Friedensvertrag von Versailles
["Versailler Vertrag"].
Vom 28. Juni 1919.
[...]
[ Teil II.
Deutschlands Grenzen]
Teil III.
Politische Bestimmungen über Europa.
Abschnitt I.
Belgien.
Artikel 31.
In Anerkennung der Tatsache, daß die Verträge vom 19. April
1839, die vor dem Kriege die Rechtslage Belgiens bestimmten, durch die Verhältnisse
überholt sind, stimmt Deutschland der Aufhebung dieser Verträge zu und verpflichtet sich
schon jetzt zu Anerkennung und Beobachtung aller wie auch immer gearteten Übereinkommen,
die die alliierten und assoziierten Hauptmächte oder einzelne von ihnen mit der
belgischen oder der niederländischen Regierung zum Ersatz der genannten Verträge von
1839 etwa abschließen. Sollte sein förmlicher Beitritt zu diesem Übereinkommen oder zu
einzelnen ihrer Bestimmungen gefordert werden, so verpflichtet sich Deutschland schon
jetzt, diesen Beitritt zu erklären.
Artikel 32.
Deutschland erkennt die volle Souveränität Belgiens über das
ganze streitige Gebiet von Moresnet (das sogenannte "Neutral-Moresnet") an.
Artikel 33.
Deutschland verzichtet zugunsten Belgiens auf alle Rechte und
Ansprüche auf das westlich der Straße Lüttich-Aachen liegende Gebiet von
Preußisch-Moresnet. Die am Rande dieses Gebietes verlaufende Strecke der Straße fällt
an Belgien.
Artikel 34.
Deutschland verzichtet außerdem zugunsten Belgiens auf alle
Rechte und Ansprüche auf das gesamte Gebiet der Kreise Eupen und Malmedy.
Während sechs Monaten nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags werden von
der belgischen Behörde in Eupen und Malmedy Listen ausgelegt; die Einwohner dieser
Gebiete sind berechtigt, darin schriftlich den Wunsch auszudrücken, daß diese Gebiete
ganz oder teilweise unter deutscher Souveränität verbleiben.
Es ist Sache der belgischen Regierung, das Ergebnis dieser [engl. Text: dieser
öffentlichen] Äußerung der Bevölkerung zur Kenntnis des Völkerbundes zu bringen,
dessen Entscheidung anzunehmen sich Belgien verpflichtet.
Artikel 35.
Ein Ausschuß von sieben Mitgliedern, von denen fünf von den
alliierten und assoziierten Hauptmächten, eines von Deutschland und eines von Belgien
ernannt werden, tritt zwei Wochen nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags zusammen,
um an ort und Stelle unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse und der
Verkehrswege die neue Grenzlinie zwischen Belgien und Deutschland festzusetzen.
Dieser Ausschuß entscheidet mit Stimmenmehrheit. Seine Entscheidungen sind für
die Beteiligten bindend.
Artikel 36.
Mit dem endgültigen Übergang der Souveränität über die
obenbezeichneten Gebiete erwerben die deutschen Reichsangehörigen, die in diesen Gebieten
ihren Wohnsitz haben, endgültig und von Rechts wegen die belgische Staatsangehörigkeit
unter Verlust der deutschen.
Indes können deutsche Reichsangehörige, die sich nach dem 1. August 1914 in
diesem Gebieten niedergelassen haben, die belgische Staatsangehörigkeit nur mit
Genehmigung der belgischen Regierung erwerben.
Artikel 37.
Während zweier Jahre nach dem endgültigen Übergang der
Souveränität über die durch den gegenwärtigen Vertrag Belgien zugesprochenen Gebiete
sind die über achtzehn Jahre alten deutschen Reichsangehörigen, die in diesen Gebieten
ansässig sind, berechtigt, für die deutsche Reichsangehörigkeit zu optieren.
Die Option des Ehemannes erstreckt ihre Wirkung auf die Ehefrau, die Option der
Eltern erstreckt ihre Wirkung auf Kinder unter achtzehn Jahren.
Personen, die von dem oben vorgesehenen Optionsrecht Gebrauch machen, müssen
innerhalb der nächsten zwölf Monate ihren Wohnsitz nach Deutschland verlegen.
Es steht ihnen frei, das unbewegliche Gut, daß sie in den von Belgien erworbenen
Gebieten besitzen, zu behalten. Sie dürfen ihr gesamtes bewegliches Gut mitnehmen. Es
wird dafür keinerlei Ausfuhr- oder Ei8nfuhrzoll von ihnen erhoben.
Artikel 38.
Die deutsche Regierung hat der belgischen Regierung unverzüglich
die Archive, Register, Pläne, Urkunden und Schriftstücke aller Art betreffend die
Zivil-, Militär-, Finanz-, Justiz- und sonstige Verwaltung des unter die Souveränität
Belgiens tretenden Gebiets zu übermitteln.
Desgleichen hat die deutsche Regierung die im Laufe des Krieges von den deutschen
Behörden aus dem belgischen öffentlichen Verwaltungsstellen, namentlich aus dem
Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten zu Brüssel, entnommenen Archive und Urkunden
aller Art der belgischen Regierung zurückzustellen.
Artikel 39.
Umfang und Art der von Belgien auf Grund der Gebietsabtretungen zu
übernehmenden finanziellen Lasten Deutschlands und Preußens werden gemäß Artikel 254 und 256 Teil IX
(Finanzielle Bestimmungen) des gegenwärtigen Vertrags festgesetzt.
Abschnitt II.
Luxemburg.
Artikel 40.
Deutschland verzichtet hinsichtlich des Großherzogtums Luxemburg
auf die Geltendmachung aller Bestimmungen, die zu seinen Gunsten in den Verträgen vom 8.
Januar 1842, 2. April 1847, 20./25. Oktober 1865, 18. August 1866, 21. Februar und 11. Mai
1867, 10. Mai 1871, 11. Juni 1872 und 11. November 1902 sowie in allen an die genannten
Verträge sich anschließenden Übereinkommen enthalten sind.
Deutschland erkennt an, daß das Großherzogtum Luxemburg mit dem 1. Januar 1919
aufgehört hat, dem deutschen Zollverein anzugehören, verzichtet auf alle Rechte
bezüglich des Eisenbahnbetriebes, stimmt der Aufhebung der Neutralisierung des
Großherzogtums zu und nimmt im voraus alle internationalen Vereinbarungen an, die von den
alliierten und assoziierten Mächten hinsichtlich des Großherzogtums geschlossen werden.
Artikel 41.
Deutschland verpflichtet sich, dem Großherzogtum Luxemburg auf
ein entsprechendes Ersuchen der alliierten und assoziierten Hauptmächte die Vorteile und
Rechte zugute kommen zu lassen, die im gegenwärtigen Vertrage zugunsten der genannten
Mächte oder ihrer Staatsangehörigen in wirtschaftlicher Hinsicht sowie im Verkehrs- und
Luftschiffahrtswesen ausbedungen sind.
Abschnitt III.
Linkes Rheinufer.
Artikel 42.
Es ist Deutschland untersagt, auf dem linken Ufer des Rheines und
auf dem rechten Ufer westlich einer 50 km östlich des Stromes verlaufenden Linie
Befestigungen beizubehalten oder anzulegen.
Artikel 43.
Ebenso ist in der im Artikel 42 bezeichneten
Zone die ständige oder zeitweise Unterhaltung oder Sammlung von Streitkräften untersagt.
Das gleiche gilt für jedwede militärischen Übungen und die Beibehaltung aller
materiellen [engl. Text: statt "materiellen", "ständigen"]
Vorkehrungen für die Mobilmachung.
Artikel 44.
Jeder etwaige Verstoß Deutschlands gegen die Bestimmungen der
Artikel 42 und 43 gilt als eine feindselige Handlung
gegen die Signatarmächte des gegenwärtigen Vertrags und als Versuch einer Störung des
Weltfriedens.
Abschnitt IV.
Saarbecken.
Artikel 45.
Als Ersatz für die Zerstörung der Kohlegruben in Nordfrankreich
und als Anzahlung auf die von Deutschland geschuldete völlige Wiedergutmachung*
[*Übersetzung laut dem engl. Text] der Kriegsschäden tritt Deutschland das volle und
unbeschränkte, völlig schulden- und lastenfrei Eigentum an den Kohlegruben im
Saarbecken, wie es im Artikel 48 abgegrenzt ist, mit dem
ausschließlichen Ausbeutungsrecht an Frankreich ab.
Artikel 46.
Zur Sicherstellung der Rechte und der Wohlfahrt der Bevölkerung,
und um Frankreich volle Freiheit bei der Ausbeutung der Gruben zu verbürgen, nimmt
Deutschland die Bestimmungen der Kapitel I und II der beigefügten Anlage an.
Artikel 47.
Zum Zweck endgültiger, zur gegebenen Zeit unter Berücksichtigung
der Wünsche der Bevölkerung vorzunehmender Regelung der Rechtsstellung des Saarbeckens
nehmen Frankreich und Deutschland die Bestimmungen des Kapitels III
der beigefügten Anlage an.
Artikel 48.
Die Grenzen des Saarbeckengebiets, das den Gegenstand der
gegenwärtigen Bestimmungen bildet, werden, wie folgt, festgesetzt:
Im Süden und Südwesten: Die französische Grenze, wie sie in dem gegenwärtigen
Vertrage festgesetzt ist;
Im Nordwesten und Norden: Die Grenzlinie folgt der nördlichen
Verwaltungsgrenze des Kreises Merzig von dem Punkte, wo sie sich von der französischen
Grenze trennt, bis zu ihrem Schnittpunkte mit der Verwaltungsgrenze zwischen den Gemeinden
Saarhölzbach und Britten;
sie folgt dann dieses Gemeindegrenze nach Süden bis zur Verwaltungsgrenze der
Bürgermeisterei Merzig derart, daß die Bürgermeisterei Mettlach mit Ausnahme der
Gemeinde Britten in das Saarbeckengebiet fällt; sodann folgt sie den nördlichen
Verwaltungsgrenzen der Bürgermeistereien Merzig und Haustadt, die dem Saarbeckengebiet
einverleibt werden, dann nacheinander den Verwaltungsgrenzen, die die Kreise Saarlouis,
Ottweiler und Sankt Wendel von den Kreisen Merzig und Trier und dem Fürstentum Birkenfeld
trennen, bis zu einem Punkte ungefähr 500 Meter nördlich des Dorfes Furschweiler
(Gipfelpunkt des Metzelberges);
Im Nordosten und Osten:
Von dem letztgenannten Punkt bis zu einem Punkt ungefähr 3˝ km ostnordöstlich
von Sankt Wedel:
eine im Gelände noch zu bestimmende Linie, die östlich von Furschweiler, westlich
von Roschwerg, östlich der Höhen 418 und 329 (südlich von Roschberg), westlich von
Leitersweiler, nordöstlich der Höhe 464 verläuft und dann nach Süden der Kammlinie bis
zu ihrem Treffpunkt mit der Verwaltungsgrenze des Kreises Kusel folgt;
von dort nach Süden die Grenze des Kreises Kusel, dann die des Kreises Homburg,
dann in südsüdöstlicher Richtung bis zu einem Punkte ungefähr 1000 m westlich von
Dunzweiler;
von dort bis zu einem Punkte ungefähr 1 km südlich von Hornbach:
eine im Gelände noch zu bestimmende Linie, die die Höhe 424 (ungefähr 1000 m
südöstlich von Dunzweiler), die Höhen 363 (Fuchsberg), 322 (südwestlich von Waldmohr)
schneidet, dann östlich von Jägersburg und Erbach verläuft, dann Homburg einschließend
die Höhen 361 (ungefähr 2˝ km ostnordöstlich der Stadt), 342 (ungefähr 2 km
südöstlich der Stadt), 357 [engl. Text: 347] (Schreinersberg), 356, 350 (ungefähr 1˝
km südöstlich von Schwarzenbach) schneidet, sodann östlich von Einöd, südöstlich der
Höhen 322 und 333 ungefähr 2 km östlich von Webenheim, ungefähr 2 km östlich von
Mimbach verläuft, die Geländewelle, über die die Straße Mimbach-Böckweiler führt,
östlich umgeht, so daß diese Straße in das Saargebiet fällt, unmittelbar nördlich der
ungefähr 2 km von Altheim kommenden Straßen verläuft, dann über Ringweilerhof, das
ausgeschlossen bleibt, und die Höhe 322, die eingeschlossen wird, die französische
Grenze an der Biegung erreicht, die sie etwa 1 km südlich von Hornbach bildet.
(Vergleiche die dem gegenwärtigen Vertrage als Anlage unter Nr. 2 beigefügte Karte im
Maßstab 1:100000.)
Ein Ausschuß von fünf Mitgliedern, von denen eines von Frankreich, eines von
Deutschland und drei von dem Rate des Völkerbunds, welch letzterer seine Wahl unter den
Staatsangehörigen anderer Mächte zu treffen hat, ernannt werden, tritt binnen zwei
Wochen nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags zusammen, um an Ort und Stelle den
Verlauf der obenbeschriebenen Grenzlinie festzulegen.
Wo dieser verlauf nicht mit den Verwaltungsgrenzen zusammenfällt, wird der
Ausschuß bemüht sein, dem angegebenen Verlauf unter möglichster Berücksichtigung der
örtlichen Wirtschaftsinteressen und der bestehenden Gemeindegrenzen nahezukommen.
Dieser Ausschuß entscheidet mit Stimmenmehrheit. Seine Entscheidungen sind für
die Beteiligten bindend.
Artikel 49.
Deutschland verzichtet zugunsten des Völkerbunds, der insoweit
als Treuhänder gilt, auf die Regierung des obenbezeichneten Gebiets.
Nach Ablauf einer Frist von fünfzehn Jahren nach Inkrafttreten des gegenwärtigen
Vertrags wird die Bevölkerung dieses Gebietes zu einer Äußerung darüber berufen, unter
welche Souveränität sie zu treten wünscht.
Artikel 50.
Die Bestimmungen, nach denen die Abtretung der Gruben des
Saarbeckens zu erfolgen hat, sowie die Maßnahmen, die den Schutz der Rechte und die
Wohlfahrt der Bevölkerung zugleich mit der Regierung des Gebiets sicherstellen sollen,
und die Bedingungen, unter denen die oben vorgesehene Äußerung der Bevölkerung
stattzufinden hat, sind in der Anlage niedergelegt, die als untrennbarer Bestandteil des
gegenwärtigen Vertrags gilt und die Deutschland gutzuheißen erklärt.
Anlage.
Gemäß den Abreden der Artikel 45 bis 50 des gegenwärtigen Vertrags werden die Bestimmungen, nach denen die
Abtretung der Gruben des Saarbeckens von Deutschland an Frankreich zu erfolgen hat, sowie
die Maßnahmen, die den Schutz der Rechte und die Wohlfahrt der Bevölkerung zugleich mit
der Regierung des Gebietes sicherstellen sollen, und ferner die Bedingungen, unter denen
die Bevölkerung zu einer Äußerung darüber berufen werden soll, unter welche
Souveränität sie zu treten wünscht, wie folgt festgesetzt:
Kapitel I.
Abtretung und Ausbeutung der Gruben.
§ 1.
Mit dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags erwirbt der
französische Staat das volle und unbeschränkte Eigentum an sämtlichen Kohlefeldern in
den Grenzen des Saarbeckens, wie sie im Artikel 48 dieses Vertrags
näher umschrieben sind.
Der französische Staat hat das Recht, diese Gruben auszubeuten oder nicht
auszubeuten oder das Ausbeutungsrecht an Dritte abzutreten, ohne vorher eine Ermächtigung
dazu einholen oder irgendeine Förmlichkeit erfüllen zu müssen.
Der französische Staat kann jederzeit die Anwendung der weiter unten genannten
deutschen Berggesetze und -verordnungen zwecks Festlegung seiner Rechte beanspruchen.
§ 2.
Das Eigentumsrecht des französischen Staates erstreckt sich auf
die freien und noch nicht verliehenen sowie auf die bereits verliehenen Kohlefelder,
einerlei, wer der gegenwärtige Eigentümer ist. Es begründet keinen Unterschied, ob sie
dem preußischen Staate, dem bayrischen Staate, anderen Staaten oder Körperschaften,
Gesellschaften oder Privatleuten gehören, auch keinen Unterschied, ob sie bereits
ausgebeutet werden oder nicht, endlich keinen Unterschied, ob ein von dem Rechte des
Grundeigentümers gesondertes Ausbeutungsrecht anerkannt ist oder nicht.
