Dritte Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von
Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen.
Vom 6. Oktober 1931.
[- Auszug -]
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Erster Teil: Änderungen der Verordnungen des
Reichspräsidenten vom 1. Dezember
1930 und 5. Juni 1931 |
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Kapitel I. |
Tabaksteuer |
538 |
Kapitel II. |
Gehälter und Löhne |
538 |
Kapitel III. |
Reichsversorgung |
540 |
Kapitel IV. |
Erleichterung der Wohlfahrtslasten der Gemeinden |
540 |
Kapitel V. |
Finanzausgleich |
540 |
Zweiter Teil: Arbeitsvermittlung, Arbeitslosenversicherung und Krisenfürsorge |
541 |
Dritter Teil: Haushalts- und Schuldenwesen |
Kapitel I. |
Aufnahme von Anleihen und Darlehen durch Gemeinden |
543 |
Kapitel II. |
Umschuldung kurzfristiger Schulden von Ländern und Gemeinden |
544 |
Kapitel III. |
Einschränkung von Ausgaben der öffentlichen Verwaltung |
545 |
Kapitel IV. |
Beamtenbesoldung |
546 |
Kapitel V. |
Pensionskürzung |
546 |
Kapitel VI. |
Haushaltsaufstellung |
551 |
Vierter Teil: Wohnungs- und Siedlungswesen |
Kapitel I. |
Geldentwertungsausgleich bei bebauten Grundstücken |
551 |
Kapitel II. |
Landwirtschaftliche Siedlung, vorstädtische Kleinsiedlung, Bereitstellung
von Kleingärten für Erwerbslose |
551 |
Fünfter Teil: Handels- und Wirtschaftspolitik |
Kapitel I. |
Spar- und Girokassen, kommunale Kreditinstitute und Giroverbände sowie
Girozentralen |
554 |
Kapitel II. |
Kapitalherabsetzung in erleichterter Form |
556 |
Kapitel III. |
Herabsetzung übermäßig hoher Dienstvergütungen |
557 |
Kapitel IV. |
Garantie- und Anleiheermächtigungen |
558 |
Kapitel V. |
Überlandverkehr mit Kraftfahrzeugen |
558 |
Kapitel VI. |
Änderung des Lagerscheinwesens |
561 |
Kapitel VII. |
Erleichterung der Verwertung der Kartoffelernte |
561 |
Kapitel VIII. |
Prüfungspflicht der Wirtschaftsbetriebe der öffentlichen Hand |
562 |
Kapitel IX. |
Notgeld |
562 |
Sechster Teil: Rechtspflege |
Kapitel I. |
Vereinfachung und Ersparnisse |
563 |
Kapitel II. |
Sondergerichte |
565 |
Siebenter Teil: Bekämpfung politischer Ausschreitungen |
566 |
Achter Teil: Schlußbestimmungen |
568 |
Auf Grund des Artikel 48 Abs. 2 der Reichsverfassung wird folgendes verordnet:
[...]
Fünfter Teil
Handels- und Wirtschaftspolitik
[...]
Kapitel IX
Notgeld
§ 1
Der Reichsminister der Finanzen wird ermächtigt: |
- die Ausgabe und Weitergabe von Notgeld sowie jede Vorbereitung und Förderung des
Notgeldumlaufs zu verbieten,
- Notgeld für ungültig zu erklären oder anzuordnen, daß es binnen einer bestimmten
Frist aus dem Verkehr gezogen wird,
- zu bestimmen, was als Notgeld im Sinne dieser Verordnung anzusehen ist,
- die zur Durchführung dieser Bestimmungen erforderlichen Rechtsvorschriften und
Verwaltungsvorschriften zu erlassen,[1]
- die Vorschriften des Gesetzes über die Ausgabe und Einlösung von Notgeld vom 17. Juli
1922 (Reichsgesetzbl. I S. 693) und der Verordnung zur Änderung dieses Gesetzes vom 26.
Oktober 1923 (Reichsgesetzbl. I S. 1065) ganz oder teilweise außer Kraft zu setzen.
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§ 2
(1) Wer den nach § 1 erlassenen
Vorschriften zuwiderhandelt, kann unbeschadet einer nach anderen Vorschriften
einzuleitenden strafgerichtlichen Verfolgung mit einer Ordnungsstrafe bis zu zehntausend
Reichsmark bestraft werden, an deren Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit Ordnungshaft
bis zu sechs Wochen tritt.
