Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes.

Vom 19. März 1956.


  Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates unter Einhaltung der Vorschrift des Artikels 79 Abs. 2 des Grundgesetzes das folgende Gesetz beschlossen:

A r t i k e l  I

  Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (Bundesgesetzbl. S. 1) wird wie folgt ergänzt:

  1. Artikel 1 Abs. 3 erhält folgende Fassung:
"(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht."
  1. Artikel 12 erhält folgende Fassung:

"Artikel 12

  (1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz geregelt werden.
  (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht. Wer aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, kann zu einem Ersatzdienst verpflichtet werden. Die Dauer des Ersatzdienstes darf die Dauer des Wehrdienstes nicht übersteigen. Das Nähere regelt ein Gesetz, das die Freiheit der Gewissensentscheidung nicht beeinträchtigen darf und auch eine Möglichkeit des Ersatzdienstes vorsehen muß, die in keinem Zusammenhang mit den Verbänden der Streitkräfte steht.
  (3) Frauen dürfen nicht zu einer Dienstleistung im Verband der Streitkräfte durch Gesetz verpflichtet werden. Zu einem Dienst mit der Waffe dürfen sie in keinem Falle verwendet werden.
  (4) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig."[1]

  1. Nach Artikel 17 wird folgender Artikel 17 a eingefügt:

"Artikel 17 a

  (1) Gesetze über Wehrdienst und Ersatzdienst können bestimmen, daß für die Angehörigen der Streitkräfte und des Ersatzdienstes während der Zeit des Wehr- oder Ersatzdienstes das Grundrecht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten (Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz), das Grundrecht der Versammlungsfreiheit (Artikel 8) und das Petitionsrecht (Artikel 17), soweit es das Recht gewährt, Bitten oder Beschwerden in Gemeinschaft mit anderen vorzubringen, eingeschränkt werden.
  (2) Gesetze, die der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung dienen, können bestimmen, daß die Grundrechte der Freizügigkeit (Artikel 11) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13) eingeschränkt werden."

  1. Artikel 36 erhält folgende Fassung:

"Artikel 36

  (1) Bei den obersten Bundesbehörden sind Beamte aus allen Ländern in angemessenem Verhältnis zu verwenden. Die bei den übrigen Bundesbehörden beschäftigten Personen sollen in der Regel aus dem Lande genommen werden, in dem sie tätig sind.
  (2) Die Wehrgesetze haben auch die Gliederung des Bundes in Länder und ihre besonderen landsmannschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen."

  1. Nach Artikel 45 werden folgende Vorschriften als Artikel 45 a und Artikel 45 b eingefügt:

"Artikel 45 a

  (1) Der Bundestag bestellt einen Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten und einen Ausschuß für Verteidigung. Die beiden Ausschüsse werden auch zwischen zwei Wahlperioden tätig.[2]
  (2) Der Ausschuß für Verteidigung hat auch die Rechte eines Untersuchungsausschusses. Auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder hat er die Pflicht, eine Angelegenheit zum Gegenstand seiner Untersuchung zu machen.
  (3) Artikel 44 Abs. 1 findet auf dem Gebiet der Verteidigung keine Anwendung.

Artikel 45 b

  Zum Schutz der Grundrechte und als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle wird ein Wehrbeauftragter des Bundestages berufen. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz."[2]

  1. Artikel 49 erhält folgende Fassung:

"Artikel 49

  Für die Mitglieder des Präsidiums, des ständigen Ausschusses, des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und des Ausschusses für Verteidigung sowie für deren erste Stellvertreter gelten die Artikel 46, 47 und die Absätze 2 und 3 des Artikels 48 auch für die Zeit zwischen zwei Wahlperioden."[3]

  1. Nach Artikel 59 wird folgender Artikel 59 a eingefügt:

"Artikel 59 a

  (1) Die Feststellung, daß der Verteidigungsfall eingetreten ist, trifft der Bundestag. Sein Beschluß wird vom Bundespräsidenten verkündet.
  (2) Stehen dem Zusammentritt des Bundestages unüberwindliche Hindernisse entgegen, so kann bei Gefahr im Verzug der Bundespräsident mit Gegenzeichnung des Bundeskanzlers diese Feststellung treffen und verkünden. Der Bundespräsident soll zuvor die Präsidenten des Bundestages und des Bundesrates hören.
  (3) Der Bundespräsident darf völkerrechtliche Erklärungen über das Bestehen des Verteidigungsfalles erst nach Verkündung abgeben.
  (4) Über den Friedensschluß wird durch Bundesgesetz entschieden."[3]

  1. Artikel 60 Abs. 1 erhält folgende Fassung:
"(1) Der Bundespräsident ernennt und entläßt die Bundesrichter, die Bundesbeamten, die Offiziere und Unteroffiziere, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist."
  1. Nach Artikel 65 wird folgender Artikel 65 a eingefügt:

"Artikel 65 a

  (1) Der Bundesminister für Verteidigung hat die Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte.
  (2) Mit der Verkündung des Verteidigungsfalles geht die Befehls- und Kommandogewalt auf den Bundeskanzler über."[4]

  1. Nach Artikel 87 werden folgende Vorschriften als Artikel 87 a und Artikel 87 b eingefügt:

"Artikel 87 a

  Die zahlenmäßige Stärke der vom Bunde zur Verteidigung aufgestellten Streitkräfte und die Grundzüge ihrer Organisation müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben.[5]