§ 3.
Bei den bereits erschlossenen Gruben erstreckt sich die
Übertragung des Eigentums an den französischen Staat auf alle Nebenanlagen dieser
Gruben, insbesondere auf die Einrichtungen und das Gerät zu Gewinnung über und unter
Tage, auf das Förderungsgerät, auf die Werke zur Umwandlung von Kohle in elektrische
Kraft, Koks und Nebenprodukte, Werkstätten, Verkehrswege, elektrische Leitungen,
Wassersammelanlagen und Wasserleitungen, Grundstücke und Gebäude, wie Verwaltungsräume,
Wohnungen von Direktoren, Angestellten und Arbeitern, auf Schulen, Krankenhäuser und
Polikliniken, auf Lager und Vorräte jeder Art, auf Archive und Pläne, überhaupt auf
alles, was die Eigentümer der Gruben oder diejenigen, die sie betreiben, zur Ausbeutung
der Gruben und ihrer Nebenanlagen in Besitz oder Nutzung haben.
Die Übertragung erstreckt sich gleichfalls auf ausstehende Forderungen für
Erzeugnisse, die vor der Besitzergreifung durch den französischen Staat und nach der
Unterzeichnung des gegenwärtigen Vertrags geliefert werden, sowie auf die von Abnehmern
hinterlegten Summen; der französische Staat verbürgt diesen Abnehmern ihre Ansprüche.
§ 4.
Der französische Staat erwirbt das Eigentum frei und ledig von
allen Schulden und Lasten. Jedoch bleiben bezüglich der Alters- oder Invalidenrenten des
Personals der Gruben oder ihrer Nebenanlagen die bei Inkrafttreten des gegenwärtigen
Vertrags erworbenen Rechte oder Anwartschaften unangetastet. Deutschland hat dafür dem
französischen Staat die versicherungstechnischen Reserven der von dem Personal erdienten
Renten zu übermitteln.
§ 5.
Der Wert des dem französischen Staat dergestalt abgetretenen
Besitzes wird durch den in Artikel 233 Teil VIII (Wiedergutmachungen) des gegenwärtigen Vertrags vorgesehenen
Widergutmachungsausschuß festgesetzt.
Dieser Wert wird Deutschland auf die Wiedergutmachungsschuld gutgeschrieben.
Es ist Sache Deutschlands, die Eigentümer oder Beteiligten zu entschädigen,
einerlei wer sie sind.
§ 6.
Auf den deutschen Eisenbahnen und Kanälen darf kein Tarif
eingeführt werden, der die Beförderung des Personals und der Erzeugnisse der gruben und
ihrer Nebenanlagen sowie der für ihre Ausbeutung nötigen Stoffe durch mittel- oder
unmittelbare Unterscheidungen beeinträchtigt. Diese Beförderungen genießen alle Rechte
und Begünstigungen, die in internationalen Eisenbahnübereinkommen für entsprechende
Erzeugnisse französischen Ursprungs gewährleistet werden.
§ 7.
Das für die Fortschaffung und Beförderung der aus den Gruben und
ihren Nebenanlagen gewonnenen Erzeugnisse sowie das für die Beförderung der Arbeiter und
Angestellten erforderliche Material und Personal wird von der Eisenbahnverwaltung des
Beckens gestellt.
§ 8.
Erweiterungsarbeiten für die Eisenbahnen oder Wasserstraßen, die
der französische Staat zur Fortschaffung und Beförderung der aus den Gruben und ihren
Nebenanlagen gewonnenen Erzeugnisse für erforderlich erachtet, wie Verdoppelung der
Gleise, Vergrößerung der Bahnhöfe, Einrichtung von Bahnhöfen und dazugehörigen
Anlagen, steht kein Hindernis im Wege. Die Kostenverteilung erfolgt im Falle von
Meinungsverschiedenheiten durch Schiedsspruch.
Der französische Staat kann ferner alle neuen Verkehrwege und -mittel, wie
Straßen, elektrische Leitungen und Fernsprechverbindungen, die er für die Bedürfnisse
der Ausbeutung für erforderlich erachtet, anlegen.
Es steht ihm auch ohne jede Beschränkung frei, die Verkehrswege und -mittel
auszunützen, deren Eigentümer er wird, insbesondere die, welche die Gruben und ihre
Nebenanlagen an das Verkehrsnetz im französischen Teil anschließen.
§ 9.
Für dem Erwerb von Grundstücken, die der französische Staat zur
Ausbeutung der Gruben und ihrer Nebenanlagen für erforderlich erachtet, kann er stets die
Anwendung der deutschen Berggesetze und -verordnungen nach dem Stand vom 11. November 1918
verlangen (abgesehen von den ausschließlich mit Rücksicht auf den Kriegszustand
getroffenen Bestimmungen).
Der Ersatz des an Grundstücken durch die Ausbeutung dieser Gruben und ihrer
Nebenanlagen verursachten Schadens wird gemäß den vorerwähnten deutschen Berggesetzen
und -verordnungen geregelt.
§ 10.
Jeder Person, die der französische Staat an seiner Stelle ganz
oder teilweise in seine Rechte auf Ausbeutung der Gruben oder ihrer Nebenanlagen einsetzt,
kommen die in dieser Anlage festgesetzten Vorrechte zustatten.
§ 11.
Die in das Eigentum des französischen Staates übergegangenen
Gruben und anderen Liegenschaften sind auf immer jeder Verfallserklärung, jedem
Rücklauf, jeder Enteignung, jeder Requisition und jeder anderen das Eigentumsrecht
beeinträchtigenden Maßnahme entzogen.
Das bei der Ausbeutung dieser Gruben oder ihrer Nebenanlagen verwandte Personal und
Material sowie die in den Gruben gewonnenen oder in ihren Nebenanlagen verfertigten
Erzeugnisse sind auf immer jeder Requisition entzogen.
§ 12.
Für die Ausbeutung der Gruben und ihrer Nebenanlagen, deren
Eigentum auf dem französischen Staat übergeht, bleibt unter Vorbehalt der Bestimmungen
des nachfolgenden § 23 auch weiterhin die Rechtsordnung maßgebend,
die aus den deutschen Gesetzen und Verordnungen nach ihrem Stand vom 11. November 1918
(abgesehen von den ausschließlich mit Rücksicht auf den Kriegszustand getroffenen
Bestimmungen) sich ergibt.
Die Rechte der Arbeiter bleiben unter Vorbehalt der Bestimmungen des § 23 ebenfalls weiter bestehen, so wie sie am 11. November 1918 aus den
vorgenannten deutschen Gesetzen und Verordnungen sich ergaben.
Die Einführung solcher Arbeiter, die nicht aus dem Saarbecken stammen und ihre
Verwendung in den Gruben oder ihren Nebenanlagen unterliegt keiner Beschränkung.
Die Arbeiter und Angestellten französischer Staatsangehörigkeit dürfen den
französischen Gewerkschaften angehören.
§ 13.
Die Beiträge der Gruben und ihrer Nebenanlagen zu dem örtlichen
Haushalt des Saarbeckengebiets sowie zu den Gemeindeabgaben werden unter gebührender
Berücksichtigung des Verhältnisses des Wertes der Gruben zu dem gesamten
steuerpflichtigen Vermögen des Saarbeckens festgesetzt.
§ 14.
Der französische Staat kann jederzeit als Nebenanlage der Gruben
Volksschulen oder technische Schulen für das Personal gründen und unterhalten und den
Unterricht darin in französischer Sprache nach einem von ihm festgesetzten Lehrplan durch
von ihm auserwählte Lehrer erteilen lassen.
Desgleichen kann er Krankenhäuser, Polikliniken, Arbeiterhäuser und -gärten und
andere Wohlfahrtseinrichtungen und gemeinnützige Anstalten gründen und unterhalten.
§ 15.
Der französische Staat hat volle Freiheit, die Verteilung und
Verwendung der Erzeugnisse der Gruben und ihrer Nebenanlagen sowie die Festsetzung der
Verkaufspreise nach seinem Ermessen vorzunehmen.
Die französische Regierung verpflichtet sich jedoch, ohne Rücksicht auf die Höhe
der Grubenförderung, den Bedarf des örtlichen gewerblichen und häuslichen Verbrauches
stets nach dem Verhältnis zu befriedigen, das im Betriebsjahr 1913 zwischen dem
örtlichen Verbrauch und der Gesamtförderung des Saarbeckens bestand.
Kapitel II.
Regierung des Saarbeckengebiets.
§ 16.
Die Regierung des Saarbeckengebietes wird einem den Völkerbund
vertretenden Ausschuß übertragen. Dieser Ausschuß hat seinen Sitz im Saarbeckengebiet.
§ 17.
Der im § 16 vorgesehene Regierungsausschuß besteht aus fünf
Mitgliedern, die vom Rate des Völkerbunds ernannt werden. Ihm gehören an ein Franzose,
ein aus dem Saargebiet stammender und dort ansässiger Nichtfranzose und 3 Mitglieder, die
drei anderen Ländern als Fra´nkreich und Deutschland angehören.
Die Mitglieder des Regierungsausschusses werden auf ein Jahr ernannt; ihr Auftrag
kann erneuert werden. Der Rat des Völkerbunds kann sie abberufen und sorgt für ihren
Ersatz.
Die Mitglieder des Regierungsauschusses haben Anspruch auf ein Gehalt, das von dem
Rat des Völkerbunds festgesetzt und aus den Einnahmen des Gebietes bezahlt wird.
§ 18.
Der Vorsitzende des Regierungsausschusses wird von dem Rat des
Völkerbunds aus den Mitgliedern des Ausschusses für die Dauer eines Jahres ernannt; er
kann wiederernannt werden.
Der Vorsitzende ist die ausführende Stelle des Ausschusses.
§ 19.
Der Regierungsausschuß besitzt im Saarbeckengebiet alle
Regierungsbefugnisse, die früher dem Deutschen Reiche, Preußen und Bayern zustanden,
einschließlich des Rechts, Beamte zu ernennen und abzuberufen und alle erforderlich
erscheinenden Verwaltungsstellen und Vertretungen zu schaffen.
Er hat volle Freiheit in der Verwaltung und Ausbeutung der Eisenbahnen, Kanäle und
sonstigen öffentlichen Betreibe.
Er entscheidet mit Stimmenmehrheit.
§ 20.
Deutschland hat alle in seinem Besitz oder im Besitz eines
deutschen Staates oder einer örtlichen Behörde befindlichen, das Saarbeckengebiet oder
die Rechte seiner Einwohner betreffenden amtlichen Urkunden und Archive der Regierung des
Saarbeckens zur Verfügung zu stellen.
§ 21.
Es ist Sache des Regierungsausschusses, mit den ihm angemessen
erscheinenden Mitteln und in der ihm angemessen scheinenden Weise für den Schutz der
Interessen der Einwohner des Saarbeckengebiets im Ausland zu sorgen.
§ 22.
Der Regierungsausschuß hat die volle Nutznießung des gesamten
Eigentums, das bisher der Deutschen Reichsregierung oder der Regierung irgendeines
deutschen Staates im Saarbeckengebiet als öffentliches oder privates Staatseigentum
gehörte. Auf die Gruben erstreckt sich die Nutznießung nicht.
Hinsichtlich der Eisenbahnen soll ein gemischter Ausschuß, in dem der
Regierungsausschuß für das Saarbeckengebiet und die deutschen Eisenbahnen vertreten
sind, eine gerechte Verteilung des rollenden Materials vornehmen.
Personen, Güter, Schiffe, Eisenbahnwagen, Fahrzeuge und Postsendungen sollen im
Verkehr aus und nach dem Saarbecken alle Rechte und Vorteile genießen, die für den
Durchgangsverkehr und die Beförderung in den Bestimmungen des Teils XII
(Häfen, Wasserstraßen und Eisenbahnen) des gegenwärtigen Vertrags im einzelnen
aufgeführt sind.
§ 23.
Die Gesetze und Verordnungen, die im Saarbeckengebiet am 11.
November 1918 in Kraft waren, bleiben (abgesehen von den mit Rücksicht auf den
Kriegszustand getroffenen Bestimmungen) in Kraft.
Sollten aus allgemeinen Gesichtspunkten oder um diese Gesetze und Verordnungen mit
den Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrags in Einklang bringen, Änderungen nötig
werden, so werden diese durch den Regierungsausschuß nach Äußerung der gewählten
Vertreter der Bevölkerung beschlossen und eingeführt. Über die Form der Einholung
dieser Äußerung entscheidet der Ausschuß.
Ohne vorgängige Befragung des französischen Staats darf keine Änderung in der im
§ 12 vorgesehenen gesetzlichen Ordnung des Grubenbetriebes
vorgenommen werden, es sei denn, daß diese Änderung die Folge einer allgemeinen vom
Völkerbund beschlossenen Regelung der Arbeitsverhältnisse ist.
Bei Festsetzung der Arbeitsbedingungen und Arbeitsstunden für Männer, Frauen und
Kinder hat der Regierungsausschuß die Wünsche der örtlichen Arbeitsverbände sowie die
vom Völkerbund angenommenen Grundsätze zu berücksichtigen.
§ 24.
Unter Vorbehalt der Bestimmungen des § 4
werden die Rechte der Einwohner des Saarbeckens in Versicherungs- und
Rentenangelegenheiten durch keine der Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrags berührt,
gleichviel, ob diese Rechte bei Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags bereits erworben
sind oder entsprechende Anwartschaften bestanden haben, und gleichviel, ob sie auf
irgendeinem deutschen Versicherungssystem oder auf Renten irgendwelcher Art beruhen.
Deutschland und die Regierung des Saarbeckengebiets haben alle vorerwähnten Rechte
zu erhalten und zu schützen.
§ 25.
Die im Saarbeckengebiet bestehenden Zivil- und Strafgerichte
werden beibehalten.
Von dem Regierungsausschuß wird ein Gerichtshof für Zivil- und Strafsachen
eingesetzt, der die Berufungsinstanz für die vorerwähnten Gerichte zu bilden und auf den
sachlichen Gebieten zu entscheiden hat, für die diese Gerichte nicht zuständig sind.
Innere Verfassung und Zuständigkeit dieses Gerichtshofes werden von dem
Regierungsausschuß geregelt.
Die gerichtlichen Entscheidungen ergehen im Namen des Regierungsausschusses.
§ 26.
Der Regierungsausschuß hat allein das Recht, im Bereich des
Saarbeckengebiets Abgaben und Steuern zu erheben.
Die Abgaben und Steuern sind ausschließlich für die Bedürfnisse des Gebiets zu
verwenden.
Das Steuersystem, das am 11. November 1918 bestand, wird beibehalten, soweit die
Verhältnisse es gestatten. Abgesehen von Zöllen darf keine neue Abgabe ohne vorherige
Befragung der gewählten Vertreter der Bevölkerung erhoben werden.
§ 27.
Die gegenwärtige Staatsangehörigkeit der Einwohner des
Saarbeckengebiets wird von diesen Bestimmungen in keiner Weise berührt.
Niemand ist gehindert, eine andere Staatsangehörigkeit zu erwerben; in solchem
Falle soll der Erwerb der neuen Staatsangehörigkeit den Verlust der anderen zur Folge
haben.
§ 28.
Die Einwohner behalten unter der Überwachung des
Regierungsausschusses ihre örtlichen Vertretungen, ihre religiösen Freiheiten, ihre
Schulen und ihre Sprache.
Das Wahlrecht darf für keine anderen als für die örtlichen Vertretungen
ausgeübt werden; es steht jedem über zwanzig Jahre alten Einwohner ohne Unterschied des
Geschlechts zu.
§ 29.
Einwohnern des Saarbeckengebiets, die es verlassen wollen, steht
es völlig frei, ihren dortigen Grundbesitz zu behalten oder zu einem angemessenen Preise
zu verkaufen und ihr bewegliches Vermögen abgabenfrei mitzunehmen.
§ 30.
Im Saarbeckengebiet besteht weder allgemeine Wehrpflicht noch
freiwilliger Heeresdienst; die Anlage von Befestigungen ist verboten.
Es wird nur eine örtliche Gendarmerie zur Aufrechterhaltung der Ordnung
eingerichtet.
Dem Regierungsausschuß liegt es ob, in allen eintretenden Fällen für den Schutz
der Person und des Eigentums im Saarbeckengebiet zu soregen.
§ 31.
