Friedens-Präliminarien zwischen dem Deutschen Reich und
Frankreich.
["Versailler Präliminarfrieden"][1]
Vom 26. Februar 1871.
Zwischen dem Kanzler des Deutschen Reichs, Herrn Otto
v. Bismarck-Schönhausen, der mit Vollmacht Seitens Seiner Majestät des Deutschen
Kaisers und Königs von Preußen versehen ist, |
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dem Staatsminister der Aeußeren Seiner Majestät des Königs
von Bayern, Herrn Grafen Otto v. Bray-Steinburg,
dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten Seiner Majestät des Königs von
Württemberg, Herrn Freiherrn August v. Wächter,
dem Staatsminister, Präsidenten des Staats-Ministeriums Seiner Königlichen Hoheit des
Großherzogs von Baden, Herrn Julius Jolly, |
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welche das Deutsche Reich vertreten, |
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einerseits, |
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und dem Chef der Exekutivgewalt der Französischen Republik, Herrn Thiers,
und
dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Herrn Jules Favre, |
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welche Frankreich vertreten, |
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andererseits, |
ist, nachdem die Vollmachten der beiden vertragenden Theile in guter und regelrechter Form
befunden wurden, nachstehende Vereinbarung getroffen worden, welche als vorläufige
Grundlage für den später abzuschließenden Frieden
dienen soll. |
A r t i k e l I.
[1] Frankreich verzichtet zu Gunsten des Deutschen Reichs auf alle
seine Rechte und Ansprüche auf diejenigen Gebiete, welche östlich von der nachstehend
verzeichneten Grenze belegen sind.
[2] Die Demarkationslinie beginnt an der nordwestlichen Grenze des Kantons Cattenom
gegen das Großherzogthum Luxemburg, folgt südwärts den westlichen Grenzen der Kantons
Cattenom und Thioville, durchschneidet den Kanton Briey, indem sie längs der westlichen
Grenzen der Gemeinden Montois-la-Montagne und Roncourt, sowie der östlichen Grenzen
der Gemeinden St. Marie-aux-Chênes, St. Ail,[2]
Habonville hinläuft, berührt die Grenze des Kantons Gorze, welche längs der
Grenzen der Gemeinden Vionville, Buxières und Onville durchschneidet, folgt der Südwest-
beziehungsweise Südgrenze des Arrondissements Metz, der Westgrenze der
Arrondissements Chateau-Salins bis zur Gemeinde Pettoncourt, von der sie die West- und
Südgrenze einschließt, und folgt dann dem Kamme der zwischen der Seille und
dem Moncel gelegenen Berge bis zur Grenze des Arrondissements Saarburg südlich von
Garde. Sodann fällt die Demarkationslinie mit der Grenze dieses Arrondissements bis
zur Gemeinde Tanconville zusammen, deren Nordgrenze sie berührt, von dort folgt sie dem
Kamme der zwischen den Quellen der weißen Saar und der Vezouze befindlichen
Bergzüge bis zur Grenze des Kantons Schirmeck, geht entlang der westlichen Grenze dieses
Kantons, schließt die Gemeinden Saales, Bourg-Bruche, Colroy-la-Roche, Plaine,
Ranrupt, Saulxures und St. Blaise-la-Roche im Kanton Saales ein und fällt dann mit der
westlichen Grenze der Departements Nieder- und Oberrhein bis zum Kanton Belfort
zusammen. Sie verläßt dessen Südgrenze unweit von Vourvenans, durchschneidet den Kanton
Delle an den Südgrenzen der Gemeinden Bourogne und Froide-Fontaine und erreicht die
Schweizergrenze, indem sie längs der Ostgrenze der Gemeinden Jonchery und Delle
hinläuft.
[3] Das Deutsche Reich wird diese Gebiete für immer mit vollem Souverainetäts-
und Eigenthumsrechte besitzen. Eine internationale Kommission, welche beiderseits aus der
gleichen Zahl von Vertretern der Hohen vertragenden Theile gebildet wird, soll unmittelbar
nach dem Austausche der Ratifikationen des gegenwärtigen Vertrages[3] beauftragt werden, an Ort und Stelle die neue Grenzlinie in
Gemäßheit der vorstehenden Verabredungen festzustellen.