(2) Notgeld, auf das sich die im Abs. 1 bezeichnete Handlung bezieht, ist zu
beschlagnahmen und einzuziehen; die zu seiner Herstellung bestimmten Formen oder anderen
Gegenstände können beschlagnahmt und eingezogen werden. Die Beschlagnahme und Einziehung
sind zulässig, auch wenn die Gegenstände nicht dem Täter oder einem Teilnehmer
gehören.
(3) Die Ordnungshaft und die Einziehung werden durch Bescheid des Reichsministers
der Finanzen festgesetzt. Der Bescheid ist zuzustellen. Gegen den Bescheid ist binnen zwei
Wochen nach der Zustellung der Antrag auf Entscheidung des Reichswirtschaftsgerichts
zulässig.
(4) Die ordentlichen Gerichte und die Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft haben dem
Reichsminister der Finanzen bei der Ermittlung des Sachverhalts und bei der Beschlagnahme
Rechtshilfe zu leisten. Der Reichsminister der Finanzen kann jede für die Vornahme einer
gerichtlichen Zwangsvollstreckung oder die Beitreibung im Zwangsvollstreckungsverfahren
zuständigen Stelle um die Durchführung der Beschlagnahme und die Vollstreckung des
Bescheids ersuchen. Die Vollstreckung erfolgt auf Grund des Ersuchens. Die ersuchte Stelle
verfährt nach den für die allgemeine geltenden Vorschriften. Den eingezogenen Geldbetrag
hat sie der Oberfinanzkasse ihres Bezirkes abzuliefern.
(5) Der Reichsminister der Finanzen kann die ihm nach Abs. 3 Satz 1 und nach Abs. 4
zustehenden Befugnisse auf eine andere Stelle übertragen. Er erläßt Vorschriften über
die Festsetzung und die Vollstreckung der an die Stelle einer uneinbringlichen
Ordnungsstrafe in Geld tretenden Ordnungshaft.
Sechster Teil
Rechtspflege
[...]
Kapitel II
Sondergerichte
(1) Die Reichsregierung wird ermächtigt, zur Aburteilung
bestimmter strafbarer Handlungen in Bezirken, in denen ein Bedürfnis dafür hervortritt,
Sondergerichte zu bilden.[2]
(2) Die Sondergerichte sind als Gerichte der Länder zu bilden. Die
Reichsregierung bestimmt im Benehmen mit den Landesregierungen die Bezirke und den Sitz
der Sondergerichte.
(3) Die Reichsregierung wird ferner ermächtigt, Vorschriften über die
Zusammensetzung der Sondergerichte, ihre Zuständigkeit und das Verfahren zu erlassen.
(4) Sie kann bestimmen, daß die Tätigkeit der Sondergerichte allgemein
oder in bestimmten Bezirken endet und wie die anhängigen Verfahren in die ordentliche
Gerichtsbarkeit überzuleiten sind.
Siebenter Teil
Bekämpfung politischer Ausschreitungen[3]
§ 1
Hochverrat
Die Vorschriften des Strafgesetzbuchs über den
Hochverrat sind in folgender Fassung anzuwenden: |
- Im § 86 Abs. 1 sind hinter den Worten "drei Jahren" die Worte einzufügen
"oder Gefängnis von einem bis zu drei Jahren".
- Hinter dem § 86 wird folgende Vorschrift eingefügt:
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§ 86 a |
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Gegenstände, die zur Begehung einer der in den
§§ 81 bis 86 bezeichneten Verbrechen gebraucht oder bestimmt sind, können eingezogen
oder unbrauchbar gemacht werden, auch wenn sie weder dem Täter noch einem Teilnehmer
gehören.
Kann keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden, so kann auf die
Einziehung oder Unbrauchbarmachung selbständig erkannt werden. |
Illegale Schriften
§ 2
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig
Druckschriften politischen Inhalts herstellt, verbreitet oder zum Zwecke der Verbreitung
vorrätig hält, auf denen zur Verheimlichung des Ursprunges die in
den §§ 6 und 7 des Reichsgesetzes über die Presse vom 7. Mai 1874 (Reichsgesetzbl. S.
