Gesetz
zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung
(Finanzverfassungsgesetz).
Vom 23. Dezember 1955.
Auf Grund des Artikels 107
des Grundgesetzes hat der Bundestag mit Zustimmung
des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:
§ 1
Änderung des Grundgesetzes
Artikel 106 und Artikel 107 des Grundgesetzes
erhalten folgende Fassung:
"Artikel 106
(1) Der Ertrag der Finanzmonopole und das Aufkommen der folgenden
Steuern stehen dem Bund zu: |
- die Zölle,
- die Verbrauchsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 2 den Ländern zustehen,
- die Umsatzsteuer,
- die Beförderungsteuer,
- die einmaligen Vermögensabgaben und die zur Durchführung des Lastenausgleichs
erhobenen Ausgleichsabgaben,
- die Abgabe "Notopfer Berlin",
- die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer.
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(2) Das Aufkommen der folgenden Steuern steht den Ländern zu: |
- die Vermögensteuer,
- die Erbschaftsteuer,
- die Kraftfahrzeugsteuer,
- die Verkehrsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 1 dem Bund zustehen,
- die Biersteuer,
- die Abgaben von Spielbanken,
- die Realsteuern,[1]
- die Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis.
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(3) Vom Aufkommen der Einkommensteuer und
der Körperschaftsteuer stehen bis 31. März 1958 331/3 vom
Hundert dein Bund und 662/3 vom Hundert den Ländern,
ab 1. April 1958 35 vom Hundert dem Bund und 65 vom Hundert den Ländern zu.
(4) Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, soll
das Beteiligungsverhältnis an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer
(Absatz 3) geändert werden, wenn sich das Verhältnis zwischen den Einnahmen und
Ausgaben des Bundes und das Verhältnis zwischen den Einnahmen und Ausgaben der
Länder unterschiedlich entwickeln und in der Haushaltswirtschaft des Bundes oder der
Länder ein so erheblicher Fehlbedarf entsteht, daß eine entsprechende Berichtigung
des Beteiligungsverhältnisses zugunsten des Bundes oder zugunsten der Länder
geboten ist. Hierbei ist von den folgenden Grundsätzen auszugehen: |
- Der Bund und die Länder tragen gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung
ihrer Aufgaben ergeben; Artikel 120 Abs. 1
bleibt unberührt.
- Im Rahmen der ordentlichen Einnahmen haben der Bund und die Länder gleichmäßig
Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben.
- Die Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder sind so aufeinander abzustimmen,
daß ein billiger Ausgleich erzielt, eine
Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden und die Einheitlichkeit der
Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt wird.
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Das Beteiligungsverhältnis kann erstmals mit Wirkung
vom 1. April 1958, im übrigen jeweils frühestens zwei Jahre nach dem Inkrafttreten des
Gesetzes, welches das Beteiligungsverhältnis zuletzt bestimmt hat, geändert werden; dies
gilt nicht für eine Änderung des Beteiligungsverhältnisses nach Absatz 5.
(5) Werden den Ländern durch Bundesgesetz zusätzliche Ausgaben auferlegt oder
Einnahmen entzogen, ist das Beteiligungsverhältnis an der
Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer zugunsten der Länder zu ändern, wenn der
Tatbestand des Absatzes 4 gegeben ist. Ist die Mehrbelastung der Länder auf einen kurzen
Zeitraum begrenzt, kann sie durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des
Bundesrates bedarf, auch mit Finanzzuweisungen des Bundes ausgeglichen werden; in dem
Gesetz sind die Grundsätze für die Bemessung dieser Finanzzuweisungen und für
ihre Verteilung auf die Länder zu bestimmen.[2]
(6) Als Einnahmen und Ausgaben der Länder im Sinne dieses Artikels
gelten auch die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden (Gemeindeverbände). Die
Landesgesetzgebung bestimmt, ob und inwieweit das Aufkommen der Landessteuern den
Gemeinden (Gemeindeverbänden) zufließt.[3] |
Artikel 107
(1) Das Aufkommen der Landessteuern steht den einzelnen Ländern
insoweit zu, als die Steuern von den Finanzbehörden in ihrem Gebiet vereinnahmt werden
(örtliches Aufkommen). Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf,
können nähere Bestimmungen über die Abgrenzung und Zerlegung des örtlichen Aufkommens
einzelner Steuern (Steueranteile) getroffen werden.
(2) Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, ist
ein angemessener finanzieller Ausgleich zwischen leistungsfähigen und leistungsschwachen
Ländern sicherzustellen; hierbei sind die Finanzkraft und der Finanzbedarf der
Gemeinden (Gemeindeverbände) zu berücksichtigen. Dieses Gesetz bestimmt, daß aus
Beiträgen leistungsfähiger Länder (Ausgleichsbeiträgen) leistungsschwachen Ländern
Ausgleichszuweisungen gewährt werden; in dem Gesetz sind die
Voraussetzungen für die Ausgleichsansprüche und die Ausgleichsverbindlichkeiten sowie
die Maßstäbe für die Höhe der Ausgleichsleistungen zu bestimmen. Das Gesetz
kann auch bestimmen, daß der Bund aus seinen Mitteln leistungsschwachen
Ländern Zuweisungen zur ergänzenden Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs
(Ergänzungszuweisungen) gewährt."[4]
§ 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vorn 1. April 1955 in Kraft.[5]
Das vorstehende Gesetz wird hiermit verkündet.
Bonn/Lörrach, den 23. Dezember 1955.
Der Bundespräsident
Theodor Heuss
Der Bundeskanzler
Adenauer
Der Bundesminister der Finanzen
Schäffer
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