[4] Diese Kommission wird die Vertheilung des Grundbesitzes und der Kapitalien
leiten, welche bis jetzt Distrikten oder Gemeinden, die durch die neue Grenze getrennt
werden, gemeinschaftlich angehört haben; im Falle einer Meinungsverschiedenheit
über die Grenze und die Ausführungsbestimmungen werden die Kommissionsmitglieder
die Entscheidung ihrer Regierungen einholen.
[5] Die Grenze, wie sie vorstehend festgesetzt ist, findet sich mit grüner Farbe
auf zwei übereinstimmenden Exemplaren der Karte von den "Gebietstheilen, welche das
General-Gouvernement des Elsaß bilden", eingetragen, welche im September 1870 in
Berlin durch die geographische und statistische Abtheilung des Großen Generalstabes
herausgegeben worden ist. Ein Exemplar derselben wird jeder der beiden Ausfertigungen[1] des gegenwärtigen Vertrages angefügt.
[6] Die angegebene Grenzlinie hat indessen mit Uebereinstimmung beider vertragenden
Theile folgende Abänderungen erfahren: Im ehemaligen Mosel-Departement werden die Dörfer
St. Marien-aux-Chênes bei St. Privat-la-Montagne und Vionville, westlich von Rezonville,
an Deutschland abgetreten. Dagegen werden die Stadt und die Festungswerke von
Belfort mit einem später festzusetzenden Rayon bei Frankreich verbleiben.
A r t i k e l II.
[1] Frankreich wird Seiner Majestät dem Deutschen Kaiser die
Summe von fünf Milliarden Franks zahlen.
[2] Mindestens Eine Milliarde Franks wird im Laufe des Jahres 1871. und der ganze
Rest der Schuld wird im Laufe dreier Jahre, von der Ratifikation des gegenwärtigen
Vertrages[3] ab, gezahlt werden.
A r t i k e l III.
[1] Die Räumung der Französischen, durch die Deutschen Truppen
besetzten Gebiete wird nach der Ratifikation des gegenwärtigen Vertrages[3] durch die in Bordeaux tagende National-Versammlung beginnen.
Die Deutschen Truppen werden unmittelbar nach dieser Ratifikation das Innere der
Stadt Paris, sowie die am linken Ufer der Seine belegenen Forts verlassen und in
möglichst kurzer, durch ein Einvernehmen zwischen den Militairbehörden beider Länder
festgesetzter Frist die Departements Calvados, Orne, Sarthe, Eure et Loir,
Loiret, Loir et Cher, Indre et Loir und Yonne vollständig, sowie die Departements Seine
inferieure, Eure, Seine et Oise, Seine et Marne, Aube und Cote dor bis zum
linken Ufer der Seine räumen. Die Französischen Truppen werden sich
gleichzeitig hinter die Loire zurückziehen, welche sie vor Unterzeichnung des endgültigen Friedensvertrages nicht
überschreiten dürfen. Ausgenommen von dieser Bestimmung sind die Garnison von
Paris, deren Stärke die Zahl von 40,000 Mann nicht überschreiten darf, und die
zur Sicherheit der festen Plätze unerläßlichen Garnisonen.
[2] Die Räumung der zwischen dem rechten Ufer der Seine und der Ostgrenze
gelegenen Departements durch die Deutschen Truppen soll nach der Ratifikation des endgültigen Friedensvertrages[4] und die Zahlung der ersten halben Milliarde der im Artikel II. verabredeten Kontribution allmälig erfolgen, indem sie mit den Paris am
nächsten gelegenen Departements beginnt, und je nachdem die Zahlungen der
Kontribution bewirkt sein werden, fortgesetzt wird. Nach der ersten Zahlung einer halben
Milliarde wird diese Räumung in folgenden Departements stattfinden: Somme, Oise
und den Theilen des Departements Seine inferieure, Seine et Oise, Seine et Marne, welche
auf dem rechten Seine-Ufer gelegen sind, sowie in dem Theile des Departements Seine und in
den Forts auf dem rechten Seine-Ufer.
[3] Nach der Zahlung von zwei Milliarden wird die Deutsche Besetzung nur noch die
Departements Marne, Ardennes, Haute Marne, Meuse, Vosges, Meurthe, sowie die Festung
Belfort mit ihrem Gebiete umfassen, die als Pfand für die rückständigen drei Milliarden
dienen sollen.