Das Saarbeckengebiet, wie es durch den Artikel 48
des gegenwärtigen Vertrages abgegrenzt ist, wird dem französischen Zollsystem
eingeordnet. Der Ertrag aus den Zöllen auf die für den örtliche Verbrauch bestimmten
Güter wird nach Abzug aller Erhebungskosten in den Haushalt dieses Gebietes eingestellt.
Von Erzeugnissen der Hüttenindustrie und von Kohlen, die aus dem Saarbeckengebiet
nach Deutschland ausgeführt werden, wird keine Ausfuhrabgabe erhoben, ebensowenig von der
deutschen Ausfuhr für die Industrien des Saarbeckengebiets.
Aus dem Saarbecken stammende Roh- und Fertigerzeugnisse sind bei ihrer Durchfuhr
durch deutsches Gebiet von allen Zollabgaben befreit. Dasselbe gilt für die deutschen
Erzeugnisse bei ihrer Durchfuhr durch das Saarbeckengebiet.
Die aus dem Saarbecken stammenden und von dort ausgeführten Erzeugnisse genießen
während eines Zeitraumes von fünf Jahren nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags
freie Einfuhr in Deutschland. Während derselben Zeit bleibt auch die deutsche Einfuhr in
das Becken für Gegenstände des örtlichen Verbrauchs von Zollabgaben befreit.
Die französische Regierung behält sich vor, während dieser 5 Jahre für jeden
aus dem Saarbecken ausgeführten Gegenstand, in dem zollfrei aus Deutschland kommende
Rohstoffe oder Halbfertigfabrikate enthalten sind, die nach Frankreich zugelassene Menge
auf den Jahresdurchschnitt der nach Elsaß-Lothringen und nach Frankreich in den Jahren
1911 bis 1913 eingeführten Mengen zu beschränken. Dieser Durchschnitt wird an der Hand
der sämtlichen amtlichen Unterlagen und statistischen Urkunden festgestellt.
§ 32.
Der Umlauf französischen Geldes im Saarbeckengebiet unterliegt
keinem Verbot und keiner Beschränkung.
Der französische Staat hat das recht, sich bei allen Käufen und Zahlungen
und bei allen Verträgen über die Ausbeutung der Gruben oder ihrer Nebenanlagen des
französischen Geldes zu bedienen.
§ 33.
Der Regierungsausschuß ist ermächtigt, alle Fragen, zu denen die
Auslegung der vorstehenden Bestimmungen Anlaß geben könnte, zu entscheiden.
Frankreich und Deutschland erkennen an, daß jeder Streit, der auf einer
verschiedenen Auslegung der erwähnten Bestimmungen beruht, gleichfalls dem
Regierungsausschuß zu unterbreiten ist. Seine mit Stimmenmehrheit getroffene Entscheidung
ist für beide Länder bindend.
Kapitel III.
Volksabstimmung.
§ 34.
Nach Ablauf einer Frist von fünfzehn Jahren nach Inkrafttreten
des gegenwärtigen Vertrags wird die Bevölkerung des Saarbeckengebiets berufen, ihren
Willen, wie folgt, zu äußern:
Eine Abstimmung findet gemeinde- oder bezirksweise über folgende drei Fragen
statt:
a) Beibehaltung der durch den gegenwärtigen Vertrag und diese Anlage
geschaffenen Rechtsordnung,
b) Vereinigung mit Frankreich,
c) Vereinigung mit Deutschland
Stimmberechtigt ist ohne Unterschied des Geschlechts jede zur Zeit der Abstimmung
über zwanzig Jahre alte Person, die bei Unterzeichnung des Vertrags in dem Gebiet gewohnt
hat.
Die übrigen Vorschriften, die näheren Einzelheiten und der Zeitpunkt der
Abstimmung werden von dem Rate des Völkerbunds so festgesetzt, daß eine freie, geheime
und unbeeinflußte Stimmabgabe gesichert ist.
§ 35.
Der Völkerbund entscheidet unter Berücksichtigung des durch die
Volksabstimmung ausgedrückten Wunsches darüber, unter welche Souveränität das Gebiet
tritt:
a) Beschließt der Völkerbund für das ganze Gebiet oder einen Teil
die Beibehaltung der durch den gegenwärtigen Vertrag und diese Anlage geschaffenen
Rechtsordnung, so verpflichtet sich Deutschland schon jetzt, zugunsten des Völkerbunds
auf seine Souveränität, so wie dies der Völkerbund für nötig erachtet, zu verzichten.
Es ist Sache des Völkerbunds, durch geeignete Maßnahmen die endgültige Rechtsordnung
mit den dauernden Interessen des Gebiets und dem allgemeinen Interesse in Einklang zu
bringen;
b) beschließt der Völkerbund für das ganze Gebiet oder einen Teil
die Vereinigung mit Frankreich, so verpflichtet sich Deutschland schon jetzt, in
Ausführung der entsprechenden Entscheidung des Völkerbunds, alle seine Rechte und
Ansprüche auf das von dem Völkerbunde näher bezeichnete Gebiet an Frankreich
abzutreten;
c) beschließt der Völkerbund für das ganze Gebiet oder einen Teil
die Vereinigung mit Deutschland, so ist es Sache des Völkerbunds, für Deutschlands
Wiedereinsetzung in die Regierung des vom Völkerbund näher bezeichneten Gebiets zu
sorgen.
§ 36.
Beschließt der Völkerbund die Vereinigung des ganzen
Saarbeckengebiets oder eines Teiles mit Deutschland, so hat Deutschland die
Eigentumsrechte Frankreichs an den in diesem Gebietsteil gelegenen Gruben im ganzen zu
einem in Gold zahlbaren Preise zurückzuerstatten. Dieser Preis wird durch drei nach
Stimmenmehrheit beschließende Sachverständige festgesetzt; einer dieser
Sachverständigen wird von Deutschland, einer von Frankreich und einer, der weder Franzose
noch Deutscher sein darf, vom Völkerbund [engl. Text: "vom Rat des
Völkerbunds"] ernannt.
Deutschlands Verpflichtung zu dieser Zahlung wird von dem
Wiedergutmachungsausschuß in Rücksicht gezogen werden; zu diesem Zwecke kann Deutschland
in jeder vom Wiedergutmachungsausschuß gebilligten Art eine erste Hypothek an seinem
Kapital und seinen Einkünften bestellen.
Sollte indes Deutschland die Zahlung ein Jahr nach dem dafür festgesetzten Tage
nicht geleistet haben, so wird der Wiedergutmachungsausschuß in Übereinstimmung mit den
ihm vom Völkerbund erteilten Weisungen, nötigenfalls durch Liquidation des in Frage
stehenden Teils der Gruben, die Angelegenheit ordnen.
§ 37.
Geht infolge des im § 36 vorgesehenen
Rücklaufs das Eigentum der Gruben oder eines Teiles davon an Deutschland über, so sind
der französische Staat und die französischen Staatsangehörigen berechtigt, Kohlen aus
dem Becken zu kaufen und zwar in der Menge, die auf Grund ihres gewerblichen und
häuslichen Bedarfs zu dieser Zeit gerechtfertigt erscheint. Eine zu gegebener Zeit vom
Rate des Völkerbundes zu treffende gerechte Regelung wird die Kohlemengen, die Dauer des
Vertrages sowie die Preise bestimmen.
§ 38.
Es besteht Einverständnis darüber, daß Frankreich und
Deutschland vor dem für die Bezahlung des Rückkaufpreises der Gruben festgesetzten
Zeitpunkt besondere Vereinbarungen treffen und dadurch die Bestimmungen der §§ 36 und 37 abändern können.
§ 39.
Der Rat des Völkerbunds trifft die erforderlichen Verfügungen
zur Ausgestaltung derjenigen Rechtsordnung, die nach dem Inkrafttreten der im § 35 erwähnten Entscheidungen des Völkerbunds einzuführen ist. Dise
Verfügungen sollen eine angemessene Verteilung aller Verbindlichkeiten enthalten, die der
Regierung des Saarbeckengebiets infolge von Anleihen, die der Ausschuß aufgenommen hat,
oder infolge irgendwelcher anderen Maßnahmen obliegen.
Mit dem Inkrafttreten der neuen Rechtsordnung hören die Befignisse des
Regierungsausschusses auf, ausgenommen den im § 35 Absatz a)
vorgesehenen Fall.
§ 40.
Die Entscheidungen des Rates des Völkerbunds über die in dieser
Anlage behandelten Gegenstände werden mit Stimmenmehrheit getroffen.
Abschnitt V.
Elsaß-Lothringen
In Anerkennung der sittlichen Verpflichtung, das Unrecht
wiedergutzumachen, das Deutschland im Jahre 1871 sowohl dem Rechte Frankreichs als dem
Willen der trotz des feierlichen Widerspruchs ihrer Vertreter in der Versammlung zu
Bordeaux von ihrem Vaterlande getrennten elsaß-lothringischen Bevölkerung gegenüber
gegangen hat,
kommen die Hohen vertragsschließenden Teile über folgende Artikel überein:
Artikel 51.
Die infolge des Versailler Vorfriedens vom 26. Februar 1871 und
des Frankfurter Vorfriedens vom 10. Mai 1871 an Deutschland abgretretenen Gebiete fallen
mit Wirkung vom Zeitpunkte des Waffenstillstandes vom 11. November 1918 ab unter die
französischen Souveränität zurück.
Die Bestimmungen der Verträge über die Grenzführung vor 1871 treten wieder in
Kraft.
Artikel 52.
Die deutsche Regierung hat der französischen Regierung
unverzüglich die Archive, Register, Pläne, Urkunden und Schriftstücke aller Art zu
übermitteln, welche die Zivil-, Militär-, Finanz-, Gerichts- und sonstige Verwaltung der
unter die französische Souveränität zurückfallenden Gebiete betreffen. Schriftstücke,
Archive, Register, Urkunden oder Pläne, die etwa entfernt worden sind, hat die deutsche
Regierung auf Ersuchen der französischen Regierung zurückzuschaffen.
Artikel 53.
Die Regelung der Interessen der Einwohner der im Artikel 51 bezeichneten Gebiete, besonders hinsichtlich ihrer bürgerlichen Rechte,
ihres Handels und der Ausübung ihres Berufes erfolgt durch Sonderverträge zwischen
Frankreich und Deutschland. Jedoch verpflichtet sich Deutschland schon jetzt, die in der
beigefügten Anlage niedergelegten Vorschriften über die
Staatsangehörigkeit der Einwohner der genannten Gebiete und der aus ihnen stammenden
Personen anzuerkennen und anzunehmen, niemals und nirgends für die aus irgendeinem Grunde
für Franzosen Erklärten die deutsche Reichsangehörigkeit zu beanspruchen, die anderen
in seinem Gebiet aufzunehmen und bezüglich des Gutes der deutschen Reichsangehörigen in
den im Artikel 51 bezeichneten Gebiete sich nach den Bestimmungen des
Artikel 297 und der Anlage
zu Abschnitt IV, Teil X
(Wirtschaftliche Bestimmungen) des gegenwärtigen Vertrags zu richten.
Die deutschen Reichsangehörigen, die, ohne die französische Staatsangehörigkeit
zu erwerben, von der französischen Regierung die Genehmigung erhalten, in den genannten
Gebieten zu wohnen, sind den Bestimmungen des angeführten Artikels nicht unterworfen.
Artikel 54.
Die Personen, die kraft § 1 der beigefügten
Anlage die französische Staatsangehörigkeit wiedererlangen, gelten für die Ausführung
der Bestimmungen dieses Abschnitts als Elsaß-Lothringer.
Die im § 2 der bezeichneten Anlage erwähnten Personen gelten
von dem Tage an, an dem sie die Verleihung der französischen Staatsangehörigkeit
beantragt haben, mit rückwirkender Kraft bis zum 11. November 1918 als Elsaß-Lothringer.
Bei denjenigen, deren Antrag zurückgewiesen wird, endet diese Vorzugsbehandlung mit dem
tage des abschlägigen Bescheids.
Desgleichen gelten als elsaß-lothringisch die juristischen Personen, denen diese
Eigenschaft von den französischen Verwaltungsbehörden oder durch eine gerichtliche
Entscheidung zuerkannt wird.
Artikel 55.
Die im Artikel 51 bezeichneten Gebiete fallen an
Frankreich frei und ledig von allen öffentlichen Schulden unter den im Artikel 255 Teil IX (Finanzielle Bestimmungen)
des gegenwärtigen Vertrags vorgesehenen Bedingungen zurück.
Artikel 56.
Nach den Bestimmungen des Artikel 256
Teil IX (Finanzielle Bestimmungen) des gegenwärtigen Vertrags
geht alles Gut und Eigentum des Deutschen Reichs oder der deutschen Staaten, das in den im
Artikel 51 bezeichneten Gebieten liegt, ohne Bezahlung oder Gutschrift
in französischen Besitz über.
Diese Bestimmung bezieht sich auf alles bewegliche und unbewegliche Gut
öffentlichen sowie privaten Staatseigentums sowie die rechte jeder Art, die dem Reich
oder den deutschen Staaten oder ihren Verwaltungsbezirken zustanden.
Das Gut der Krone und das Privateigentum des vormaligen Kaisers oder vormaliger
deutscher Herrscher [engl. Text: "oder anderer deutscher Herrscher"] steht dem
Staatsgut gleich.
Artikel 57.
Deutschland darf keine Verfügungen treffen, die darauf
hinauslaufen, durch eine Abstempelung oder durch sonstige gesetzliche oder
Verwaltungsmaßregeln, die nicht auch für den übrigen Teil seines Gebietes Geltung
haben, den gesetzlichen Wert der deutschen Zahlungsmittel oder Geldsorten, die bei der
Unterzeichnung des gegenwärtigen Vertrags gesetzlichen Kurs haben und sich zu dem
genannten Zeitpunkt im Besitz der französischen Regierung befinden, oder ihre Eignung zur
rechtswirksamen Erfüllung von Verbindlichkeiten zu beeinträchtigen.
Artikel 58.
Ein Sonderabkommen wird die Bedingungen festsetzten, nach denen
die außerordentlichen Kriegsausgaben in Markwährung zurückzuzahlen sind, die
Elsaß-Lothringen oder seine öffentlichen Verbände im Laufe des Krieges für Rechnung
des Reiches gemäß der deutschen Gesetzgebung vorschußweise bestritten haben, wie z. B.
Familienunterstützungen Kriegsteilnehmer, Beitreibungen, Einquartierungslasten, Beihilfe
für Abgeschobene.
Bei der Festsetzung der Höhe dieser Beträge wird zugunsten Deutschlands der
betrag verrechnet, den Elsaß-Lothringen an das Reich zur Deckung der durch solche
Rückzahlungen entstehenden Ausgaben hätte zahlen müssen; und zwar ist dieser Beitrag
verhältnismäßig nach den Einnahmen zu errechnen, die das Reich aus Elsaß-Lothringen im
Jahre 1913 bezogen hat.
Artikel 59.
Der französischen Staat erhebt für seine eigene Rechnung die
verschiedenen deutschen Steuern, Abgaben und Gebühren, die in dem im Artikel 51 bezeichneten Gebieten fällig und zur Zeit des Waffenstillstandes vom
11. November noch nicht eingezogen waren.
Artikel 60.
Die deutsche Regierung setzt unverzüglich die Elsaß-Lothringer
(natürliche und juristische Personen sowie öffentliche Anstalten) wieder in den Besitz
ihres gesamten, ihnen am 11. November 1918 gehörenden und auf deutschem Gebiet belegenen
Gutes, sowie ihrer gesamten dort zu jenem Zeitpunkt ihnen zustehenden Rechte und
Interessen.
Artikel 61.
Die deutsche Regierung verpflichtet sich, die Ausführung der in
den verschiedenen Waffenstillstandsabkommen vorgesehenen finanziellen Bestimmungen,
betreffend Elsaß-Lothringen, ohne Verzögerung fortzusetzen und zu beendigen.
Artikel 62.
Die deutsche Regierung verpflichtet sich, alle in
Elsaß-Lothringen am 11. November 1918 erdienten Zivil- und Militärpersonen, deren
Auszahlung dem Haushalt des Deutschen Reiches oblag, zu übernehmen.
Die deutsche Regierung liefert jedes Jahr die nötigen Mittel, um die Beiträge,
auf welche die in Elsaß-Lothringen wohnenden Personen Anspruch in Markwährung gehabt
hätten, wenn Elsaß-Lothringen unter deutscher Staatsgewalt verbleiben wäre, in Franken
zum Jahresdurchschnittskurse auszuzahlen.
