Friedens-Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich.
["Frankfurter Friedensvertrag"][1]
Vom 10. Mai 1871.
Der Fürst Otto von Bismarck-Schönhausen,
Kanzler des Deutschen Reichs,
der Graf Harry von Armin, außerordentlicher Gesandter und
bevollmächtigter Minister Sr. Majestät des Deutschen Kaisers bei dem Päpstlichen
Stuhle,
handelnd im Namen Sr. Majestät des Deutschen Kaisers, |
|
einerseits,
andererseits |
Herr Jules Favre, Minister der
auswärtigen Angelegenheiten der Französischen Republik,
Herr Augustin Thomas Joseph Pouyer-Quertier, Finanzminister der
Französischen Republik, und
Herr Marc Thomas Eugen de Goulard, Mitglied der Nationalversammlung,
handelnd im Namen der Französischen Republik,
sind übereingekommen, den Präliminar-Friedensvertrag
vom 26. Februar d. J. mit den durch die nachfolgenden Bestimmungen vorzunehmenden
Abänderungen in einen endgültigen Friedensvertrag zu verwandeln und haben festgesetzt,
was folgt: |
A r t i k e l 1.
[1] Die Entfernung zwischen der Stadt Belfort und derjenigen
Grenzlinie, welche ursprünglich bei den Unterhandlungen von Versailles vorgeschlagen und
auf der, der ratifizierten Urkunde des Präliminar-Vertrages vom 26.
Februar beigefügten Karte eingetragen ist, soll als Bezeichnung des Maßes für den
Rayon angesehen werden, welcher zufolge der bezüglichen Verabredung im ersten Artikel der Präliminarien mit der Stadt und
den Befestigungen von Belfort bei Frankreich bleiben soll.
[2] Die Deutsche Regierung ist bereit, diesen Rayon dergestalt zu erweitern, daß
derselbe umfaßt: die Kantons Belfort, Delle und Giromagny und den westlichen Theil
des Kantons von Fontaine, westlich einer Linie von dem Punkte, wo der
Rhein-Rhône-Kanal aus dem Kanton von Delle austritt, im Süden von Montreux-Château
bis zur Nordgrenze des Kantons zwischen Bourg und Félon, wo diese Linie
die Ostgrenze des Kantons von Giromagny erreicht.[2]
[3] Die Deutsche Regierung wird indessen die vorerwähnten Gebietstheile nur unter
der Bedingung abtreten, daß die Französische Republik ihrerseits in eine
Grenzberichtigung längs den westlichen Grenzen der Kantone von Cattenon und Thionville
willigt, welche an Deutschland das Gebiet östlich einer Linie überläßt, die von
der Grenze gegen Luxemburg zwischen Hussigny und Redingen ausgeht, die Dörfer Thil und
Villerupt bei Frankreich läßt, sich zwischen Erronville und Aumetz, zwischen
Beuvillers und Boulange, zwischen Trieux und Lomeringen fortsetzt und die alte Grenzlinie
zwischen Avril und Moyeuvre erreicht.
[4] Die internationale Kommission, deren im Artikel I der Präliminarien erwähnt ist,
wird sich sogleich nach der Auswechslung der Ratifikationen des gegenwärtigen Vertrages[3] an Ort und Stelle begeben, um die ihr obliegenden Arbeiten
auszuführen und die Linie der neuen Grenze gemäß der vorstehenden Bestimmungen zu
ziehen.
A r t i k e l 2.
[1] Den aus den abgetretenen Gebieten herstammenden, gegenwärtig
in diesem Gebiete wohnhaften Französischen Unterthanen, welche beabsichtigen, die
Französische Nationalität zu behalten, steht bis zum 1. Oktober 1872. und vermöge einer
vorgängigen Erklärung an die zuständige Behörde die Befugniß zu, ihren Wohnsitz nach
Frankreich zu verlegen und sich dort niederzulassen, ohne daß dieser Befugniß
durch die Gesetze über den Militairdienst Eintrag geschehen könnte, in welchem Falle
ihnen die Eigenschaft als Französischer Bürger erhalten bleiben wird. Es
steht ihnen frei, ihren auf den mit Deutschland vereinigten Gebieten belegenen Grundbesitz
zu behalten.[4]
[2] Kein Bewohner der abgetretenen Gebiete darf in seiner Person oder seinem
Vermögen wegen seiner politischen oder militairischen Handlungen während des Krieges
verfolgt, gestört oder zur Untersuchung gezogen werden.
