Note des französischen Geschäftsträgers Herrn Bacher
übergeben bei der Reichsversammlung zu Regensburg.[1]
[Vom 1. August 1806.]
Dictatum Ratisbonnae die 1. Augusti 1806. per
Archicancellariensem.
Der unterzeichnete Geschäftsträger Sr. Majestät des Kaisers der
Franzosen, Königs von Italien, bei der allgemeinen deutschen Reichsversammlung hat von
Sr. Majestät Befehl erhalten, dem Reichstage die folgende Erklärungen vorzulegen:
"Seine Majestäten die Könige von Baiern und Würtemberg, die souverainen
Fürsten von Regensburg, Baden, Berg, Hessen-Darmstadt, Nassau und die andern
fürnehmsten Fürsten des südlichen und westlichen Deutschlands haben den
Entschluß gefaßt, unter sich eine Conföderation zu bilden, welche
sie gegen jede Ungewißheit der Zukunft sichre, und haben aufgehört,
Reichsstände zu seyn."
"Da die Lage, in welcher der Vertrag von Preßburg die mit Frankreich alliirte Höfe
unmittelbar und mittelbar die zwischen jenen und an ihren Gränzen gelegene Fürsten
gesetzt hat, mit der Eigenschaft eines Reichsstandes unvereinbar war, so lag hierin für sie und diese Fürsten eine Nothdigkeit,
das System ihrer Beziehungen nach einem neuen Plan zu ordnen und daraus einen Widerspruch
auszuscheiden, der eine fortwährende Quelle der Umtriebe, der Unruhe und Gefahr
wäre."
"Frankreich seiner Seits, das bei der Erhaltung des Friedens im südlichen
Deutschland so wesentlich interessirt war, und welches nicht zweifeln konnte, daß von dem
Augenblicke an, als es seine Truppen über den Rhein hätte zurückgehen lassen, die
Zwietracht, als unausbleibliche Folge widersprechender oder ungewisser, schlecht
bestimmter und übelverstandener Verhältnisse, die Ruhe der Völker von Neuem gefährdet
und vielleicht das Kriegsfeuer auf dem festen Lande wieder angezündet haben würde, das
zudem verpflichtet war, zum Glück seiner Verbündeten beizutragen, und ihnen den Genuß
aller Votheile zu verschaffen, welcher der Vertrag von Preßburg ihnen sichert und ihnen
garantirt hat, konnte in der Conföderation, welche sie gebildet haben, blos eine
natürliche Folge und die nothwendige Erfüllung dieses Vertrages erblicken."
"Seit langer Zeit hatten wiederholte Erschütterungen, die von Jahrhundert zu
Jahrhundert noch zugenommen haben, die deutsche Verfassung zu einem blosen Schattengebilde
ihrer selbst gemacht. Die Zeit hatte alle Verhältnisse der Größe und der Kräfte,
welche ursprünglich unter den verschiedenen Gliedern der Conföderation, zwischen jedem
unter ihnen und dem Ganzen herrschten, wovon sie ein Theil waren, verändert. Der
Reichstag hatte aufgehört, einen Willen zu haben, der ihm eigenthümlich war. Die
Aussprüche der höchsten Reichsgerichte konnten nicht zur Vollziehung gebracht werden.
Alles bezeugte eine so grose Schwächung, daß das föderative Band Niemand mehr eine
Garantie darboth und unter den Mächtigen blos ein Mittel der Uneinigkeit und Zwietrach
war. Die Begebenheit der drei Koalitionen haben diese Schwäche auf ihren äussersten Grad
gebracht. Ein Kurfürstenthum ist durch die Vereinigung Hannovers mit Preußen
eingegangen, ein König des Nordens hat seinen andern Staaten eine der Reichs-Provinzen
einverleibt, der Vertrag von Preßburg hat Seinen Majestäten den Königen von Baiern und
Würtemberg und Sr. durchlauchtigsten Hoheit dem Kurfürsten von Baden die volle
Souverainität beigelegt, eine Prärogative, welche die andern Kurfürsten unstreitig
reklamiren würden, und auch Grund hätten, sie anzusprechen, die sich aber weder mit dem
Buchstaben noch mit dem Geiste der Reichsverfassung vereinigen läßt."
"Seine Majestät der Kaiser und König ist daher genöthigt, zu erklären, daß er
das Daseyn der deutschen Reichsverfassung nicht mehr anerkennt, wohl aber die
gänzliche und vollkommene Souverainität eines jeden der Fürsten anerkennt,
aus deren Staaten nunmehr Deutschland besteht und mit ihnen dieselben Verhältnisse,
als mit den andern unabhängigen Staaten Europens beibehält."
"Seine Majestät der Kaiser und König hat den Titel Protector der Rheinischen
Konföderation angenommen. Er hat es blos in friedlichen Absichten gethan, und
damit seine Vermittlung, fortwährend zwischen den schwächsten und stärksten eintretend,
jeder Art von Uneinigkeit und Unruhen zuvorkomme."
"Nachdem der Kaiser und König so den theuersten Interessen seines Volkes und seiner
Nachbarn Genüge geleistet, nachdem er so viel an ihm gelegen, der künftigen Sicherheit
Europens und insbesondere der Ruhe Deutschlands, welches immer der Kriegsschauplatz
gewesen, durch die Aufhebung eines Widerspruches, welcher die Völker und Fürsten unter
den scheinbaren Schutz eines in der That ihren politischen Interessen und ihren Vertragen
entgegengesetzten Systems stellte, vorgesehen hat: hoft er, daß endlich die Nationen
Europens das Ohr den Eingebungen jener verschließen werden, welche auf dem festen Lande
einen ewigen Krieg unterhalten wollten, daß die Französischen Armeen, welche den Rhein
passirt haben, zum letzten Mahl über denselben gegangen sind, und daß die Völker
Teuschlands in der Geschichte der Vergangenheit lediglich mehr das schröckliche Gemählde
der Unordnung jeder Art, der Verheerungen und des Mordes erblicken, welche der Krieg mit
sich führt."
"Seine Majestät haben erklärt, daß sie nie die Gränzen Frankreich über den
Rhein ausdehnen werden. Sie sind ihrem Versprechen getreu geblieben. Jetzt ist ihr
einziges Verlangen, die von der Vorsehung ihnen anvertrauten Mittel anwenden zu
können, um die Meere zu befreien, dem Handel seine Freiheit zu geben, und so die Ruhe und
das Glück der Welt zu sichern."
Regensburg am 1sten August 1806.
|