Artikel 63.
Bezüglich der von Deutschland in Teil VIII
(Wiedergutmachungen) des gegenwärtigen Vertrags übernommenen Verpflichtungen, Ersatz
für die in Gestalt von Geldstrafen der Zivilbevölkerung der alliierten und assoziierten
Länder zugefügten Schäden zu leisten, stehen die Einwohner der im Artikel 51
bezeichneten Gebiete der genannten Bevölkerung gleich.
Artikel 64.
Die Grundsätze der Rhein- und Moselordnung sind in Teil XII (Häfen, Wasserstraßen und Eisenbahnen) des gegenwärtigen
Vertrags niedergelegt.
Artikel 65.
Binnen drei Wochen nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags
werden die Häfen von Straßburg und von Kehl für die Dauer von sieben Jahren zu einer
Betriebseinheit ausgestaltet.
Die Verwaltung dieser Betriebseinheit leitet ein Direktor, den die
Rheinschiffahrts-Zentralkommission ernennt und auch wiederabberufen kann.
Dieser Direktor muß französischer Staatsangehörigkeit sein.
Er untersteht der Rheinschiffahrts-Zentralkommission und hat seinen Sitz in
Straßburg.
In beiden Häfen werden Freizonen gemäß Teil XII (Häfen,
Wasserstraßen und Eisenbahnen) des gegenwärtigen Vertrags eingerichtet.
Ein Sonderabkommen zwischen Frankreich und Deutschland, das der Billigung der
Rheinschiffahrts-Zentralkommission bedarf, bestimmt die Einzelheiten dieser Ordnung,
insbesondere auf finanziellem Gebiet.
Es besteht Einverständnis, daß im Sinne dieses Artikels der Kehler Hafen alles
für den Hafenverkehr und den dazu gehörigen Zugverkehr nötige Gelände umfaßt,
einschließlich der die Hafeneinrichtung bildenden Binnenhäfen, Ladestraßen,
Schienenwege, Dämme, Kräne, Lade- und Lagerhallen, Silos, Aufzüge und Werke mit
elektrischer, aus dem Wasser gewonnenen Kraft.
Die deutsche Regierung verpflichtet sich, alle von ihr erforderten Anordnungen für
die bestmögliche Zusammenstellung und Verschiebung der nach Kehl bestimmten und von dort
ausgehenden Züge sowohl rechts- wie linksrheinisch zu treffen.
Alle Eigentums- und sonstigen Rechte von Privatpersonen [Die engl. Fassung spricht
von "property rights" im allgemeinen ohne sich auf die Rechte von Privatpersonen
zu beschränken. Sie erwähnt dagegen nicht die sonstigen Rechte] bleiben gewahrt;
insbesondere hat die Hafenverwaltung sich jedes Eingriffs in die Eigentumsrechte der
französischen oder badischen Eisenbahnen zu enthalten.
In beiden Häfen wird den Staatsangehörigen, Schiffen und Gütern sämtlicher
Nationen gleichmäßige Behandlung in bezug auf den Handel zugesichert.
Ist Frankreich nach Ablauf des sechsten Jahres der Ansicht, daß der Stand der
Straßburger Hafenarbeiten eine Verlängerung dieser Übergangsordnung erheischt, so steht
ihm frei, sie bei der Rheinschiffahrts-Zentralkommission zu beantragen. Diese kann sie
für eine Zeit von höchstens drei Jahren bewilligen.
Während der ganzen Dauer der Verlängerung bleiben die oben erwähnten Freizonen
bestehen.
Bis zur Ernennung des ersten Direktors durch die Rheinschiffahrts-Zentralkommission
kann ein vorläufiger Direktor, der französischer Staatsangehörigkeit sein muß, von den
alliierten und assoziierten Hauptmächten unter den oben angeführten Bedingungen ernannt
werden.
Alle mit diesem Artikel zusammenhängenden Fragen werden von der
Rheinschiffahrts-Zentralkommission mit Stimmenmehrheit entschieden.
Artikel 66.
Die Eisenbahn- und anderen Brücken, die gegenwärtig im Bereich
von Elsaß-Lothringen über den Rhein führen, werden in allen ihren Teilen und in ihrer
ganzen Länge Eigentum des französischen Staates, dem ihre Unterhaltung obliegt.
Artikel 67.
Die französische Regierung tritt in alle Rechte des Deutschen
Reichs auf allen gegenwärtig in Betrieb oder im Bau befindlichen Eisenbahnstrecken ein,
die unter Verwaltung der Reichseisenbahnen stehen.
Daselbe gilt für die Rechte des Reiches hinsichtlich der Eisenbahn- und
Straßenbahnkonzessionen in den im Artikel 51 bezeichneten Gebieten.
Aus diesem Eintritt in die deutschen Rechte erwächst dem französischen Staat
keine Verpflichtung zu irgendwelcher Zahlung.
Die Grenzbahnhöfe werden durch ein späteres Abkommen festgelegt, wobei im voraus
festgesetzt wird, daß sie an der Rheingrenze auf dem rechten Rheinufer liegen sollen.
Artikel 68.
Entsprechend den Bestimmungen des Artikels 268
Kapitel I, Abschnitt I, Teil X (Wirtschaftliche Bestimmungen) des gegenwärtigen Vertrags
genießen während eines Zeitraums von fünf Jahren nach Inkrafttreten des gegenwärtigen
Vertrags die Roh- und Fertigerzeugnisse, die aus den im Artikel 51
bezeichneten Gebieten stammen und aus ihnen ausgeführt werden, bei Eingang in das
deutsche Zollgebiet volle Zollfreiheit.
Die französische Regierung behält sich vor, jedes Jahr durch einen der deutschen
Regierung kundgegebenen Erlaß die Art und die Menge der Erzeugnisse zu bestimmen, denen
diese Zollfreiheit zustatten kommt.
Die jährliche Menge der Erzeugnisse, die auf diese Weise nach Deutschland
geschickt werden dürfen, darf den Jahresdurchschnitt der Jahre 1911 bis 1913 nicht
überschreiten.
Außerdem verpflichte sich die deutsche Regierung, während der genannten fünf
Jahre frei von allen Zollabgaben oder sonstigen Lasten, einschließlich der inneren
Steuern, aus Deutschland aus- und dorthin wieder einführen zu lassen: Garne, Gewebe und
andere Textilstoffe oder -erzeugnisse jeder Art und in jedem Zustand, die aus Deutschland
in die im Artikel 51 bezeichneten Gebiete zwecks irgendwelcher
Veredelung, wie z. B. zum Bleichen, Färben, Bedrucken, Merzerisieren, Garzieren, Zwirnen
oder Zurichten eingeführt werden.
Artikel 69.
Während eines Zeitraums von zehn Jahren nach Inkrafttreten des
gegenwärtigen Vertrags sind die auf deutschem Gebiete liegenden Kraftwerke, die die im
Artikel 51 bezeichneten Gebiete oder irgendeine Anlage, deren Betrieb
entgültig oder vorläufig von Deutschland an Frankreich übergeht, mit Elektrizität
versorgen, verpflichtet, diese Versorgung bis zur Höhe des Verbrauchs fortzusetzen, der
den am 11. November 1918 gültigen Abschlüssen und Verträgen entspricht.
Der Strom ist nach den in Kraft befindlichen Verträgen und zu Sätzen zu liefern,
welche die von den deutschen Reichsangehörigen an die Werke gezahlten Sätze nicht
übersteigen dürfen.
Artikel 70.
Es besteht Einverständnis, daß die französische Regierung das
Recht behält, in Zukunft in den im Artikel 51 bezeichneten Gebieten
jegliche neue deutsche Beteiligung
1. an der Verwaltung oder Ausnutzung des öffentlichen Eigentums und
der öffentlichen Anstalten, wie Eisenbahnen, Schiffahrtsstraßen, Wassert-, Gas- und
Elektrizitätsversorgung usw.;
2. an dem Eigentum der Gruben und Steinbrüche aller Art und der damit
zusammenhängenden Betriebe;
3. endlich an den Hüttenwerken, auch wenn ihr Betrieb in keiner Weise
mit dem einer Grube in Verbindung steht,
zu verbieten.
Artikel 71.
In den im Artikel 51 bezeichneten Gebieten
verzichtet Deutschland für sich und seine Angehörigen mit Wirkung vom 11. November 1918
ab auf Geltendmachung der Bestimmungen des Gesetzes vom 25 Mai 1910 über den Handel mit
Kalisalzen sowie überhaupt aller Bestimmungen über die Mitwirkung deutscher Stellen bei
der Ausbeutung der Kaligruben. Es verzichtet desgleichen für sich und seine Angehörigen
auf Geltendmachung aller Abmachungen, Bestimmungen oder Gesetze, die bezüglich anderer
Erzeugnisse der genannten Gebiete zu seinem Vorteil bestehen.
Artikel 72.
Die Fragen, betreffend die vor dem 11. November 1918 zwischen dem
Reich und den deutschen Staaten oder ihren in Deutschland wohnenden Angehörigen
einerseits und den in Elsaß-Lothringen wohnenden Elsaß-Lothringern andererseits
entstandenen Schuldverhältnisse werden gemäß den Bestimmungen des Abschnitts III Teil X (Wirtschaftliche Bestimmungen)
des gegenwärtigen Vertrags geregelt, und zwar mit der Maßgabe, daß an die Stelle des
Ausdrucks "vor dem Kriege" der Ausdruck "vor dem 11. November 1918"
tritt. Umrechnungskurs bei dieser Regelung ist der an der Genfer Börse während des
Monats vor dem 11. November 1918 notierte Durchschnittkurs.
In den im Artikel 51 bezeichneten Gebieten kann zur Abwicklung
der genannten Schuldverhältnisse unter den in Abschnitt III
Teil X (Wirtschaftliche Bestimmungen) des gegenwärtigen Vertrags
vorgesehenen Bedingungen ein besonderes Prüfungs- und Ausgleichsamt errichtet werden, und
zwar besteht Einverständnis, daß dies Amt als Landesamt gemäß § 1
der Anlage jenes Abschnitts zu gelten hat.
Artikel 73.
Für die privaten Güter, Rechte und Interessen der
Elsaß-Lothringer in Deutschland sind die Bestimmungen des Abschnitts IV Teil X (Wirtschaftliche Bestimmungen)
des gegenwärtigen Vertrags maßgebend.
Artikel 74.
Die französische Regierung behält sich das Recht vor, alle
Güter, Rechte und Interessen, die am 11. November 1918 deutsche Reichsangehörige oder
von Deutschland abhängige Gesellschaften in den im Artikel 51
bezeichneten Gebieten besaßen, unter den im letzten Absatz des obigen Artikels 53 festgesetzten Bedingungen einzubehalten und zu liquidieren.
Deutschland hat seine durch diese Liquidation enteigneten Angehörigen unmittelbar
zu entschädigen.
Die Verwendung des Erlöses dieser Liquidationen regelt sich gemäß den
Bestimmungen der Abschnitte III und IV
Teil X (Wirtschaftliche Bestimmungen) des gegenwärtigen Vertrags.
Artikel 75.
Unter Abweichung von den in Abschnitt V
Teil X (Wirtschaftliche Bestimmungen) des gegenwärtigen Vertrags
vorgesehenen Bestimmungen bleiben alle Verträge in Kraft, die, bevor das französische
Dekret vom 30. November 1918 in Elsaß-Lothringen verkündet wurde, zwischen
Elsaß-Lothringern (natürlichen und juristischen Personen) oder anderen Einwohnern
Elsaß-Lothringens einerseits und dem Reich oder den deutschen Staaten oder deren in
Deutschland wohnenden Angehörigen andererseits abgeschlossen sind und deren Ausführung
durch den Waffenstillstand oder durch die spätere französische Gesetzgebung ausgesetzt
worden ist.
Indes sind alle Verträge aufgehoben, deren Auflösung im allgemeinen Interesse die
französischen Regierung binnen sechs Monaten nach Inkrafttreten des gegenwärtigen
Vertrags Deutschland mitteilt. Ausgenommen bleiben die Schuldforderungen und sonstigen
Geldverbindlichkeiten, die sich aus einer vor dem 11. November 1918 auf Grund eines
solchen Vertrags bereits vollzogenen Rechtshandlung oder Zahlung ergeben. Hat diese
Auflösung für eine der Parteien einen erheblichen Nachteil zur Folge, so wird der
geschädigten Partei eine angemessene Entschädigung zugebilligt, die aber lediglich nach
dem angelegten Kapital ohne Rücksicht auf den entgangenen Gewinn berechnet wird.
Für Verjährung, Ausschlußfrist und Verfall gelten in Elsaß-Lothringen die in
Artikel 300 und 301 Abschnitt V Teil X (Wirtschaftliche Bestimmungen)
enthaltenen Bestimmungen, und zwar mit der Maßgabe, daß an die Stelle des Ausdrucks
"Kriegsausbruch" der Ausdruck "11. November 1918" und an die Stelle
des Ausdrucks "Kriegsdauer" der Ausdruck "Zeit vor dem 11. November 1918
bis zum Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags" tritt.
Artikel 76.
Die Fragen des gewerblichen, literarischen und künstlerischen
Eigentums der Elsaß-Lothringer regelt sich nach den allgemeinen Bestimmungen des
Abschnitts VII Teil X (Wirtschaftliche
Bestimmungen) des gegenwärtigen Vertrags, und zwar mit der Maßgabe, daß die
Elsaß-Lothringer, denen derartige Rechte nach der deutschen Gesetzgebung zustehen, den
vollen und unbeschränkten Genuß dieser Rechte im deutschen Gebiet behalten.
Artikel 77.
Das Deutsche Reich verpflichtet sich, den Anteil der Straßburger
Invaliden- und Altersversicherungsanstalt an den gesamten zum Zweck der Invaliden- und
Altersversicherung gesammelten Rückstellungen des Reiches oder von ihm abhängiger
öffentlicher oder privater Stellen an den französischen Staat abzuführen.
Das gleiche gilt für die in Deutschland angelegten Kapitalien und Rückstellungen,
die rechtlich den anderen sozialen Versicherungsträger, den Knappschaftskassen, der
Eisenbahn-Pensionskasse von Elsaß-Lothringen oder solchen anderen Pensionskassen
zustehen, die für das Personal der öffentlichen Verwaltung und Anstalten errichtet sind
und in Elsaß-Lothringen arbeiten, sowie für die Kapitalien und Rückstellungen, welche
die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin auf Grund von Verpflichtungen
zugunsten von in Elsaß-Lothringen wohnenden Versicherten dieser Art schuldet.
Ein Sonderabkommen legt die Bedingungen und Einzelheiten dieser Übertragungen
fest.
Artikel 78.
Für Vollstreckung von Urteilen, für Einlegung von Rechtsmitteln
und für Strafverfolgung gelten folgende Regeln:
1. Alle seit dem 3. August 1914 zwischen Elsaß-Lothringern oder
zwischen Elsaß-Lothringern und Ausländern oder zwischen Ausländern in bürgerlichen
oder Handelssachen ergangenen Urteile erlsaß-lothringischer Gerichte, die vor dem 11.
November 1918 Rechtskraft erlangt haben, gelten als endgültig und ohne weiteres
vollstreckbar.
Ist das Urteil zwischen Elsaß-Lothringern und Deutschen
oder zwischen Elsaß-Lothringern und Staatsangehörigen der mit Deutschland verbündeten
Mächte ergangen, so wird es erst vollstreckbar, nachdem das entsprechende neue Gericht
des wiederangegliederten im Artikel 51 bezeichneten Gebiets ein
Vollstreckungsurteil erlassen hat.
2. Alle seit dem 3. August 1914 wegen politischer Verbrechen oder
Vergehen gegen Elsaß-Lothringer von deutschen Gerichten gefällten Urteile gelten als
nichtig.
3. Alle Entscheidungen des Reichsgerichts in Leipzig, die nach dem 11.
November 1918 infolge der Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Entscheidungen der
elsaß-lothringischen Gerichte ergangen sind, gelten als null und nichtig und sind
aufzuheben. Die solchen reichsgerichtlichen Entscheidungen zu Grunde liegenden Akten der
Vorinstanzen sind an die betreffenden elsaß-lothringischen Gerichte zurückzusenden.
