausbreitet, erntet natürlich Kritik in der Welt. Daraus folgen die unterschiedlichsten
Formen des Widerstands - aber auch die unter keinen Umständen zu billigenden Formen der
Gewalt. Darüber muss man reden dürfen. Auch der sächsische Ministerpräsident Kurt
Biedenkopf (CDU) ist zum Beispiel doch bereit, darüber zu reden. Auch er sagt, dass
Gewalt letztlich keine Lösung ist, sondern dass man die Ursachen der Armut aufdecken und
den Boden austrocknen muss, auf dem der Terrorismus wächst. Das hat nichts damit zu tun,
Terrorismus zu billigen. Ganz im Gegenteil. Ich halte Terrorismus für die feigste Art von
Gewalt. Aber man muss ihn mit seinen Wurzeln beseitigen.
Macht die politische Stimmung nach den Anschlägen in den Vereinigten Staaten ein
Zusammengehen von SPD und PDS etwa in Berlin schwieriger?
Man kann sich die Welt nicht aussuchen, in der man politisch agiert. Aber wenn man genau
hinhört, was etwa die Basis in der SPD sagt, dann sind die Dinge nicht ganz so eindeutig,
wie sie im Augenblick aus den Berliner Regierungsetagen heraus klingen. Auch aus den
SPD-Landesverbänden höre ich, dass man den Kampf gegen den Terrorismus
selbstverständlich unterstützen will. Bedingungslose Unterstützungserklärungen, ohne
zu wissen, was man eigentlich unterstützt, werden jedoch auch an der SPD-Basis nicht so
einfach geteilt.
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