Artikel 87 b

  (1) Die Bundeswehrverwaltung wird in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt. Sie dient den Aufgaben des Personalwesens und der unmittelbaren Deckung des Sachbedarfs der Streitkräfte. Aufgaben der Beschädigtenversorgung und des Bauwesens können der Bundeswehrverwaltung nur durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, übertragen werden. Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen ferner Gesetze, soweit sie die Bundeswehrverwaltung zu Eingriffen in Rechte Dritter ermächtigen; das gilt nicht für Gesetze auf dem Gebiete des Personalwesens.
  (2) Im übrigen können Bundesgesetze, die der Verteidigung einschließlich des Wehrersatzwesens und des Schutzes der Zivilbevölkerung dienen, mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, daß sie ganz oder teilweise in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau oder von den Ländern im Auftrage des Bundes ausgeführt werden. Werden solche Gesetze von den Ländern im Auftrage des Bundes ausgeführt, so können sie mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, daß die der Bundesregierung und den zuständigen obersten Bundesbehörden auf Grund des Artikels 85 zustehenden Befugnisse ganz oder teilweise Bundesoberbehörden übertragen werden; dabei kann bestimmt werden, daß diese Behörden beim Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften gemäß Artikel 85 Abs. 2 Satz 1 nicht der Zustimmung des Bundesrates bedürfen."[6]

  1. Artikel 96 Abs. 3 erhält folgende Fassung:
  "(3) Der Bund kann für Dienststrafverfahren gegen Bundesbeamte und Bundesrichter Bundesdienststrafgerichte sowie für Dienststrafverfahren gegen Soldaten und für Verfahren über Beschwerden von Soldaten Bundesdienstgerichte errichten."[7]
  1. Nach Artikel 96 wird folgender Artikel 96 a eingefügt:

"Artikel 96 a

  (1) Der Bund kann Wehrstrafgerichte für die Streitkräfte als Bundesgerichte errichten. Sie können die Strafgerichtsbarkeit nur im Verteidigungsfalle sowie über Angehörige der Streitkräfte ausüben, die in das Ausland entsandt oder an Bord von Kriegsschiffen eingeschifft sind. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
  (2) Die Wehrstrafgerichte gehören zum Geschäftsbereich des Bundesjustizministers. Ihre hauptamtlichen Richter müssen die Fähigkeit zum Richteramt haben.
  (3) Oberes Bundesgericht für die Wehrstrafgerichte ist der Bundesgerichtshof." [8]

  1. Artikel 137 Abs. 1 erhält folgende Fassung:

  "(1) Die Wählbarkeit von Beamten, Angestellten des öffentlichen Dienstes, Berufssoldaten, freiwilligen Soldaten auf Zeit und Richtern im Bund, in den Ländern und den Gemeinden kann gesetzlich beschränkt werden."

  1. Folgende Vorschrift wird als Artikel 143 eingefügt:

"Artikel 143

  Die Voraussetzungen, unter denen es zulässig wird, die Streitkräfte im Falle eines inneren Notstandes in Anspruch zu nehmen, können nur durch ein Gesetz geregelt werden, das die Erfordernisse des Artikels 79 erfüllt."[9]

A r t i k e l  II

  Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.[9]


  Das vorstehende Gesetz wird hiermit verkündet.


  Bonn, den 19. März 1956.

Der Bundespräsident
Theodor Heuss

Der Bundeskanzler
Adenauer

Für den Bundesminister der Justiz
Der Bundesminister des Innern
Dr. Schröder

Der Bundesminister des Innern
Dr. Schröder

Der Bundesminister für Verteidigung
Blank

 

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Anmerkungen:
[1] Art. 12 erhielt durch § 1 Nr. 4 des Siebzehnten Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes ["Notstandsgesetze"] vom 24. Juni 1968 eine neue Fassung.
[2] Art. 45 a Abs. 1 Satz 2 wurde durch Art. I Nr. 3 des Dreiunddreißigsten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 29 und 39) vom 23. August 1976 gestrichen.
[3] Art. 49 wurde durch Art. I Nr. 3 des Dreiunddreißigsten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 29 und 39) vom 23. August 1976 gestrichen.
[4] Nach Art. 45 b wurde durch Art. 1 des Zweiunddreißigsten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 45 c) vom 15. Juli 1975 ein neuer Art. 45 c eingefügt.
[5] Art. 59 a wurde durch § 1 Nr. 10 des Siebzehnten Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes ["Notstandsgesetze"] vom 24. Juni 1968 aufgehoben.
[6] Art. 65 a Abs. 2 wurde durch § 1 Nr. 11 des Siebzehnten Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes ["Notstandsgesetze"] vom 24. Juni 1968 gestrichen.
[7] Art. 87 a erhielt durch § 1 Nr. 14 des Siebzehnten Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes ["Notstandsgesetze"] vom 24. Juni 1968 eine neue Fassung.
[8] Nach Art. 87 b wurde durch Art. I Nr. 2 des Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 23. Dezember 1959 ein neuer Art. 87 c eingefügt.
[9] Der gesamte Art. 96 wurde durch Art. 1 Nr. 3 des Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 18. Juni 1968 aufgehoben.
[10] Art. 96 a erhielt durch Art. I Nr. 2 des Zwölften Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 6. März 1961 eine neue Fassung.
[11] Art. 143 wurde durch § 1 Nr. 17 des Siebzehnten Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes ["Notstandsgesetze"] vom 24. Juni 1968 aufgehoben.
[12] Dieses verfassungsändernde Bundesgesetz wurde am 21. März 1956 verkündet.


Quelle: Bundesgesetzblatt 1956 I, S. 111-113.


Empfohlene Zitierweise des Dokumentes:
Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes (19.03.1956), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/brd/1956/grundgesetz-art1-12-143_ges.html, Stand: aktuelles Datum.


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Letzte Änderung: 03.03.2004
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