Kein beim Reichsgericht gegen Entscheidungen
elsaß-lothringischer Gerichte eingelegtes Rechtsmittel wird weiter verfolgt. Die Akten
werden in der oben angegebenen Weise zurückgesandt und unverzüglich an den
französischen Kassationshof weitergeleitet, der für die Entscheidung zuständig ist.
4. Alle Verfolgungen in Elsaß-Lothringen wegen Straftaten, die in der
Zeit vom 11. November 1918 bis zum Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags begangen
worden sind, werden nach den deutschen Gesetzen durchgeführt, soweit diese nicht von den
französischen Behörden durch ordnungsgemäß an Ort und Stelle veröffentlichte Erlasse
abgeändert oder ersetzt worden sind.
5. Alle anderen Zuständigkeits-, Verfahrens- sowie
Justizverwaltungsfragen werden durch ein Sonderabkommen zwischen Frankreich und
Deutschland geregelt.
Artikel 79.
Die anliegenden Zusatzbestimmungen über die Staatsangehörigkeit
haben gleiche Kraft und Geltung wie die Bestimmungen dieses Abschnitts.
Alle anderen Elsaß-Lothringen betreffenden Fragen, die nicht in diesem Abschnitt
und seiner Anlage oder in den allgemeinen Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrags
geregelt sind, sollen Gegenstand späterer Übereinkommen zwischen Frankreich und
Deutschland bilden.
Anlage.
§ 1.
Mit Wirkung vom 11. November 1918 erlangen von Rechtswegen die
französische Staatsangehörigkeit wieder:
1. Die Personen, die durch den französisch-deutschen Vertrag vom 10.
Mai 1871 die französische Staatsangehörigkeit verloren und seitdem keine andere als die
deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben;
2. die ehelichen oder unehelichen Nachkommen der unter der vorstehenden
Nummer genannten Personen mit Ausnahme derer, die unter ihren Vorfahren väterlicherseits
einen nach dem 15. Juli 1870 nach Elsaß-Lothringen eingewanderten Deutschen haben;
3. alle in Elsaß-Lothringen von unbekannten Eltern Geborenen und die
Personen, deren Staatsangehörigkeit unbekannt ist.
§ 2.
Innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des gegenwärtigen
Vertrags können Personen, die einer der folgenden Gattungen angehören, Anspruch auf die
französische Staatsangehörigkeit erheben:
1. jede Person , die nicht auf Grund des § 1 die
französische Staatsangehörigkeit wiedererlangt hat und die unter ihren Vorfahren einen
Franzosen oder eine Französin zählt, welche die französische Staatsangehörigkeit unter
den im genannten Paragraphen vorgesehenen Umständen verloren haben;
2. jeder Ausländer, die nicht Staatsangehöriger eines deutschen
Staates ist und der die elsaß-lothringische Staatsangehörigkeit vor dem 3. August 1914
erworben hat;
3. jeder Deutsche mit Wohnsitz in Elsaß-Lothringen, wenn er diesen
Wohnsitz schon vor dem 15. Juli 1870 hatte oder wenn einer seiner Vorfahren zu jener Zeit
seinen Wohnsitz in Elsaß-Lothringen hatte;
4. jeder Deutsche, der in Elsaß-Lothringen geboren ist oder dort
seinen Wohnsitz hat, der während des jetzigen Krieges in den Reihen der alliierten oder
assoziierten Heere gedient hat, sowie seine Nachkommen;
5. alle Personen, die vor dem 10. Mai 1871 in Elsaß-Lothringen von
ausländischen Eltern geboren sind, sowie ihre Nachkommen;
6. der Ehegatte jeder Person, die entweder nach § 1
die französische Staatsangehörigkeit wiedererlangt hat oder auf die französische
Staatsangehörigkeit nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen Anspruch erhebt und sie
erlangt.
Das Recht, den Anspruch auf Verleihung der französischen Staatsangehörigkeit an
einen Minderjährigen geltend zu machen, steht seinem gesetzlichen Vertreter zu; macht
dieser von dem Rechte keinen Gebrauch, so kann der Minderjährige selbst innerhalb eines
Jahres nach erreichter Volljährigkeit die Verleihung der französischen
Staatsangehörigkeit beanspruchen.
Außer im Fall der Nr. 6 dieses Paragraphen kann der Antrag auf Verleihung der
Staatsangehörigkeit von der französischen Behörde im Einzelfall abgelehnt werden.
§ 3.
Soweit nicht die Bestimmungen des § 2 Platz
greifen, erwerben Deutsche, die in Elsaß-Lothringen geboren sind oder ihren Wohnsitz
haben, selbst wenn sie die elsaß-lothringische Staatsangehörigkeit besitzen, die
französische Staatsangehörigkeit nicht durch die bloße Tatsache des Rückfalls von
Elsaß-Lothringen an Frankreich.
Sie können diese Staatsangehörigkeit nur im Wege der Einbürgerung erlangen, und
auch nur dann, wenn sie in Elsaß-Lothringen vor dem 3. August 1914 ihren Wohnsitz hatten
und einen ununterbrochenen Aufenthalt in dem wieder angegliederten Gebiet während dreier
Jahre gerechnet vom 11. November 1918 ab nachweisen können.
Von der Einreichung ihres Einbürgerungsantrags ab übernimmt Frankreich allein
ihren diplomatischen und konsularischen Schutz.
§ 4.
Die Grundsätze, nach denen die Festsetzung eines kraft Gesetzes
eingetretenen Wiedererwerbs der französischen Staatsangehörigkeit erfolgt, bestimmt die
französische Regierung. Das gleiche gilt für die Art und Weise, in der über die
Ansprüche auf Verleihung der französischen Staatsangehörigkeit und über die in der
gegenwärtigen Anlage vorgesehenen Einbürgerungsanträge entschieden wird.
Abschnitt VI.
Österreich.
Artikel 80.
Deutschland erkennt die Unabhängigkeit Österreichs innerhalb der
durch Vertrag zwischen diesem Staate und den alliierten und assoziierten Hauptmächten
festzusetzenden Grenzen an und verpflichtet sich, sie unbedingt zu achten; es erkennt an,
daß diese Unabhängigkeit unabänderlich ist, es sei denn, daß der Rat des Völkerbunds
einer Abänderung zustimmt.
Abschnitt VII.
Tschecho-Slowakei.
Artikel 81.
Deutschland erkennt, wie die alliierten und assoziierten Mächte
es schon getan haben, die vollständige Unabhängigkeit der Tschecho-Slowakei an, die das
autonome Gebiet der Ruthenen südlich der Karpaten mit einbegreift. Es erklärt sein
Einverständnis mit der Abgrenzung dieses Staates, wie sie durch die alliierten und
assoziierten Hauptmächte und die anderen beteiligten Staaten erfolgen wird.
Artikel 82.
Die Grenze zwischen Deutschland und der Tschecho-Slowakei bildet
die alte Grenze zwischen Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich, so wie sie am 3.
August 1914 bestand.
Artikel 83.
Deutschland verzichtet zugunsten der Tschecho-Slowakei auf alle
Rechte und Ansprüche auf den folgendermaßen umschriebenen Teil des schlesischen
Gebietes:
von einem Punkte ab, der etwa 2 km südöstlich von Katscher auf der Grenze der
Kreise Leobschütz und Ratibor liegt:
die Grenze zwischen den beiden Kreisen;
dann die alte Grenze zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn bis zu einem
Punkte, der an der Oder hart südlich der Eisenbahnlinie Ratibor-Oderberg liegt;
von dort nach Nordwesten bis zu einem Punkte ungefähr 2 km südöstlich von
Katscher:
eine im Gelände nach zu bestimmende Linie, die westlich von Kranowitz verläuft.
Ein aus sieben Mitgliedern zusammengesetzter Ausschuß, von denen fünf durch die
alliierten und assoziierten Hauptmächte, eines von Polen und eines von der
Tschecho-Slowakei ernannt werden, tritt zwei Wochen nach Inkrafttreten des gegenwärtigen
Vertrags zusammen, um an ort und Stelle die Grenzlinie zwischen Polen und der
Tschecho-Slowakei festzusetzen.
Dieser Ausschuß entscheidet mit Stimmenmehrheit. Seine Entscheidungen sind für
die Beteiligten bindend.
Deutschland verzichtet bereits jetzt zugunsten der Tschecho-Slowakei auf alle
Rechte und Ansprüche auf den von den nachstehend bezeichneten Grenzen eingefaßten Teil
des Kreises Leobschütz für den fall, daß infolge der deutschpolnischen Grenzfestsetzung
der bezeichnete Teil dieses Kreises den Zusammenhang mit Deutschland verlieren sollte:
von dem Südostende des Vorsprungs der alten österreichischen Grenze etwa 5 km
westlich von Leobschütz in südlicher Richtung bis zum Treffpunkt mit der Grenze der
Kreise Leobschütz und Ratibor:
die alte Grenze zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn;
dann nach Norden die Verwaltungsgrenze zwischen den Kreisen Leobschütz und Ratibor
bis zu einem Punkte etwa 2 km südöstlich von Katscher;
von dort gegen Nordwesten bis zum Ausgangspunkt dieser Grenzbeschreibung:
eine im Gelände noch zu bestimmende Linie, die östlich von Katscher verläuft.
Artikel 84.
Die deutschen Reichsangehörigen, die ihren Wohnsitz in
irgendeinem als Bestandteil der Tschecho-Slowakei anerkannten Gebiet haben, erwerben von
Rechts wegen die tschecho-slowakische Staatsangehörigkeit unter Verlust der deutschen.
Artikel 85.
Zwei Jahre lang nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags
sind die über achtzehn Jahre alten deutschen Reichsangehörigen, die in irgendeinem der
als Bestandteil der Tschecho-Slowakei anerkannten Gebiete ansässig sind, berechtigt, für
die deutsche Reichsangehörigkeit zu optieren. Die Tschecho-Slowaken, die deutsche
Reichsangehörigkeit besitzen und in Deutschland wohnen, sind ebenso berechtigt, für die
tschecho-slowakische Staatsangehörigkeit zu optieren.
Die Option des Ehemannes erstreckt ihre Wirkung auf die Ehefrau, die Option der
Eltern erstreckt ihre Wirkung auf Kinder unter achtzehn Jahren.
Personen, die von dem oben vorgesehenen Optionsrecht Gebrauch machen, müssen in
den nächsten zwölf Monaten ihren Wohnsitz in den Staat verlegen, für den sie optiert
haben.
Es steht ihnen frei, das unbewegliche Gut zu behalten, das sie im Gebiete des
anderen Staates besitzen, in dem sie vor der Option wohnten. Sie dürfen ihr gesamtes
bewegliche Gut mitnehmen. Es wird dafür keinerlei Ausfuhr- oder Einfuhrzoll von ihnen
erhoben.
Innerhalb derselben Frist haben die Tschecho-Slowaken, die deutschen
Reichsangehörigen sind und sich im Ausland befinden, das Recht, - falls dies den
Bestimmungen des fremden Gesetzes nicht zuwiderläuft und falls sie nicht die fremde
Staatsangehörigkeit erworben haben - die tschecho-slowakische Staatsangehörigkeit unter
Verlust der deutschen nach Maßgabe der von der Tschecho-Slowakei erlassenen Vorschriften
zu erwerben.
Artikel 86.
Die Tschecho-Slowakei ist damit einverstanden, daß die alliierten
und assoziierten Hauptmächte in einen mit ihr zu schließenden Vertrag die Bestimmungen
aufzunehmen, die sie zum Schutze der Interessen der nationalen, sprachlichen und
religiösen Minderheiten in der Tschecho-Slowakei für notwendig erachten, und genehmigt
damit diese Bestimmungen.
Auch ist die Tschecho-Slowakei damit einverstanden, daß die alliierten und
assoziierten Hauptmächte in einem mit ihr zu schließenden Vertrag die Bestimmungen
aufnehmen, die sie zur Sicherung der freien Durchfuhr und einer gerechten Regelung des
Handelsverkehrs der anderen Völker für notwendig erachten:
Umfang und Art der finanziellen Lasten, die die Tschecho-Slowakei mit Rücksicht
auf das unter ihre Souveränität fallenden schlesische Gebiet vom Deutschen Reiche und
von Preußen zu übernehmen hat, werden nach Artikel 254 Teil IX (Finanzielle Bestimmungen) des gegenwärtigen Vertrags
festgesetzt.
Alle nicht durch den gegenwärtigen Vertrag geregelten Fragen, die sich aus der
Abtretung des bezeichneten Gebiets ergeben, werden in späteren Übereinkommen geregelt.
Abschnitt VIII.
Polen.
Artikel 87.
Deutschland erkennt, wie die alliierten und assoziierten Mächte
es bereits getan haben, die völlige Unabhängigkeit Polens an und verzichtet zugunsten
Polens auf alle Rechte und Ansprüche auf das Gebiet, das begrenzt wird durch die Ostsee,
die Ostgrenze Deutschlands, wie sie im Artikel 27 Teil II (Deutschlands Grenzen) des gegenwärtigen Vertrags festgesetzt
ist, bis zu einem Punkte etwa 2 km von Lorzendorf, dann durch eine Linie bis zu dem von
der Nordgrenze Oberschlesiens gebildeten spitzen Winkel etwa 3 km nordwestlich von
Simmenau, dann durch die Grenze Oberschlesiens bis zu ihrem Treffpunkt mit der alten
deutsch-russischen Grenze, dann durch diese Grenze bis zu ihrem Schnittpunkt mit der
Memel, dann durch die Nordgrenze von Ostpreußen, wie sie im Artikel 28 des angeführten Teiles II festgelegt
ist.
Keine Anwendung finden indes die Bestimmungen dieses Artikels auf die Gebiete
Ostpreußens und der Freien Stadt Danzig, wie sie in dem bezeichneten Artikel 28 Teil II (Deutschlands Grenzen) und im
Artikel 100 Abschnitt XI (Danzig) dieses Teils
abgegrenzt sind.
Soweit die Grenzen Polens in dem gegenwärtigen Vertrag nicht näher festgelegt
sind, werden sie von den alliierten und assoziierten Hauptmächten später bestimmt.
Ein aus sieben Mitgliedern zusammengesetzter Ausschuß, von denen fünf durch die
alliierten und assoziierten Hauptmächte, eines von Deutschland und eines von Polen
ernannt werden, tritt zwei Wochen nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags zusammen,
um an Ort und Stelle die Grenzen zwischen Polen und Deutschland festzulegen.
Dieser Ausschuß entscheidet mit Stimmenmehrheit. Seine Entscheidungen sind für
die Beteiligten bindend.
Artikel 88.
In dem Teile Oberschlesiens, der innerhalb der nachstehend
beschriebenen Grenzen gelegen ist, werden die Einwohner berufen, im Wege der Abstimmung
kundzutun, ob sie mit Deutschland oder Polen vereinigt zu werden wünschen:
von der ungefähr 8 km östlich von Neustadt belegenen Nordspitze des Vorsprungs
der ehemaligen österreichischen Provinz Schlesien, die alte deutsch-österreichische
Grenze bis zu ihrem Treffpunkt mit der Grenze der Kreise Leobschütz und Ratibor;
von dort nach Norden bis zu einem Punkte etwa 2 km südöstlich von Katscher:
die Grenze der Kreise Leobschütz und Ratibor;
von dort nach Südosten bis zu einem am Laufe der oder hart südlich an der
Eisenbahnlinie Ratibor-Oderberg belegenen Punkte:
eine im Gelände noch zu bestimmende Linie, die südlich von Kranowitz verläuft;
von dort die alte deutsch-österreichische Grenze, dann die alte deutsch-russische
Grenze bis zu ihrem Treffpunkt mit der Verwaltungsgrenze zwischen Polen und Oberschlesien.
von dort diese Verwaltungsgrenze bis zu ihrem Treffpunkt mit der Grenze zwischen
Ober- und Mittelschlesien;
von dort nach Westen bis zu dem Punkt, wo die Verwaltungsgrenze etwa 3 km
nordwestlich von Simmenau sich im spitzem Winkel nach Südosten wendet:
die Grenze zwischen Ober- und Mittelschlesien;
von dort nach Westen bis zu einem noch zu bestimmenden Punkte etwa 2 km östlich
von Lorzendorf:
eine im Gelände noch zu bestimmende Linie, die nördlich von Klein-Hennersdorf
verläuft;
von dort nach Süden bis zum Schnittpunkt der Grenze zwischen Ober- und
Mittelschlesien mit der Straße Städtel-Karlsruhe;
eine im Gelände noch zu bestimmende Linie, die westlich der Ortschaften
Hennersdorf, Polkowitz, Noldau, Steinersdorf und Dammer und östlich der Ortschaften
Strehlitz, Naßadel, Eckersdorf, Schwirz und Städtel verläuft;
von dort die Grenze zwischen Ober- und Mittelschlesien bis zu ihrem Treffpunkt mit
der Ostgrenze des Kreises Falkenberg;
von dort die Ostgrenze des Kreises Falkenberg bis zu einem Punkte des Vorsprungs
etwa 3 km östlich von Puschine;
von dort bis zur Nordspitze des Vorsprungs der ehemaligen österreichischen Provinz
Schlesien etwa 8 km östlich von Neustadt:
eine im Gelände noch zu bestimmende Linie, die östlich von Zülz verläuft.