A r t i k e l 3.
Die Französische Regierung wird der Deutschen Regierung die
Archive, Dokumente und Register übergeben, welche die bürgerliche, militairische oder
gerichtliche Verwaltung der abgetretenen Gebiete betreffen. Sollten einige dieser
Aktenstücke fortgeschafft worden sein, so wird die Französische Regierung
dieselben auf Verlangen der Deutschen Regierung wieder zurückgeben.
A r t i k e l 4.
Die Französische Regierung wird der
Regierung des Deutschen Reichs innerhalb einer Frist von sechs Monaten, von der
Auswechslung der Ratifikationen dieses Vertrages[3]
an gerechnet, übergeben: |
|
1) den Betrag der von den Departements, Gemeinden und öffentlichen
Anstalten der abgetretenen Gebiete deponirten Summen;
2) den Betrag der Anwerbungs- und Stellvertretungs-Prämien, welche den aus den
abgetretenen Gebieten herstammenden Soldaten und Seeleuten gehören, die sich für die
Deutsche Nationalität entschieden haben;
3) den Betrag der Kautionen der Rechnungsbeamten des Staates;
4) den Betrag der für gerichtliche Konsignationen in Folge von Maßregeln der
Verwaltungs- oder Justizbehörden in den abgetretenen Gebieten eingezahlten
Geldsummen.[5] |
A r t i k e l 5.
Beide Nationen sollen in Bezug auf die Schiffahrt auf der Mosel,
dem Rhein-Marne-, Rhein-Rhône-, dem Saar-Kanal und den mit diesen Wasserwegen in
Verbindung stehenden schiffbaren Gewässern der gleichen Behandlung genießen.
Das Flößrecht wird beibehalten.
A r t i k e l 6.
[1] Da die Hohen vertragenden Theile der Meinung sind, daß die
Diözesangrenzen der an das Deutsche Reich abgetretenen Gebiete mit der neuen, durch
obenstehenden Artikel 1. bestimmten Grenze zusammenfallen müssen, so
werden sie sich nach der Ratifikation des gegenwärtigen Vertrages[3]
unverzüglich über die zu diesem Zwecke gemeinschaftlich zu ergreifenden Maßregeln
verständigen.
[2] Die der reformirten Kirche oder der Augsburger Konfession angehörigen, auf den
von Frankreich abgetretenen Gebieten bestehenden Gemeinden werden aufhören, von der
Französischen kirchlichen Behörde abhängig zu sein.
[3] Die zur Kirche der Augsburger Konfession gehörigen, auf Französischen Gebiete
bestehenden Gemeinden werden aufhören, von dem Ober-Konsistorium und von dem Direktor in
Straßburg abhängig zu sein.
[4] Die israelitischen Gemeinden in den Gebieten östlich der neuen Grenze werden
aufhören, von dem israelitischen Central-Konsistorium zu Paris abhängig zu sein.[6]
A r t i k e l 7.
[1] Die Zahlung von 500 Millionen soll erfolgen innerhalb der
dreißig Tage, welche der Wiederherstellung der Autorität der Französischen Regierung in
der Stadt Paris folgen werden. Eine Milliarde soll im Laufe des Jahres und eine halbe
Milliarde am 1. Mai 1872. bezahlt werden.[7] Die
letzten drei Milliarden bleiben zahlbar am 2. März 1874., so wie es durch den Präliminar-Friedensvertrag
vereinbart worden ist. Vom 2. März des laufenden Jahres an werden die Zinsen dieser drei
Milliarden Franks jedes Jahr am 3. März mit 5 Prozent für das Jahr bezahlt werden.
[2] Jede im Voraus auf die drei letzten Milliarden abgezahlte Summe wird vom Tage
der geleisteten Zahlung an aufhören, Zinsen zu tragen.
[3] Alle Zahlungen können nur in den hauptsächlichsten Handelsplätzen
Deutschlands gemacht und werden in Metall, Gold oder Silber, in Noten der Bank von
England, in Noten der Preußischen Bank, in Noten der Königlichen Bank der
Niederlande, in Noten der Nationalbank von Belgien, in Anweisungen auf Order oder
diskontirbaren Wechseln ersten Ranges, sofort zahlbar, geleistet werden.
[4] Da die Deutsche Regierung in Frankreich den Werth des Preußischen Thalers auf
3 Frks. 75 Cts. festgestellt hat, so nimmt die Französische Regierung die Umrechnung der
Münzen beider Länder zu oben bezeichneten Kurse an.