[4] Die Zahl der in denselben befindlichen Deutschen Truppen wird 50,000 Mann nicht
überschreiten. Se. Majestät der Kaiser wird geneigt sein, an die Stelle der in der
theilweisen Besetzung des Französischen Gebietes bestehenden Territorialgarantie eine
finanzielle Garantie treten zu lassen, wenn dieselbe von der Französischen Regierung
unter Bedingungen angeboten wird, welche von Sr. Majestät dem Kaiser und
König als für die Interessen Deutschlands ausreichend anerkannt werden. Die drei
Milliarden, deren Zahlung verschoben sein wird, sollen vom Tage der Ratifikation der
gegenwärtigen Uebereinkunft[3] ab mit fünf Prozent
verzinst werden.[5]
A r t i k e l IV.
Die Deutschen Truppen werden in den besetzten Departements
Requisitionen, sei es in Geld, sei es in Naturalien, nicht vornehmen. Dafür wird die
Verpflegung der Deutschen Truppen, welche in Frankreich zurückbleiben, auf Kosten der
Französischen Regierung erfolgen, und zwar in dem mit der Deutschen Militair-Intendantur
vereinbarten Maaße.
A r t i k e l V.
Die Interessen der Einwohner in dem von Frankreich abgetreten
Gebiete werden in Allem, was ihren Handel und ihre Privatrechte angeht, so günstig als
möglich geregelt werden, sobald die Bedingungen des endgültigen Friedens festgestellt sein
werden. Zu diesem Zwecke wird ein Zeitraum festgesetzt werden, innerhalb dessen sie
besondere Erleichterungen für den Verkehr mit ihren Erzeugnissen genießen sollen. Die
Deutsche Regierung wird der ungehinderten Auswanderung der Einwohner der angetretenen
Gebietstheile nichts in den Weg legen und keine Maaßregel gegen dieselben ergreifen
dürfen, welche deren Person oder Eigenthum antastet.
A r t i k e l VI.
Die Kriegsgefangenen, welche nicht bereits auf dem Wege der
Auswechslung in Freiheit gesetzt worden sind, werden unverzüglich nach der Ratifikation
der gegenwärtigen Präliminarien[3] zurückgegeben
werden. Um den Transport der Französischen Gefangenen zu beschleunigen, wird die
Französische Regierung einen Theil des Fahrmaterials ihrer Eisenbahnen
innerhalb des Deutschen Gebiets zur Verfügung der Deutschen Behörden stellen,
und zwar in einer, durch besondere Verabredung festzustellenden
Ausdehnung, sowie zu denjenigen Preisen, welche in Frankreich von der
Französischen Regierung für Militairtransporte gezahlt werden.
A r t i k e l VII.
Die Eröffnung der Verhandlungen über den auf Grundlage der
gegenwärtigen Präliminarien abzuschließenden endgültigen
Frieden wird in Brüssel unverzüglich nach Ratifikation der ersteren[3] durch die Nationalversammlung und durch Se. Majestät den
Deutschen Kaiser stattfinden.
A r t i k e l VIII.
[1] Nach Abschluß und Ratifikation des endgültigen Friedensvertrages[4] wird die Verwaltung der Departements, welche
von den Deutschen Truppen besetzt bleiben sollen, den Französischen Behörden wieder
übergeben werden. Doch sollen diese letzteren gehalten sein, den Befehlen,
welche die Befehlshaber der Deutschen Truppen im Interesse der Sicherheit, des
Unterhalts und der Vertheilung ihrer Truppen erlassen zu müssen glauben, Folge leisten.
[2] Die Erhebung der Steuern in den besetzten Departements wird nach Ratifikation
des gegenwärtigen Vertrages[3] für Rechnung der
Französischen Regierung und durch deren Beamte bewirkt werden.
A r t i k e l IX.
Es ist ausgemacht, daß durch Gegenwärtiges der Deutschen
Militairbehörde keinerlei Recht auf die zur Zeit nicht von ihr besetzten Gebietstheile
gegeben werden kann.
A r t i k e l X.
Gegenwärtiges soll der Ratifikation Sr. Majestät des Deutschen
Kaisers, sowie der Französischen Nationalversammlung, welche ihren Sitz in Bordeaux hat,
unverzüglich unterbreitet werden.
Zu Urkund dessen haben die Unterzeichneten den gegenwärtigen
Präliminar-Vertrag mit ihren Unterschriften und ihren Siegeln versehen.
Geschehen Versailles, den 26. Februar 1871.
v. Bismarck.
(L. S.) |
A. Thiers.
(L. S.) |
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Jules Favre.
(L. S.)
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