65) vorgeschriebenen Angaben über Drucker, Verleger, Verfasser,
Herausgeber oder verantwortlichen Redakteur nicht enthalten oder
unrichtig, unvollständig oder unleserlich sind, wird, soweit nicht die Tat nach
anderen Vorschriften mit einer schwereren Strafe bedroht ist, mit Gefängnis bis zu
einem Jahre bestraft, wenn durch die Schrift |
- das Verbrechen des Hochverrats (§§ 81 bis 86 des Strafgesetzbuchs) oder
- ein Vergehen gegen die Vorschriften über verbotene Vereine (§ 1 des Gesetzes zum Schutze der Republik, § 7 der Verordnung zur Bekämpfung
politischer Ausschreitungen vom 28. März 1931) oder über verbotene Druckschriften
(§ 14 des Gesetzes zum Schutze der Republik, § 5 dieses Teiles) oder
- eine nach den §§ 110 bis 112 des Strafgesetzbuchs oder nach § 2 Nr. 2 der Verordnung zur Bekämpfung
politischer Ausschreitungen vom 28. März 1931 strafbare Aufforderungen oder Anreizung
begründet wird.
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(2) Wer wegen einer vorsätzlichen
Zuwiderhandlung nach Abs. 1 bestraft worden ist, wird, wenn er abermals der Vorschrift des
Abs. 1 vorsätzlich zuwiderhandelt, mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. §
245 des Strafgesetzbuchs findet entsprechende Anwendung.
(3) Auf Gegenstände, die zur Begehung eines nach diesen
Vorschriften strafbaren Verbrechens oder Vergehens gebraucht oder bestimmt sind,
findet § 1 Nr. 2 dieses Teiles (§ 86 a des
Strafgesetzbuchs) entsprechende Anwendung. |
§ 3
(1) Wer von dem Vorhandensein eines Vorrats von Druckschriften,
deren Inhalt den Tatbestand einer der im § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3
bezeichneten strafbaren Handlungen begründet, zu einem Zeitpunkt glaubhaft Kenntnis
erhält, zu dem das Vorhandensein dieses Druckschriftenvorrats der Behörde noch nicht
bekannt ist, ist verpflichtet, unverzüglich der Polizeibehörde Anzeige zu erstatten. Die
in seinen Besitz oder Gewahrsam gelangten Stücke der Druckschrift hat er unverzüglich
der Polizeibehörde abzuliefern.
(2) Wer es unterläßt, die Anzeige oder Ablieferung rechtzeitig zu bewirken, wird
mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft.
(3) Straffrei ist, wer eine Anzeige unterläßt, die er gegen Verwandte auf- und
absteigender Linie, Ehegatten oder Geschwister erstatten müßte. Ein Geistlicher ist
nicht verpflichtet, anzuzeigen, was ihm bei der Ausübung der Seelsorge anvertraut worden
ist.
Umgehung von Zeitungsverboten.
§ 4
(1) Eine periodische Druckschrift, die unter Duldung des Verlegers
den Beziehern einer verbotenen Druckschrift als deren Ersatz zur Abwendung der Folgen des
Verbots zugestellt wird, kann für die im § 12 Abs. 2 der Verordnung zur Bekämpfung
politischer Ausschreitungen vom 28. März 1931 (Reichsgesetzbl. I S. 79) bestimmte
Dauer verboten werden.
(2) Zuständig für das Verbot ist die Stelle, die das erste Verbot angeordnet hat.
Erscheint die als Ersatz zugestellte periodische Druckschrift in einem anderen Lande als
die verbotene, so ist die zuständige Landesbehörde von der Stelle, die das erste Verbot
angeordnet hat, um Anordnung des Verbots der als Ersatz zugestellten periodischen
Druckschrift zu ersuchen. Will die ersuchte Behörde das Verbot nicht anordnen, so hat sie
die Entscheidung des Reichsministers des Innern anzurufen; die Vorschrift des § 13 Abs. 3 der Verordnung zur Bekämpfung
politischer Ausschreitungen vom 28. März 1931 findet Anwendung.
(3) Gegen das Verbot ist die Beschwerde an einen von Präsidium zu bestimmenden
Senat des Reichsgerichts entsprechend den Vorschriften des § 13 der Verordnung zur Bekämpfung
politischer Ausschreitungen vom 28. März 1931 zulässig. § 15 Abs. 1 der genannten Verordnung findet
Anwendung.[4]
§ 5
Wer eine auf Grund des § 4 dieses Teiles oder
auf Grund der Verordnung zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 28. März 1931
(Reichsgesetzbl. I S. 79) oder vom 10. August 1931
(Reichsgesetzbl. I S. 436) verbotene periodische Druckschrift herausgibt, druckt oder
verbreitet, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft, neben dem auf
Geldstrafe erkannt werden kann.
§ 6
Änderungen des Lichtspielgesetzes
Das Lichtspielgesetz ist in folgender Fassung
anzuwenden: |
- Im § 1 Abs. 2 Satz 2 wird hinter den Worten "geeignet ist" eingefügt
"lebenswichtige Interessen des Staates oder".
