Einundzwanzigstes Gesetz
zur Änderung des Grundgesetzes
(Finanzreformgesetz)
Vom 12. Mai 1969
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende
Gesetz beschlossen; Artikel 79 Abs. 2 des Grundgesetzes ist eingehalten:
Artikel I
Das Grundgesetz
für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (Bundesgesetzbl. S. 1) wird wie
folgt geändert und ergänzt: |
- Hinter Abschnitt VIII wird folgender neuer
Abschnitt VIII a mit den Artikeln 91 a und 91 b
eingefügt:
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"VIII a.
Gemeinschaftsaufgaben
Artikel 91 a
(1) Der Bund wirkt auf folgenden Gebieten bei der
Erfüllung von Aufgaben der Länder mit, wenn diese Aufgaben für die Gesamtheit bedeutsam
sind und die Mitwirkung des Bundes zur Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich
ist (Gemeinschaftsaufgaben):
- Ausbau und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen einschließlich der
Hochschulkliniken,[1]
- Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur,
- Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes.
(2) Durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates werden die
Gemeinschaftsaufgaben näher bestimmt. Das Gesetz soll allgemeine Grundsätze für, ihre
Erfüllung enthalten.
(3) Das Gesetz trifft Bestimmungen über das Verfahren und über Einrichtungen für
eine gemeinsame Rahmenplanung. Die Aufnahme eines Vorhabens in die Rahmenplanung bedarf
der Zustimmung des Landes, in dessen Gebiet es durchgeführt wird.
(4) Der Bund trägt in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 die Hälfte der
Ausgaben in jedem Land. In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 trägt der Bund
mindestens die Hälfte; die Beteiligung ist für alle Länder einheitlich festzusetzen.
Das Nähere regelt das Gesetz. Die Bereitstellung der Mittel bleibt der
Feststellung in den Haushaltsplänen des Bundes und der Länder vorbehalten.
(5) Bundesregierung und Bundesrat sind auf Verlangen
über die Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben zu unterrichten.
Artikel 91 b
Bund und Länder können auf Grund von Vereinbarungen bei der
Bildungsplanung und bei der Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der
wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung zusammenwirken. Die Aufteilung
der Kosten wird in der Vereinbarung geregelt." |
- Als einleitender Artikel zu Abschnitt X wird
folgender Artikel 104 a eingefügt:
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"Artikel 104 a
(1) Der Bund und die Länder tragen gesondert die Ausgaben, die
sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt.
(2) Handeln die Länder im Auftrage des Bundes, trägt der Bund die sich daraus
ergebenden Ausgaben.
(3) Bundesgesetze, die Geldleistungen gewähren und von den Ländern ausgeführt
werden, können bestimmen, daß die Geldleistungen ganz oder zum Teil vom Bund getragen
werden. Bestimmt das Gesetz, daß der Bund die Hälfte der Ausgaben oder mehr trägt, wird
es im Auftrage des Bundes durchgeführt. Bestimmt das Gesetz, daß die Länder ein Viertel
der Ausgaben oder mehr tragen, so bedarf es der Zustimmung des Bundesrates.
(4) Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen
der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) gewähren, die zur Abwehr einer Störung des
gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder zum Ausgleich unterschiedlicher
Wirtschaftskraft im Bundesgebiet oder zur Förderung des wirtschaftlichen
Wachstums erforderlich sind. Das Nähere, insbesondere die Arten der zu fördernden
Investitionen, wird durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, oder
auf Grund des Bundeshaushaltsgesetzes durch Verwaltungsvereinbarung geregelt.
(5) Der Bund und die Länder tragen die bei ihren Behörden entstehenden
Verwaltungsausgaben und haften im Verhältnis zueinander für eine
ordnungsmäßige Verwaltung. Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des
Bundesrates bedarf." |
- Artikel 105 wird wie folgt geändert:
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a) Absatz 2 erhält folgende Fassung: |
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"(2) Der Bund hat die konkurrierende
Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder
zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen." |
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b) Nach Absatz 2 wird folgender Absatz 2 a eingefügt: |
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"(2 a) Die Länder haben die Befugnis zur
Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie
nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind." |
- Artikel 106 erhält folgende
Fassung:
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"Artikel 106
(1) Der Ertrag der Finanzmonopole und das Aufkommen der folgenden Steuern stehen
dem Bund zu:
- die Zölle,
- die Verbrauchsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 2 den Ländern, nach Absatz 3 Bund
und Ländern gemeinsam oder nach Absatz 6 den Gemeinden zustehen,
- die Straßengüterverkehrsteuer,
- die Kapitalverkehrsteuern, die Versicherungsteuer und die Wechselsteuer,
- die einmaligen Vermögensabgaben und die zur Durchführung des Lastenausgleichs
erhobenen Ausgleichsabgaben,
- die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer,
- Abgaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften.
