Verordnung des Reichspräsidenten gegen Verrat am Deutschen Volke
und hochverräterische Umtriebe.
Vom 28. Februar 1933.
Auf Grund des Artikel 48 Abs. 2 der Reichsverfassung wird folgendes verordnet:
1. A b s c h n i t t
Verschärfung der Vorschriften gegen Landesverrat und Verrat militärischer Geheimnisse
§ 1
Wer Landesverrat oder Verrat oder Ausspähung militärischer
Geheimnisse begeht, kann bestraft werden |
- bei schwerem Verrat militärischer Geheimnisse (§ 1 Abs. 3 des Gesetzes gegen den
Verrat militärischer Geheimnisse) mit dem Tode;
- bei Landesverrat nach § 92 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs und bei Verrat militärischer
Geheimnisse nach § 1 Abs. 1, des Gesetzes gegen den Verrat militärischer Geheimnisse mit
dem Tode oder lebenslangem Zuchthaus;
- bei Ausspähung militärischer Geheimnisse (§ 3 des Gesetzes gegen den Verrat
militärischer Geheimnisse) mit dem Tode oder mit lebenslangem Zuchthaus oder mit
Zuchthaus bis zu fünfzehn Jahren.
|
§ 2
(1) Wer durch Fälschung oder Verfälschung Gegenstände,
deren Geheimhaltung vor einer ausländischen Regierung im Falle der Echtheit
für das Wohl des Reichs erforderlich wäre, in der Absicht herstellt, sie
einer ausländischen Regierung bekanntzumachen oder öffentlich mitzuteilen, wird mit
Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer Gegenstände oder Nachrichten,
von denen er weiß, daß sie falsch sind, und deren Geheimhaltung vor einer ausländischen
Regierung im Falle der Echtheit oder Wahrheit für das Wohl des Reichs erforderlich wäre,
der ausländischen Regierung bekanntmacht oder öffentlich mitteilt, ohne sie als falsch
zu bezeichnen.
(3) Wer sich Gegenstände der im Abs. 2 bezeichneten Art in der Absicht
verschafft, sie einer ausländischen Regierung bekanntzumachen oder öffentlich
mitzuteilen, ohne sie als falsch zu bezeichnen, wird mit Zuchthaus bis zu fünf
Jahren bestraft.
(4) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnis nicht unter einem
Jahre ein.
§ 3
(1) Wer Gegenstände oder Nachrichten, deren Geheimhaltung für
das Wohl des Reich erforderlich wäre, wenn sie nicht bereits der ausländischen Regierung
bekannt oder öffentlich mitgeteilt worden wären, öffentlich mitteilt oder erörtert und
dadurch das Wohl des Reichs gefährdet, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten
bestraft. Es macht keinen Unterschied, ob die Gegenstände oder Nachrichten echt oder
falsch, wahr oder unwahr sind.
(2) Die Tat wird nur auf Antrag der Reichsregierung verfolgt. Die Zurücknahme des
Antrags ist zulässig.
§ 4
Auf Verbrechen und Vergehen gegen die §§ 2, 3 dieser Verordnung finden die Vorschriften des § 4 Abs. 2 Nr. 2 des
Strafgesetzbuchs Anwendung.
2. A b s c h n i t t
Bekämpfung hochverräterischer Umtriebe
§ 5
(1) Ist bei einem Hochverrat die Tat darauf gerichtet, die
Reichswehr oder die Polizei zur Erfüllung ihrer Pflicht untauglich zu machen, das
Deutsche Reich und seine Länder gegen Angriffe auf ihren äußeren oder
inneren Bestand zu schützen, so ist auf die in den §§ 81 bis 86 des
Strafgesetzbuchs angedrohte Zuchthausstrafe zu erkennen.
(2) Bei mildernden Umständen ist die Strafe in den Fällen des § 81 des
Strafgesetzbuchs Zuchthaus, in den Fällen der §§ 83 bis 85 des Strafgesetzbuchs
Gefängnis nicht unter einem Jahre, in den Fällen des § 86 des Strafgesetzbuchs
Gefängnis von einem bis zu drei Jahren.
§ 6
(1) Wer eine Druckschrift, deren Inhalt |
|
durch Aufforderung oder Anreizung zum gewaltsamen Kampf gegen die
Staatsgewalt oder zu dessen Vorbereitung oder
durch Aufforderung oder Anreizung zu einem hochverräterischen Bestrebungen dienenden
Streik in einem lebenswichtigen Betrieb, Generalstreik oder anderen Massenstreik
oder in anderer Weise |
den Tatbestand des Hochverrats (§§ 81 bis
86 des Strafgesetzbuchs) begründet, herstellt, verbreitet oder zum Zwecke der Verbreitung
vorrätig hält, obwohl er bei sorgfältiger Prüfung der Schrift den strafbaren Inhalt
hätte erkennen können, wird, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere Strafe
angedroht ist, mit Gefängnis von einem Monat bis zu drei Jahren bestraft.
