Verordnung über das Verfahren in Verwaltungssachen auf Grund des
Gesetzes zum Schutze des Republik.
Vom 3. April 1930.
Auf Grund der §§ 9 Abs. 4 und 13 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zum Schutze der Republik vom 25. März 1930
(Reichsgesetzbl. I S. 91) wird hiermit nach Zustimmung des Reichsrats verordnet:
§ 1
Der gemäß § 9 Abs. 4 und § 13 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zum Schutze des Republik bestimmte Senat des
Reichsgerichts ist zuständig für die Entscheidung darüber, |
- ob eine oberste Landesbehörde einem Ersuchen des Reichsministers des Innern
um die Auflösung eines Vereins oder um das Verbot einer periodischen Druckschrift
entsprechen muß (§ 9 Abs. 2 und § 13 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes);
- ob der Beschwerde gegen die Auflösung eines Vereins oder gegen das Verbot einer
periodischen Druckschrift stattzugeben ist, wenn die oberste
Landesbehörde ihr nicht abgeholfen hat (§ 9
Abs. 3 Satz 4 und § 13 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes);
- ob die Entscheidung einer obersten Landesbehörde, die der Beschwerde gegen die
Auflösung eines Vereins oder gegen das Verbot einer periodischen Druckschrift abgeholfen
hat (§ 9 Abs. 3 Satz 5 und § 13 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes), aufrechtzuerhalten oder ob die Auflösung
oder das Verbot erneut anzuordnen ist.
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§ 2
[1] Der Senat entscheidet auf Grund der ihm von den
Beteiligten vorgelegten Unterlagen. Zu ihrer Ergänzung kann er von den Beteiligten
schriftliche Äußerungen einholen und weitere Erhebungen abstellen, insbesondere
Zeugen und Sachverständige eidlich vernehmen. Auf solche Vernehmungen finden die
Vorschriften der Strafprozeßordnung entsprechende Anwendung. Die Gerichte sind zur
Rechtshilfe nach den Bestimmungen des Titels 13 des Gerichtsverfassungsgesetzes
verpflichtet.
[2] Der Senat kann mündliche Verhandlung anordnen, zu der
die Beteiligten zu laden sind. Die mündliche Verhandlung ist öffentlich. Die
Vorschriften der §§ 172, 174 bis 179, 182, 183 und des Titels 15 des
Gerichtsverfassungsgesetzes finden Anwendung.
[3] Zwischen der Zustellung der Ladung und der mündlichen
Verhandlung muß, wenn es sich um die Auflösung einer Vereins handelt, eine
Frist von mindestens einer Woche, wenn es sich um das Verbot einer periodischen
Druckschrift handelt, eine Frist von mindestens drei Tagen liegen. Mit Zustimmung der
Beteiligten ist Abkürzung dieser Fristen zulässig.
§ 3
Auf die Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen finden
die Vorschriften des 1. Buches, 1. Abschnitts, Titels 4 der Zivilprozeßordnung
entsprechende Anwendung.
§ 4
Die Entscheidung des Senats über das Verbot einer periodischen
Druckschrift soll innerhalb einer Woche nach dem Tage ergehen, an welchem das Ersuchen um
die Entscheidung des Senats bei ihm eingegangen ist.
§ 5
[1] Die Entscheidung des Senats erfolgen mit einfacher Mehrheit
der Stimmen.
[2] Die Entscheidungen sind schriftlich zu begründen und den Beteiligten
zuzustellen. Dem Reichsminister des Innern sind die Entscheidungen auch dann zuzustellen,
wenn er nicht Beteiligter war
§ 6
[1] Als Beteiligte gemäß §§ 2 und
5 gelten |
- im Falle des § 1 Ziffer 1 und 3
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a) der Reichsminister des Innern,
b) die oberste Landesbehörde, |
- im Falle des § 1 Ziffer 2
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a) der Reichsminister des Innern, wenn die Auflösung des Vereins oder das
Verbot des periodischen Druckschrift auf sein Ersuchen angeordnet worden ist, |
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b) die oberste Landesbehörde,
c) die Landesbehörde, welche die Auflösung des Vereins oder das Verbot der periodischen
Druckschrift angeordnet hat, |
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d) der Verein oder der verantwortliche Schriftleiter und der Verleger der
periodischen Druckschrift. |
[2] Die Beteiligten können sich in dem Verfahren
durch Bevollmächtigte vertreten lassen. |
§ 7
Die Zustellung der Ladungen und der Entscheidungen erfolgt nach
den Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Zustellung von Amts wegen (§§ 208
ff.).
§ 8
Die Verfahren werden durch die Gerichtsferien nicht gehemmt.
Berlin, den 3. April 1930.
Reichsminister des Innern
Wirth
Der Reichsminister der Justiz
Bredt
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