(2) Das Aufkommen der folgenden Steuern steht den Ländern zu:
- die Vermögensteuer,
- die Erbschaftsteuer,
- die Kraftfahrzeugsteuer,
- die Verkehrsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 1 dem Bund oder nach Absatz 3 Bund und
Ländern gemeinsam zustehen,
- die Biersteuer,
- die Abgabe von Spielbanken.
(3) Das Aufkommen der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und
der Umsatzsteuer steht dem Bund und den Ländern gemeinsam zu (Gemeinschaftsteuern),
soweit das Aufkommen der Einkommensteuer nicht nach Absatz 5 den Gemeinden
zugewiesen wird. Am Aufkommen der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer sind der
Bund und die Länder je zur Hälfte beteiligt. Die Anteile von Bund und Ländern an der
Umsatzsteuer werden durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf,
festgesetzt. Bei der Festsetzung ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
- Im Rahmen der laufenden Einnahmen haben der Bund und die Länder gleichmäßig Anspruch
auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben. Dabei ist der Umfang der Ausgaben unter
Berücksichtigung einer mehrjährigen Finanzplanung zu ermitteln.
- Die Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder sind so aufeinander abzustimmen,
daß ein billiger Ausgleich erzielt, eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden
und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt wird.
(4) Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer sind neu
festzusetzen, wenn sich das Verhältnis zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Bundes und
der Länder wesentlich anders entwickelt. Werden den Ländern durch Bundesgesetz
zusätzliche Ausgaben auferlegt oder Einnahmen entzogen, so kann die
Mehrbelastung durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, auch mit
Finanzzuweisungen des Bundes ausgeglichen werden, wenn sie auf einen kurzen Zeitraum
begrenzt ist. In dem Gesetz sind die Grundsätze für die Bemessung dieser
Finanzzuweisungen und für ihre Verteilung auf die Länder zu bestimmen.
(5) Die Gemeinden erhalten einen Anteil an dem Aufkommen der Einkommensteuer, der
von den Ländern an ihre Gemeinden auf der Grundlage der Einkommensteuerleistungen ihrer
Einwohner weiterzuleiten ist. Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung
des Bundesrates bedarf. Es kann bestimmen, daß die Gemeinden Hebesätze für den
Gemeindeanteil festsetzen.
(6) Das Aufkommen der Realsteuern steht den Gemeinden, das Aufkommen der örtlichen
Verbrauch- und Aufwandsteuern steht den Gemeinden oder nach Maßgabe der
Landesgesetzgebung den Gemeindeverbänden zu. Den Gemeinden ist das Recht einzuräumen,
die Hebesätze der Realsteuern im Rahmen der Gesetze festzusetzen. Bestehen in einem Land
keine Gemeinden, so steht das Aufkommen der Realsteuern und der örtlichen Verbrauch- und
Aufwandsteuern dem Land zu. Bund und Länder können durch eine Umlage an
dem Aufkommen der Gewerbesteuer beteiligt werden. Das Nähere über die Umlage bestimmt
ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Nach Maßgabe der
Landesgesetzgebung können die Realsteuern und der Gemeindeanteil vom Aufkommen der
Einkommensteuer als Bemessungsgrundlagen für Umlagen zugrunde gelegt werden.
(7) Von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftsteuern fließt den
Gemeinden und Gemeindeverbänden insgesamt ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender
Hundertsatz zu. Im übrigen bestimmt die Landesgesetzgebung, ob und inwieweit das
Aufkommen der Landessteuern den Gemeinden (Gemeindeverbänden) zufließt.
(8) Veranlaßt der Bund in einzelnen Ländern oder Gemeinden
(Gemeindeverbänden) besondere Einrichtungen, die diesen Ländern oder Gemeinden
(Gemeindeverbänden) unmittelbar Mehrausgaben oder Mindereinnahmen (Sonderbelastungen)
verursachen, gewährt der Bund den erforderlichen Ausgleich, wenn und soweit den Ländern
oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) nicht zugemutet werden kann, die Sonderbelastungen zu
tragen. Entschädigungsleistungen Dritter und finanzielle Vorteile, die diesen Ländern
oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) als Folge der Einrichtungen erwachsen, werden bei dem
Ausgleich berücksichtigt.
(9) Als Einnahmen und Ausgaben der Länder im Sinne dieses Artikels
gelten auch die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden (Gemeindeverbände)." |
- Artikel 107 erhält folgende
Fassung:
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"Artikel 107
(1) Das Aufkommen der Landessteuern und der Länderanteil am
Aufkommen der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer stehen den einzelnen
Ländern insoweit zu, als die Steuern von den Finanzbehörden in ihrem Gebiet
vereinnahmt werden (örtliches Aufkommen). Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des
Bundesrates bedarf, sind für die Körperschaftsteuer und die Lohnsteuer nähere
Bestimmungen über die Abgrenzung sowie über Art und Umfang der Zerlegung des
örtlichen Aufkommens zu treffen. Das Gesetz kann auch Bestimmungen über die
Abgrenzung und Zerlegung des örtlichen Aufkommens anderer Steuern treffen.