- § 4 Abs. 1 erhält folgende Fassung:
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Die Zulassung eines Bildstreifens kann auf Antrag
des Reichsministers des Innern oder einer obersten Landesbehörde durch die
Oberprüfstelle für das Reich oder ein bestimmtes Gebiet widerrufen werden, wenn sich
nachträglich ein Versagungsgrund im Sinne der §§ 1, 3 ergibt. Die den Widerruf
beantragende Stelle kann die weitere Vorführung des Bildstreifens bis zur Entscheidung
der Oberprüfstelle untersagen. |
§ 7
Schließung von Sammelstätten staatsgefährlicher Betätigung
(1) Räumlichkeiten |
- von denen aus eine Mehrheit von Personen aus politischen Beweggründen oder zu
politischen Zwecken gemeinsam oder zusammen mit anderen Gewalttätigkeiten gegen Personen
oder Sachen begangen hat oder von denen nach den Umständen zu besorgen ist, daß sie von
einer Mehrheit von Personen als Sammelstätten oder Stützpunkte für Gewalttätigkeiten
dieser Art benutzt werden oder
- in denen Schriften hergestellt oder zum Zwecke der Verbreitung vorrätig gehalten
werden, deren Inhalt den Tatbestand einer der im § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis
3 bezeichneten strafbaren Handlungen begründet oder
- in denen eine Mehrheit von Personen Aufenthalt oder Unterkunft gewährt wird, die in
diesen Räumen eine nach § 11 des Gesetzes zum Schutze der Republik vom 25. März
1930 (Reichsgesetzbl. I S. 91) oder nach § 7 der Verordnung zur Bekämpfung
politischer Ausschreitungen vom 28. März 1931 (Reichsgesetzbl. I S. 79) verbotene
Tätigkeit ausüben,
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können polizeilich geschlossen werden, wen dies für
die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur
Beseitigung der Gefahr der Wiederholung solcher Taten, erforderlich ist. Die in
solchen Räumlichkeiten befindlichen Waffen können beschlagnahmt und eingezogen
werden. § 15 Abs. 1
der Verordnung zur
Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 28. März 1931 (Reichsgesetzbl. I S. 79)
findet Anwendung.
(2) Das Verbot kann auf Räume erstreckt werden, die mit dem im Abs. 1 bezeichneten
Räumlichkeiten zusamenhängen.
(3) Handelt es sich um eine Gast- oder Schankwirtschaft, so kann die Erlaubnis zum
Betriebe von der Ortspolizeibehörde bis zur Dauer von drei Monaten entzogen werden.
(4) Gegen eine polizeiliche Maßnahme nach Abs. 1 bis 3 ist die Beschwerde im
Dienstaufsichtswege zulässig. Der Reichsminister des Innern ist jederzeit berechtigt, die
Aufhebung der Maßnahme anzuordnen.
(5) Wer eine nach Abs. 1 bis 3 polizeilich geschlossene Räumlichkeit vor Aufhebung
der Schließung benutzt oder anderen zur Benutzung überläßt, wird mit Gefängnis nicht
unter drei Monaten bestraft. Bei Gast- und Schankwirten, die wegen Zuwiderhandlung gegen
diese Vorschrift rechtskräftig verurteilt worden sind, kann die höhere
Verwaltungsbehörde mit Wirkung für das Reichsgebiet aussprechen, daß sie für eine
bestimmte Zeit oder für die Dauer nicht die Zuverlässigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr.
1 des Gaststättengesetzes vom 28. April 1930 (Reichsgesetzbl. I S. 146) besitzen. |
§ 8
Polizeiliche Haft bei Waffendelikten
(1) Wer auf frischer Tat bei einem Verbrechen oder Vergehen
betroffen wird, das mittels einer Waffe begangen ist oder dessen Strafbarkeit durch
unbefugtes Führen einer Waffe oder unbefugtes Erscheinen mit einer Waffe begründet ist,
ist in polizeiliche Haft zu nehmen, wenn dies im Interesse der
öffentlichen Sicherheit erforderlich ist, und so lange
festzuhalten, als diese Voraussetzung vorliegt.
(2) Die polizeiliche Haft ist auszuheben, wenn und solange
gegen den Verhafteten die gerichtliche Untersuchungshaft verhängt wird oder
wenn drei Monate seit der Inhaftnahme vergangen sind.
(3) Gegen die Anordnung der polizeilichen Haft ist die Beschwerde im
Dienstaufsichtswege zulässig.