Die Regelung, gemäß der diese Äußerung der Bevölkerung herbeizuführen und ihr
Folge zu geben ist, bildet den Gegenstand der Bestimmungen der beigefügten Anlage.
Die polnische und die deutsche Regierung verpflichten sich bereits jetzt, jede,
insoweit sie es angeht, an keiner Stelle ihres Gebietes wegen politischer Vorkommnisse,
die sich in Oberschlesien währen der Dauer der in der beigefügten Anlage
bestimmten Regelung bis zur endgültigen Regelung des Schicksals dieses Gebiets ereignen,
Strafverfolgungen einzuleiten und weiterzuführen oder irgendwelche Ausnahmemaßregeln zu
ergreifen.
Deutschland verzichtet bereits jetzt zu Gunsten Polens auf alle Rechte und
Ansprüche auf den Teil Oberschlesiens, der jenseits der auf Grund der Volksabstimmung von
den alliierten und assoziierten Hauptmächten festgesetzten Grenzlinie gelegen ist.
Anlage.
§ 1.
Mit Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags und zwar längstens
binnen zwei Wochen haben die deutschen Truppen und die deutschen Behörden, die von dem im
§ 2 genannten Ausschuß bezeichnet werden, die Zone, in der die
Volksabstimmung stattfindet, zu räumen. Bis zur völligen Räumung haben sie sich aller
Beitreibungen in Geld oder Naturalien und aller Maßnahmen zu enthalten, wodurch die
wirtschaftlichen Interessen des Landes beeinträchtigt werden könnten.
Binnen derselben Frist werden die in dieser Zone bestehenden Arbeiter- und
Soldatenräte aufgelöst; ihre Mitglieder, die aus einer anderen Gegend stammen und ihr
Amt bei Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags noch ausüben oder es nach dem 1. März
1919 niedergelegt haben, fallen gleichfalls unter die Räumungsvorschrift.
Sämtliche militärischen und halbmilitärischen Vereine, die in der genannten Zone
von den Einwohnern gebildet worden sind, werden unverzüglich aufgelöst. Die in der
genannten Zone nicht wohnhaften Vereinsmitglieder haben die Zone zu räumen.
§ 2.
Die Zone der Volksabstimmung wird unverzüglich einem
internationalen Ausschuß von vier Mitgliedern unterstellt, die durch die Vereinigten
Staaten von Amerika, Frankreich, das Britische Reich und Italien ernannt werden. Sie wird
von den Truppen der alliierten und assoziierten Mächte besetzt. Die Deutsche Regierung
verpflichtet sich, die Beförderung dieser Truppen nach Oberschlesien zu ermöglichen.
§ 3.
Der Ausschuß besitzt außer in gesetzgeberischer oder
steuerlicher Hinsicht alle Befugnisse der deutschen oder preußischen Regierung. Außerdem
tritt er an Stelle der Regierung der Provinz oder des Regierungsbezirks.
Er ist selbst für die Auslegung der ihm durch die gegenwärtigen Bestimmungen
übertragenen Befugnisse zuständig und hat selbst zu bestimmen, inwieweit er diese
Befugnisse auszuüben oder den bestehenden Behörden zu belassen gedenkt.
Abänderungen der bestehenden Gesetze und Steuern treten nur mit Zustimmung des
Ausschusses in Kraft.
Die Ordnung wird durch den Ausschuß mit der Hilfe der zu seiner Verfügung
stehenden Truppen und, soweit er es für nötig hält, von einer aus den Einwohnern
[franz. Text: "aus Leuten, die aus dem Lande stammen"] gebildeten Polizei
aufrechterhalten.
Der Ausschuß hat unverzüglich für den Ersatz der von der Räumungsvorschrift
betroffenen deutschen Behörden zu sorgen und gegebenenfalls selbst insoweit die Räumung
anzuordnen und den Ersatz der etwa in Frage kommenden Ortsbehörden in die Wege zu leiten.
Er hat alle Maßnahmen zu treffen, die er zur Sicherung einer freien,
unbeeinflußten und geheimen Stimmenabgabe für erforderlich erachtet. Er darf
insbesondere die Ausweisung jeder Person verfügen, die irgendwie das Ergebnis der
Volksabstimmung durch Bestechungs- oder Einschüchterungsmachenschaften zu fälschen
versucht.
Der Ausschuß hat Vollmacht zur Erledigung sämtlicher Fragen, zu denen die
Ausführung der gegenwärtigen Bestimmungen Anlaß geben kann. Er hat technische Berater,
die er sich selbst unter der örtlichen Bevölkerung auswählt, zur Hilfeleistung
heranzuziehen.
Der Ausschuß entscheidet mit Stimmenmehrheit.
§ 4.
Die Abstimmung findet nach Ablauf einer von den alliierten und
assoziierten Hauptmächten festzusetzenden Frist statt, indes nicht früher als sechs und
nicht später als achtzehn Monate nach dem Amtsantritt des obengenannten Ausschusses in
der Zone.
Stimmberechtigt ist jede Person ohne Unterschied des Geschlechts, die den
nachstehenden Bedingungen genügt:
a) sie muß am 1. Januar des Jahres, in dem die Volksabstimmung
stattfindet, das zwanzigste Lebensjahr vollendet haben;
b) sie muß in der Zone, in der die Volksabstimmung stattfindet,
geboren sein oder dort seit einem von dem Ausschuß festzusetzenden Zeitpunkt, der aber
nicht nach dem 1. Januar 1919 liegen darf, ihren Wohnsitz haben oder von den deutschen
Behörden ohne Beibehaltung des Wohnsitzes in der Zone ausgewiesen worden sein.
Den wegen politischer Straftaten Verurteilten muß die Ausübung ihres Stimmrechts
ermöglicht werden.
Jeder stimmt in der Gemeinde, in der er seinen Wohnsitz hat oder, wenn er seinen
Wohnsitz nicht in dem Gebiete hat, in der Gemeinde, in der er geboren ist.
Das Abstimmungsergebnis wird gemeindeweise, und zwar nach der Stimmenmehrheit in
jeder Gemeinde, festgestellt.
§ 5.
Nach Beendigung der Abstimmung teilt der Ausschuß den alliierten
und assoziierten Hauptmächten die Anzahl der in jeder Gemeinde angegebenen Stimmen mit
und reicht gleichzeitig einen eingehenden Bericht über die Wahlhandlung sowie einen
Vorschlag über die Linie ein, die in Oberschlesien unter Berücksichtigung sowohl der
Willenskundgebung der Einwohner als auch der geographischen und wirtschaftlichen Lage der
Ortschaften als Grenze Deutschlands angenommen werden soll.
§ 6.
Sobald die Grenzlinie von den alliierten und assoziierten
Hauptmächten festgelegt ist, hat der Ausschuß den deutschen Behörden mitzuteilen, daß
sie die Verwaltung des als deutsch anzuerkennenden Gebiets wieder zu übernehmen haben;
die bezeichneten Behörden haben dies im Laufe des auf diese Benachrichtigung folgenden
Monats in der vom Ausschuß vorgeschriebenen Weise zu tun.
Innerhalb derselben Frist hat die polnische Regierung in der von dem Ausschuß
vorgeschriebenen Weise für die Verwaltung des als polnisch anzuerkennenden Gebiets zu
sorgen.
Sobald die Verwaltung des Landes in solcher Weise von den deutschen und polnischen
Behörden sichergestellt ist, erlöschen die Befugnisse des Ausschusses.
Die Kosten der Besetzungstruppen und die Ausgaben des Ausschusses für seine
Geschäftsführung sowie für die Verwaltung der Zone werden aus den örtlichen Einnahmen
bestritten.
Artikel 89.
Polen verpflichtet sich, dem Personen-, Güter-, Schiffs-, Boots-,
Wagen-, Eisenbahnwagen- und Postverkehr zwischen Ostpreußen und dem übrigen Deutschland
durch das polnische Gebiet einschließlich der Hoheitsgewässer völlige Durchgangfreiheit
zuzugestehen und ihm hinsichtlich der Verkehrserleichterungen oder -beschränkungen sowie
in jeder anderen Hinsicht zum mindesten dieselbe günstige Behandlung zuteil werden zu
lassen, wie dem Verkehr von Personen, Gütern, Schiffen, Booten, Wagen, Eisenbahnwagen und
Postsendungen, die polnischer Nationalität, polnischen Ursprungs, polnischer Herkunft,
polnisches Eigentum sind oder von einem polnischen Abgangsort kommen; wird einer anderen
Nationalität eine noch günstigere Behandlung als der polnischen bewährt, so ist diese
Behandlung maßgebend.
Durchfuhrgüter bleiben von allen Zoll- oder ähnlichen Abgaben frei.
Die Durchgangsfreiheit erstreckt sich auf den Draht- und Fernsprechverkehr unter
den Bedingungen, wie sie in den im Artikel 98 vorgesehenen
Übereinkommen festgelegt sind.
Artikel 90.
Polen verpflichtet sich, während eines Zeitraumes von fünfzehn
Jahren die Ausfuhr der Bergwerkserzeugnisse nach Deutschland aus allen denjenigen Teilen
Oberschlesiens zu gestatten, die auf Grund des gegenwärtigen Vertrags an Polen
übergehen.
Diese Erzeugnisse bleiben von allen Ausfuhrabgaben sowie allen auf ihrer Ausfuhr
lastenden Gebühren oder Beschränkungen frei.
Polen verpflichte sich desgleichen, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen,
damit der Verkauf der verfügbaren Erzeugnisse dieser Gruben an Käufer in Deutschland
unter ebenso günstigen Bedingungen erfolgt, wie der Verkauf gleichartiger Erzeugnisse,
die unter entsprechenden Verhältnissen an Läufer in Polen oder in irgend einem anderen
Lande verkauft werden.
Artikel 91.
Die deutschen Reichsangehörigen, die ihren Wohnsitz in den
endgültig als Bestandteil Polens anerkannten Gebieten haben, erwerben von Rechts wegen
die polnische Staatsangehörigkeit unter Verlust der deutschen.
Indes können deutsche Reichsangehörige und ihre Nachkommen, die sich nach dem 1.
Januar 1919 in jenen Gebieten niedergelassen haben, die polnische Staatsangehörigkeit nur
mit besonderer Genehmigung des polnischen Staates erwerben.
Zwei Jahre lang nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags sind die über
achtzehn Jahre alten deutschen Reichsangehörigen, die in einem der als Bestandteil Polens
anerkannten Gebieten ihren Wohnsitz haben, berechtigt, für die deutsche
Reichsangehörigkeit zu optieren.
Polen deutscher Reichsangehörigkeit im Alter von über achtzehn Jahren, die in
Deutschland ihren Wohnsitz haben, sind ebenso [franz. Text: statt "ebenso",
"selbst"] berechtigt, für die polnische Staatsangehörigkeit zu optieren.
Die Option des Ehemannes erstreckt ihre Wirkung auf die Ehefrau, die Option der
Eltern erstreckt ihre Wirkung auf Kinder unter achtzehn Jahren.
Alle Personen, die von dem oben vorgesehenem Optionsrecht Gebrauch machen, steht es
frei, in den nächsten zwölf Monaten ihren Wohnsitz in den Staat zu verlegen, für den
sie optiert haben.
Es steht ihnen frei, das unbewegliche Gut zu behalten, das sie im Gebiete des
anderen Staates besitzen, in dem sie vor der Option wohnten.
Sie dürfen ihr gesamtes bewegliches Gut zollfrei in das Land mitnehmen, für das
sie optiert haben. Die etwa bestehenden Ausfuhrzölle oder -gebühren werden dafür von
ihnen nicht erhoben.
Innerhalb derselben Frist haben die Polen, die deutsche Reichsangehörige sind und
sich im Ausland befinden, das Recht - falls dies den Bestimmungen des fremden Gesetzes
nicht zuwiderläuft und falls sie nicht die fremde Staatsangehörigkeit erworben haben -
die polnische Staatsangehörigkeit unter Verlust der deutschen auf Grund der von dem
polnischen Staat zu erlassenden Vorschriften zu erwerben.
In dem Teile Oberschlesiens, in dem die Volksabstimmung stattfindet, treten die
Bestimmungen dieses Artikels erst nach der endgültigen Zuteilung dieses Gebietes in
Kraft.
Artikel 92.
Umfang und Art der finanziellen Lasten, die Polen vom Deutschen
Reiche und von Preußen zu übernehmen hat, werden nach Artikel 254,
Teil IX (Finanzielle Bestimmungen) des gegenwärtigen Vertrags
festgesetzt.
Der Teil der Staatsschuld, der nach der Entscheidung des im genannten Artikel
erwähnten Widergutmachungsausschusses auf die von der deutschen und preußischen
Regierung für die deutsche Besiedlung Polens getroffenen Maßnahmen entfällt, bleibt bei
der Berechnung des Polen aufzuerlegenden Anteils außer Betracht.
Die gemäß Artikel 256 des gegenwärtigen Vertrags von
dem Wiedergutmachungsausschuß vorzunehmende Abschätzung des gleichzeitig mit den
abzutretenden Gebieten an Polen fallenden Guts und Eigentums des Reichs und der deutschen
Staaten erstreckt sich nicht auf Gebäude, Wälder und sonstiges Staatseigentum, das dem
ehemaligen Königreich Polen gehörte. Diese erwirbt Polen frei und ledig von allen
Lasten.
In allem deutschen Gebieten, die auf Grund des gegenwärtigen Vertrags übergehen
und endgültig als Bestandteil Polens anerkannt werden, dürfen die Güter, Rechte und
Interessen der deutschen Reichsangehörigen auf grund des Artikel 297
von der polnischen Regierung nur nach Maßgabe nachstehender Bestimmungen liquidiert
werden:
1. Der Liquidationserlös muß unmittelbar an den Berechtigten
ausbezahlt werden;
2. falls letzterer vor dem in Abschnitt VI,
Teil X (Wirtschaftliche Bestimmungen) des gegenwärtigen Vertrags
vorgesehenen Gemischten Schiedsgerichtshof oder vor einem von diesem Gericht bezeichneten
Schiedsrichter nachweist, daß die Verkaufsbedingungen oder daß von der polnischen
Regierung außerhalb ihrer allgemeinen Gesetzgebung ergriffene Maßnahmen den Preis
unbillig beeinflußt haben, ist der Gerichtshof oder der Schiedsrichter befugt, dem
Berechtigten eine angemessene Entschädigung zuzusprechen, die von der polnischen
Regierung bezahlt werden muß. Alle in dem gegenwärtigen Vertrag nicht geregelten Fragen,
die anläßlich der Abtretung der bezeichneten Gebiete entstehen, werden in späteren
Übereinkommen geregelt.
Artikel 93.
Polen ist damit einverstanden, daß die alliierten und
assoziierten Hauptmächte in einem mit ihm zu schließenden Vertrag die Bestimmungen
aufnehmen, die sie zum Schutz der Interessen der nationalen, sprachlichen und religiösen
Minderheiten in Polen für notwendig erachten, und genehmigt damit diese Bestimmungen.
Auch ist Polen damit einverstanden, daß die alliierten und assoziierten
Hauptmächte in einen mit ihm zu schließenden Vertrag die Bestimmungen aufnehmen, die sie
zum Schutz der freien Durchfuhr und einer gerechten Regelung des Handelsverkehrs der
anderen Völker für notwendig erachten.
Abschnitt IX.
Ostpreußen.
Artikel 94.