[5] Die Französische Regierung wird die Deutsche Regierung drei Monate zuvor von
jeder Zahlung benachrichtigen, welche sie den Kassen des Deutschen Reichs zu leisten
beabsichtigt.
[6] Nach Zahlung der ersten halben Milliarde und der Ratifikation des definitiven
Friedensvertrages[3] werden die Departements Somme,
Seine Inférieure und Eure, soweit sie noch von den Deutschen Truppen besetzt sind,
geräumt. Die Räumung der Departements Oise, Seine-et-Oise, Seine-et-Marne und
Seine, sowie der Forts von Paris wird stattfinden, sobald die Deutsche Regierung die
Herstellung der Ordnung sowohl in Frankreich als in Paris für
genügend erachtet, um die Ausführung der von Frankreich übernommenen
Verpflichtungen sicher zu stellen.
[7] In allen Fällen wird diese Räumung bei Zahlung der dritten halben Milliarde
stattfinden.
[8] Die Deutschen Truppen behalten im Interesse ihrer Sicherheit die Verfügung
über die neutrale Zone zwischen der Deutschen Demarkationslinie und der Umwallung von
Paris auf dem rechten Ufer der Seine.
[9] Die Bestimmungen[8] des Vertrages vom 26. Februar über
die Besetzung Französischen Gebietes nach Zahlung von zwei Milliarden bleiben in Kraft.
Von der Zahlung der ersten fünfhundert Millionen können Abzüge, zu welchen die
Französische Regierung berechtigt sein könnte, nicht gemacht werden.
A r t i k e l 8.
[1] Die Deutschen Truppen werden auch ferner in den besetzten Gebieten sich der
Requisitionen in Naturalien und in Geld enthalten; da aber dieser ihrer Verpflichtung
die von der Französischen Regierung wegen ihrer Verpflegung übernommenen Verpflichtungen
gegenüberstehen, so sollen die Deutschen Truppen, wenn die Französische Regierung
ungeachtet wiederholter Aufforderungen der Deutschen Regierung in Ausführung der
gedachten Verpflichtungen zurückbleiben sollte, das Recht haben, sich das Nöthige
für ihre Bedürfnisse durch Erhebung von Steuern und Requisitionen in den besetzten
Departements und, wenn deren Hülfsmittel nicht hinreichen sollten, selbst außerhalb
derselben zu beschaffen.
[2] Bezüglich der Verpflegung der Deutschen Truppen werden die gegenwärtig in
Kraft stehenden Anordnungen bis zur Räumung der Forts von Paris aufrecht erhalten.
[3] Kraft der Uebereinkunft von Ferrières vom 11. März 1871. werden die durch
diese Uebereinkunft angegebenen Reduktionen nach Räumung der Forts zur Ausführung
kommen.
[4] Sobald der Effektivstand des Deutschen Heeres unter die Zahl von 500,000 Mann
gesunken sein wird, sollen die unter diese Zahl eingetretenen Verminderungen in Anrechnung
gebracht werden, um eine verhältnißmäßige Verminderung der von der Französischen
Regierung für die Truppen bezahlten Unterhaltskosten festzustellen.
A r t i k e l 9.
Die gegenwärtig den Gewerbs-Erzeugnissen der abgetretenen Gebiete
bei der Einfuhr nach Frankreich gestattete Ausnahmebehandlung wird für einen Zeitraum von
sechs Monaten, vom 1. März an gerechnet, unter den mit den Delegirten des Elsaß
vereinbarten Bedingungen aufrechterhalten.
A r t i k e l 10.
[1] Die Deutsche Regierung wird fortfahren, im Einvernehmen mit der
Französischen Regierung, die Kriegsgefangenen zurückkehren zu lassen. Die Französische
Regierung wird diejenigen dieser Gefangenen, welche verabschiedet werden können, in ihre
Heimath zurücksenden. Diejenigen, welche ihre Dienstzeit noch nicht zurückgelegt haben,
sollen sich hinter die Loire zurückziehen. Es ist vereinbart, daß die Armee von Paris
und von Versailles, nach Herstellung der Autorität der Französischen Regierung in Paris
und bis zur Räumung der Forts durch die Deutschen Truppen, 80,000 Mann nicht übersteigen
soll.
