[Schreiben Sr. Majestät der Kaisers der Franzosen, Königs von
Italien, Protektor des Rheinischen Bundes Napoleon an Se. Hoheit den Fürsten Primas
Dalberg.[1]
Vom 11. September 1806.]
Mein Bruder! Da die Formen Unserer Kommunikationen, in Unserer Eigenschaft als
Protektor, mit den in einem Kongresse zu Frankfurt versammelten Souverainen noch nicht
festgesetzt sind, so glaubten Wir, keine derselben sey angemessener, als gegenwärtiges
Schreiben an Ew. Hoheit gelangen zu lassen, um solches beiden Kollegien mitzutheilen.
Welches Organ hätten Wir auch wohl natürlicher wählen können, als jenes
eines Fürsten, dessen Weisheit die Vorbereitung des ersten Fundamental-Statuts
anvertraut wurde? Wir hätten abgewartet, bis dieses Statut vom Bundestage
beschlossen und Uns mitgetheilt worden wäre, wenn es nicht
Anordnungen enthalten müßte, die Uns allein angehen. Dies allein konnte Uns
vermögen, selbst die erste Eröffnung zu machen, um Unsere Gesinnungen und
Betrachtungen der Weisheit der konföderirten Fürsten zu unterlegen.
Als Wir den Titel: Protektor des Rheinischen Bundes annahmen, hatten Wir keine
andere Absicht, als rechtlich festzusetzen, was in der That seit mehreren
Jahrhunderten bestand. Mit dieser Annahme haben Wir die doppelte Verbindlichkeit
übernommen, das Gebiet des Bundes selbst gegen fremde Truppen, und
das Gebiet eines jeden Bundesgenossen gegen die Unternehmungen der übrigen zu
sichern. Diese blos zur Erhaltung abzweckende Verbindlichkeiten sind Unserm Herzen werth.
Sie sind jenen Gesinnungen von Wohlwollen und Freundschaft angemessen, wovon Wir unter
allen Umständen den Gliedern des Bundes stets Beweise gegeben haben. Aber hierauf
beschränken sich auch Unsere Verpflichtungen gegen sie. Wir sind durchaus nicht
gesonnen, Uns den Theil von Souverainität anzumaßen, welchen der deutsche Kaiser
als Oberlehnsherr ausübte. Da die Regierung der Völker, welche die Vorsicht Uns
anvertraut hat, Uns ganz beschäftigt; so könnten Wir eine Vermehrung Unserer
Obliegenheiten nicht entstehen sehen, ohne darüber beunruhigt zu werden. Man soll Uns das
Gute nicht zuschreiben, welches die Souverains in ihren Staaten bewirken; aber man soll
Uns auch nicht Uebel beimessen, welche der Wechsel menschlicher Dinge herbeiführen kann.
Die innern Angelegenheiten eines jeden Staats gehen Uns nichts an. Die Fürsten des
rheinischen Bundes sind Souverains, ohne einen Oberlehnsherrn zu haben. Wir haben sie als
solche anerkannt. Die Zwistigkeiten, in welche sie mit ihren Unterthanen verwickelt werden
könnten, dürfen daher an keinen fremden Gerichtshof gezogen werden. Die
Bundesversammlung ist ein politisches Tribunal, bestimmt, den Frieden zwischen den
verschiedenen Souverains zu erhalten, aus welchen der Bund besteht. Da Wir alle übrigen
Fürsten, welche den deutschen Staatskörper bilden, als unabhängige Souverains anerkannt
haben; so können Wir niemanden, wer es auch sey, als ihren Oberlehnsherrn anerkennen.
Nicht die Verhältnisse von Oberlehnsherrlichkeit knüpfen Uns an den rheinischen Bund,
sondern blos die Verhältnisse einer einfachen Beschützung. Mächtiger als die
verbündeten Fürsten wollen Wir das Uebergewicht Unserer Macht nicht zur Beschränkung
ihrer Souverainitätsrechte, sondern zu derselben Sicherstellung in ihrem ganzen Umfange
anwenden.
Übrigens bitten Wir Gott, daß er Sie, mein Bruder, in seinen heiligen und
würdigen Schutz nehme.
Gegeben in Unserm kaiserlichen Pallaste zu St. Cloud am 11. September
1806.
Unterzeichnet: Napoleon. |
Für gleichlautende Abschrift bescheinigt: |
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Der Minister der auswärtigen Verhältnisse |
Unterzeichnet: |
K. M. Talleyrand,
Fürst von Benevent.
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