(2) Auf Gegenstände, die zur Begehung eines nach dieser Vorschrift strafbaren
Vergehens gebraucht oder bestimmt sind, findet § 86 a des Strafgesetzbuchs entsprechende
Anwendung. |
3. A b s c h n i t t
Vorschriften über Zuständigkeit und Strafverfahren
§ 7
(1) Für Verbrechen und Vergehen gegen die §§ 2,
3 dieser Verordnung gilt § 134 des Gerichtsverfassungsgesetzes.
(2) Für Vergehen gegen § 6 sind die Amtsgerichte zuständig. §
6 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz findet keine Anwendung.
§ 8
(1) In den zur Zuständigkeit des Reichsgerichts gehörenden
Strafsachen können die nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung im
vorbereitenden Verfahren dem Amtsrichter obliegenden Geschäfte auch durch einen oder
mehrere besondere Ermittlungsrichter des Reichsgerichts vorgenommen werden. Die Bestellung
sowie die Verteilung der Geschäfte unter mehrere Ermittlungsrichter erfolgt
durch den Reichsminister der Justiz auf die Dauer eines Geschäftsjahres. Zum
Ermittlungsrichter kann jedes Mitglied eines deutschen Gerichts und jeder Amtsrichter
bestellt werden.
(2) Über die Beschwerde gegen eine Verfügung des Ermittlungsrichters
entscheidet das Reichsgericht.
(3) Die zur Durchführung erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften
erläßt der Reichsminister der Justiz.
§ 9
Ist eine Druckschrift nach § 23 des Gesetzes
über die Presse vom 7. Mai 1874 (Reichsgesetzbl. S. 65) oder nach § 8 der Verordnung zum
Schutze des Deutschen Volkes vom 4. Februar 1933 (Reichsgesetzbl. I S. 35)
beschlagnahmt worden, weil der Inhalt der Schrift den Tatbestand einer zur Zuständigkeit
des Reichsgerichts gehörenden strafbaren Handlung begründet, so gelten, wenn ein
Ermittlungsrichter des Reichsgerichts bestellt ist, folgende Vorschriften: |
- Über die Bestätigung oder Aufhebung der vorläufigen Beschlagnahme hat an Stelle des
Amtsrichters der Ermittlungsrichter des Reichsgerichts zu entscheiden.
- Die Entscheidung muß unverzüglich herbeigeführt werden. Die Behörde, die eine
Beschlagnahme ohne Anordnung des Oberreichsanwalts verfügt hat, muß die Absendung der
Verhandlungen an den Oberreichsanwalt spätestens binnen zwölf Stunden bewirken. Der
Oberreichsanwalt hat den Antrag auf gerichtliche Bestätigung, wenn er die Beschlagnahme
selbst angeordnet hat, binnen vierundzwanzig Stunden nach Anordnung der Beschlagnahme,
andernfalls binnen vierundzwanzig Stunden nach dem Empfang der Verhandlungen an den
Ermittlungsrichter
abzusenden, sofern er nicht die Wiederaufhebung der Beschlagnahme
mittels einer sofort vollstreckbaren Verfügung anordnet. Der Ermittlungsrichter hat die
Entscheidung binnen vierundzwanzig Stunden nach Empfang des Antrags zu erlassen.
- An die Stelle der im § 24 Abs. 4 des Gesetzes über die Presse bestimmten Frist tritt
eine Frist von sieben Tagen.
- Gegen den Beschluß des Ermittlungsrichters, der die vorläufige Beschlagnahme aufhebt,
steht dem Oberreichsanwalt die sofortige Beschwerde zu. Die Beschwerde hat aufschiebende
Wirkung.
- Die Vorschrift des § 26 des Gesetzes über die Presse findet keine Anwendung.
|
§ 10
(1) In den zur Zuständigkeit des Reichsgerichts gehörenden
Strafsachen entfällt die Voruntersuchung, wenn der Tatbestand einfach liegt und sie darum
nach dem pflichtmäßigem Ermessen des Oberreichsanwalts für die Vorbereitung der
Hauptverhandlung nicht erforderlich ist.
(2) Das Reichsgericht kann nach der Einreichung der Anklageschrift von Amts wegen
oder auf Antrag des Angeschuldigten die nachträglich Eröffnung einer Voruntersuchung
beschließen, wenn ihm dies zur besseren Aufklärung des Sachverhalts oder für die
Vorbereitung der Verteidigung des Angeschuldigten geboten erscheint.
4. A b s c h n i t t
Inkrafttreten der Verordnung
§ 11
§ 6 dieser Verordnung tritt mit dem Tage nach
der Verkündung in Kraft. Im übrigen tritt die Verordnung mit dem vierten Tage nach der
Verkündung in Kraft.[1]
Berlin, den 28. Februar 1933.
Der Reichspräsident
von Hindenburg
Der Reichskanzler
Adolf Hitler
Der Reichsminister des Innern
Frick
Der Reichsminister der Justiz
Dr. Gürtner
|