[2] Bis zu dieser Räumung darf die Französische Regierung eine
Truppenzusammenziehung auf dem rechten Ufer der Loire nicht vornehmen, jedoch wird sie
für die regelmäßigen Besatzungen der in dieser Zone gelegenen Städte, nach Maßgabe
des Bedarfs für die Aufrechterhaltung der Ordnung und der öffentlichen Ruhe, Sorge
tragen.
[3] Nach Maßgabe des Fortschritts der Räumung werden sich die Befehlshaber der
Truppen über eine neutrale Zone zwischen den Armeen der beiden Nationen verständigen.
[4] 20,000 Gefangene sollen ohne Verzug nach Lyon dirigirt werden, unter der
Bedingung, daß sie nach ihrer Organisirung sofort nach Algerien geschickt werden, um in
dieser Kolonie zur Verwendung zu kommen.
A r t i k e l 11.
[1] Da die Handelsverträge mit den verschiedenen Staaten
Deutschlands durch den Krieg aufgehoben sind, so werden die Deutsche Regierung und die
Französische Regierung den Grundsatz der gegenseitigen Behandlung auf dem Fuße der
meistbegünstigsten Nation ihren Handelsbeziehungen zu Grunde legen.
[2] Diese Regel umfaßt die Eingangs- und Ausgangsabgaben, den Durchgangsverkehr,
die Zollförmlichkeiten, die Zulassung und Behandlung der Angehörigen beider Nationen und
der Vertreter derselben.
[3] Jedoch sind ausgenommen von der vorgedachten Regel die Begünstigungen, welche
einer der vertragenden Theile durch Handelsverträge anderen Ländern gewährt hat oder
gewähren wird, als den folgenden: England, Belgien, Niederland, Schweiz, Oesterreich,
Rußland.
[4] Die Schiffahrtsverträge und die Uebereinkunft, betreffend die Zollabfertigung
des internationalen Verkehrs auf den Eisenbahnen, sowie die Uebereinkunft wegen
gegenseitigen Schutzes der Rechte an literarischen Erzeugnissen und Werken der Kunst
sollen wieder in Kraft treten.
[5] Indessen behält sich die Französische Regierung die Befugniß vor, von den
Deutschen Schiffen und deren Ladungen Tonnen- und Flaggengebühren zu erheben, mit dem
Vorbehalte, daß diese Gebühren die von den Schiffen und Ladungen der vorerwähnten
Nationen erhobenen nicht übersteigen.
A r t i k e l 12.
[1] Alle ausgewiesenen Deutschen bleiben im vollen Genusse alles
Eigenthums, welches sie in Frankreich erworben haben.
[2] Diejenigen Deutschen, welche die von den Französischen Gesetzen verlangte
Ermächtigung erhalten haben, ihren Wohnsitz in Frankreich aufzuschlagen, werden in alle
ihre Rechte wieder eingesetzt und könne in Folge dessen auf Französischen Gebiete von
Neuem ihren Wohnsitz nehmen.
[3] Für diejenigen Personen, welche von der vorerwähnten Befugniß, nach
Frankreich zurückzukehren, binnen sechs Monaten nach Austausch der Ratifikationen
dieses Vertrages[3] Gebrauch machen, wird die durch
die Französischen Gesetze festgestellte Frist zur Erlangung
der Naturalisation als durch den Kriegszustand nicht unterbrochen betrachtet, und die
zwischen ihrer Ausweisung und ihrer Rückkehr auf Französischen Boden
verflossene Zeit soll dergestalt gerechnet werden, als ob sie nicht aufgehört
hätten, in Frankreich zu wohnen.
[4] Vorstehende Bedingungen sind in voller Gegenseitigkeit auf die Französischen
Unterthanen anwendbar, welche in Deutschland wohnen oder zu wohnen wünschen.
A r t i k e l 13.
[1] Die Deutschen Schiffe, welche durch Prisengerichte vor dem 2.
März 1871. kondemnirt waren, sollen als endgültig kondemnirt angesehen werden.
[2] Diejenigen, welche an besagtem Tage nicht kondemnirt waren, sollen mit der
Ladung, soweit solche noch vorhanden, zurückgegeben werden. Wenn die Rückgabe der
Schiffe und Ladungen nicht mehr möglich ist, so soll ihr nach dem Verkaufspreise
bemessener Werth ihren Eigenthümern erstattet werden.
A r t i k e l 14.