Der Länderanteil am Aufkommen der Umsatzsteuer steht den einzelnen Ländern nach
Maßgabe ihrer Einwohnerzahl zu; für einen Teil, höchstens jedoch für ein Viertel
dieses Länderanteils, können durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates
bedarf, Ergänzungsanteile für die Länder vorgesehen werden, deren Einnahmen aus den
Landessteuern und aus der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer je Einwohner unter
dem Durchschnitt der Länder liegen.
(2) Durch das Gesetz ist sicherzustellen, daß die unterschiedliche Finanzkraft der
Länder angemessen ausgeglichen wird; hierbei sind die Finanzkraft und der
Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände) zu berücksichtigen. Die
Voraussetzungen für die Ausgleichsansprüche der ausgleichsberechtigten Länder und für
die Ausgleichsverbindlichkeiten der ausgleichspflichtigen Länder sowie die
Maßstäbe für die Höhe der Ausgleichsleistungen sind in dem Gesetz zu bestimmen.
Es kann auch bestimmen, daß der Bund aus seinen Mitteln leistungsschwachen Ländern
Zuweisungen zur ergänzenden Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs
(Ergänzungszuweisungen) gewährt." |
- Artikel 108 erhält folgende Fassung:
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"Artikel 108
(1) Zölle, Finanzmonopole, die bundesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuern
einschließlich der Einfuhrumsatzsteuer und die Abgaben im Rahmen der Europäischen
Gemeinschaften werden durch Bundesfinanzbehörden verwaltet. Der Aufbau dieser Behörden
wird durch Bundesgesetz geregelt. Die Leiter der Mittelbehörden sind im Benehmen mit den
Landesregierungen zu bestellen.
(2) Die übrigen Steuern werden durch Landesfinanzbehörden verwaltet. Der Aufbau
dieser Behörden und die einheitliche Ausbildung der Beamten können durch Bundesgesetz
mit Zustimmung des Bundesrates geregelt werden. Die Leiter der Mittelbehörden sind im
Einvernehmen mit der Bundesregierung zu bestellen.
(3) Verwalten die Landesfinanzbehörden Steuern, die ganz oder zum Teil dem Bund
zufließen, so werden sie im Auftrage des Bundes tätig. Artikel 85 Abs. 3 und 4 gilt mit der Maßgabe, daß an die
Stelle der Bundesregierung der Bundesminister der Finanzen tritt.
(4) Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, kann bei der
Verwaltung von Steuern ein Zusammenwirken von Bundes- und Landesfinanzbehörden sowie für
Steuern, die unter Absatz 1 fallen, die Verwaltung durch Landesfinanzbehörden und für
andere Steuern die Verwaltung durch Bundesfinanzbehörden vorgesehen werden, wenn und
soweit dadurch der Vollzug der Steuergesetze erheblich verbessert oder erleichtert
wird. Für die den Gemeinden (Gemeindeverbänden) allein zufließenden Steuern kann die
den Landesfinanzbehörden zustehende Verwaltung durch die Länder ganz oder zum Teil
den Gemeinden (Gemeindeverbänden) übertragen werden.
(5) Das von den Bundesfinanzbehörden anzuwendende Verfahren wird durch
Bundesgesetz geregelt. Das von den Landesfinanzbehörden und in den Fällen des Absatzes 4
Satz 2 von den Gemeinden (Gemeindeverbänden) anzuwendende Verfahren kann durch
Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates geregelt werden.
(6) Die Finanzgerichtsbarkeit wird durch Bundesgesetz einheitlich geregelt.
(7) Die Bundesregierung kann allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen, und zwar
mit Zustimmung des Bundesrates, soweit die Verwaltung den Landesfinanzbehörden oder
Gemeinden (Gemeindeverbänden) obliegt." |
- Artikel 115 c Abs. 3
erhält folgende Fassung:
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"(3) Soweit es zur Abwehr eines
gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Angriffs erforderlich ist, kann für den
Verteidigungsfall durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates die Verwaltung und das
Finanzwesen des Bundes und der Länder abweichend von den Abschnitten VIII, VIII a und X geregelt werden, wobei die Lebensfähigkeit
der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, insbesondere auch in finanzieller Hinsicht,
zu wahren ist." |
- Artikel 115 k Abs. 3
erhält folgende Fassung:
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"(3) Gesetze, die von den
Artikeln 91 a, 91 b, 104 a,
106 und 107 abweichende Regelungen
enthalten, gelten längstens bis zum Ende des zweiten Rechnungsjahres, das auf die
Beendigung des Verteidigungsfalles folgt. Sie können nach Beendigung des
Verteidigungsfalles durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates geändert
werden, um zu der Regelung gemäß den Abschnitten VIII a und X überzuleiten." |
Artikel II
Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1970 in Kraft.[2]
Das vorstehende Gesetz wird hiermit verkündet.
Bonn, den 12. Mai 1969
Der Bundespräsident
Lübke
Der Bundeskanzler
Kiesinger
Der Bundesminister der Finanzen
Strauß
Der Bundesminister des Innern
Benda
Der Bundesminister der Justiz
Horst Ehmke
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