In der Zone zwischen der Südgrenze Ostpreußens, wie sie im
Artikel 28 Teil II (Deutschlands
Grenzen) des gegenwärtigen Vertrags bezeichnet ist, und der nachstehend beschriebenen
Linie werden die Einwohner berufen, im Wege der Abstimmung zu erklären, mit welchem
Staate sie vereinigt zu werden wünschen:
West- und Nordgrenze des Regierungsbezirks Allenstein bis zu ihrem
Treffpunkt mit der Grenzlinie zwischen den Kreisen Oletzko und Angerburg; von dort
Nordgrenze des Kreises Oletzko bis zu ihrem Treffpunkt mit der alten Grenze Ostpreußens.
Artikel 95.
Binnen längstens zwei Wochen nach Inkrafttreten des
gegenwärtigen Vertrags haben die deutschen Truppen und Behörden das oben umschriebene
Gebiet zu verlassen. Bis zur Vollendung der Räumung haben sie sich aller Beitreibungen in
Geld- und Naturalien und jeder Maßnahme zu enthalten, wodurch die wirtschaftlichen
Interessen des Landes beeinträchtigt werden könnten.
Mit Ablauf der vorerwähnten Frist wird die genannte Zone einem internationalen
Ausschuß unterstellt, der aus fünf von den alliierten und assoziierten Hauptmächten
ernannten Mitgliedern besteht. Dieser Ausschuß erhält allgemeine Verwaltungsbefugnis und
hat insbesondere die Aufgabe, die Abstimmung in die Wege zu leiten und alle Maßnahmen zu
treffen, die er zur Sicherung einer freien, unbeeinflußten und geheimen Stimmenabgabe
für erforderlich erachtet. Er erhält desgleichen Vollmacht zur Entscheidung aller
Fragen, zu denen die Ausführung der gegenwärtigen Bestimmungen Anlaß gibt. Er trifft
ferner alle geeigneten Anordnungen, um sich bei der Ausübung seines Amtes durch
Hilfskräfte unterstützen zu lassen, die er selbst unter der örtlichen Bevölkerung
auswählt. Er entscheidet mit Stimmenmehrheit.
Stimmberechtigt ist jede Person, ohne Unterschied des Geschlechts, die den
nachstehenden Bestimmungen genügt:
a) Sie muß bei Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags das
zwanzigste Lebensjahr vollendet haben;
b) sie muß in der Zone, in der die Volksabstimmung stattfindet,
geboren sein oder seit einem von dem Ausschuß festzusetzenden Zeitpunkt dort ihren
Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt gehabt haben.
Jeder stimmt in der Gemeinde, in der er seinen Wohnsitz hat, oder, wenn er seinen
Wohnsitz oder Aufenthalt nicht in der Zone hat, in der Gemeinde, in der er geboren ist.
Das Abstimmungsergebnis wird gemeindeweise und zwar nach der Stimmenmehrheit in
jeder Gemeinde festgestellt.
Nach Beendigung der Abstimmung teilt der Ausschuß den alliierten und assoziierten
Hauptmächten die Anzahl der in jeder Gemeinde abgegebenen Stimmen mit und reicht
gleichzeitig einen eingehenden Bericht über die Wahlhandlung sowie einen Vorschlag über
die Linie ein, die unter Berücksichtigung sowohl des durch die Abstimmung kundgegebenen
Willens der Einwohner als der geographischen und wirtschaftlichen Lage der Ortschaften in
dieser Gegend als Grenzen Ostpreußens angenommen werden soll. Die alliierten und
assoziierten Hauptmächte setzen alsdann die Grenze zwischen Ostpreußen und Polen in
dieser Gegend fest.
Schließt der von den alliierten und assoziierten Hauptmächten festgesetzte
Grenzverlauf irgendeinen Teil des im Artikel 94 umschriebenen Gebiets
von Ostpreußen aus, so erstreckt sich der oben im Artikel 87
vorgesehene, von Deutschland zugunsten Polens ausgesprochene Rechtsverzicht auf die so
ausgeschlossenen Gebietsteile.
Sobald die alliierten und assoziierten Hauptmächte die Grenzlinie festgesetzt
haben, werden die ostpreußischen Verwaltungsbehörden von dem Ausschluß dahin
verständigt, daß sie in dem nördlich dieser Grenzlinie liegenden Gebiet die Verwaltung
wider zu übernehmen haben. Diese Übernahme hat binnen Monatsfrist nach der
Benachrichtigung und in der von dem Ausschuß vorgeschriebenen Art zu erfolgen. Binnen
derselben Frist und ebenfalls in der von dem Ausschuß vorgeschriebenen Art hat die
polnische Regierung für die Verwaltung des südlich der Grenzlinie liegenden Gebiets
Sorge zu tragen. Sobald hiernach die Verwaltung des Landes durch die ostpreußischen oder
polnischen Behörden sichergestellt ist, nahmen die Befugnisse des internationalen
Ausschusses ein Ende.
Die Ausgaben des Ausschusses für seine eigene Tätigkeit sowie für die Verwaltung
der Zone werden aus den örtlichen Einnahmen bestritten; das Mehr an Ausgaben wird nach
einem von den alliierten und assoziierten Hauptmächten festgesetzten Verhältnis von
Ostpreußen getragen.
Artikel 96.
In einer Zone, die die Kreise Stuhm und Rosenberg, den östlich
der Nogat liegenden Teil des Kreises Marienburg und östlich der Weichsel liegenden Teil
des Kreises Marienwerder umfaßt, werden die Einwohner berufen, durch eine gemeindeweise
Abstimmung kundzutun, ob sie wünschen, daß die verschiedenen in diesem Gebiete liegenden
Gemeinden zu Polen oder zu Ostpreußen gehören sollen.
Artikel 97.
Binnen längstens zwei Wochen nach Inkrafttreten des
gegenwärtigen Vertrags haben die deutschen Truppen und Behörden die im Artikel 96 bezeichnete Zone zu verlassen. Bis zur Vollendung der Räumung haben sie
sich aller Beitreibungen in Geld oder Naturalien und jeder Maßnahme zu enthalten, wodurch
die wirtschaftlichen Interessen des Landes beeinträchtigt werden könnten.
Mit Ablauf der vorerwähnten Frist wird die genannte Zone einem internationalen
Ausschuß unterstellt, der aus fünf von den alliierten und assoziierten Hauptmächten
ernannten Mitgliedern besteht. Dieser Ausschuß, dem erforderlichenfalls die nötigen
Streitkräfte beizugeben sind, erhält allgemeine Verwaltungsbefugnis und hat insbesondere
die Aufgabe, die Abstimmung in die Wege zu leiten und alle Maßnahmen zu treffen, die er
zur Sicherung einer freien, unbeeinflußten und geheimen Stimmenabgabe für erforderlich
erachtet. Er hat sich, soweit möglich, nach den Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrags
über die Volksabstimmung in der Allensteiner Zone zu richten. Er entscheidet mit
Stimmenmehrheit.
Die Ausgaben des Ausschusses für seine eigene Tätigkeit sowie für die Verwaltung
der ihm unterstellten Zone werden aus den örtlichen Einnahmen bestritten.
Nach Beendigung der Abstimmung teilt der Ausschuß den alliierten und assoziierten
Hauptmächten die Anzahl der in jeder Gemeinde angegebenen Stimmen mit und reicht
gleichzeitig einen eingehenden Bericht über die Wahlhandlung sowie einen Vorschlag über
die Linie ein, die unter Berücksichtigung sowohl des durch die Abstimmung kundgegebenen
Willens der Einwohner als auch der geographischen und wirtschaftlichen Lage der
Ortschaften in dieser Gegend als Grenzlinie Ostpreußens angenommen werden soll. Die
alliierten und assoziierten Hauptmächte setzen alsdann die Grenze zwischen Ostpreußen
und Polen in dieser Gegend fest, wobei zum mindesten für die gesamte Strecke, auf der die
Weichsel die Grenze bildet, die volle und uneingeschränkte Überwachung des Stromes
einschließlich seines östlichen Ufers in der Tiefe, die für die Regulierung und
Verbesserungsarbeiten erforderlich ist, Polen zugesprochen werden muß. Deutschland
verpflichtet sich, niemals irgendwelche Befestigungen in irgendeinem Teile des erwähnten
Gebiets, soweit es deutsch bleibt, anzulegen.
Die alliierten und assoziierten Hauptmächte erlassen gleichzeitig Vorschriften,
die der ostpreußischen Bevölkerung den Zugang zur Weichsel und die Benutzung des Stromes
für sie selbst, für ihre Güter und für ihre Schiffe unter angemessenen Bedingungen und
unter vollster Rücksichtnahme auf ihre Interessen sichern.
Die Grenzbestimmungen und die oben vorgesehenen Vorschriften sind für alle
Beteiligten bindend.
Sobald die Verwaltung des Landes durch die ostpreußischen oder polnischen
Behörden übernommen ist, nehmen die Befugnisse des Ausschusses ein Ende.
Artikel 98.
Deutschland und Polen werden binnen Jahresfrist nach Inkrafttreten
des gegenwärtigen Vertrags Übereinkommen abschließen, deren Wortlaut im Streitfalle von
dem Rate des Völkerbundes festgesetzt wird und die einerseits Deutschland für den
Eisenbahn-, Draht- und Fernsprechverkehr zwischen Ostpreußen und dem übrigen Deutschland
durch das polnische Gebiet die volle Möglichkeit geeigneter Betätigung gewährleisten
und andererseits Polen für seinen Verkehr mit der Freien Stadt Danzig durch das etwa auf
dem rechten Weichselufer zwischen Polen und der Freien Stadt Danzig liegende deutsche
Gebiet die gleiche Möglichkeit sichert.
Abschnitt X.
Memel.
Artikel 99.
Deutschland verzichtet zugunsten der alliierten und assoziierten
Hauptmächte auf alle Rechte und Ansprüche auf die Gebiete zwischen der Ostsee, der in
Artikel 28 Teil II (Deutschlands
Grenzen) des gegenwärtigen Vertrags beschriebenen Nordgrenze Ostpreußens und den alten
deutsch-russischen Grenzen.
Deutschland verpflichtet sich, die von den alliierten und assoziierten
Hauptmächten hinsichtlich dieser Gebiete, insbesondere über die Staatsangehörigkeit der
Einwohner getroffenen Bestimmungen anzuerkennen.
Abschnitt XI.
Freie Stadt Danzig.
Artikel 100.
Deutschland verzichtet zugunsten der alliierten und assoziierten
Hauptmächte auf alle Rechte und Ansprüche auf das Gebiet, das von den nachstehend
angegebenen Grenzen umschlossen wird:
von der Ostsee nach Süden bis zu dem Punkte, an dem die
Hauptschiffahrtswege der Nogat und der Weichsel zusammentreffen:
die ostpreußische Grenze, wie sie im Artikel 28
Teil II (Deutschlands Grenzen) des gegenwärtigen Vertrags
beschrieben ist;
von dort der Hauptschiffahrtsweg der Weichsel talwärts bis zu einem
Punkt ungefähr 6˝ km nördlich der Dirschauer Brücke;
von dort nach Nordwesten bis zur Höhe 5, 1˝ km südöstlich der
Kirche von Güttland:
eine im Gelände noch zu bestimmende Linie;
von dort nach Westen bis zu dem Vorsprung, die die Grenze des Kreises
Berent 8˝ km nordöstlich von Schöneck bildet:
eine im Gelände noch zu bestimmende Linie, die zwischen Mühlbanz im
Süden und Rambeltsch im Norden verläuft;
von dort nach Westen die Grenze des Kreises Berent bis zu der
Einbuchtung, die sie 6 km nordnordwestlich von Schöneck bildet;
von dort bis zu einem Punkte auf der Mittellinie des Lonkener Sees:
eine im Gelände noch zu bestimmende Linie, die nördlich von Neu-Fietz
und Schatarpi und südlich von Barenhütte und Lonken verläuft;
von dort die Mittellinie des Lonkener Sees bis zu seinem Nordende;
von dort bis zum Südende des Pollenziner Sees:
eine im Gelände noch zu bestimmende Linie;
von dort die Mittellinie des Pollenziner Sees bis zu seinem Nordende;
von dort nach Nordosten bis zu dem ungefähr 1 km südlich der Kirche
von Koliebken liegenden Punkt, wo die Eisenbahn Danzig-Neustadt einen Bach kreuzt:
eine im Gelände noch zu bestimmende Linie, die südöstlich von
Kamehlen, Krissau, Fidlin, Sulmin (Richthof) Mattern, Schäferei und nordwestlich von
Neuendorf, Marschau, Czapielken, Hoch- und Klein-Kelpin, Pulvermühl, Renneberg und den
Städten Oliva und Zoppot verläuft;
von dort der Lauf des oben erwähnten Baches bis zur Ostsee.
Die vorstehend beschriebenen Grenzen sind auf einer deutschen Karte im Maßstab
1:100000, die dem gegenwärtigen Vertrag unter Nr. 3 als Anlage beigefügt ist,
eingezeichnet.
Artikel 101.
Ein Ausschuß, der aus drei von den alliierten und assoziierten
Hauptmächten ernannten Mitgliedern , darunter einem Oberkommissar als Vorsitzenden und
aus je einem von Deutschland und Polen ernannten Mitgliede besteht, tritt binnen zwei
Wochen nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags zusammen, um unter möglichster
Berücksichtigung der bestehenden Gemeindegrenzen die Grenzlinie für das vorstehend
bezeichnete Gebiet an Ort und Stelle festzulegen.
Artikel 102.
Die alliierten und assoziierten Hauptmächte verpflichten sich,
die Stadt Danzig nebst den im Artikel 100 bezeichneten Gebiet als Freie
Stadt zu begründen; sie tritt unter den Schutz des Völkerbunds.
Artikel 103.
Die Verfassung der Freien Stadt Danzig wird im Einvernehmen mit
einem Oberkommissar des Völkerbunds von ordnungsgemäß berufenen Vertretern der Freien
Stadt Danzig ausgearbeitet. Die Verfassung wird von dem Völkerbund gewährleistet.
Der Oberkommissar wird ferner mit der erstinstanzlichen Entscheidung aller
Streitigkeiten betraut, die zwischen Polen und der Freien Stadt aus Anlaß des
gegenwärtigen Vertrags oder ergänzender Vereinbarungen und Abmachungen entstehen
sollten.
Der Oberkommissar hat seinen Sitz in Danzig.
Artikel 104.
Die alliierten und assoziierten Hauptmächte verpflichten sich,
ein Übereinkommen zwischen der polnischen Regierung und der Freien Stadt Danzig zu
vermitteln, daß mit der Begründung der Freien Stadt in Kraft treten und den Zweck haben
soll:
1. die Freie Stadt Danzig in das polnische Zollgebiet aufzunehmen und
die Einrichtung einer Freizone im Hafen in die Wege zu leiten;
2. Polen die freie Benutzung in den Gebrauch der Wasserstraßen, Docks,
Binnenhäfen, Ladestraßen und der sonstigen im Gebiete der Freien Stadt belegenen, für
die Ein- und Ausfuhr Polens notwendigen Anlagen ohne irgendwelche Einschränkung zu
gewährleisten;
3. Polen die Überwachung und Verwaltung der Weichsel sowie des
gesamten Eisenbahnnetzes innerhalb der Grenzen der Freien Stadt , mit Ausnahme der
Straßenbahnen und der sonstigen in erster Linie den Bedürfnissen der Freien Stadt
dienenden Bahnen, ferner die Überwachung und Verwaltung des Post-, Draht- und
Fernsprechverkehrs zwischen Polen und dem Hafen von Danzig zu gewährleisten;
4. Polen das Recht zum Ausbau und zur Verbesserung der Wasserstraßen,
Docks, Binnenhäfen, Ladestraßen, Eisenbahnen und der sonstigen vorerwähnten Anlagen und
Verkehrsmittel zu gewährleisten, sowie das Recht zur Miete oder zum Ankauf des dazu
erforderlichen Geländes und Eigentums zu angemessenen Bedingungen;
5. Vorsorge zu treffen, daß in der Freien Stadt Danzig keinerlei
unterschiedliche Behandlung der Bevölkerung zum Nachteil der polnischen
Staatsangehörigen und anderer Personen polnischer Herkunft oder polnischer Zunge
stattfindet;
6. der polnischen Regierung die Leitung der auswärtigen
Angelegenheiten der Freien Stadt Danzig sowie den Schutz ihrer Staatsangehörigen im
Ausland zu übertragen.
Artikel 105.
Mit dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags verlieren die in
dem im Artikel 100 bezeichneten Gebiete wohnhaften deutschen
Reichsangehörigen von Rechtswegen die deutsche Reichsangehörigkeit und werden
Staatsangehörige der Freien Stadt Danzig.
Artikel 106.