Jeder der vertragenden Theile wird auf seinem Gebiete die zur
Kanalisirung der Mosel unternommenen Arbeiten fortführen. Die gemeinsamen Interessen der
getrennten Theile der beiden Departements Meurthe und Mosel sollen liquidirt werden.
A r t i k e l 15.
Die Hohen vertragenden Theile verpflichten sich gegenseitig, auf
die beiderseitigen Unterthanen die Maßregeln auszudehnen, welche sie zu Gunsten
derjenigen ihrer Angehörigen zu treffen für nützlich erachten möchten, die in Folge
der Kriegsereignisse in die Unmöglichkeit versetzt worden waren, die Wahrnehmung oder
Aufrechterhaltung ihrer Rechte rechtzeitig zu bewirken.[9]
A r t i k e l 16.
Beide Regierungen, die Deutsche und die Französische, verpflichten sich
gegenseitig, die Gräber der auf ihren Gebieten beerdigten Soldaten respektiren und
unterhalten zu lassen.
A r t i k e l 17.
Die Regulirung der nebensächlichen Punkte, über welche in Folge dieses
Vertrages und des Präliminar-Vertrages
eine Verständigung zu erfolgen hat, wird der Gegenstand weiterer Verhandlungen sein,[10] welche in Frankfurt stattfinden werden.
A r t i k e l 18.
Die Ratifikationen des gegenwärtigen Vertrages durch Seine Majestät den
Deutschen Kaiser einerseits und andererseits durch die Nationalversammlung und durch das
Oberhaupt der vollziehenden Gewalt der Französischen Republik werden in Frankfurt binnen
zehn Tagen oder wo möglich früher ausgetauscht werden.[3]
Zur Beglaubigung dessen haben die beiderseitigen Bevollmächtigten denselben
vollzogen und untersiegelt.
Geschehen zu Frankfurt, den 10. Mai 1871.
von Bismarck.
(L. S.) |
Jules Favre.
(L. S.) |
Arnim.
(L. S.) |
Pouyer-Quertier.
(L. S.) |
|
E. d. Goulard.
(L. S.) |
Zusatz-Artikel.
A r t i k e l 1.
§. 1. Die
Französische Regierung wird innerhalb der für den Austausch der Ratifikationen des
gegenwärtigen Vertrages festgesetzten Frist[11]
von dem ihr zustehenden Rechte zum Rückkauf der der Ostbahngesellschaft ertheilten
Konzession Gebrauch machen. Die Deutsche Regierung wird, soweit es sich um die in den
abgetretenen Gebieten gelegene, vollendeten oder im Bau begriffenen Eisenbahnen handelt,
in alle Rechte eintreten, welche die Französische Regierung durch den Rückkauf der
Konzessionen erworben haben wird.
§. 2. In diese Konzession sind einbegriffe: |
|
1) alle der gedachten Gesellschaft zugehörigen Grundstücke, ohne
Unterschied ihrer Bestimmung, z. B. Bahnhofs- und Stationsgebäude, Schuppen, Werkstätten
und Niederlagen, Bahnwärterhäuser u. s. w.
2) alle dazu gehörigen festen Pertinenzstücke, wie: Barrièren, Zäune, Weichen,
Weichenstellungen, Drehscheiben, Pumpen, hydraulische Krahnen, feste Maschinen u. s. w.
3) alle Materialien, Brennstoffe und Vorräthe aller Art, Bahnhofs-Mobiliar, Werkzeuge in
den Werkstätten und Bahnhöfen u. s. w.
4) die Forderungen der Ostbahngesellschaft an Korporationen oder Personen, welche in den
abgetretenen Gebieten ihren Wohnsitz haben, auf Zahlung von Subventionen. |
§. 3. Ausgeschlossen von dieser Abtretung ist das
Betriebsmaterial. Die Deutsche Regierung wird den etwa in ihrem Besitz befindlichen Theil
des Betriebsmaterials nebst Zubehör der Französischen Regierung zurückgeben.
§. 4. Die Französische Regierung verpflichtet sich, die
abgetretenen Eisenbahnen nebst Zubehör dem Deutschen Reiche gegenüber von allen
Rechtsansprüchen zu befreien, welche dritte Personen darauf geltend machen könnten,
namentlich von den Ansprüchen der Darlehnsgläubiger. Gleichfalls verpflichtet sie sich,
eintretenden Falls für die Deutsche Regierung in Bezug auf die Ansprüche einzutreten,
welche gegen die Deutsche Regierung von Gläubigern der in Rede stehenden Bahnen erhoben
werden möchten.
