Erklärung des Vorsitzenden der PDS-Fraktion Roland Claus zu den
Anschlägen in den Vereinigten Staaten von Amerika
vom 12. September 2001
Roland Claus (PDS):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle sind gut beraten, den Atem anzuhalten.
Alle Worte erscheinen zu schwach, das Ausmaß dieses kriegerisch-terroristischen Anschlags
zu erfassen. Ohnmacht, Wut und Trauer verbinden Europa und Amerika. Wir empfinden tiefes
Mitgefühl und Solidarität mit den Bürgerinnen und Bürgern der Vereinigten Staaten und
den politisch Verantwortlichen in den USA. Wir bemühen uns, ihre Gefühle, ihr Entsetzen
zu verstehen. Ich sage dies für eine demokratisch-sozialistische Linke in Deutschland,
die sich bekanntlich oftmals kritisch zur Politik der USA verhält, die aber diese Kritik
weder heute noch früher als Antiamerikanismus verstanden hat.
(Beifall bei der PDS)
Nichts, absolut nichts rechtfertigt den kriegerischen Akt einer noch anonymen Macht. Es
ist ein Anschlag auf die zivile Gesellschaft, auf Kultur und Humanität. Es hat das Herz
nicht nur der amerikanischen, sondern auch der Weltgesellschaft getroffen. Ich möchte,
dass wir noch eine Weile den Atem an halten, noch eine Weile in der Stille der
Nachdenklichkeit verweilen. Wir müssen unser Entsetzen verarbeiten. Wir müssen uns
besinnen, um besonnen handeln zu können, gerade weil die zivilen Strukturen der
Weltgesellschaft gegen Gewalt, Willkür und Menschenverachtung zu verteidigen sind. Es
geht um nichts Geringeres als um den Frieden in einer Welt, die ihren Frieden noch immer
nicht gefunden hat. Für alle Verantwortlichen, für alle Menschen hoffen wir auf
Weisheit, Klugheit und Besonnenheit auf diesem Weg. In diesen Tagen entscheidet sich, wie
zivilisiert die zivilisierte Welt ist.
Wir ahnen, dass der gestrige Tag eine tiefe Zäsur im Sicherheitsdenken der letzten
Jahrzehnte ist; gingen doch so viele davon aus, dass eine Sicherheit gegen alle
Unwägbarkeiten möglich sei. Heute wissen wir: Sie ist nicht möglich. Nachzudenken über
eine Sicherheit, die menschenmöglich ist und dabei menschlich bleibt, über eine
Sicherheit, die dem Recht folgt und gerecht sein will, über eine Sicherheit, die
freiheitlich und auf Ausgleich bedacht ist, das ist das Gebot der
Stunde.
Die Regierungen und Parlamente allein werden das nicht schaffen. Um dieser Herausforderung
gerecht zu werden, brauchen wir all die Gedanken der Wissenschaft, der Kultur; wir
brauchen den Dialog mit der Bevölkerung unseres Landes und den Austausch der
Weltgemeinschaft, deren Herz dieser Angriff getroffen hat.
Meine Damen und Herren, Amerika hat in diesen Stunden diese Solidarität über
Parteigrenzen hinweg nötig und Amerika soll wissen: Über alle politischen Differenzen
hinweg wird es diese Solidarität auch geben.
(Beifall im ganzen Hause)
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