(4) Bestreitet der Verhaftete die Begehung der ihm zur Last gelegten Tat, so hat
auf seinen Antrag über die Frage, ob dringender Tatverdacht vorliegt, der Amtsrichter des
Bezirkes zu entscheiden, in dem die Haft vollstreckt wird. Verneint der Amtsrichter einen
dringenden Tatverdacht, so ist die polizeiliche Haft aufzuheben. Das gleiche gilt, wenn
eine einen dringenden Tatverdacht verneinende gerichtliche Entscheidung in dem
Strafverfahren ergeht, das wegen der Tat eingeleitet worden ist. Bejaht der Amtsrichter
den dringenden Tatverdacht, so kann der Verhaftete eine neue Entscheidung des Amtsrichters
nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel beantragen.
§ 9
Zuwiderhandlung gegen Versammlungsverbote
Wer einem auf Grund des Artikels 123
Abs. 2 der Reichsverfassung erlassenen Versammlungs- oder
Aufzugsverbote zuwiderhandelt, wird nach den Vorschriften der §§ 2, 3 der Verordnung zur Bekämpfung
politischer Ausschreitungen vom 28. März 1931 (Reichsgesetzbl. I S. 79) bestraft.
§ 10
Änderung der Verordnung des Reichspräsidenten vom 28. März 1931
Die Verordnung zur Bekämpfung
politischer Ausschreitungen vom 28. März 1931 (Reichsgesetzbl. I S. 79) wird wie
folgt geändert: |
- § 2
erhält folgenden zweiten Absatz:
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Die Vorschrift des Abs. 1 Nr. 1 ist nicht anzuwenden, wenn ein
politischer Zweck mit der Tat nicht verbunden war und eine Störung oder Gefährdung der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht eingetreten ist. |
- § 3 erhält
folgende Fassung:
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Wer an einer nicht angemeldeten oder verbotenen
Versammlung teilnimmt oder den Raum dafür zur Verfügung stellt, wird mit Gefängnis und
mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. Das gleiche gilt für die Teilnahme
an einem nicht angemeldeten oder verbotenen Aufzug. Die Vorschrift des § 2
Abs. 2 findet entsprechende Anwendung. |
- § 10
Abs. 1 erhält folgende Fassung:
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Plakate und Flugblätter, deren Inhalt geeignet
ist, die öffentliche Sicherheit oder Ordnung zu gefährden, können polizeilich verboten,
beschlagnahmt oder eingezogen werden. |
- § 11
Abs. 1 erhält folgende Fassung:
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Wer Plakate und Flugblätter politischen Inhalts
an oder auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen anschlägt, ausstellt, verbreitet
oder sonst der Öffentlichkeit zugänglich macht, die nicht mindestens 24 Stunden vorher
der zuständigen Behörde zur Kenntnisnahme vorgelegt oder die gemäß § 10
Abs. 1 polizeilich verboten worden sind, wird mit Gefängnis bis zu drei Monaten oder
mit Geldstrafe bestraft.[5] |
§ 11
Die Vorschriften dieses Teiles treten mit ihrer Verkündung in Kraft.
Achter Teil
Schlußbestimmungen
§ 1
Die im Artikel 48 Abs. 2 der Reichsverfassung genannten Grundrechte werden für die
Geltungsdauer dieser Verordnung in dem zu ihrer Durchsetzung erforderlichen Umfang außer
Kraft gesetzt.
§ 2
Diese Verordnung tritt, soweit sie nichts anderes bestimmt, mit
dem auf ihre Verkündung folgenden Tag in Kraft.
Berlin, den 6. Oktober 1931.
Der Reichspräsident
von Hindenburg
Die Reichsregierung |
Dr. Brüning |
Dietrich |
Reichskanzler |
Der Stellvertreter des Reichskanzlers
und Reichsminister der Finanzen |
Dr. Curtius |
Dr. Wirth |
Reichsminister des Auswärtigen |
Reichsminister des Innern |
Dr. h. c. Stegerwald |
Dr. h. c. Groener |
Reichsarbeitsminister |
Reichswehrminister |
Dr. Schätzel |
Dr. h. c. Schiele |
Reichspostminister |
Reichsminister für Ernährung und
Landwirtschaft |
von Guérard |
Treviranus |
Reichsverkehrsminister |
Reichsminister |
Dr. Joėl |
Dr. Tredelenburg |
mit Wahrnehmung der Geschäfte des
Reichsministers der Justiz beauftragt
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mit Wahrnehmung der Geschäfte des
Reichswirtschaftsministers beauftragt
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