§. 5. Die Französische Regierung übernimmt die Vertretung
der Ansprüche, welche die Ostbahngesellschaft gegen die Deutsche Regierung oder deren
Beauftragte in Bezug auf den Betrieb der gedachten Eisenbahnen und auf den Gebrauch der im
§. 2. bezeichneten Gegenstände, sowie des Betriebsmaterials
erheben könnte.
Die Deutsche Regierung wird der Französischen Regierung auf deren Verlangen
alle Schriftstücke und Nachrichten mittheilen, welche zur Feststellung der den
vorerwähnten Ansprüchen zu Grunde liegenden Thatsachen dienen könnten.
§. 6. Die Deutsche Regierung wird der Französischen
Regierung für die Abtretung der in den §§. 1. und 2. erwähnten Eigenthumsrechte und als Gegenleistung für die im §.
4. von der Französischen Regierung übernommene Verpflichtung
die Summe von dreihundertfünfundzwanzig Millionen (325,000,000) Frks. zahlen.
Diese Summe wird von der im Artikel 7. festgesetzten Kriegsentschädigung
in Abzug gebracht.
In Erwägung, daß die Lage, auf welcher die zwischen der Ostbahngesellschaft
und der Königlich Großherzoglichen Gesellschaft der Wilhelm-Luxemburg-Bahnen am 6. Juni
1857. und am 21. Januar 1868. abgeschlossenen Konventionen, sowie diejenigen Konventionen
beruht, welche zwischen der Regierung des Großherzogthums Luxemburg und den
Gesellschaftern der Wilhelm-Luxemburg-Bahnen und der Französischen Ostbahn unter dem 5.
Dezember 1868. abgeschlossen ist, eine so wesentliche Veränderung erfahren hat, daß
diese Konventionen zu der Sachlage nicht mehr passen, wie solche durch die im §. 1. enthaltenen Verabredungen geschaffen ist, erklärt die Deutsche
Regierung sich bereit, ihrerseits für die aus diesen Konventionen für die
Ostbahngesellschaft erwachsenden Rechte und Pflichten einzutreten.
Die Französische Regierung verpflichtet sich, für den Fall, daß sie,
sei es durch Rückkauf der Konzession der Ostbahngesellschaft, sei es durch ein
besondere Uebereinkunft in die von dieser Gesellschaft auf Grund der vorgedachten
Konzessionen erworbenen Rechte eintritt, diese Rechte innerhalb einer Frist von sechs
Wochen unentgeltlich an die Deutsche Regierung abzutreten.
Für den Fall, daß dieser Eintritt in die Rechte der
Ostbahngesellschaft nicht erfolgt, wird die Französische Regierung Konzessionen für die
der Ostbahngesellschaft gehörigen und auf Französischen Boden gelegenen Linien nur
unter der ausdrücklichen Bedingung ertheilen, daß der Konzessionar nicht die im
Großherzogthum Luxemburg gelegenen Linien ausbeute.
|
A r t i k e l 2.
Die Deutsche Regierung biete zwei Millionen Franks für die Rechte
und das Eigenthum an, welche die Ostbahngesellschaft auf dem Theile ihres Netzes besitzt,
der auf Schweizerischem Gebiete von der Grenze bis Basel liegt, wenn die Französische
Regierung ihr die Zustimmung dazu binnen einem Monat beschafft.
A r t i k e l 3.
Die Gebietsabtretung bei Belfort, welche die Deutsche Regierung in Artikel 1. des gegenwärtigen Vertrages zum Austausch für die im
Westen von Thionville verlangte Grenzberichtigung anbietet, wird um die Bezirke der
folgenden Dörfer vermehrt: Rougemont, Leval, Petit-Fontaine, Romagny, Félon, La
Chapelle-sous-Rougemont, Angeot, Vautier-Mont, La Rivière, La Grange, Reppe, Fontaine,
Frais, Foussemagne, Cunelières, Montreux-Château, Bretagne, Chavannes-les-Grands,
Chavanatte und Suarce.
Die Straße von Giromagny nach Remiremont, welche über den Wälschbelchen geht,
wird in ihrer ganzen Länge bei Frankreich bleiben und, soweit sie außerhalb des Kantons
Giromagny liegt, als Grenze dienen.
Geschehen zu Frankfurt, den 10. Mai 1871.
von Bismarck.
Arnim. |
Jules Favre.
Pouyer-Quertier.
E. de Goulard.
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