Zwei Jahre lang nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags
sind die über achtzehn Jahre alten deutschen Reichsangehörigen, die in dem in Artikel 100 bezeichneten Gebiet ihren Wohnsitz haben, berechtigt, für die
deutsche Reichsangehörigkeit zu optieren.
Die Option der Ehemanns erstreckt ihre Wirkung auf die Ehefrau, die Option der
Eltern erstreckt ihre Wirkung auf Kinder unter achtzehn Jahren.
Personen, die von dem oben vorgesehenen Optionsrecht Gebrauch machen, müssen in
den nächsten zwölf Monaten ihren Wohnsitz nach Deutschland verlegen.
Es steht ihnen frei, daß unbewegliche Gut, das sie im Gebiete der Freien Stadt
Danzig besitzen zu behalten. Sie dürfen ihr gesamtes bewegliches Gut mitnehmen. Es wird
dafür keinerlei Ausfuhr- oder Einfuhrzoll von ihnen erhoben.
Artikel 107.
Alles Gut des Deutschen Reiches oder der deutschen Staaten, das im
Gebiet der Freien Stadt Danzig liegt, geht auf die alliierten und assoziierten
Hauptmächte über, um von diesen, nach gerechtem Ermessen an die Freie Stadt oder den
polnischen Staat weiter abgetreten zu werden.
Artikel 108.
Umfang und Art der finanziellen Lasten, die die Freie Stadt vom
Deutschen Reiche und von Preußen zu übernehmen hat, werden nach Artikel 254 Teil IX (Finanzielle Bestimmungen)
des gegenwärtigen Vertrags festgesetzt.
Alle anderen Fragen, die sich aus der Abtretung des in Artikel 100
bezeichneten Gebiets ergeben, werden durch spätere Bestimmungen geregelt.
Abschnitt XII.
Schleswig.
Artikel 109.
Die Grenze zwischen Deutschland und Dänemark wird in
Übereinstimmung mit dem Wunsche der Bevölkerung festgesetzt.
Zu diesem Zwecke wird die Bevölkerung derjenigen Gebiete des bisherigen Deutschen
Reichs, die nördlich einer von Osten nach Westen verlaufenden (auf der dem gegenwärtigen
Vertrag als Anlage beigefügten Karte Nr. 4 durch einen braunen Strich kenntlich
gemachten) Linie gelegen sind,
die von der Ostsee ungefähr 13 km ostnordöstlich von Flensburg
ausgeht,
sich dann nach
Südwesten wendet und südöstlich von Sygum, Ringsberg, Munkbrarup,
Adelby, Tastrup, Jarplund, Oversee und nordwestlich von Langballigholz, Langballig,
Bönstrup, Rüllschau, Weseby, Kleinwolfstrup, Groß-Solt verläuft,
dann gegen Westen südlich von Frörup, nördlich von Wanderup
verläuft,
dann gegen Südwesten südöstlich von Oxlund, Stieglund und Ostenau
und nordwestlich der Dörfer an der Straße Wanderup-Kollund verläuft,
dann gegen Nordwesten südwestlich von Löwenstedt, Joldelund,
Goldelund und nordöstlich von Kolkerheide und Högel bis zum Knie der Soholmer Au, etwa 1
km östlich von Soholm verläuft, wo sie mit der Südgrenze des Kreises Tondern
zusammentrifft,
dieser Grenze bis zur Nordsee folgt
und südlich der Inseln Föhr und Amrum und nördlich der Inseln Oland
und Langeneß verläuft,
berufen, ihren Willen durch eine Abstimmung kundzutun, die unter den nachstehenden
Bedingungen stattfindet:
1. Mit Inkrafttreten dieses Vertrags, und zwar längstens binnen zehn Tagen, haben
die deutschen Truppen und Behörden (einschließlich der Oberpräsidenten,
Regierungspräsidenten, Landräte, Amtsvorsteher, Oberbürgermeister) die nördlich der
oben festgesetzten Linie liegende Zone zu räumen.
Binnen derselben Frist werden die in dieser Zone bestehenden Arbeiter- und
Soldatenräte aufgelöst; ihre Mitglieder, die aus einer anderen Gegend stammen und ihr
Amt bei Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags noch ausüben oder es nach dem 1. März
1919 niedergelegt haben, fallen gleichfalls unter die Räumungsvorschrift.
Die genannte Zone wird unverzüglich einem internationalen Ausschuß von fünf
Mitgliedern unterstellt, von denen drei durch die alliierten und assoziierten Hauptmächte
ernannt werden; die norwegische und die schwedische Regierung sollen ersucht werden, je
ein weiteres Mitglied zu benennen; erfolgt die Benennung durch diese Regierungen nicht, so
werden die beiden Mitglieder von den alliierten und assoziierten Hauptmächte gewählt.
Der Ausschuß, der nötigenfalls von den erforderlichen Streitkräften unterstützt
wird, erhält allgemeine Verwaltungsbefugnis. Er hat insbesondere unverzüglich für den
Ersatz der von der Räumungsvorschrift betroffenen deutschen Behörden zu sorgen und
gegebenenfalls selbst insoweit die Räumung anzuordnen und der Ersatz der etwa in Frage
kommenden Ortsbehörden in die Wege zu leiten. Er hat alle Maßnahmen zu treffen, die er
zur Sicherung einer freien, unbeeinflußten und geheimen Stimmenabgabe für erforderlich
hält. Er hat deutsche und dänische technische Berater, die er sich selbst unter der
örtlichen Bevölkerung auswählt, zur Hilfeleistung heranzuziehen. Er entscheidet mit
Stimmenmehrheit.
Die Hälfte der Kosten des Ausschusses und der durch die Volksabstimmung
verursachten Ausgaben fallen Deutschland zur Last.
2. Stimmberechtigt ist jede Person, ohne Unterschied des Geschlechts, die den
nachstehenden Bedingungen genügt:
a) Sie muß bei Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags das
zwanzigste Lebensjahr vollendet haben;
b) Sie muß in der Zone, wo die Volksabstimmung stattfindet, geboren
sein oder dort seit einem vor dem 1. Januar 1900 liegenden Zeitpunkt ihren Wohnsitz haben
oder von den deutschen Behörden ohne Beibehaltung des Wohnsitzes in der Zone ausgewiesen
worden sein.
Jeder stimmt in der Gemeinde ab, in der er seinen Wohnsitz
hat oder aus der er stammt.
Den Militärpersonen, Offizieren, Unteroffizieren und Soldaten der deutschen Armee,
die aus der Zone Schleswigs stammen, wo die Volksabstimmung stattfindet, ist zwecks
Teilnahme an der Abstimmung die Rückkehr an ihren Heimatort zu ermöglichen.
3. In dem Abschnitt der geräumten Zone, der nördlich einer von Osten nach Westen
verlaufenden (auf der dem gegenwärtigen Vertrage als Anlage beigefügten Karte Nr. 4 mit
einem roten Strich kenntlich gemachten) Linie liegt, welche:
südlich der Insel Alsen verläuft und der Mittellinie der Flensburger
Förde folgt,
die Förde an einem Punkt ungefähr 6 km nördlich von Flensburg
verläßt und dem Laufe des bei Kupfermühle vorbeifließenden Baches aufwärts bis zu
einem Punkt nördlich von Niehuus folgt,
dann nördlich von Pattburg und Ellund und südlich von Fröslee
verläuft und die Ostgrenze des Kreises Tondern an dem Punkte erreicht, wo sie mit der
Grenze zwischen dem ehemaligen Gerichtssprengel von Slogs und Kjaer (Slogs Herred und
Kjaer Herred) zusammentrifft,
dieser letzteren Grenze bis zum Scheidebeck folgt,
dann abwärts dem Laufe des Scheidebeck (Alte Au) der Süderau und der
Wiedau bis zu der nordwärts gerichteten Biegung folgt, die diese letztere ungefähr 1˝
km westlich von Ruttebüll beschreibt,
sich dann nach West-Nordwesten wendet und die Nordsee nördlich von
Sieltoft erreicht,
von dort nördlich der Insel Sylt verläuft,
wird spätestens drei Wochen nach erfolgter Räumung des Landes durch die deutschen
Truppen und Behörden zu der oben vorgesehenen Abstimmung geschritten.
Das Wahlergebnis bestimmt sich nach der Mehrheit der in diesem gesamten Abschnitt
abgegebenen Stimmen. Es wird von dem Ausschuß unverzüglich zur Kenntniß der alliierten
und assoziierten Hauptmächte gebracht und verkündet.
Lautet das Abstimmungsergebnis auf Wiederangliederung dieses Gebietes an das
Königreich Dänemark, so darf die dänische Regierung nach Verständigung mit dem
Ausschuß das Gebiet unmittelbar nach jener Verkündung durch ihre Militär- und
Verwaltungsbehörden besetzen lassen.
4. In dem Abschnitt der geräumten Zone, der südlich des vorstehend behandelten
Abschnittes und nördlich einer Linie liegt, die an der Ostsee 13 Kilometer von Flensburg
beginnt und nördlich der Inseln Oland und Langeneß endet, wird spätestens fünf Wochen
nach der Abstimmung in dem ersten Abschnitt zur Abstimmung geschritten.
Das Abstimmungsergebnis wird hier gemeindeweise, und zwar nach der Stimmenmehrheit
in jeder Gemeinde festgestellt.
Artikel 110.
Bis zur Festlegung der Grenze an Ort und Stelle wird von den
alliierten und assoziierten Hauptmächten eine Grenzlinie bestimmt. Ihre Linienführung
wird von dem internationalen Ausschuß vorgeschlagen; sie hat das Abstimmungsergebnis
zugrunde zu legen und die besonderen geographischen und wirtschaftlichen Verhältnisse der
Ortschaften zu berücksichtigen.
Von diesem Zeitpunkt an kann die dänische Regierung diese Gebiete durch dänische
Zivil- und Militärbehörden besetzen lassen, ebenso kann die deutsche Regierung bis zu
der genannten Grenzlinie die von ihr zurückgezogenen deutschen Zivil- und
Militärbehörden wiedereinsetzen.
Deutschland erklärt, endgültig zugunsten der alliierten und assoziierten
Hauptmächte auf alle Souveränitätsrechte über die Gebiete Schleswigs zu verzichten,
die nördlich der in der oben angegebenen Weise festgesetzten Grenzlinie liegen. Die
alliierten und assoziierten Hauptmächte werden diese Gebiete Dänemark zuweisen.
Artikel 111.
Ein Ausschuß von sieben Mitgliedern, von denen fünf von den
alliierten und assoziierten Hauptmächten und je eines von Dänemark und Deutschland
ernannt werden, tritt binnen zwei Wochen nach der Feststellung des endgültigen
Abstimmungsergebnisses zusammen, um an Ort und Stelle den Lauf der Grenzlinie festzulegen.
Der Ausschuß entscheidet mit Stimmenmehrheit. Seine Entscheidungen sind für die
Beteiligten bindend.
Artikel 112.
Alle Einwohner des an Dänemark zurückfallenden Gebietes erwerben
von Rechtswegen das dänische Indigenat (Bürgerrecht) unter Verlust der deutschen
Reichsangehörigkeit.
Jedoch können Personen, die sich erst nach dem 1. Oktober 1918 in diesem Gebiet
niedergelassen haben, das dänische Indigenat nur mit Genehmigung der dänischen Regierung
erwerben.
Artikel 113.
Zwei Jahre lang nach dem Tage, an dem die Souveränität über die
Gesamtheit oder einen Teil der Gebiete, in denen Volksabstimmungen stattfindet, an
Dänemark zurückfällt,
kann jede über achtzehn Jahre alte Person, die in den an Dänemark
zurückfallenden Gebieten geboren ist, aber keinen Wohnsitz in dieser Gegend hat und die
deutsche Reichsangehörigkeit besitz, für Dänemark optieren;
und jede über achtzehn Jahre alte Person, die in den an Dänemark
zurückfallenden Gebieten ihren Wohnsitz hat, für Deutschland optieren.
Die Option des Ehemanns erstreckt ihre Wirkung auf die Ehefrau und die Option der
Eltern erstreckt ihre Wirkung auf Kinder unter achtzehn Jahren.
Personen, die von dem oben vorgesehenen Optionsrecht Gebrauch macht haben, müssen
in den nächsten zwölf Monaten ihren Wohnsitz in das Gebiet des Staates verlegen, für
den sie optiert haben.
Es steht ihnen frei, das unbewegliche Gut zu behalten, das sie in dem Gebiete des
anderen Staates besitzen, in dem sie vor der Option wohnten. Sie dürfen ihr gesamtes
bewegliches Gut mitnehmen. Es wird dafür keinerlei Ausfuhr- oder Einfuhrzoll von ihnen
erhoben.
Artikel 114.
Umfang und Art der finanziellen Lasten, die Dänemark vom
Deutschen Reiche oder von Preußen zu übernehmen hat, werden nach Artikel 254 Teil IX (Finanzielle Bestimmungen)
des gegenwärtigen Vertrags festgesetzt.
Alle anderen Fragen, die sich aus dem ganzen oder teilweisen Rückfall der Gebiete,
deren Aufgabe der Vertrag vom 30. Oktober 1864 Dänemark auferlegt hatte, an dieses Land
ergeben, werden durch besondere Bestimmungen geregelt.
Abschnitt XIII.
Helgoland.
Artikel 115.
Befestigungen, militärischen Anlagen und Häfen der Insel
Helgoland und der Düne sind unter Überwachung der alliierten und assoziierten
Hauptregierungen von der deutschen Regierung auf eigene Kosten innerhalb einer von den
genannten Regierungen festgesetzten Frist zu zerstören.
Unter "Häfen" sind zu verstehen:
Die Nordost-Mole, der Westdamm, die äußeren und inneren Wellenbrecher, die
Geländeteile, die innerhalb dieser Wellenbrecher dem Meere abgewonnen sind, sowie alle
vollendeten oder im Bau befindlichen Marine- und Militäranlagen, -befestigungen und
-bauten innerhalb der Linien, welche die nachstehenden Orte, so wie sie auf der Karte Nr.
126 der britischen Admiralität vom 19. April 1918 verzeichnet sind, verbinden:
a) Nördliche Breite 54° 10' 49";
Östliche Länge 7° 53'
30";
b) Nördliche Breite 54° 10' 35";
Östliche Länge 7° 54'
18";
c) Nördliche Breite 54° 10' 14";
Östliche Länge 7° 54'
00";
d) Nördliche Breite 54° 10' 17";
Östliche Länge 7° 53'
37";
e) Nördliche Breite 54° 10' 44";
Östliche Länge 7° 53'
26";
Deutschland darf weder diese Befestigungen noch diese militärischen Anlagen
wiedererrichten, auch nicht diese Häfen wiederanlegen oder irgendein entsprechendes Werk
künftig herstellen.
Abschnitt XIV.
Rußland und die russischen Staaten.
Artikel 116.
Deutschland erkennt die Unabhängigkeit aller Gebiete, die am 1.
August 1914 zum ehemaligen russischen Reiche gehörten, an und verpflichtet sich, diese
Unabhängigkeit als dauernd und unantastbar zu achten.
Gemäß den Bestimmungen der Artikel 259 und 292 Teil IX (Finanzielle Bestimmungen)
und Teil X (Wirtschaftliche Bestimmungen) des gegenwärtigen
Vertrags erkennt Deutschland die Aufhebung der Verträge von Brest-Litowsk sowie aller
anderen Verträge, Vereinbarungen und Übereinkommen an, die es mit der maximalistischen
Regierung in Rußland abgeschlossen hat.
Die alliierten und assoziierten Mächte behalten sich ausdrücklich die Rechte
Rußlands vor, von Deutschland jede Widerherstellung und Wiedergutmachung zu erhalten, die
den Grundsätzen des gegenwärtigen Vertrags entspricht.
Artikel 117.
Deutschland verpflichtet sich, die volle Gültigkeit aller
Verträge und Vereinbarungen anzuerkennen, die von den alliierten und assoziierten
Mächten mit den Staaten abgeschlossen werden, die sich auf dem Gesamtgebiete des
ehemaligen russischen Reiches, wie es am 1. August 1914 bestand, oder in einem Teil
desselben gebildet haben oder noch bilden werden. Deutschland verpflichtet sich ferner,
die Grenzen dieser Staaten so, wie die danach festgesetzt werden, anzuerkennen.
[...]
[ Teil IV.
Deutsche Rechte und Interessen außerhalb Deutschlands]
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